Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, June 04, 1850, Image 1

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    We» »in s, Venn. Gedruckt und herausgegeben vonAruoid Puwe>l e, in der Süd «ten Straße, zwischen der Franklin- und Ehesnut. Slraße,
Jahrg. IN, ganze Nnm. SS7.
Sedmgungen : Der Niber.llr Vroll.iclltrr erscheint jeden Dienstag auf eine,., großen Lupen.,l - Bogen mit schönen Lettern .gedruckt. Der LubfcriptionS - Preis' ist Ein Thäler des welcher in kalbiäl.. 11.1.e
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer .m Laufe des Zahres nicht bezalllt, de», werden HI 5,„ angerechnet. Für kürzere Zeit als L Monate w.rd kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündiaunaen werden >n.c
dann angenommen, wenn sie einen Monat vor 'Ablauf des Lub,er.pt, ge,chel,en und gleichzeitig alle Rückstände abbezal.lt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den aewöhnlichen Breis ein
gerückt. Unker,chreibern in hiesiger Ltadr wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post ober Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briefe und 'dergl. müssen postfr e i eingesandt werden
Die Vestalin Azulia.
Eine Skizze a»6 dem Goldlande
(Schluß.)
Eine Woche war seitdem verflossen.
Das Dorf der Minen schien gänzlich ver
ändert, besonders was die Beschäftigung
seiner Bewohner betraf. Die mexikani
schen Frauenzimmer—Weiber der Arbei
ter —waren in ihren festverwahrten Häu
sern verschlossen, und die Männer, einige
fünfzig an der Zahl, paradirten am west
lichen AbHange des Hügels, als erwarteten
sie einen feindlichen Besuch. Diese be
fremdende Erscheinung klärte sich bald auf.
Eine unermeßliche Staubwolke kam rollend
herab an einem tiefen Arroyo der Mim
bres, und zugleich erschallte von dorther
ein betäubendes Geheul. Am Fuße des
Abhanges, wo der Sand aufhörte und
Kupfererz begann, brach sich die Wolke und
enthüllte zahlreiche Reihen indianischer
Reiter, die im gestreckten Galopp heran
brausten. Alle trugen auf ihren Köpfen
ein spiziges Paar Büffelhörner oder an
dere Zeichen wilder Thiere, und Ueberreste
der zottigen Häute hingen an ihren Rü
cken hetab. Der übrige Theil ihrer Kör
per war mit verschiedenen Farben bemalt.
Bollständig bewaffnet mit Musketen,
Speeren, Vogen und Pfeilen und unge
wöhnlich stark an Zahl, war der erste Stoß
ihres Angriffes furchtbar. Der verzwei
felte Muth der Amerikaner würde vielleicht
dieser Gefahr gewachsen gewesen sein,
wenn nicht ein anderer zahlloser Trupp ih
re Flanken und ihren Rücken angefallen
hätte, während weiter rückwärts das Jam
mergeschrei der Weiber und Kinder in je
dem Gebäude des Dorfes allgemeine Plün
derung ankündigte. Binnen wenigen Mi
nuten war das Treffen vorüber und die
Vertheidiger der Mine meistens erschlagen.
Die Ueberlebenden wurden einem noch
schrecklicheren Schicksal vorbehalten, die
Männer zur blutigen Opferung, und die
Weiber zu lebenslänglicher Sklaverei.
So sind die Kriegsgebräuche der grausa
men Apachen!
Man setzte die Gefangenen auf Pferde
und Maulthiere und führte sie eiligst über
das Mimbresgebirge. Am vierten Tage
sie das riefe Thal des Pietro
» und hielten vor der spiralen „Butte" neben
! dem Höhlentempel, in welchem das ewige
Sonnenfeuer der Azteken brannte. Hier
wurden die Weiber und Kinder unter die
Sieger vertheilt und ein ungeheurer Schei
terhaufen für die amerikanischen Männer
errichtet. Jedes der unglücklichen Opfer
band man an einen abgesonderten Pfahl,
worauf der Henker mit einem brennenden
Holzstücke den leicht entzündbaren Hau
fen von dürren Sträuchen ansteckte. Ei-
ne prasselnde Feuersäule loderte in der
Mitte auf und breitete sich schnell bis zum
Rande aus. Dann stieß die versammelte
Menge, unter der sich die heilige Priester
schaft befand, ein so teuflisches Jubelge
heul aus, daß es die Klippen der benachbar
ten Berge zu erschüttern schien.
