Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 03, 1849, Image 1

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    Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schnyltill Caunties allgemeiner Anzeiger.
ZA eÄVi N g, PeNN. Gedruckt und herausgegeben von Arnold Puwe ll e, in der Süd 6ren Straße, zwischen der Franklin- nnd Ctu'snm - Elraße
Jahrg. 1«, ganze Nnm. SOV.
Bedingungen : —Der A,iber«Nc Lrob.iciltcr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Luperial - Bogen I»il schönen keltern gedruckt. Der Subscriptions - Preis ist Ein Thaler des Zahrs, welker in halbjährlicher
I Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden Kl 50 angerechnet. Für kürzere Zeit als K Monate wird kein Uncerschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
I dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Lubseriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis ein»
I gerückt. Unterfchreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterfchreiber. Briefe und dcrgl. müssen postfr e'i eingesandt werden.
Seltener Mntb eines Pachters
sGchluß.)
Fast ein ganzesJahr lang, lauerten ihm
n verschiedenen Orten, die Mitgenossen
!s Räuberhäuptlings auf, um den Tod
»res Anführers, auf eine blutige Art zu
ichen, und der Bedrohte, entkam diesen
iachstellungen nur immer durch glückliche
Zufälle, wie sie die Vorsehung denen berei
st, die sie in ihren Schutz nimmt. Ei-!
es Tages befand sich Fleischmann im Ge-
>rge auf der Jagd, und war gezwungen
!)ne Gefährten, nur von 6 Jagdhunden !
mgeben, sein Nachtlager daselbst aufzu-!
hlagen. Die Nennung seines Namens
»eckte ihn aus seinem Schlafe, und sich er
ebend, sah er bewaffnete Männer in sei-'
er Nähe, welche ihm mit barschem Tone
efahlen, ihnen ohne Weigerung sogleich
u folgen. Bald stand er in der Mitte
iner zahlreichen Räuberbande, die gera
e ihre Mahlzeit zu verzehren im Begriffe
?aren Er wurde nun dem Hauptman- i
e vorgestellt. „Bist Du s," redete ihn
ieser mit rauher Stimme an, „der den
vpitznagel erschlagen," und als Fleisch
iann bejahete, betrachtete er ihn von o
en bis unten, zog eine Pistole hervor und
?rach : „Da nimm dies als ein Angeden
en von mir, Du hast recht gethan, ich
?lbst hatte den Vorsatz ihn niederzuschie
en. Uebrigens setzte er hinzu: habe
on nun an keine Furcht, Spitznagels Leu
e sind theils gehangen, theils in meinem
)ienste; und zwei davon, die ich nicht
suchen konnte, ließ ich gestern erschießen ;
soch, sollte ich oder meine Gesellen, manch
ial ein Schaaf aus Deiner Schäferei ho
en, so macht gegen uns keine feindliche
Bewegungen, wenn wir ferner iu Ein
racht leben sollen." Fleischmann ging
An seines Weges, um seine Jagdgefähr
en aufzusuchen, denn der Morgen war e
»en angebrochen. Unten im Thale setzte
r sich an der Straße neben einem hölzer
>en Kreuze nieder, und ließ sein Jagdhorn
rschallen, während er von manchen Ge
anten über das erlebte Abentheuer be
legt, dem prachtvollen Schauspiele der
ufgehenden Sonne seine Blicke zugewen
det hatte. Da stand plötzlich ein alter,
»ochgewachsener Greis mit einer Axt un
er dem Arme vor ihm, betrachtete ihn ei-
Me Augenblicke forschend und sprach da
u': „Ihr seid der Pachter, der den Räu
»erhauptmann erschossen, es war mein
Lohn! Seht hier bei diesem Kreuze,
>at er nach seinem eigenen Geständnisse,
en ersten Raub begangen; hier habe ich
hn verflucht, und hier bete ich nun täg
ich am frühen Morgen, seit er todt ist,
ür seine arme Seele." Der Greis schluch
ete, kniete nieder und betete; Fleischmann
iber selbst bis zu Thränen gerührt, und
m Innersten ergriffen, warf seine Börse
N den Hut des alten Mannes, drückte ihm
ie Hand und entfernte sich, ohne seine
Zager abzuwarten.
