Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, October 09, 1849, Image 1

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    Ii c ,ll di N cz, HItNN Gedruckt uud herausgegeben von Arnold Puwell e, iu der Süd 6reu Straße, zwiicheu dcr Franklin- und Ctwsnut - Enaße.
Jahrg. I s, ganze Nnm. 525.
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Der Platzkvmmattdant von
-Yamlnlrg,
oder drei Schauspieler in tausend Aengsie»
sVon Lheodor Drobisch.^
Eben war die Vorstellung des Schau
spielö: „die Soldaten" von Arresto auf
dem Altonaer Theater beendigt und die im
Stück beschäftigt gewesenen Darsteller in
dem Ankleidezimmer »och im Ausziehen
begriffen, als eine Nachricht eintraf, wel
che auf sämmtlichr Mitglieder der Bühne
wie ein Donnerschlag wirkte. König
Christian der 7. von Dänemark war plötz
lich zu Rendsburg verschieden und die des
halb eingetretene Landestrauer führte das
Verbot mit sich, dasi deßhalb die Theater
auf ein Jahr geschlossen werden sollten,
Altona, auf dänischem Gebiet, war al
so mit inbegriffen und der Direktor Al
brecht sah sich deshalb in die traurige
Nothwendigkeit verseht, sämmtliche Mit
glieder der Altonaer Bühne zu entlassen,
wo augenblicklich viele der grössten Noth
und dem Elende preisgegeben wurde».
Jetzt gingen nun Anfragen um Engage
ment nach allen vier Winden, lind wer ei
uiges Geld auftreiben konnte, schnüite
das Bündel lind suchte sich wieder ein Uli
terkommen zu verschaffen.
Rath - und thatlos standen drei Mit
glieder dieser Bühne beisammen und be
>iell)en sich, was in so verhangniswoller
Lage anzufangen.
Der erste dieser verzweifelten Mimen
war Arresto, Verfasser des Milirärstücto
„die Soldaten," früher Direktor inSchwe
rin. Er war Familienvater und deßhalb
in besonders bedrängter Lage. Der zwei
te hieß Leo und der dritte des welkenden
Kleeblattes Röppke.
Arresto war ein höchst zärtlicher Fa
milienvater, der mit Leib und Seele an
seinem Weibe, der später verehlichten
Schauspielerin Bachmann hing, welche
im Jahre zu Delitsch starb. Mit
Wehmutl) betrachtete er sein Kind, seine
einzige Tochter sjetzt an den Schauspieler
Ludwig Wollrade und sann,
wie er bald wieder eine Existenz znmWohl
der Seinigen gründen könne.
Leo war ein höchst sonderlicher Kauz.
Er hatte die fixe Idee, in seinem Leibe
beherberge er einen Bar und einen Hahn.
Der Bär brumme von Zeit zu Zeit ganz
entsetzlich und der Hahn habe nur selten
eine Stunde, wo er das Krähen unterlas
se. Nichts vermochte diesen Gedanken
zu bannen, so sehr sich auch seineCollegen
und befreundete Aerzte Mühe gaben, un
sern Leo davon zu befreien. Alle Mittel
schlugen fehl, Pez brummte fort und der
Hahn hielt durchaus nicht seinen Schna
bel.
Röppke, ein guter Komiker und sonst
nicht ohne Bildung, da er auch, was zu
jener Zeit viel sagen wollte, französich
sprach und schrieb, war ein Charakter vol
ler Widersprüche. Obgleich er in augen
scheinlicherTodesgefahr fest und unerschüt
terlich zu stehen vermochte, so beherrschte
ihn dennoch oft eine wahrhaft lächerliche
Furcht vor Gespenstern. Zu Zeiten war
er freigebig oft verschwenderisch, und dann
wieder einHarpagon, dessen Geiz an wah
re Schmutzigkeit grenzte.
