Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 16, 1850, Image 1

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    Der Liberale Ocobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.^
MeaÄ l N S, MNN. Gedruckt und herausgegeben von Aru o l d Pu »v e'll e, in der Süd 6ten Straße, zwischen dcr Franklin- nnd Cbesnut - Straße.
Jahrg. tl, ganze Rum. SSV.
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Robert von Brienne und Jo
hanna von Tours«
Der Aufruf des schwärmerischen Ein
siedlers, Peter von Amiens geheißen, hat
te die gesammte Christenheit begeistert,
Palästina, die Stätte, ans der einst der
Erlöser gewandelt, wieder zu befreien aus
der Hand der Ungläubigen. Ein .
render und erhebender Anblick war es, zu
fehen, wie Tausende, durch eine großes
Idee zu einem Ganzen verbunden, die
Hände zum Himmel erhoben und schwu- j
ren, Hab und Gut, Leib und Leben freu-!
dig zum Opfer zu bringen. Auch in der
Brust des tapfern Ritters Robert von
Brienne war der lebhafte Wunsch, rege!
geworden, sich den Streitern Chri Ii
Utes Christs anzuschließen. Er lebte,
ein rüstiger, feuriger Jüngling, in den
lieblichen Thälern der Provence, auf der
von seinem Vater ererbten Beste in Ruh
und Frieden, weil sich ihm kein rühmli
cher Kampf dargeboten und er jede un
rühmliche Fehde scheute.
Seit wenigen Monaten verweilte er
indeß selten daheim. Die Liebe zu dem
holden Fräulein Johanna von Tours zog
ihn oft nach der Burg ihres Baters Hu
go, die nur wenige Stunden von der sei
nigen entfernt war. Hugo schien ihn
nicht ungern zu sehen, und Johanna ver
rieth den Antheil, den sie an dem schönen
Jüngling nahm, zu sichtbar, daß er wohl
im Stillen dem Gedanken Raum geben
mochte, sie einst zum Altar zu führen.
Dies war einUmstand, der ihn leicht wie
der wankend machen konnte in seinem
Entschluß nach Palästina zu ziehen. Der
Abschied ward ihm schwer. Aber sein
männlicher Sinn siegte in dem harten
Kampfe zwischen Liebe und Pflicht. Nur
noch einmal, rief er, will ich sie sehen,
und dann fort in die Weite!
So sprechend warf er sich auf seinßoß,
und sprengte der Burg des alten Hugo
zu. Als er an die Schloßbrücke kam, er
griff ihn ein wundersames Gefühl, un
willkührlich hielt er den Zügel feines Ros
ses an. Fast in demselben Augenblicke
aber gab er seinem Pferde wieder die Sp
oren und sprengte in den Schloßhof hin
sein. Mit gepreßtem Herzen wandelte er
j kun die Stiegen hinauf, über die er sonst,
von froher Sehnsucht beflügelt, zu eilen
pflegte.
Gehabt Euch wohl, Vater Hugo und
Ihr, edles Fräulein! rief Robert, nach
dem er Beiden den Beschluß mitgetheilt;
das Schicksal ruft mich weit hinweg aus
Eurer Mitte, aber der Entfernte wird
Eurer liebend gedenken, und gönnt mir
das Schicksal glückliche Heimkehr—dann,
o dann seid Eures Versrechens eingedenk,
Vater Hugo!
Johanna, die lange in tiefen Gedan
ken verloren dagestanden, blickte jetzt em
por, und eine sanfte Röthe flog über ihr
bleiches Antlitz. Ihr zürnt doch nicht,
edles Fräulein, daß ich Euch verlasse, be
gann der Jüngling, indem sein Blick dem
ihren begegnete. Glaubt daß nicht, ent
gegnete das Fräulein sanft ; meine Liebe
weicht der Pflicht—wie soll ich Euch zür
nen? Das Schicksal, das uns jetzt trennt,
> wird uns wieder vereinigen, um unö dann
so bald nicht wieder zu trennen—nicht
wahr, mein Vater?
