Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, May 07, 1850, Image 1

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    Der Liberale Beobachter
Und Berks, Monrgomery und Schuylkill Cauncies allgemeiner Anzeiger, <
Me»lÄ t n 2, Venn. Gedruckt und herausgegeben von Arnold Puwe ll e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- uud Lkesuui« Siraße.
Jahrg. U, ganze Rnm. SS».
: Der Nlber«l!e Leollcieitter erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der Lubseriptions - Preis iir Ein Thaler des Zahrs, welcher IN halbjähll 'I >r
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des labres nicht bezablt, dein werden Hl angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden >»r
dann angenommen, wenn sie einen Monar vor Ablauf des geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preie eu>«
gerückt. Unterichreibern in hiesiger wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Koiren der Unterschreibe«-. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werten.
Elsi, die seltsame Magd.
Aue dem Volkelcl'k» der Schweiz von lere
„naö Gotthelf.
Reich an schönen Thälern ist die
Schweiz; wer zählte sie wohl auf? in
keinem Lehrbuche stehen sie alle verzeich
net. auch nicht eines der schön
sten, doch eines der reichsten ist das Thal,
in welchemHeimiswyl liegt, und das ober
halb Burgdorf ans rechte Ufer der Ber
ner Emme sich mündet. Großartig sind
die Berge nicht, welche es einfassen, in
absonderlichen Gestalten sie dem
Auge sich nicht dar, eS sind mächtige Em
menthaler Hügel, die unten heitergrün
und oben schwarzgrün sind, unten mit
Wiesen und Aeckern eingefaßt, oben mit
hohen Tannen bewachsen. Weit ist im
Thale die Fernsicht nicht, da es ein Quer
thal ist, welches in nordwestlicher Rich
tung an s Hauptthal stößt, die Alpen
sieht man daher nur von den beidenßerg
rücken, daS Thal umfassen, von
denselben aber auch in Heller Pracht und
gewaltigem Bogen am südlichen Himmel.
Herrlich ist das Wasser, das allenthalben
aus den Felsen bricht, einzig sind die reich
bewässerten Wiesen und trefflich der Bo
den zu jeglichem Anbau; reich ist daS
Thal, schon und zierlich die Häuser, wel
che das Thal schmücken. Wer an den be
rühmten Emmenrhaler Häusern sich er
bauen will, der findet sie zahlreich und
ausgezeichnet in genanntem Thale.
ff Auf einem der schönen Höfe lebte im
Jahre 1790 als Magd Elsi Schindler
(dies soll aber nicht der rechte Namen ge
wesen sein) ; sie war ein seltsamMävchen,
und Niemand wußte, wer sie war, und
woher sie kam. Im Frühjahr hatte es
einmal noch spät an die Thür geklopft,
und als der Bauer zum Fenster hinaus
geguckt, sah er ein großes Mädchen drau
ßen stehen mit einem Bündel unter dem
Arme, welches um Uebernacht fragte, nach
altherkömmlicher Sitte, nach welcher jeder
geldlose Wanderer oder wer sonst gern
das Wirthshaus meidet, um Herberge
fragt in den Bauernhäusern und nicht
nur umsonst ein Nachtlager erhält, bald
im warmen Stall, bald im warmen Bet
te, sondern auch Abends und Morgens
sein Essen und manchmal noch einen Zeh
rpfennig auf den Weg. Es gibt Häuser
im Bernbiet (Kanton Bern), welche die
Gastfreundschaft täglich üben, den Mor
genländern zum Trotz, und deren Haus
selten eine Nacht ohne Uebernächter ist -
Der Bauer hieß das Mädchen herein
kommen, und da sie eben am Essen waren,
gleich zuche hocke (zu Tisch sitzen). Auf
der Bäurin Geheiß mußte daS Weiber
volk auf dem Vorstuhl sich zusammenzie
hen, und zu unterst auf demselben setzte
sich die Uebernachterin.