Alfred Ellis warf einen Abschiedsblick
*gegen den Himmel, der so hell und blau
schimmerte, wie in den Tagen
I benjahre. Er dachte an seine verwittwete
Mutter und liebevoll lächelnde Schwester
weit, weit entfernt in Charleston, am
entlegenen Meere, und sagte zu sich selbst :
„O verfluchter Dämon der gelben Minen,
l du hast mich hierher gebracht und die ein
zigen Herzen gebrochen, welche mich jemals
liebten!"
„Sprich nicht so !" rief eine Stimme
in zärtlichem Tone. Die Worte schallten
in seiner eigenen theuren Sprache an sein
Ohr ; der verzweifelnde Jüngling faßte ei
nen schwachen Hoffnungsstrahl und richte
te seinen Blick auf die dunkle, wilde Menge
sah aber nichts als abschreckende Züge, in
denen sich Rachsucht und unaussprechlicher
Haß malte. Seine Ohren müssen ihn ge
täuscht haben,— es konnte nicht sein, und
doch kannte er die Stimme nur zu gut.
Sie hatte unter den Wällen von Pecos
seiner Seele den warmen Hauch von Tau
send Schwüren zugewispert. Aber es
Wer Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caumies allgemeiner Anzeiger. /
blieb ihm zu Betrachtungen keine Zeit üb
rig. Die rochen Flammen krochen auf
ihn zu,—er fühlte bereits die Annäherung
ihrer sengenden Hitze. Mehrere seiner
Unglücksgenossen loderten schon hell auf,
jedesmal kündigte ein allgemeines Geheul
an, wenn einer in Brand gerieth. Der
Wind blies von der Seite, an welcher sich
Ellis befand ; dies gab ihm Frist, obgleich
nur auf einen Augenblick.
„Es konnte die Vestalin nicht sein,"
sagte der junge Mann laut. „Sie hat
mich vergessen, oder liebte mich vielleicht
nie!"
„Sprich nicht so!" rief nochmals die
Stimme und setzte sogleich hinzu : Sie ist
nahe, die Dich retten oder das Feuer mit
Dir theilen wilZ!"
Ellis schaute nochmals umher, unter
schied aber nur durch den verdunkelnden
Rauch die wildgierigen Gestalten der nack
ten Apachen. Im nächsten Augenblicke
wirbelte der Wind ein wenig in anderer
Richtung und die Flamme flackerte ihm
ins Gesicht.
„Azulia!" schrie er mit einer Stimme
voll Entsetzen und Flehen.
„Ein Wunder! ein Wunder! rief es
durchdringend wie Trompetengeschmetter
in indianischer Sprache. „Ein Wun
der ! der Sonnengott gebietet und muß sein
Opfer lebend haben!"
„Und die letzte Tochter Montezuma's
stürzte durch den heulenden Kreis, und
hieb mit einem Beil das Opfer los vom
Pfahle. Diese That rief tiefes Erstau
nen unter den Wilden hervor, das sich
schnell in zornige Unzufriedenheit verwan
delte.
„Der ist der Häuptling der Goldgräber
und muß deßhalb brennen !" brüllten
hundert Hälse, und hundert Tomahawk s
erhoben sich, um ihn zu Boden zu schlagen.
„Habt ihr das Wunder nicht gesehen ?
Er rief meinen Namen !" sagte die blasse
Priesterin als dringende Gegenrede. Die
se Einsprache machte großen Eindruck auf
diese unwissenden und abergläubischen Kin
der der Wüste- ~E6 ist wahr! Es ist
wahr!" riefen Viele vor Erstaunen und
Ehrfurcht.
