Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, May 14, 1850, Image 1

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    NeaV l N g, Mnil Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- nnd Chesnut - Straße.
Jahrg. IN, ganze Nnm. SS».
Bedingungen : Det Niberale ZZcobi
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer i
dann angenommen, wenn sie einen Mon
gerückt. Unterschreibern in hiesiger Sta
Clsi, die seltsame Magd.
Aus dem Volksleben der Schweiz von Jerc,
niias Gotthclf.
(Fortsetzung.)
Mit Mägden hatte er sich, wie einem
jnngen Bauer ziemt, natürlich nie abge
geben, aber Elsi hatte so etwas Appartes
in ihrem Wesen, daß man sie nicht zu
den Mägden zählte, und daß alle darüber
einig waren, von der Gasse sei sie nicht.
Um so begieriger forschte man, woher
denn eigentlich? aber man erforschte es
nicht. Dies war zum Theil Zufall, zum
Theil war der Verkehr damals noch gar
sparsam, und was zehn Stunden ausein
ander lag, das war sich fremder, als was
jetzt fünfmal weiter auseinander ist. Wie
allenthalben, wo ein Geheimniß ist, Dich
tungen entstehen, und wie, wo Weiber
sind, Gerüchte umgehen, so ward gar
mancherlei erzählt von Elsi's Herkommen
und Schicksalen. Die Einen machten ei
ne entronnene Verbrechen» aus ihr, An
dere eine entlaufene Ehefrau, Andere eine
Bauerntochter, welche einer widerwärti
gen Heirath entflohen, noch Andere eine
unehliche Schwester der Bäuerin, oder ei
ne unehliche Tochter des Bauern, welche
auf diese Weise ins Haus geschmuggelt
worden. Aber weil Elsi unwandelbar
ihren stillenWeg ging, fast wie einStern
lein am Himmel, so verloren all' diese
Gerüchte ihre Kraft, und eben das Ge
heimnißvolle in ihrer Erscheinung zog die
junge Mannschaft und besonders Chri
sten immer mehr an. Sein Hof war
nicht entfernt von Elsi's Dienstort, das
Land stieß fast aneinander und wennChri
sten ins Thal hinunter wollte, so mußte
er an ihrem Hause vorbei. Anfangs
that er sehr kaltblütig. Wenn er Elsi
zufällig antraf, so sprach er mit ihr, stell
te sich auch wohl zu ihr, wenn sie am
Brunnen unterm breiten Dache Erdäpfel
wusch oder was Anderes. Elsi gab ihm
freundlichen Bescheid und ein Wort zog
das andere Wort nach sich, daß sie oft
nicht fertig werden konnten mit Reden,
was andern Leuten aber eher auffiel, als
ihnen selbst. Auch Christen wollte Elsi
zum Weine führen, wenn er sie in Burg
dorf traf, oder mit ihr heimging am Hei-
Wirthshause vorbei. Aber ihm
so wenig als Andern wollte Elsi folgen
und ein Glas Wein ihm abtrinken. Das
machte Christen erst bitter und bös, er
war der Meinung, daß, wenn ein junger
Bauer einer Magd eine Halbe zahlen
wolle, so sei das eine Ehre für sie, und
übel anstünde es ihr, diese auszuschlagen.
Da er aber sah, daß sie's Allen so machte,
und hörte, daß sie noch nie ein Wirths
haus betreten, seit sie hier sei, so gefiel
ihm das, und zwar immer mehr. Das
Jedem liebäugelte und nicht um einen
halben Birnstiel mit Jedem hinginge, wo
er hin wollte; wer so Eine hätte, könnte
sie zur Kirche und auf den Markt schicken,
oder allein daheim lassen, ohne zu fürch
ten, daß Jemand anders ihm ins Gehege
käme. Und doch konnte er die Versuche
nicht lassen, so oft er Elsi auf dem Wege
traf, sie zum Weine zu laden, oder ihr zu
sagen, am nächsten Sonntage gehe er
dorthin, sie solle auch kommen, und alle
mal ward er böse, daß er einen Abschlag
erhielt. Es ist kurios mit dem Weiber
volke und dem Mannsvolk. So lange
si« ledig sind, da ist das Weibervolk lie
benswürdig aus dem ff und das Manns
volk freigebig, das einem fast übel wird,
und zwar gleich zu Stadt und Land. So
ein Bursche z. B. läßt Braten aufstellen
oder wenigstens einen Kuchen, und sollt
er ihn unter den Nägeln hervorpressen,
versteigt sich zu rothem Weine gegenwär
tig sogar zu Champagner ausWelschland!