Man aß for?, aber einige Augenblicke
hörte man des Redens nicht viel, Alle
mußten auf das Mädchen sehen. Dassel
be war nämlich nicht nur groß, sondern
auch stark gebaut und schön von Ange
sicht. Gebräunt war dasselbe, aber wohl
geformt, länglicht war das Gesicht, klein
der Mund, weiß die Zähne darin, ernst
und groß die Augen, und ein seltsam We
sen, das an einer Uebernachterin beson
ders ausfiel, machte, daß die Essenden
nicht fertig wurden mit Ansehen. Es
war eine gewisse adeligeArt an dem Mä
dchen, die sich weder verleugnen noch an
nehmen läßt, und es kam Allen vor, alö
säße eö da unten als des Meisters Tochter
oder als Eine, die an einem Tische zu be
fehlen oder zu regieren gewohnt sei. Es
verwunderten daher sich Alle, als das
Mädchen auf die endlich erfolgte Frage
des Bauern : wo chonst und wo wottfch
(wo kommst du her und wo willst du hin),
antwortete : es sei ein armMaidli (Mäd
chen), die Eltern seien ihm gestorben, es
wolle Platz suchen als Jungfer in den
Dörfern. Das Mädchen mußte noch
manche Fragen ausstehen, so ungläubig
waren Alle am Tische. Und als endlich
»er Bauer mehr zur Probe, als im Ern
ste sagte: wenn eS dir ernst ist, so kannst
du hier bleiben, ich bedarf eben eineJung
fer; und das Mädchen antwortete: das
wäre ihm gerade recht, so brauche es nicht
länger herumzulaufen; so verwunderten
sich Alle noch mehr, und konnten es fast
nicht glauben, daß es eine Jungfer werdet
sein wollen. Und doch war eö so und
dem Mädchen bitterer Ernst; aber frei
lich war es nicht dazu geboren. Es war
eine Müllerstochter aus vornehmem Hau
se, aus einem der Häuser, von denen ehe
dem, als man das Geld nicht zu nutzen
pflegte, ging, bei Erbschaften
und Theilungen sei das Geld nicht ge
zählt, sondern mit dem Mäs gemessen
worden. Aber in der letzten Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts war ein gren
zenloser Uebermuth eingebrochen, und Vi
ele thaten so hoffärtig, wie der verlorne
Sohn, ehe er zu den Thebern kam. Da
mals war es, daß reiche Bauernsöhne mit
Neuenthalern in die Wette über dieEm
me warfen und machten „welcher weiter."
Damals war es, als ein reicher Bauer,
der zwölf Fohlen auf der Waide hatte, an
einem stark besuchten Jahrmarkt auStrom
meln ließ : Wer mit dem Rifershäuser-
Bauer zu Mittag essen und sein Gast
sein wolle, der solle um 12 Uhr im Gast
hause zum Hirsch sich einfinden. So ei
ner war auch des Mädchens Vater gewe
sen. Bald hielt er eine ganze Stube voll
Leute zu Gast, bald prügelte er Alle, die
in einem WirthShause waren, und mußte
es am folgenden Morgen mit schwerGeld
ausmachen. Er war im Stande, als Dr
agoner, an einer einzigen Musterung !<)<)
—2OO Thaler zu verbrauchen und eben
so viel an einem Markte zu verkegeln.
Wenn er zuweilen recht einsaß in einem
WirthsHause, so saß er dort acht Tage
lang, und wer ins Haus kam, mußte mit
dem reichen Müller trinken, oder er krieg
te Schläge von ihm. Auf diese Weise
erschöpft man eine Goldgrube, und der
Müller ward auch nach und nach arm,
wie sehr auch seine arme Frau dagegen
sich wehrte und nach Vermögen zur Sa
che sah.