Wohl, wohl, meine Tochter! rief Hu
go bewegt. Hier, Ritter, meine Rechte
zum Pfande! Ich geb' Euch mein Wort,
ich werd es halten. Kehrt Ihr heim, so
ist Johanna die Eure. Der Himmel seg
ne Euer Unternehmen. Das wünscht
Euch der alte Hugo von ganzem Herzen.
O daß diese Arme zu schwach sind, ein
Schwert zu schwingen, zu schwach, das
muthige Streitroß zu tummeln ! Daß es
mir vergönnt wäre, sie noch einmal zu
durchleben, die frohe Zeit der Jugend. —
Ein Trompetenstoß und lautes Wie
hern der Rosse unterbrach seine Worte.
Meine Geführten! rief Robert. So
lebt denn wohl! lebt ewig wohl! Noch
eine Umarmung, und er saß zu Pferde
und sprengte mit seinen Begleitern über
die Schloßbrücke. Johanna'sAugen folg
ten ihm lange, bis er endlich hinter den
dunkeln Tannen des nahegelegenen For
stes verschwand.
Wie vermöchten wir die Empfindun
gen des Vaters und der Tochter bei die
ser Trennung zu schildern ! Ohne die Lie
be und Zuneigung in Anschlag zu brin
gen, womit der Erstere an dem hochher
zigen Jüngling hing und ihn vor allen
andern zum Eidam wünschte, kam noch
ein Umstand hinzu, der ihn jenen Ab
schied zweifach schmerzlich empfinden ließ.
Seine Jahre—er hatte bereits das 70ste
zurückgelegt-chatten ihn vertraut gemacht
mit dem Gedanken, bald vielleicht heim
gehen zu müssen zu seinen Vätern. Die
ser» Gedanke war aber in so fern vorzüg
lich beunruhigend für ihn, als seinStam,
wenn Johanna unvermählt blieb, mit
ihm erlosch. Zwar machte die Schönheit
des Fräuleins und ihr Reichthum es nicht
wahrscheinlich. Die Möglichkeit ließ sich
aber doch nicht abstreiten.
Von ganz verschiedener Art waren die
Gefühle seiner Tochter. Der edle Jüng
ling war ihr in der kurzen Zeit, wo sie
ihn kennen gelernt, so werth geworden,
daß sie sich s offen gestand, nur mit ihm
glücklich werden zu können. Das jugend
liche Feuer, die lebhafte Phantasie des et
wa It> jährigen Mädchens lassen den Ge
müthszustand ahnen, in dem sich Johan
na befinden mochte. An Zerstreuung,
der sanften Trösterin aller Leidenden,
fehlte es ihr ohnedies gänzlich. Ihr Va
ter war ungeachtet seines Alters noch im
mer rüstig genug, Tage lang auf der
Jagd umherzustreifen und den flüchtigen
Hirsch, den wilden Eber zu verfolgen.
Dann blieb ihr nichts übrig, als daheim
zu bleiben und in ihrem einsamenGemach,
wo sie täglich neuen Stoff zu düstern
Vorstellungen zu finden glaubte. Denn
die Vorzeit gestattete dem weiblichen Ge
schlechte das Annehmen und erwiedern
von Besuchen nur selteu oder gar nicht.
Es sei uns vergönnt, aus einem Zeit
raum von mehreren Jahren, der dem al
ten Hugo und seiner Tochter auf die oben
erwähnte Weise ohne sonderliche Abwech
selung verstrich, nur das Bemerkenswer
theste hervorzuheben. Johannas Schön
heit hatte bald die gesammten Grafen
und Ritter des Gau's an sich gezogen.