und nicht oft genug kann er sein Mäd
chen zum Wein bestellen ; er thut, als ob
er ein Krösus wäre, und sein Vater da
heim nicht mehr Platz hätte vor lauter
Geld und Gut. Ist derselbe aber ein
mal verheirathet, dann hat die Herrlich
keit ein Ende, und je freigebiger er gewe-
Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
ilcllter erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Lubscriptions - Preis ist Ein Thal er des Jahrs, welcher in halbjährlich»r
im Laufe des Zahres nicht bezahlt, dem werden Ii sl> angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nu
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dt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiben Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden.
sen, desto karger wird er, und allemal
wenn sein Weib mit ihm ins Wirthshaus
will, so setzt es Streit ab, und wenn das
Weib es einmal im Jahr erzwingt, so
hält der Mann es ihr sieben Jahre vor.
Aehnlich haben es die Mädchen mit ihrer
Liebenswürdigkeit. Es wird halt auch
so sein, wie mit dem Specke, mit welchem
man die Mäuse fängt. Ist die Maus
gefangen und der Speck gefressen, so
wächst auch nicht neuer Speck nach, der
alte ist und bleibt gefressen. Hat ein
Mann an die Liebenswürdigkeit gebissen
und ist er gefangen, so hat man den Man,
warum sollte man noch fürder liebenswür
dig sein?
Aus diesem Grunde kommt es wahr
scheinlich, daß die meisten städtischen Vä
ter ihren Töchter ein Sackgeld vorbehal
ten, welches aber sehr oft nicht ausgezahlt
wird ; auf dem Lande ist man noch nicht
so weit und namentlich im Heimiswyl-
Graben nicht.
Trotz dem Bösewerden war Elsi dem
Christen immer lieber, immer mehr drang
sich ihm die Ueberzeugung auf: Die oder
Keine. Ihr zu Lieb' und Ehr' that er
manchen Gang, kam oft zum Besuch in
des Bauern Haus und öfter vor desMäd
chen Fenster, doch immer vergeblich, und
allemal nahm er sich vor, nie mehr zu ge
hen, und nie konnte er seinen Vorsatz
halten. Elsi kam, wenn sie seine Stim
me hörte, wohl unters Fenster, und rede
te mit ihm, aber weiter brachte er es nicht.
Je zärtlicher er redete, desto mehr ver
stummte das Mädchen; wenn er von
Heirathen sprach, so brach es ab, und
wenn er traulich wurde, die eigenen Ver
hältnisse auseinandersetzte, und nach de
nen von Elisen forschte, so machte sie das
Fenster zu. Dann ward Cristen sehr
böse, er ahnete nicht, welchen Kampf El
si im Herzen bestand.
Anfänglich war es Elsi wohl in der
Fremde, so allein und ohne alles Kreuz
vom Vater her; aber allgemach war eben
dieses Alleinstehn ihr zur Pein, denn oh
ne Bürde auf der Welt soll der Mensch
nicht sein. So Niemanden zu haben, zu
dem man sich flüchten, auf den man in
jeder Noth bauen kann, das ist ein Weh,
an dem manches Herz verblutet. Als
Christen der stattlichen Maid sich nahte,
that es Elsi unendlich wohl; Christen
war ja eineßrücke in ihre alten Verhält
nisse, von der Magd zur Meisterfrau.