Sie ahnte dqs Ende lange voraus, aber
aus falscher Schaam deckte sie ihre Lage
vor den Leuten zu. Ihre Verwandten
hatten es ungern gesehen, daß sie den
Müller geheirathet, denn sie war von
braven Leuten her, welchen das freventli
che Btragen Müllers zuweder war;
sie hatte die Heirath erzwungen, auf Bes
serung gehofft, aber diese Hoffnung hatte
sie betrogen-wie noch manche arme Braut
und statt besser, war es immer schlim
mer gekommen. Sie durfte deßwegen
nicht klagen, und darum merkten auch die
Leute, wie sie sich auch wunderten, wie
lange der Müller es machen könne, den
eigentlichen Zustand der Dinge nicht, bis
die arme Frau, das Herz vom Geier des
Grams zufressen, ihr Haupt neigte und
starb. Da war nun Niemand mehr, der
sorgte und zudeckte; Geldmangel riß ein,
und wo der sichtbar wird, da kommen,
wie Raben, wenn ein Aas gefallen, die
Gläubiger gezogen, und immer mehrere,
denn einer zieht den andern nach und kei
ner will der Letzte sein. Eine ungeheure
Schuldenlast brach aus, verzehrte Alles
und der reiche Müller war ein armer alter
Hudel, der gar manches Jahr von Haus
zu Haus gehen mußte, denn Gott gab
ihm ein langes Leben. So aus einem
reichen Mann ein armer Hudel zu wer
den, und als solcher so manches Jahr um
gehen zu müssen von Haus zuHaus, dies
ist eine gerechte Strafe für den, der in
Schimpf und Schand seine Familie stürz
te, und sie so oft noch um mehr bringt,
als das leibliche Gut. So einer ist aber
auch eine lebendige Predigt für die über
müthige Jugend, aus welcher sie lernen
mag das Ende, welche zumeist dem Ueber
murhe gesetzet ist. Zwei Söhne hatte
der Müller, diese waren schon früher der
väterlichen Rohheit entronnen und hatten
vor ihr im fremden Kriegsdienst Schutz
gesucht. Eine Tochter war geblieben im
Hause. Die schönste, aber auch die stol-
"TVillig zu lobe» und okne Furcln zu radeln."
Dienstag den 7. Mai, Z8S«»
zeste Müllerstochter das Land auf und!
ab. Sie hatte wenig Theil genommen
an den Freuden der Jugend; sie gefielen
ihr nicht, man hielt sie zu stolz dazu;
Freier hatten sie umlagert haufenweise,
aber einer gefiel ihr so schlecht als der
andere, einer erhielt so wenig ein freund
lich Wort als der andere. Ein jeder ward
ihr feind und verschrie ihren Uebermuth.
Zu einem aber ward sie nie zu stolz erfun
den, zur Arbeit nämlich und zu jeglicher
Dienstleistung, wo Menschen und Vieh
derselben bedurften. Bon Jugend an
war sie früh auf, griff Alles an und Al
les stand ihr wohl, und gar oft waren es
die Eltern, die ihren Willen hemmten,
ihr dies und jenes verboten, weil sie mein
ten, einer reichen Müllerstochter zieme
solche Arbeit nicht. Dann schaffte sie gar
Manches heimlich, und oft, wenn ihre
kranke Mutter des NachtS erwachte, sah
sie ihre Tochter am Bette sitzen, während
sie doch einer Magd zu wachen befohlen,
ihre Tochter aber mit allem Ernste zußet
te geheißen hatte. Als nun die Mutter
gestorben war, und das Unglück ausbrach,
da wars als wenn ein Blitz sie getroffen,
Sie jammerte nicht, aber sie
geworden, und die Leute hatten fast ein
Grausen vor ihr, denn man sah sie oft
auf hohem Vorsprung stehen oder an tie
fem Wasser und ob den Mühlrädern am
Bache, und Alle sagten, es gebe sicher ein
Unglück, aber Niemand reichte die Hand,
selbigem auf irgend eine Weise vorzubeu
gen.