Eine Person jedoch, und zwar die wich
tigste und bedeutendste von Allen, war nicht
überzeugt. Ein plötzlicher Gedanke schien
den grauhaarigen Priester Velasco zu
durchzucken. „Sie lebte früher eiumal in
dem Hausteines Amerikaners zu Pecos,"
sagte der alte Mann und schüttelte trau
rig den Kopf.
„Dann mögen sie einander schon gesehen
haben!" heulten die Apachen, und einige
setzten hinzu: „Bielleicht sind sie in ein
ander verliebt, —wir verbrennen sie lieber
beide!"
„Verbrennt sie Beide!" erschallte das
wilde Geschrei, aller Hoffnung den Todes
stoß gebend; denn die blutdürstigen dräng
ten sich zugleich vor, um ihre mörderische
Absicht auszuführen. Doch jetzt kam die
Natur selbst gleichsam aus Erbarmen
—rettend zu Hülfe.
Ein dumpfes Dröhnen ließ sich in den be
nachbarten Bergen vernehmen —ein leich
ter Stoß eines Erdbebens rollte vorüber
und brach einen riesenhaften schwarzen Fel
sen vom Gipfel der großen „Butte" in
der Mitte des großen Thals. Krachend
stürzt er herab und erschlug mehrere In
dianer, die dicht dabei standen. Ein
Schrei des Entsetzens und der Angst brach
aus allen Herzen der versammelten unge
heuren Menge hervor. Mit wundervol
ler Geistesgegenwart benutzte Azulia die
günstige Gelegenheit und rief: „Die Son
ne ist zornig über Euch, daß ihr es wagt,
Ihrer Tochter ungehorsam zu sein! Be
reut—laßt ab,—und sie wird Euch wieder
vergeben."
Den Wünschen der Vestalin wurde kein
weiterer Widerstand entgegengesetzt. Al
fred Ellis wurde gerettet und in die hei
lige Hierarchie aufgenommen.
Einige Nächte später, als die Liebenden
allein waren und das ewige Feuer bewach
! ten, theilte Azulia ihrem Bewunderer mit,
"Ivillig zu loben und ohne Lurcht zu tadeln."
Dienstag den «. Juni, I8S«.
welches Schicksal Bill Weaver und seine >
Trapper-Gesellschaft getroffen habe, de-!
Ren wir in einem früheren Bilde erwähn
ten. Nachdem sie aus dem schwarzen San
de des Pietro ganze Maulthierladungen
Gold gegraben hatten, wurden sie imSchla
fe von den rachsüchtigen Apachen überfal
len und auf den Kohlen ihres eigenen La
gerfeuers gebraten !
Um schließlich unsere kurze Erzählung
zu enden-—einige Monate nach der bluti
gen Niedermetzelung der Goldgräber in
den Mimbres-Bergen brach ein Morgen
an. Der alte Priester stand spät auf und
als er in den Tempel trat, fand er das
ewige Feuer in seiner letzten „Estruffa"
erloschen—die Wächter fort und alle Ju
welen, die seit Jahrhunderten gesammelt
worden waren, auf immer unwiederbring
lich gestohlen auS den Fächern der heili
gen Sonnenkiste! Alfred Ellis und Azu
lia, die letzte Tochter der Montezumas,
hatten in der vorhergegangenen Nacht das
Wächteramt gehabt. Eben so vermißte
man einige der schnellsten Maulthiere aus
dem Thale.
So lautet die Legende der Gebirgstrap
per, und wird von ihnen so fest geglaubt,
daß eS selbst die Kühnsten ihres verwege
nen Schlages nie mehr wagen, in den dü
stern Canons des Pietro weder Biber noch
Gold zu suchen. Aber die Uankee-Boys
werden in kurzer Zeit diesen Weg einschla
gen und dann, hoffentlich auch schon eher,
wird man diese wahre Erzählung lesen.