Nachdem diese Trias hinlänglich über-!
legt, auf welche Art dem Mangel vorzu
beugen und wiederum eineThätigkeit zum
Heil ihrer zerrütteten Finanzen zu gewin
nen sei, machte Arresto den Vorschlag:
beim Senat der Stadt Hamburg schuft
lich und mündlich einzukommen, daß man
ihnen erlaube, auf dem Hamburger Ber
ge in irgend einem geeigneten Lokale the
atralische Vorstellungen veranstalten zu
dürfen.
Arresto und Röppke legten Hand ans
Werk, fertigten die Bittschrift an den S
enat und unternahmen sonst alle Wegc zur
Erreichung ihres Zweckes. Nur Leo fei
erte, weil —sein Hahn krähte und sein
Bär brummte.
Das beabsichtigte Unternehmen gelang;
Schauspieler waren augenblicklich gefun-
Wer Liberale Äcobacliter
Und Berks, Monkgemery und Schuylkill Cannties allgemeiner Anzeiger.
den und an einem schönen Sonntage wur
den die Vorstellungen auf dem Humbur
ger Berge in der sogenanntrn Bachus
balle eröffnet. In pecuniärer Hinsicht
stellten sich die Vorstellungen so ziemlich
gut heraus, obgleich der damalige Krieg
und die politischen Bewegungen der dra
matischen Kunst nicht sondellich günstig
waren. Da nahte der Geburtstag des
Prinzen von Poilte Corvo, spätern Kö
nigs von Schwedin; diese Gelegenheit
durfte nicht spurlockvolübergehen, zumal
sich der Prinz in Hamburg befand.
„Kinder!" säuselte Arresto „laßt uns
Anstalt machen, denn hier ist etwas zu ge
winnen, wir gehen nicht leer aus."—Die
Hauptmitglieder derßühne kamen zusam
men und es ward beschlossen, eine 'Art
Festspiel zu arangiren, wo natürlich Ar
resto in seinem Element war.
Er hielt Wort und dichtete cinen pom
pösen Prolog mit Ehören, wo Blumen,
Lampen lind TranSparentS mit inbegrif
fen waren. Nach Beendigung des Pro
logs sollte Zieglers Schauspiel: „der Lo
rbeerkranz" in Scene gehen, denn Arresto
war höchst wacker in Militärrollen nnd
suchte zu jener Zeit vornehmlich Stücke
in Scene zu setzen, wo der Militärstand
höchlich gepriesen wird, weil er dadurch
Zufluß von Seiten der Soldateska erwar
tete und sich der Hoffnung hingab, daß
der Prinz an diesem Tage sein Theater be
suchen werde.
Der Prinz init seiner Suite ein Extra
Honorar, ein volles HauS, daS ganze Per
sonal jnbelte, selbst Leo, der in diesemAw
genblicke das Brummen seines Bären
vergaß.
Der Prolog war fertig, Arresto hatte
sich alle Mühe gegeben, um etwas Aus
gezeichnetes zu liefern. Jetzt wurde vor
geschlagen, daß der Theaterzettel für den
Prinzen auf Atlas gedruckt,- das Manu
script des Prologs in Maroquin gebunden
und beides Seiner Durchlaucht übergeben
werde.
Jetzt entstand nun aber die Frage, wer
beides dem Prinzen übergeben sollten. —
Leo ward in Betracht seiner Persönlichkeit
besonders zu diesem wichtigen Amte erko
ren. Obgleich er diese Ehre theilhaftig
werden wollte, so hatte er doch vieles da
wider einzuwenden, weshalb man auch
nicht weiter in ihn drang, da, wie Arresto
bemerkte, inmitte der.Rede an den Prinzen
der Hahn seine Stimme erheben könnte.
Für Arresto, als deu Dichter des Prologs,
wollte sich diese zarte Angelegenheit auch
nicht eignen, und so viel die Wahl auf
Röppke.