Alle dachten und Viele sagten es, es
geschehe Elsi schon recht, Hochmuth kom
me vor dem Falle, und so sollte es Allen
gehen, die so stolz wie Elsi thäten, und
als das Mädchen am Morgen, als Alles
aufgeschrieben werden sollte, verschwunden
war, sagten Alle: da hätte mans, und sie
hätten es längst gesagt, daß es diesen Au
sweg nehmen würde. Man suchte in al
len Bächen, an jungen Tannen, und als
man nirgends das Mädchen fand, da deu
teten einige darauf hin, daß Einer sei, der
schon Viele geholt und absonderlich Stol
ze und Uebermüthige, und noch nach
manchem Jahre ward stolzen Mädchen
darauf hingedeutet, wie Einer sei, der ge
rade Stolze am liebsten nähme, sie sollten
nur an die reiche Müllerstochter denken,
die so plötzlich verschwunden sei, daß man
weder Haut noch Haar je wieder von ihr
gesehen.
So übel war es indeß der armen Elsi
nicht ergangen, aber Böses halte sie al
lerdings in den ersten Tagen im Sinne
gehabt. Es war ihr gewesen, als klem
me ihr Jemand das Herz entzwei als
thürmten sich Mühlsteine an ihrer Seele
auf; es war ein -Zorn, eine Schaam in
ihr, und die brannten sie, als ob sie mit
ten in der Hölle wäre. Allen Leuten sah
sie an, wie sie ihr das Unglück gönnten,
und wenn man ihr alle Schätze der Welt
geboten hätte, sie wäre nicht im Stande
gewesen einem einzigen Menschen ein
freundlich Wort zu geben.
Indessen wachte über dem Armen Kin
de eine höhere Hand und ließ aus dessen
Stolz eine Kraft emporwachsen, welche
demselben zu einem höheren Entschlüsse
half; denn so thut es Gott oft, eben
aus dem Kerne, den die Menschen ver
worfen .läßt er emporwachsen die edelste
Frucht. Der Stolz des Mädchens war
ein angeborner Ekel gegen alles Niedere;
und wer es einmal beten gesehen hätte,
hätte auch gesehen, wie es sich demüthi
gen konnte vor Dem, in dem nichts Nie
deres, nichts Gemeines ist. Aber sein
Inneres verstand das Mädchen nicht, sein
Aeußeres beherrschte es nicht und darum
geberdete es sich wie eine reiche Müllers
tochter, welcher die ganze Welt nicht vor
nehm genug ist. Da weg wollte es, aber
vor Unthat schauderte es; die Schande
wollte es seiner Familie nicht anthun,
wollte nicht die Seele mit dem Leibe ver
derben ; aber wie sich helfen, wußte es
lange nicht. Da in stiller Nacht, als eben
seine Angst um einen AuSweg am größ-
ten war, öffnete ihm Gott denselben.
Weit weg wollte es ziehen, Dienst suchen
als niedere Magd am einsamen Olte, und
dort in Stille und Treue unbekannt sein
Leben verbringen, so lange es Gott ge
falle.
Wie in starken Gemüthern kein langes,
Zögern ist, wenn einmal ein Weg offen
steht, so hatte sich Elsi noch in selber
Nacht aufgemacht, alle Hoffart dahinten
gelassen, nur mitgenommen, was für eine
Magd schicklich war, keinem Menschen ein
Wort gesagt, und war durch einsameScei
ge fortgegangen aus dem heimischen Tha
le. Manchen Tag war sie gegangen, in
die Kreuz und Quere, bald gefiel es ihr
nicht, bald gedachte sie an bekannte Na
men, die hier oder dort wohnten, und so
war sie gekommen bis ins Heimiswylthal.
Dort hinein im heimeligen Thale gefiel
es ihr, sie suchte Dienst und fand ihn.