Doch gaben sie Alle früher oder später
ihre Bewerbungen auf, da Hugo erklärte,
daß er seinem gegeben Worte nicht un
treu werden, und, bevor er sichere Kunde
von Roberts Tod erhalten, keinem Andern
die Hand seiner Tochter geben könne.
Johanna billigte diesen Ausspruch von
ganzem Herzen. Zu bewundern war je
doch, daß diese vielfach ausgetheilten Kör
be von den Empfängern mit einer Ruhe
und einem Gleichmut!) empfangen wur
den, der sonst eben nicht zu den Zügen der
französischen Ritterschaft gehörte.
Nur ein einzigerFreier schien sich stand-'
hafter und eifriger um die Hand desFräu
leins zu bewerben. Es war Graf Wil
helm von Poiton. Durch sein empfeh
lendes Aeußere mochte er der holden Jo
hanna nicht ganz gleichgültig sein. We
nigstens zeichnete sie ihn offenbar aus vor
dem Schwärm ihrer Anbeter. Doch war
dies nichts als eine augenblicklicheßegün
stigung, die sich keineswegs in die Zukunft
hinaus dehnte. Roberts Bild stand noch
immer zu lebhaft vor ihrer Seele. Selbst
wenn sie minder ihn geliebt, wäre schon
der Gedanke an seine Wiederkehr hinrei
reichend gewesen, jede Verbindung mit
dem Grafen abzulehnen. Hugo benahm
sich schwankender. Ihm schien eine Ver
einigung mit dem Grafen nicht ganz ver
werflich. Aber sein gegebenes Wort ließ
ihn keinen festen Entschluß fassen. Er
fühlte sein Unrecht, und wiederholte dem
Grafen, so lange Robert lebte, ihm keine
Hoffnung zu einer Vermählung mit sei
ner Tochter geben zu können
Es war nicht lange nach der Bekannt
schaft mit dem Grafen Wilhelm von Poi
ton, als sich einst die Thür des eiysamen
"IVillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den I<» April, I8S«.
Gemachs öffnete, in welchem Johanna in
tiefen Gedanken verloren saß. Der alte
Hugo trat bleich u. verstört herein. Um
Gottes und der Heiligen Willen, was ist
Euch? rief das erschrockene Mädchen.
Aber einzelne Worte ohneZusammenhang
waren Alles, was der erschöpfte Greis
hervorbringen konnte. Endlich sammelte
er sich und warf sich mit den Worten in
den Sessel: Er ist todt, meine Tochter!
Wer mein lieber Vater! rief das er
schrockene Mädchen. O erklärt Euch
deutlicher, seht meine Angst—düstere Ah
nungen treten vor meine Seele.
Sehe dich zu mir, Johanna, und höre.
Ich war, wie du weißt, auf der Jagd.
Das Verfolgen eines Hirsches hatte mich
vom Wege entfernt. Meine Begleiter
waren verschwunden. Ich rief, ich stieß
in s Horn -- vergebens ! Nirgends der
Laut einer menschlichen Stimme. Er
mattet sank ich nieder unter einer Eiche
und entschlummerte. Plötzlich. —
Nun ! plötzlich! rief Johanna mit ge
spannter Erwartung, als Hugo schwieg
und ängstlich in den Ecken des Zimmers
umherblickte.
Plötzlich fuhr ich aus meinem Schlum
mer, geweckt von einer donnernden Stim
me, und Hugo! scholl es dreimal fürch
terlich ganz nahe. Ich, im Wahn, es
seien meine Begleiter, sprang schnell em
por und entgegnete: Hier bin ich! Aber
eine tiefe Stille herrschte rings umher.
Sie ward nur bisweilen unterbrochen
durch das Rauschen des Windes in den
Zweigen. Jetzt aber scholl es abermals :
Hugo von Tours! vernimm mein Wort:
Robert von Brienne, dem du deine Toch
ter gelobt, ist todt. Du bist fortan dei
nes Versprechens ledig. Ich nahm mei
ne ganze Fassung zusammen und rief:
Wann, wo und wie ist er gestorben? Al
lein die Antwort auf die Frage blieb aus.