Ich? der Komiker? „entgegnete sel
biger." „Nein, Kinder, das geht unmög
lich, denn mehrereOfsiziere aus des Prin
zen Umgebung kennen mich nur als Lu
stigmacher, und da könnte der ganzeErnst
zum Geier gehen."
Nach vielen Bitten gab er dem Wun
sche nach und an gedachtem wichtigen Ta
ge sah man Röppke befrackt und ange
than mit weißen Handschuhen zum Prin
zen fahren. Dasselbst angemeldet und
vorgelassen trat er mit tiefer Reverenz zu
dem hohen Geburtstagsmann und sprach i
„DurchlauchtigsterPrinz! ?llle> gnädigster
Prinz und Herr! Verzeihen Durchlaucht,
daß einJüngerThalienö es wagt, inHoch
dero Nähe zu treten und Hochdenselben
sowohl das Manuscript eines zu diesem
feierlichen Tage verfaßten Prologs, so
wie den Theaterzettel in tiefster Devotion
zu Dero Ansicht und Gebrauch submissest
zu überreichen. Milde und Barmherzig
keit sind die schönsten Perlen in der Kro
ne eines Herrschers. Ueberglücklich wür
den wir uns schätzen, wenn Durchlaucht
geruhen wollten, die heutige Vorstellung
bei unsererßühne durch Dero hohe Gege
nwart zu verherrlichen."
Mit größter Freundlichkeit nahm der
Prinz das Manuskript und den auf At
las gedruckten Theaterzettel entgegen und
sprach: ~Es würde mir sehr angenehm
sein, die Vorstellung zu besuchen, wenn
nicht überhäufige wichtige Geschäfte mich
"Vvillig zu loben und obne Furcht zu tadeln."
Dienstag denAetober, 18 455.
daran verhinderten, doch werde ich »leinen
Adjudairten schicken. „Adjcu"
Röppke eilte mit dieser Nachricht in's
Theater,wo jetztAlle horchten,was d,Prinz
gesagt.— Der Adjutant konit ? Hurrah!
Das ist eben so gut, denn da sendetDnrch
lauchr sicher einige Luisdor mit. Ha!
wie werden sich die am Stadttheater är
gern, daß wir dein hohen Herrn und Ge
bieter solche Aufmerksamkeit erwiesen.
Jetzt, Kinder! rief Arresto, noch einmal
die schwierigsten Scenen probirt, damit
heut' Abend ja alleS klappt. Sie, Zim
mermann, rief er znm Souffleur, schla
gen Sie mir nur das erste Wort an, den
ich kann meine Rolle auf's „lind."
Jetzt begann die vierte Probe zu Zieg
lers „Lorberkranz," welchem man hellte
auf dem Zettel noch das Anhängsel verlie
hen : ~Die Macht der Gesetze."
Für unsere Zeit dürfte dieses Stück
nicht passen, denn die Lehre desselben ist:
„Subordination ist ein großes Wort! Es
achtet nichtGeburt nndTtand lind sprengt
die starken Bande der Natur wie dünne
Fäden ab." Alle männliche Personen
dieses Stücks sind Soldateil, es geht zu
wie in einer Wachstube. Alle Augenbli
cke kommt ein anderer Mensch, legt die
Hand an die Stirn, bildet ein Angen
schirmdach und sagt—daß er nichts zu sa
geil habe. Martialischeßilder und Spra
che von der ersten bis zur letzten Scene.
Sämmtliche Schauspieler waren heute
Feuer und Flamme, denn Arresto über
wachte die Probe mit ganz besonderer
Strenge und Sorgfalt.
Der Abend nahte heran; der Adjutant
erschien und nahm den mit Sammt über
schlagend! Platz ein. Es war überfüllt
und die Vorstellung war eine höchst ge
lungene zu nennen, da Schauspieler wie
Theatermeister heute ganz besonders der
Erfüllung ihrer Pflichten oblagen. Schon
war der Vorhang gefallen und die im
Stück beschäftigten Mimen wollten sich
eben der Gardrobe entledigen, als der
Theaterdiener todtenbleich hereinstürzte.