Aber um zu Heirathen, mußte sie sagen
wer sie war, mußte ihre Verhältnisse of
fenbaren, mußte in der Heimath sagen,
wohin sie gekommen ; das wars, was sie
nicht konnte.
Elsi war überzeugt, daß Christen, so
bald er wußte, wertste war, sie sitzen ließe
wußte zu gut, wie übel berüchtigt ihr
Vater war, Land auf Land ab, und daß
man in diesem Thale hundertmal lieber
ein armes Taglöhnermädchen wollte, als
eines von übelberüchtigter Familie her.
Wie manches arme Kind sich eineß reichen
Mannes freut seiner Eltern wegen, weil
es hofft, Sonnenschein bringen zu können
in ihre trüben alten Tage, so kann ein
Kind schlechter Eltern sich nicht freuen.
Es bringt nichts als Schande in die neue
Familie, den schlechten Eltern kann es
nicht helfen, nicht helfen von ihrer Scha
nde, nicht helfen von ihren Lastern. So
wußte auch Elsi, daß ihrem Vater nicht
zu helfen war, auf keine Weise. Geld
war nur Oel ins Feuer und ihn bei sich
ertragen, das hätte sie nicht vermocht,
und hätte es vielweniger einem Manne
zugemuthet, was die leiblicheTochter nicht
ertrug. Das ist eben der Fluch, der auf
schlechten Eltern liegt, daß sie das Gift
werden in ihrer Kinder Leben, ihr schlech
ter Name ist das Gespenst, das umgeht,
wenn sie selbst schon lange in ihren Grä
bern modern, das sich an die Fersen der
hängt und unheilbringend ihnen
erscheint, wenn Glück sich ihnen nahen,
bessere Tage ihnen aufgehen wollen.
Es kämpfte hart in dem armen Mäd-
"TVillig zu loben und ohne Lurcht zu tadeln."
Dienstag den I « Mai, 18 »«
chen, aber sein Geheimniß konnte es nicht
offenbaren. Wenn Christen je gesehen
hätte, wie der Kampf Elsi Thränen aus
preßte, wie sie seufzte und betete, er wäre
nicht so böse geworden, er hätte vielleicht
in verdoppelter Liebe das Geheimniß ent
deckt, aber was da innen in uns sich re
get, das hat Gott nicht umsonst dem Au
ge Anderer verborgen. Es kam Elsi oft
an, wegzuziehen, in dunkler Nacht wieder
zu verschwinden, wie sie in ihrer Heimath
verschwunden war, und doch vermochte sie
es nicht. Sie redete sich ein, die Leute
würden ihr Böses nachsagen, sie sei mit
dem Schelmen davon gegangen oder noch
Schlimmeres, aber es war etwas Anderes,
welches sie hielt, was sie sich aber selbst
nicht gestand. So litt das arme Mäd
chen sehr, das höchste Glück ihm so nahe,
und doch ein Gespenst zwischen ihm und
seinem Glücke, das eS weg von selbigem
schied. Und dieses Gespenst sahen ande
re Augen nicht, sie durfte nicht schreien,
sie mußte die bittersten Vorwürfe ertra
gen, als ob sie schnöde und übermüthig
das Glück von sich stieße.
Diese Vorwürfe machte ihr nicht nur
Christen, sondern auch die Bäuerin, wel
che Christens Liebe sah und ihrer Magd,
welche ihr lieb wie eine Schwester war,
dieses Glück wohl gönnte, was nicht alle
Meisterfrauen gethan hätten. Bei die
sen Anlässen konnte sie recht bitter wer
den in den Klagen über Mangel an Zu
trauen, ja manchmal sich des Deutens
nicht enthalten, daß Elsi wohl etwas Bö
ses zu bewahren hätte, weil sie dasselbe
nicht einmal ihr, welche es doch so gut
meine, anvertrauen wolle.