In riefen Gedanken suchte ich mir durch
das Dickigt des Waldes einen Pfad nach
meiner Burg und nirgends, so viel ich
auch umher gespäht, sah ich die Spur ei
nes menschlichen Wesens.
» Robert todt! rief Johanna mitEntse
tzen, in die Arme ihres Vaters sinkend.
Doch nein! es war nur ein lebafterTraum!
Die Einbildungskraft gaukelt uns oft
seltsame Schatten vor. Es wär emTraum,
der Euch täuschte, wenn nicht, fügte sie
plötzlich hinzu, wenn nicht List und Bü
berei Euch hinterging.
Nicht Traum, nicht Büberei, meine
Tochter! Höre weiter. Am Ende des
Waldes stieß ich auf meine Gefährten.
Wir sprengten an die Stelle und wieder
zurück, ohne über diesen sonderbaren Vo
rfall irgend Aufklärung zu erhalten. Bei
diesen Worten siel der sehr erschöpsteGreis
in einen tiefen Schlummer. Als er er
wachte, fühlte er sich einigermaßen ge
stärkt. Aber seine Ruhe und Heiterkeit
war dahin. Düstere Gedanken umschweb
ten seine Seele und furchtbare Träume
raubten ihm den sanft erquickenden Schlaf.
Während die Nachricht seines Todes
Schmerz und Trauer verbreitete in den
Thälern der Provence, lebte Robert von
Brienne in Palästina's Gefilden, dem
Andenken seiner Braut und seiner Pflicht
getreu. Er hatte in der Zeit, die er in
einem fremden Welttheil zubrachte, man
chen rühmlichen Kampf bestanden, Gefahr
und Tod schreckten ihn nicht, und seinNa
me verbreitete, wie späterhin der des Kö
nigs Richard Löwenherz, Furcht und
Schrecken unter den Saracenen.
Im Mai des Jahres 1l)98 hatten die
in Syrien eingebrochenen Franken sich
der Stadt Antiochien bemächtigt, und die
darin befindlichen Muselmänner durch
Mord und Plünderung heimgesucht. Dies
grausame Verfahren ward von den Mu
selmännern blutig gerächt. Mit verdop
pelter Stärke griffen sie Antiochien an,
belagerten die Christen und versetzten sie
in solchen Schrecken, daß sie flehentlich
um Frieden und freien Abzug baten. Bei
dieser Gelegenheit war Robert von Bri
enne durch einen Pfeil gefährlich verwun-
det worden. Man trug ihn für todt fort.
Ruhe und heilende Mittel führten seine
Genesung herbei, auf die er fast verzich
tet. Bereits im Juli U)9i) konnte er
Theil nehmen an der Eroberung Jerusa
lems unter Gottfried von Bouilon's Fah
nen.
Mit Beure beladen, die nach dem Be
richt morgenländischer Schriftsteller un
ermeßlich gewesen sein sott, kehrten die
einzelnen Kreuzfahrer heim. Robert
indessen konnte kaum den Augenblick er
warten, wo ihm die vaterländische Luft
entgegensäuselte und er durch Johanna's
Hand das höchste Lebensglück empfangen
sollte. Wir lassen ihn in diesen frohen
Erwartungen seinen Weg fortsetzen, und
kehren zum RitterHugo und seiner Toch
terzurück. Voraussetzen läßt sich, daß kei
ner von unsern Lesern der Erklärung bei
getreten sein wird, die der Greis jenem
sonderbaren Vorfall im Walde bei Tours
gab. Sie werden sich denselben vielmehr
auf die eine oder die andere Art erklärt
haben. Um jedoch allen Zweifeln zu be
gegnen, theilen wir hier die Enträtse
lung einer Begebenhet mit, die die trau
rigsten Folgen nach sich zog.