Der Schwur des Pascha.
Die Heilighaltung des Schwures ist ei
ner der bemerkenswerthesten Züge im Cha
rakter der Türken. Hier spricht sich der
Ernst und die Würde des Muselmannes
am stärksten aus. Gewiß, es gibt unter
den Türken, wie überall, Verräther und
Schurken, aber Wortbrüchigkeit findet man
bei ihnen nicht, wie oft unter den Chri
sten. Es geht mit der Loyalität der Tür
ken wie mit der Gastfreundschaft des Ara
bers, sie ist sprichwörtlich erblich geworden,
sie wurzelt im Boden und Cultus und zeigt
sich vorzugsweise bei den Feindschaften,
daß sie über die Schwächen des menschli
chen Herzens erhaben sind.
Hat ein Muselmann einmal seinen
Schutz versprochen, so ist sein Wort un
verbrüchlich, und der Haß und das Inte
resse würden vergeblich ihre Beredtsamkeit
aufbieten, um dieses Band zu lösen; doch
auch dann, wenn ein Türke geschworen hat,
sich zu rächen, so kann keine Macht der Er
de ihn von Erfüllung seines Willens zu
rückhalten, oder die Kraft seines Schwu
res mindern. Ein tragisches Ereigniß,
das während meines Aufenthaltes im Ori
ent sich zutrug, kann als blutiger Beweis
dieses türkischen Nationalzuges dienen.
Ich mußte mich von Constantinopel nach
Salonichi begeben und machte diese Reise
auf türkische Art, d. h. zu Pferde unter
der Begleitung eines Tataren. Ganz
besondere Firmane empfahlen mich hin
reichend an Mustapha den Pascha von Sa
lonichi, ein Mann von vielem Einfluß bei
der hohen Pforte und Liebling des Sul
tans.
Ein armenischer Bankier in Constanti
nopel hatte mir auch einen Creditbrief für
einen seiner Landsleute mitgegeben, der
gewöhnlich in Mielnik wohnte, einem gro
ßen Flecken auf der Straße nach Saloni
chi. In der Türkei sind die Wechsel- und
Handelshäuser Monopole der Armenier,
und ein Engländer, der lange in der Tür
kei gelebt hat, bringt eine eben so genaue
Kenntniß der armenischen Sitten nach
London, ols hätte er Jahre lang in Asien,
zu Erzerum oder an den Ufern des Eu
phrat gelebt.
So wie ich nach Mielnik kam, ließ ich
mir das Haus Paskal'S, des Armeniers,
zeigen. Anfangs wollte er mich nicht an
nehmen, was mich nicht wenig überraschte,
doch nachdem er meinen Brief gelesen hatte,
wurde er zugänglicher und ließ mich herein
führen. Ich fand in Paskal einen Mann
von gesetztem Alter, mit einer ernsten, zer-
streuten Miene, ziemlich melancholisch,denn
er ließ von Zeit zu Zeit tiefe Seufzer hö
ren, und selbst im Aeußern herrschte der
Kummer, der ihn im Geheimen verzeh
ren mochte, so sichtbar vor, daß ich gleich
bei meinem ersten Besuche überzeugt war,
es müsse ihn ein häusliches Unglück be
troffen haben, so daß ich gleich bei meiner
ersten Unterhaltung mich vielfach wegen
der Lästigkeit meines Besuches entschul
digte.
Du haft Recht und Unrecht mit deinen
Vermuthungen, sagte mir der Armenier
darauf; meine Familie ist gesund und
wohl, Gott sei gedankt, aber morgen muß
mein Freund sterben.
Diese Antwort war berechnet, meine
Neugierde aufzuregen, sogleich legte ich
eine so lebhafte Theilnahme an dem Un
glück seines Freundes in Worten und Ge
berden an den Tag, daß er nicht anstand,
mit der größten Ausführlichkeit das Er
eigniß zu erzählen, das ihn so tief beugte.