Das fühlte Elsi mit Bitterkeit, sie sah
recht elend aus, und doch konnte sie nicht
fort, konnte noch viel weniger das Ge
spenst bannen, das zwischen ihr und ih
rem Glücke stand. Da geschah es am
alten Neujahr, d. h. an dem Tage, auf
welchem nach dem alten Dato nach russi
schem Kalender das Neujahr gefallen wä
re, und welches, so wie die alteWeihnacht,
ehedem noch allgemein gefeiert wurde auf
dem Lande, jetzt nur noch in einigenßerg
gegenden, daß Elsi mit der Bäuerin nach
Burgdorf mußte. Der Tag war auf ei
nen Markttag gefallen, es war viel Volk
da, und lustig ging es her unterm jungen
Volke, während unter den Alten viel ver
kehrt wurde von den Franzosen, von wel
chen die Rede war, wie sie Lust hätten an
das Land hin, wie man sie aber bürsten
wollte, bis sie genug hätten. Nur vor
sichtig ließen hier und da einige verblüm
te Worte fallen von Freiheit und Gleich
heit und den gestrengen Herren zu Bern,
und sie thaten wohl mit Vorsicht, denn
Teufel und Franzos waren Denen aus
den Bergen ungefähr gleichbedeutend. —
Als die Bäuerin ihre Geschäfte verrichtet
hatte, steuerte sie dem Wirthshause zu,
denn leer ging sie von Burgdorf nicht
heim, und namentlich am alten Neujahr
nicht. Sie wollte Elsi mitnehmen, wel
che aber nicht wollte, sondern sich entschul
digte, sie hätte nichts nöthig, und wenn
sie Beide hineingingen, so mußten sie sich
eilen, weil Niemand daheim die Sache
mache; geh? sie aber voran, so könne die
Bäuerin bleiben, so lange es ihr anstän
dig sei, bis sie Kameradschaft fände für
heim, oder gar eineGelegenheit zum Fah
ren.
Wie sie da schwatzten mit einander,
kam Christen dazu, stand auf die Seite
der Meisterfrau und sagte zu Elsi, jetzt
müsse sie hinein; das wäre ihm doch selt
sam, wenn ein Mädchen in kein Wirths
haus wollte. Elsi blieb fest und lehnte
manierlich ab; sie möge den Wein nicht
erleiden, sagte sie, und daheim mache Nie
mand die Haushaltung. Sie müsse kom
men, sagte Christen, trinken könne sie so
wenig sie wolle, aber einmal wvlle er wis
sen, ob sie sich seiner schäme oder nicht?
Das sei einfältig von ihm, sagte Elsi,
er solle doch denken, wie eine arme Magd
sich eines Bauern schämen sollte, und zür
nen solle er nicht, aber es sei ihr Lebtag
.ihr Brauch gewesen, sich nicht eigelich
(keine Komplimente) zu machen, sondern
erst zu sinnen, dann zu reden, dann bei
dem zu bleiben, was geredet worden. Die
gute Bäuerin, welche wenig von andern
Gründen wußte, als vonMögen und nicht
Mögen, half drängen und sagte, das sei
doch wunderlich gethan, und wenn zu ih
rer Zeit sie ein ehrlicher, braver Bursche
zum Wein habe führen wollen, so hätte
sie sich geschämt, es ihm abzusagen und
ihm diese Schande anzuthun. Es ist nun
nichts, welches den Zorn des Menschen
eher entzündet und sein Begehren stahlt,
als ein solcherßeistand, darum wardChri
sten immer ungestümer, und wollte mit
Gewalt Elsi zwingen. Aber Elsi wider
stand. Da sagte Christen im Zorn: „He
nun, du wirst am besten wissen, warum
du in kein Wirthshaus darfst, aber wenn
du nicht willst, so gibt es Andere." So
mit ließ er Elsi fahren und griff rasch
nach einem andern HeimiswylerMädchen,
welches eben vorüberging und ihm willig
folgte. Die Väurin warf Elsi einen bö
senßlick zu, und sagte: „Gell, jetzt
hasts!" und ging nach. Da stand nun
Elsi und das Herz wollte es ihr zerreißen,
und der Zorn über Christens verdächtige
Worte und die Eifersucht gegen das wil
lige Mädchen hätten fast vollbracht, was
die Liebe nicht vermochte, und sie Christen
nachgetrieben. Indessen hielt sie sich,
denn vor den Wirthshäusern, in welchen
ihre Familienehre, ihr Familienglück zu
Grunde gegangen, hatte sie einen Abscheu,
und zugleich, weil sie in denselben am
meisten Gefahr lief, erkannt zu werden
oder etwas von ihrem Vater vernehmen
zu müssen. In den Wirthshäusern ists,
wo die Menschen zusammenströmen, und
sich Zeit nehmen zu betrachten und heim
zuweisen, was beim flüchtigen Begegnen
auf der Straße unbeachtet vorübergeht.