Die rasche Aufnahme des fremden
Mädchens war Anfangs der Bäurin nicht
recht, sie kapitelte den Mann ab, daß er
ihr da eine aufgebürdet habe, die so zim
perlich aussehe und zu -hochmüthig, um
sich etwas befehlen zu lassen. Deß trö
stete sie der Bauer, indem das Mädchen
ja nicht für bestimmte Zeit gedungen sei,
man also dasselbe schicken könne, sobald
es sich nicht als anständig erweise. Auch
dem übrigen Gesinde war die Aufnahme
des Mädchens nicht recht, und es ging um
dasselbe herum, wie Hühner um einen
fremden Vogel, der in ihrem Hofe ab
sitzt.
Aber bald erkannte die Bäuerin, daß
sie in Elsi ein Kleinod besitze, wie sie kei
nes noch gehabt, wie es mit Geld nicht zu
bezahlen ist. Elsi verrichtete, was sie zu
thun hatte, nicht nur meisterhaft, sondern
sie sah auch selbst was zu thun war, und
that eS ungeheißen, rasch und still, und
wenn die Bäuerin sich umsah, so war Al
les schon abgethan, als wie von unsichtba
ren Händen, als ob die Bergmännlein da
gewesen wären. Das nun ist der Mei
sterin unbeschreiblich lieb, wenn sie nicht
selbst AlleS bedenken und allenthalben
nachsehen muß, wenn sie nicht nur daS
Schaffen, sondern auch das Sinnen über
tragen kann, aber sie findet selten einen
Dienstboten, bei welchem sie dieses kann.
Viele Menschen scheinen nicht zum Sin
nen geboren, und viele wiederum haben
ihre Gedanken nie da, wo es nöthig wä
re, und Wenige sind, die schwache Sinne
haben, geleitet und geschützt von klarem
Verstände, und aus diesen Wenigen sind
wiederum Wenige, die zum Dienen kom
men oder dienen selten lange, denn das
sind geborene Meisterleute. Daneben hielt
Elsi nichts auf Reden, hatte mit Niema
nden Umgang, und was sie sah im Hause
oder hörte, das blieb bei ihr, keine Nach
barsfrau vernahm davon das Mindeste,
sie mochte es anstellen, wie sie wollte.
Mit dem Gesinde machte sich Elsi nicht
gemein. Die rohen Späße der Knechte
wies sie auf eine Weise zurück, daß sie
dieselben nicht wiederholten, denn Elsi be
saß eine Kraft, wie sie selten ist beim
weiblichen Geschlechte, und dennoch ward
sie von denselben nicht gehaßt. Nieman
den verklagte sie, und wenn sie den Knec
hten oder Mägden einen Dienst thun kon
te, so zögerte Elsi nicht, und Manches
that sie ab in der Stille, was die Andern
vergaßen, und deßhalb hart gescholten
worden wären, wenn die Meisterleute es
gesehen hätten.
So ward Elsi bald der rechte Arm der
Meistersfrau und wenn sie etwas auf dem
Herzen hatte, so war es Elsi, bei der sie
es erleichterte. Aber eben deßwegen är
gerte sie sich an Elsi, daß dieselbe nicht
Vertrauen mit Vertrauen vergalt. Na
türlich nahm es sie wunder, wer Elsi war
und woher sie kam, denn daß sie nicht ihr
Lebtag gedient hatte, sondern eher befoh
len, das merkte sie an gar Vielem, beson
ders eben daran, daß sie selbst dachte und
Alles ungeheißen that. Sie schlug daher
oft auf den Busch und frug endlich gera
de aus. Elsi seufzte wohl, aber sagte
Laufende Rnunner 37
nichts, und blieb fest dabei, wie auch die
Meistersfrau ansetzte auf Weiberweise,
bald mit Zärtlichkeit und bald mit Gifti
gkeit. Heut zu Tage hätte man es küi
zer gemacht, und nach den Schriften ge
fragt, absonderlich nach dem Heimath
.scheine den man hinterlegen müsse, weim
man nicht in der Buße sein wollte; da
mals dachte man an solche Dinge nicht
und in Bernbiet konnte man sein Lebtag
incognito verweilen, wenn man nicht anf
irgend eine absonderliche Weise der Poli
zei sich bemekbar machte.