Er wollte sprechen, aber der Schreck hat
te seine Zunge gelähmt. Da erklang es
plötzlich vor der Thür; „Sacre nom de
dieu!" und in demselben Augenblick er
schien ein französischer Corporal mit vier
MannWache, welcher auf Arresto, Röpp
ke und Leo zutrat uud sie arretirte. Ar
resto und Röppke boten ihre ganze fran
zösische Sprachkenntniß auf, selbst Leo
warf mit einigen Brocken um sich, es half
aber nichts, der Sohn vom Strand der
Seine strich seinen gewaltigen Schnurr
bart und drohte im Fall längern Verzu
ges mit Gewalt.
Man denke sich die Bestürung der
Anwesenden. Arresto's Frau, welche im
Stück die Gräsin losepha gespielt, sicl
ihrem Mann fast ohnmächtig in die Ar
me. Leo wollte sich nebst Röppke und
Arresto erst des Costüms entledigen. Non
non MouSsieur! donnerte der Barsche,
und so wurden die armen drei Mimen ge
schmückt und im Costüm von dem militäri
schen .Quartett in die Mitte genommen
und auf die Wache transportirr.
Ein höchst trauriges Nachspiel. Kein
Mensch konnte ahnen, was hier im Wer
ke und die Veranlassung zur Arretur ge
geben, wie sehr man sich auch die Kopfe
zerbrach.
Zitternd und mit scheuen Schritten gi n
gen die erschrockenen Menschendarsteller
ihrem Ziele entgegen. Sie vergaßen al
les um sich her, sogar Leo seinen krähen
den Hahn, obgleich der Weg über den
Gänsemarkt ging.
Anf der Wache angelangt übergab der
Unteroffizier die drei Arrestanten dem
wachhabenden Offizier, welcher bei ihrem
Erscheinen sich von seinein Stuhl erhob
und sie freundlich empsieng.
Mein Herr! nahm Arresto das Wort,
„wenn wir eine Bitte wagen dürfen, so
ist es die, uns gefälligst zu sagen, aus wel
chem Grunde man uns hierhergeführt, da
wir uns durchaus keiner Schuld bewußt
sind."
~Es thut mir leid, meine Herren! Ih
nen sagen zu müssen, daß Sie sich auf
Befehl des Platzkommandanten von Ham
burg hier befinden, welcher ihre Arretur
nur deshalb bewirkt, weil bei Ihnen heu
te eine Vorstellung in Scene gegangen,
>vo ein Prinz verhaftet wird und dies als
eine Beleidigung für die Person Sr.
Durchlaucht angesehen worden ist."
Himmel! welch ein Schreck überfiel die
armen Schauspieler. Alle» Dreien wur
de ein Behältniß angewiesen. Da stan
den sie in dunkler Nacht; zwei Stühle
und eine harte Pritsche. —Arresto ergriff
die Hände seiner Freunde und rief: ~Der
Himmel schütze Weib und Kind ; wir sind
geliefert."
„Geliefert?" schrie Röppke, indem er
beinahe vor Schreck in's Knie sank.
~Ja! geliefert. Unser Loos, ach! ich
ahne es, ja, es ist bestimmt, kein Zweifels
wir werden erschossen."
~Erschossen?" Jetzt sing Röppke bit
terlich an zu weinen lind schluchzte immer:
~Ach, du meineGüte! Erschossen! Ich
ein Mann—in den besten lahren."