Elsi ging heim, aber so finster war es in
ihrem Herzen nie gewesen, seit den Tagen,
an welchen das Unglück über sie eingebro
chen war. Anfangs konnte sie sich des
Weinens nicht enthalten, aber unterdrück
te dasselbe mit aller Gewalt, der Leute
wegen. Da nahm ein bitterer, finsterer
Groll immer mehr Platz in ihr. So
ging es ihr also; sie sollte nicht nur nie
mals glücklich sein, sondern noch eigends
geplagt und verdächtigt werden, und sie
mußte sich das gefallen lassen und konnte
sich nicht rechtfertigen. Wie ehedem in
gewaltigen Revolutionen die Berge aus
der Erde gewachsen sein sollen, so wuchs
aus den Wehen ihres Herzens der Ent
schluß empor, sich von allen Menschen
mehr und mehr abzuschließen, mit Nie
manden Etwas mehr zu haben, nicht mehr
zu reden, als sie wußte, und sobald als
möglich da wegzugehen, wo mau so ge
gen sie sein könnte.
Als diö Meistersfrau heim kam, stärk
te sie diesen Entschluß; sie beabsichtigte
freilich das Gegentheil, aber es ist nicht
allen Menschen gegeben, richtig zu rech
nen, nicht einmal in Beziehung auf die
Zahlen, geschweige denn in Bezug auf
die Worte. Sie erzählte, wie Christen
sich lustig gemacht in Burgdorf, und si
cher ginge er mit dem Mädchen heim, und
was es dann gebe, könne Niemand wis
sen, das Mädchen sei hübsch und reich,
und pfiffig genug, den Vogel zu fangen.
Das würde Elsi recht geschehen, und sie
möchte es ihr gönnen, denn eS sei keine
Manier für eine Magd, mit einem Bau
ern so umzugehen. Aber sie fange auch
an zu glauben, da müsse was dahinter
sein, das nicht gut sei, anders könne sie
ihr Betragen nicht erklären, oder sei es
anders, so solle sie es sagen. Diesem setz
te Elsi nichts als trotziges Schweigen ent
gegen. In trotzigem Schweigen ging sie
zu Bette und wachte mit ihm auf, als es
an ihr Fenster klopfte und Christens
Stimme laut ward vor demselben. Die
ser hatte es doch nicht über's Herz brin
gen können, einen neuen Tag aufgehen
zu lassen über seinem Zwist mit Elsi. G.-
trank, wie man saht, guten Wein, und
Laufende Rummer 38.
je mehr er trank, desto besser ward er.
Je mehr der Wein auf dem Heimweg ü
ber ihn kam, desto mehr zog es ihn zu
Elsi, mit ihr Frieden zu machen. Im
Wirthshaus zu Heimiswyl kehrte er mit
seinem Mädchen ein, aber nur um dassel
be los zu werden mit Manier, liess eine
Halbe briugen, bestellte Essen, ging un
ter einem Verwände hinaus, bezahlte,
und erschien nicht wieder. Das Mädchen
war, wie gesagt, nicht von den Dummen
eines, es merkte bald, woran es war, jam
merte und schimpfte nicht, hielt nun mit
dem, was Christen hezahlt hatte, einen
Andern zu Gast, und so fehlte es ihm
nicht an einem Begleiter nach Hause.