Im Januar 1838 fanden Kaufleute,
die in kurzen Tagereisen von Mielnik
nach Salonichi giugen, in einiger Entfer
nung von ersterer Stadt die Leichname
zweier ermordeter Menschen, von denen der
eine offenbar ein Mann von hohem Stan
de, der andere ein Tatar gewesen war.
Der erstere war mit einer Pistolenkugel,
die ihm die Brust durchbohrt hatte, der
treue Tatar aber, wahrscheinlich in der
Vertheidigung seines Herrn, mit mehrern
Hieben des Vataghan getödlet worden.
Ihre Leichen waren völlig entkleidet, man
hatte ihnen nur den Fez und das Unter
gewand gelassen ; ihre Pferde fand man
nicht weit davon, ihres Gepäckes beraubt,
in der Ebene.
Bei dem Anblick der Leichen hielten die
Kaufleute es für besser, um den Verdacht
des Mordes nicht auf sich zu laden, sie
nach Mielnik zu bringen und den Mord
anzuzeigen. Sie singen daher die Pfer
de ein, beluden sie mit den Leichnamen und
kehrten nach Mielnik zurück, wo der Aga
ihre Aussage zu Protocoll nahm und die
Ermordeten in der Hauptmoschee ausstellte,
um ihren Namen zu entdecken.
Nun wollte der Zufall, daß Mustapha
Pascha denselben Tag in Mielnik erwar
tet wurde, und der Aga glaubte, er dürfe
vor der Ankunft seines Vorgesetzten keine
Nachforschungen anstellen, die Mörder zu
ergreifen. Sobald Mustapha in dieTho
re von Mielnik trat, erfuhr er von der auf
geregten Volksmasse die Kunde des entsetz
lichen Vorfalls, doch Niemand konnte ihm
die Namen nennen, man sprach nur von
den Leichnamen, die den Blicken der Men
ge in der großen Moschee ausgestellt wa
ren. Mustapha, erzürnt über diese That,
wandte sein Pferd nach dem heiligen Orte,
stieg ab und trat, von einer ungeheuren
Volksmenge umgeben, in das Gebäude.
Mitten im Tempel sah man, auf einen
Teppich, das Antlitz verhüllt, die Füße
nach Osten gewandt, die beiden Gemorde
ten ; sie lagen auf den Rücken, einer ge
gen den andern.
Mustapha näherte sich langsam, doch
als er sich auf die Kniee niedergelassen, um
ihre Züge besser zu erkennen, stieß er plötz
lich einen Schrei des Entsetzens aus, rauf,
te sich den Bart, warf sich auf dem Bo
den des Gebäudes nieder und blieb, die
Stirne gegen die Erde gedrückt, in einem
unbeweglichen, lautlosen Schmerz versun
ken.
Nach einer langen Pause, während wel
cher Niemand ihn zu unterbrechen wagte,
erheb er sich ; sein Gesicht war bleich doch
streng und ruhig, wie wenn die Ruhe ei
nes festen Entschlusses die Heftigkeit des
Schmerzes gebrochen Härte. Letzt beugte
er sich noch einmal über die beiden Gemor
deten, ergriff die Hand des ihm zunächst
liegenden Leichnams und rief mit einem
Blick zum Himmel :
O Seid Mohamed! als Du beim Ue
bergange über den Balkan mein Leben ge
gen die Wuth der Russen beschütztest,
schwor ich, Du solltest mir von jetzt an ein
Bruder sein, und jüngst gelobte ich bei
Laufende Nummer tl
Allah und seinem heiligen Propheten, daß
unter meiner Regierung kein Verbrechen
ungestraft bleiben sollte-! Diesen Schwur
wiederhole ich in Deinem Namen und bei
Deinem Leichnam ! Ich werde Deine Mör
der bis in die unbekanntesten Gegenden
der Erde verfolgen ; ich werde ihr Blut
tropfenweise zur Sühne des Verbrechens
vergießen lassen, ihre Augen sollen den
Geiern zur Speise dienen und ihr Fleisch
von den Schakals zerrissen werden, ihre
Gebeine bleichen in den Stürmen des Him
mels. Eher soll der Sarg meines Vaters
entehrt werden, ehe ich meine Gelübde,
meine Schwüre vergesse! O Seid, o mein
Bruder ! Du hörst mich ! Ich habe gespro
chen !