Zu eben der Zeit, als Hugo, im Walde
verirret, seine Gefährtin rief, strich Graf
Wilhelm von Poiton, nicht weit von ihm,
doch durch Gebüsch seinem Blicke verbor
gen, umher, gepeinigt von den Qualen
einer Liebe, die ihn nimmer beglücken soll
te. Der Zufall führte ihn an dem Baum
vorüber, wo der ehrwürdigeGreis schlum
merte. Er betrachtete ihn eine Zeitlang
sinnend. Finstere Gedanken durchkreuz
ten seine Seele. Nein, sprach er ent
schlossen zu sich selbst, sein Mörder will
ich nicht werden ! Hängt ja doch Johan
na's Besitz nur von seiner Ueberzeugung
ab, daß Robert todt ist. Hugo ist alt
und schwach, das Alter macht leichtgläu
big. So mit sich selbst sprechend, erklet
terte er einen nahegelegenen Baum, ließ
sich in die Höhlung desselben hinab, und
—Hugo ward betrogen.
Die Folgen dieser Täuschung waren
indeß trauriger, als Graf Wilhelm sie sich
vorgestellt haben mochte. Wenn man
die Schwäche des alten Mannes in An
schlag bringt, die sich leichter dem Hange
zum Wunderbaren, dem Glauben an eine
Einwirkung des Geisterreichs in die Kör
perwelt hingibt, als die rasche offene Ju
gend, die die Eindrücke der Seele schneller
wechselt; wenn man dazu rechnet, daß
diese Geschichte in einem Zeitraum spielt,
den die Nacht des Aberglaubens umhüllte,
so wird es begreiflich, daß Unruhe und
Zweifel die Zertrümmerung eines Gebäu
des, das längst wankte, beschleunigen muß
ten. Nichts vermochte den Greis von
seinem Glauben, der in seiner Seele zur
festen Ueberzeugung geworden war, wie
der abzubringen. Daß Graf Wilhelm,
der seine Besuche noch immer fortsetzte,
ihn in seinem Wahn, auf dem sein einzi
ges Glück beruhte, noch bestärkte, ist be
greiflich. In eben dem Maße aber such
ten Johanna's Vorstellungen ihren Va
ter von einem Abgrunde hinwegzuziehen,
indem er sie und sich selbst zu stürzen
drohte.
Wie vermöchten wir die Qual der Un
glücklichen zu schildern, die ihren Vater
dem Tode nahe, und sich selbst einem
Manne hingegeben sah, dem sie zwar ih
re Achtung nicht versagen, doch Liebe, so
lange Roberts Tod nicht völlig erwiesen
war, nie gewähren konnte. Daß ihr Va
ter nächstens auf eine Verbindung mit
dem Grafen dringen, daß Robert wieder
kehren könne, und sie dann fände in den
Armen eines Andern —das waren zwei
schreckliche Vermuthungen, von denen die
erste nur zu bald in Gewißheit überging.
Ich fühle, daß mich der Tod bald zu
meinen Vätern abrufen wird ! sagte der
alte Hugo eines Morgens zu seiner Toch
ter, die wie gewöhnlich an seinem Lager
weilte. Sprich, willst du mir noch eine
Bitte—die letzte, die ich an dich thue, ge
währen ?—MitFreuden jede, rief Johan-
Laufende Nummer SÄ.
na, nur—Sieh, unterbrach sie der Greis,
die Kraft meines Lebens ist dahin. Wen
die Sonne niedersteigt am fernen Hori
zont, bin ich vielleicht nicht mehr. Rei
che mir deine Hand, meine Tochter. In
diesem Augenblicke trat Graf Wilhelm
herein. Nehmt diese Hand, Graf, rief
Hugo, sich zu ihm wendend, und mit ihr
er wollte weiter sprechen, aber seine
Kraft war erschöpft, sein Auge gebro
chen.