Leo war ruhig. Er hatte die Hände
geschlossen, drehte ruhig einen Daum über
den andern und sprach: „Wie der Him
mel will. Sterben ist unser Loos. Ein
Schuß aus einer Flinte auf mich, auf
meinen Leib. Wie Gott will. Wenn
sie nur den Bär und den Hahn recht gut
treffen. Es sollte mich ärgern, wenn ich
niedergeschossen würde und der Bär hum
pelte so mir nichts dir nichts von dannen."
Nach langem Hin- und Herreden, nach
gegenseitigen Tröstungen legten sich alle
Drei nieder. Arresto war am niederge
schlagensten. Der Platzkommandant aus
Hamburg ! Ach ! was hat Hamburg nicht
schon Alles von dessen Willkühr erlitten.
Gebt Acht! meine Freunde, wir haben
heute zum letzten Male in diesem Leben
Theater gespielt.
„Der verwünschte Lorberkranz !" heul
te Röppke. „Ja.' die Macht der Gese
tze, wir werden sie kennen lernen. Wir
sterben als Märtyrer für die Kunst,
für die deutsche Bühne.
„Meine Frau! mein Kind!" seufzte
Arresto; „mein Bär, mein Hahn!"
krächzte Leo. — So war schon längst Mit
ternacht vorüber Die Glockenschläge vom
Nicolai - und Petrithurm drangen mäch
tig an's Ohr der Gefangenen. Schon
brach der Morgen an und jeder vernehm
bare Fußtritt dä'uchte ihnen ein Schritt
vom Boten des Todes. Ihre Zelle war
höchst dunkel denn dasLicht siel nur spär
lich durch ein kleines Kappfensterchen.
Bereits war die neunte Stunde vorüber,
die Ungeduld auf das höchste getrieben,
da Haid zehnUhr, wer ermißt ihren Schreck,
da ertönt plötzlich draußen Trommelwir
bel. Wie aus einem Munde ertönt es
von allen Dreien: „Jetzt werden wir er
schossen !"—Arresto vergoß eine Thräne,
Leo verbarg sein Gesicht in'S Schnupf
tuch, Röppke heulte überlaut.
Da erschallen Schritte. Das Schlüs
selbund des Wärters rasselt. daS Wirbeln
der Trommeln raunt auf's neue an ihre
Ohren. Krach, die Thür fällt in's
Schloß, der Wärter öffnet und herein
tritt—der Adjutant deS Prinzen.
„Meine Herren!" ruft er mit leutseli
ger Stimme, indem er Arresto die Hand
»eicht, „es waltet hier ein Mißverständnis,
und ich bedaure ungemein, daß man Ih
nen eine so unangenehme Nacht hier an
diesem Orte bereitet. Mein Bericht hat
dem Hr. Platzkommandanten so wie Sr.
Durchlaucht vollkommene Aufklärung ge
geben. Sie sind frei und im Namen Sr.
Durchlaucht ist mir die Weisung geworden,
Ihnen für die erwiesene Aufmerksamkeit
ein kleinesCadeau zu überbringen." Hier
mit legte er ein Röllchen mit dreißig Na
poleonSdor auf den Tisch und konnte sich
beim Anblick Röppkens fast des Lachens
nicht erwehren, den durch das Verwischen
der Schminke mit der schwarzen Farbe,
womit er sichAbends zuvor einen Schnur
rbart gemalt, sah er eher einem Essenkeh-
Laufende Nummer 7.
rcr ähnlich. Man denke sich die Frende
der in Todesangst gewesenen und nun er
retteten Mimen, welche jetzt mit dreißig
Goldfüchsen aus dem Gefängniß heraus
fuhren.
Arresto und Leo nahmen augenblicklich
cinen Wagen, um so schnell als möglich
nach Hause zu gelangen, denn des Ersten
Sehnsucht nach Weib und Kind war groß.