Wie sehr dies auch die Frau verdroß,
so lähmte es doch ihr Vertrauen nicht,
und wenn sie Donnerstags nicht nach
Burgdorf auf den Markt konnte, wohin
schon damals die Heimiswyler Weiber al
le Donnerstage gingen, so sandte sie Elsi
mit dem, was Verkäufliches bei der Hand
war, und Aufträgen, wie des Hauses Be
darf sie forderte. Und Elsi richtete auf's
treulichste Alles aus und war heim, ehe
man daran dachte, denn nie ging sie in ein
Wirthshaus, weder an Markttagen noch
an Sonntagen, wie ihr auch zugeredet
ward von Alt und Jung. Anfangs mein
te man, ihr Weigern sei nichts als die üb
liche Ziererei, und fing an nach Landes
sitte zu reißen und zu zerren, aber es half
nichts, Elfi blieb standhaft. Man sah
es mit Erstaunen, denn ein solch' Mäd
chen, das sich nicht zum Weine führen
ließ, war noch keinem vorgekommen. Am
Ende setzte man ab mit Versuchen, und
kriegte Respekt vor ihr.
Wenn aber einmal die jungen Leute
vor einem schönen Mädchen Respekt krie
gen, da mag es wohl nach und nach sicher
werden vor denen, welche Mädchen wie
Blumen betrachten, mit denen man um
gehen kann nach Gelüsten. Aber nun
erst kommen die herbei, welche Ernst ma
chen wollen, welche eine schöne Frau ha
ben möchten und eine gute. Deren wa
reu nun damals im Heimiswyler-Thale
Viele, und sie wareu einstimmig der Mei
nung, daß nicht für Jeden Eine im Thale
selbst zu finden sei. Freilich wollten die
Meisten zu guten und schönen noch reiche
Weiber. Aber man weiß, wie das beim
, jungen Volke geht, welches alle Tage ei
ne andere Rechnung macht, und immer
das am höchsten in Rechnung stellt, waS
gerade am besten gefällt. Darum war
Elsi vor diesen alle Tage weniger sicher,
sie sprachen es an auf dem Kirchwege und
auf dem Marktwege,, und des Nachts ho
fcheten sie an ihr Fenster, sagten ihre
Sprüche her, und wenn sie hinten aus
waren, so fingen sie wieder von vornen
an, aber Alles umsonst. Elsi gab auf
dem Wege freundlichen Bescheid, aber
aus dem Gaden (Kammer) Denen vor
den Fenstern nie Gehör. Und wenn, wie
es in Bernbiet oft geschieht, die Fenster
eingeschlagen, die Gadenthüre zertrüm
mert wurde, so half das den Liebhabern
durchaus nichts. Entweder schaffte sie
sich selbst Schutz, und räumte die Kam
mer, oder sie stieg durchs Ofenloch in die
untere Stube hinab; dorthin folgt kein
Kiltbub einem Mädchen.
Unter Denen, welcke gern eine schöne
und gute Frau gehabt hätten, war ein
Bauer, nicht mehr ganz jung. Aber noch
nie war ihn» eine schön und gut genug
gewesen, und wenn er auch eine gefunden
zu haben glaubte, so brauchte die nur mit
einem andern Burschen ein freundlich
Wort zu wechseln, so war er fertig mit
ihr und sah sie nie mehr an. Christen
hieß der Bursche, der von seiner Mutter
her einen schönen Hof besaß, während der
Vater mit einer zweiten Frau und vielen
Kindern einen andern Hof bewirthschaf
tete. Christen war hübsch und stolz, kei
nen schöneren Kanonier sah man bei de»
Musterungen, keinen tüchtigern Bauer jn
der Arbeit und keinen kuraschirteren im
Streit. Aber allgemach hatte er sich uus
den Welthändeln zurückgezogen. Die
Mädchen, welche am Weltstreit vordem die
Hauptursache waren, jetzt ist eS daß
Geld waren im verleidet, er hielt keines