Mein Vater! rief Johanna außerFas
sung, Gott, was soll ich thun? —Lange
zögerte sie, dem Grafen den Schwur der
Treue zu geben. Liebe und Pflicht ran
gen einen harten zweifelhaften Kampf,
aber die Letzte siegte,—der Schwur war
gethan. Der Greis hob sich bei den
Worten: Ich gehorche dem Willen mei
nes Baters! wie in Begeisterung von
seinem Lager empor, und drückte einen
langen Kuß auf ihre bebenden Lippen.
Es war die letzte krampfhafte Aeußerung
der entfliehenden Lebenskraft. Erschöpft
sank er auf sein Lager zurück, und schloß
seine Augen auf ewig dem allbelebenden
Lichte.
Robert von Brienne hatte indessen den
Weg nach der Heimath ununterbrochen
fortgesetzt, ohne daß ihm etwas begegnet
wäre, das Erwähnung verdiente. Seine
Stimmung war indeß nicht mehr so ru
hig und heiter, ohne daß er einen Grund
dieser Veränderung entdecken konnte.
Noch immer standen die freundlichen Bil
der der Vergangenheit, das heitere Ge
mälde der Zukunft vor seiner Seele;
noch immer malte sich seine Phantasie die
Freude des gegenseitigen Empfanges mit
den lebhaftesten Farben aus—und doch
gab es Augenblicke, wo er den Horizont
seines künftigen Lebens von dunkeln Wo
lken umhüllt sah. Wie? wenn Hugo
todt wäre, sagte er in solchen Augenblik
ken zu sich selbst, und Johanna die Gat
tin eines Andern? Zwar setzt er diesen
beunruhigenden Zweifeln jedesmal ein ra
sches entscheidendes: Das kann und wird
nicht sein! entgegen. Doch war es son
derbar, daß diese düsteren Vorstellungen,
je näher er seiner Heimath kam, sich mehr
und mehr seiner Seele bemächtigten, und
seinen Muth so beugten, daß die Erinne
rungen an die vaterländischen Gefilde,
die sich ihm beim Anblick so mancher be
kannten Gegenstände aufdrang, seinHerz,
statt mit Freude und Hoffnung, mit ban
gen, schwermüthigen Ahnungen füllte.
Unter diesen Betrachtungen hatte er
den Wald bei Tours erreicht, wo der Rit
ter Hugo zu jagen pflegte. Die Abend
dämmerung war bereits eingetreten, der
Himmel umwölkt und trübe wie seine ei
gene Stimmung. Schaurig blickte das
bleiche Licht des Mondes und das Ge
flimmer einzelner Sterne durch die dun
keln Tannen. Ringsumher herrschte die
Stille des Grabes, nur dann und wann
durch ein Knistern in den Zweigen unter
brochen.
Eben befand sich Robert an einem
Kreuzwege in Ungewißheit, welcher von
beiden Pfaden zu Hugo's Burg führte,
als er unfern das Stampfen und Wie
hern von Nossen vernahm. EineSchaar
vermummter Ritter sprengte in diesem
Augenblick aus dem Gebüsch hervor Ha!
Räuber! rief Robert, mit entblößtem
Schwerdte auf sie eindringend. Wer
seid Ihr? entgegnete der Anführer. Die
Frage könnt ich mit größerem Rechte an
Euch zurückgeben. Doch —sei es drum!
Mein Name ist Robert von Brienne.
Ein halblautes Murmeln erhob sich
unter den Vermummten. Ritter, Ihr seid
unser Gefangener, begann der Anführer
nach einer Pause. Das wohl nicht! ent
gegnete Robert lächelnd, so lange ich noch
dies Schwerdt führen kann. Ihr mögt
erfahren, nichtswürdige Buben, daß ihrs
mit keinem Knaben zu thun habt!
folqe.z
Die Gesetzgebung vo» Ohio erlaubt gegen
wärtig w Proeent Interessen von Darlehen.