Röppke aber mit seinem großen Haar
beutel, dem war jetzt die Welt zu enge,
viel weniger eine Droschke. Mit dem
AuSrufe der Maria Stuart: ~Laß mich
der neuen Freiheit genießen, laß mich ein
Kind sein, sei es mit!" stürzte er zur
Hauptwache hinaus und langte so zum
Ergötzen des ganzen Hamburger Ber
ges in der BachuShaUe an. Hurrah!
da war große Freude! er wurde umarmt
und abgeschmatzt, als wenn er eben mit
einem Schiff auS Surinam zurückgekehrt
wäre. Arresto ließ gleich mehre Flaschen
Wein holen, welche ein wohlhabender
Hamburg erKaufmann und großer Thea
tereuthusiast freiwillig spendete. Alle die
zufällig anwesenden Mitglieder der Büh
ne mußten Theil nehmen; selbst dem
Soufleur wurde etwas von ~Hierbleiben!"
zugeflüstert; sagar der Theatermeister
bohrte eine Flasche an.
Als sie so fröhlich beisammen saßen,
wendete sich Arresto zu Leo und sprach :
~Eure Partie, die Rolle des Prinzen im
gestrigen Stück, ist recht hübsch, aber hier
die Rolle des Prinzen ist weit glünzen
der." Er zeigte hier auf das Paketchen
mit den Goldstücken, welche jetzt getheilt
wurden. Leos Hypochonder war gänzlich
gewichen. Der Platzkommandant von
Hamburg war ein trefflicher Arzt und
die Hauptwache eine höchst wirksame Heil
anstalt für ihn gewesen. Waren es die
Bajonette, vor denen der Bär Reißaus
genommen, oder das ominöse Wirbeln
der Trommeln, vor welchem der Mousieur
Kikriki geflohen ; man weiß cs nicht, denn
als Leo die zehn NapoleonSdor empfangen
und damit etliche Bären losgemacht, die
er hier und da angebunden, da war auch
sein Bär mit verschwunden und hat sich
nie wieder sehen lassen.
O. Correepeiidkiir.
Die fünf Punkte in Neu-Flork. Wer
hat nicht von den fünfPunkten (tlic: live
I>l>lntki) in Neu Bork gehört? Wie von
Palais Royal in Paris. Der bloße Na
me jedoch dieser beiden Lokalitäten, laßt
Wenige vermuthen, daß die Gräuel und
der Abschanm der Civilisation in diesen
ihren Kulminationspunkte enthalten ist.
Palais Royal ist das große Giftgeschwür
von Frankreich, welches von Zeit zu Zeit
seinen Unrath über alle seine Provinzen
ausspritzt. Die fünfPunkte sind der ver
pestete Ableiter der Moralität von Neu-
Aork.
In No. 7 Littlewaterstraße ist ein Ge
bäude, die „Chimneysweeper Halle" ge
nannt, in welcher Farbige wohnen.
In einer der Ecken von Eroß - und Oran
gcstraßen wohnen funfundneunzig schwar
ze und weiße H —n, in dem untern Theil
eines Hintergebäudes, und an einem an
dern Orte als bekannt, sind acht
zig. In No. 10 lind 12 Mulberrystraße,
sind in einem Hintergebäude Einhundert
und zwei Wohnungen, von denen jede
Stube gewöhnlich sechs Personen enthält,
andere von acht bis zu zehn Personen.
Ungefähr KWPersonen wohnen aus zwei
Lotten, und zu No. !).> Croßstraßc beste
hen die Einwohner aus zweiundfünfzig
Männern, zweiundsiebenzig Frauen und
Einhundert und fünf und dreißig Kindern.
Wem schaudertS nicht vor diesem Bilde
der Armuth des Eleudes und des Lasters
in dem Herzen der reichsten, mächtigsten,
blühendsten und—christlichsten Stadt die
ser großen Republick. Leider ist dieses
nur ein kleiner Theil des Jammers wel
che unsere gerühmte Aufklärung in ihrem
Fortschritte mit sich führt.
Am 30. Sept. brannten in Quebek,
Unter Canada, 14 Häuser nieder.