Dem armenChristen ging es nicht so gut.
Elsi, durch die Bäuerin neu aufgeregt,
hielt ihren Entschluß fest, und antwortete
nicht, wie Christen auch bat; sie mußte
den Kopf ins Kissen bergen, damit er ihr
Weinen nicht hörte, aber sie blieb fest
und antwortete auch nicht einen Laut.
Christen that endlich wild, aber Elsi be
wegte sich nicht, zuletzt entfernte sich der
selbe halb zornig, halb im Glauben, Elsi
habe hart geschlafen, und ihn nicht ge
hört. Aber er ward bald inne, wieElsi eS
meine. Die frühere Freundlichkeit war
dahin; Elsi that durchaus fremd gegen
ihn, antwortete ihm nur das Nothwen
digste, dankte, wen er ihr die Zeit wünsch
te, in allem Uebrigen war sie unbeweg
lich. Christen ward fuchswild darob, und
konnte Elsi doch nicht lassen. Hundert
mal nahm er sich vor, nicht mehr an sie
zu denken, sich ganz von ihr loszumachen,
und doch stand sie beständig vor seinen
Augen; ihre weißen Hemdeärmel am
Brunnen sah er durch die sieben Zäune
schimmern, und an allen Haaren zog es
ihn, bis es unter ihrem Fenster stand.
Hundertmal nahm er sich vor, rasch eine
Andere zu freien, und so dem Dinge ein
Ende zu machen, aber konnte mit keinem
Mädchen freundlich sein, und wenn eines
gegen ihn freundlich war, so ward er bö
se, es war ihm, als trügen alle andern
Mädchen die Schuld, daß Elsi sich so ge
gen ihn verhärte.
Während Christens Weh im Herzen
wuchs als wie ein böses Gewächs, wuchs
auch der Lärm mit den Franzosen von
Tag zu Tag. Schon lange waren Sol
daten auf den Beinen, viele Bataillone
standen gesammelt den Franzosen bereits
gegenüber, welche an den Grenzen lagen,
und im Wadtlande. Immer mehr bilde
te sich beim Volke der Glaube aus, der
Franzos fürchte sich, dürfe nicht angrei
fen, und unterdessen schlichen Viele her
um, die dasGerücht zu verbreiten suchten:
die Herren wollten das Volk verrathen;
wäre dieses nicht, derFranzos wäre längst
abgezogen, aber er passe auf die Gelegen
heit und bis er mit den Herren einig sei.
Das ächte Landvolk haßte den Franzos
wie den Antichrist, ärger als einen men
schenfressenden Kannibalen, daher ärgerte
es sich schwer an dem Zögern der Herren
auf dem Rathhause; das Schwanken
dort war eben nicht geeignet, jene Ver
läumdung Lügen zu strafen. Eine schau
erliche Nachricht jagte die andere. Da
kam plötzlich die Botschaft, losgebrochen
sei der Krieg, und die Postboten flogen
durch die Thäler, alle eingetheilte Mann
schaft auf die Sammelplätze zu entbieten.
Es war den ersten März spät Abends,
als auch Christen den Befehl erhielt. Al
sobald rüstete er sich und bestellte sein
Haus, und Nachbar umNachbar kam, bot
seine Dienste an und keiner vergaß der
Mahnung: „Schont sie nicht, die Fran
zosen, laßt keinen entrinnnen, schießt ih
nen Köpfe und Beine ab, verbrennt sie
dann noch lebendig ! sie wissen es dann
in Zukunft, daß sie uns ruhig lassen sol
len, die Mordioteufel!" —Christen moch
te nicht warten, bis der Letzte fort war,
aber ohne Abschied von Elsi wollte er
auch nicht fort. Als er an ihr Fenster
kam, ging es ihm wie früher.
sSchluß folgt.^