Mustapha warf noch einen letzten Blick
auf den Mann, den er so sehr geliebt, und
entfernte sich aus der Moschee, ohne ein
Wort, eine Geberde ferner hinzuzufügen.
Seine einzige Sorge war von jetzt an,
nichts zu unterlassen, um die Spuren der
Mörder auf ihrer Flucht aufzufinden und
er versprach eine Belohnung von 20 Beu
teln Jedem, der ihm die ersten Anzeigen
über den Ort ihres Aufenthaltes geben,
könnte. Während dieser Nachforschun
gen hielt er sich im Hause Sereski's, eineS
reichen Armeniers, auf, wo er gewöhnlich
während seiner Anwesenheit in Mielnik
wohnte, zog sich in seine innersten Gemä
cher zurück und überließ sich drei Tage und
drei Nächte lang dem bittersten Schmerze.
Man erfuhr jetzt in der Stadt, daß der
Ermordete, Seid Mohamed, der innigste
Freund Mustapha's gewesen, der als Cou
rier von der Pforte nach Salonichi mit De
peschen und 400,VOl) Piastern öffentlicher
Gelder an den Pascha geschickt worden
war. Seid Mohamed war am Nachmit
tag in Mielnik angekommen und von ei
nigen Bewohnern in dem Bade gesehen
worden, von wo aus er sich in die Moschee
begeben hatte, um sein Gebet zu verrichten.
Nicht ohne Grund vermuthete man, daß
er das Opfer einiger albanischen Räuber
geworden sei, die schon seit einiger Zeit
die Umgebung unsicher machten, so daß,
den Lehren des orientalischen Fatalismus
entgegen, die die Unmöglichkeit behaupten,
dem Verhängnisse zu entgehen, wenigTür
ken ohne eine starke militärischeEskorte den
gefährlichen Weg nach Salonichi wagten.
Nach drei Tagen der Trauer erhielt end
lich Sereski, der Armenier, Zutritt zu dem
Pascha, der sich über die Mittel und We
ge berathschlagen zu wollen schien, die nö
thig wären die Schuldigen zu ergreifen.
Der Armenier theilte zwar allen Zorn, al
len Schmerz seines Gastes, und suchte ihn
durch Erhebung und Lobpreisungen der
Tugenden Seids zu trösten ; zugleich aber
suchte er für sich selbst den Platz zu ge
winnen, den der Verstorbene in Musta
pha's Vertrauen besessen.
Doch so bereitwillig der Pascha war,
seiner ihm erwiesenen Freudschaft Gerech
tigkeit wiederfahren zulassen, so wenig,
wojlte er von seinem Vorhaben ablassen
und forderte den Armenier selbst auf, ihm
zur Aufsindung der Mörder behülflich zu
sein. Als die ersten Schritte geschehen
waren, überließ sich Mustapha seinen trü
ben Gedanken.
In diesem träumenden, halb wachem
Zustande öffuete sich der persische Teppich,
welcher den Eingang des Zimmers verhüll
te, und eine kleine, feenartige Gestalt schritt
furchtlos in die Höhle des verwundeten
Löwen, in ihren Händen einen großen
Korb mit Blumen tragend, die ein gestick
ter Schleier bedeckte. Es war Irene, die
Tochter Sereski's, deren natürliche An
muth nicht ohne Einfluß auf den Pascha
war.
Bor sechs Jahren, als die Frau des
Armeniers Joshua während der Geburt
dieses Kindes gestorben, hatte sich Musta
pha gerade im Hause des Armeniers be
funden, und dieser Umstand trug nicht we
nig dazu bei, seine Gunst dem Vater und
dem Kinde zu gewinnen.
sSchluß folgt.)