Bon diesem Tage an hatte Fleischmann
eine Ruhe mehr in dieser Gegend, er ver
ieß bald darauf die Herrschaft, und mach
e sich in einer andern Gegend ansäßig.
lber in seiner Erinnerung lebt immer fort
aö Bild des armen unglücklichen Vaters,
»elcher vor dem Kreuzdenkmale, für den
erirrten todten Sohn betet.
Familien Geheimniß.
Unter diesem Titel entnehmen wir ei
>em englischen Blatte Folgendes:
In Coles Caunty wohnte ein Mann,
Kamens I. Dodson mit seinem Weibe,
>nd beide waren warme Anhänger des be
annten Propheten Miller, dessen Prophe
eihung vomWeltunrergang sie daher auch
oie so manche andere Thoren, allen Glau
en schenkten. Der verhängnißvolle Tag
n welchem alle physischen Elemente in
?auch und Flammen oder etwas der Art
ufgehen sollten, kam nach des Propheten
Xillerö Berechnung immer näher und nä
er, und des Tags zuvor entspann sich zwi
hen unserm Dodson und seiner ehlichen
)älfte folgendes interessante Gespräch,
,S wir seiner Originalität wegen, die ü-
brigens manches Seitenstück haben mag,
unsern Lesern nicht vorenthalten wollen :
Dodson : Liebes Weib, ich glaube Al
les auf morgen in Ordnung gebracht zu
haben ; ich habe allen meinen Feinden ver
geben und um die Vergebung aller mei
ner Sünden gebeten, und fühle mich da
her beruhigt und auf den Ausgang ge
faßt. Was meinst Du?
Frau. Und ich, theuerster Mann,
glaube ebenfalls für den Schall der Welt
posaune bereit zu sein.
D. Das freut mich zu hören! Aber
süßer Schatz, es gibt der häuslichen Ge
heimnisse doch noch manche, welche wir vor
einander verborgen gehalten, und welche,
wären sie zur Zeit ihres Vorfalls bekannt
geworden, unangenehme Gefühle erregt
haben mögten; doch da wir nur einen
Tag noch zu leben haben, so laß uns un
sere Herzen vor einander ausschütten!
Fr. Nun wohl, Geliebter, Du hast
Recht, ich habe Dir allerdings einige Klei
nigkeiten, die blos zwischen mir und Gott
bekannt sein sollten, bisher verschwiegen;
weil wir aber nur noch einen Tag Zeit zu
Geständnissen der Art übrig haben, so
mögen wir jeden Schleier hinwegziehen.
Ich bin einverstanden —fange Du nur an.
D. Nein, Geliebte, Du mußt begin
nen !
Fr. Ach, nein! Bester —Du mußt
zuerst herausrücken —ich kann nicht!
Was? Weißt Du nicht meine Zärtli
che, daß Paulus sagt: „Der Mann ist
des Weibes Herr Es ist Deine Pflicht
als einer christlichen Frau, Deinem Man
ne, dem Vater Deiner Kinder zu gehor
chen —also ohne Umstände angefangen!
Fr. (Mir einem tiefen Seufzer.) Im
Angesickte Gottes ist es, denke ich, meine
Pflicht zu bekennen—also wisse: Wilhelm
unser ältester Sohn, ist nicht Dein Kind !
D. Großer Gott, Marie! Mir
träumte nie von Deiner Untreue gegen
mich! Ist dem wirklich so?
Fr. So wahr mir's Gott vergeben mö
ge! Ich weiß ich that Unrecht, und bin
daher deshalb besorgt; in einer üblen
Stunde fiel ich, und das Geschehene kann
nicht ungeschehen gemacht werden.
D. Wilhelm nicht mein Kind?!—
Wessen Kind denn?!
Fr. Herrn Graham's, des Constabels,
—Gott sei Deinem armen Weibe gnädig !
D. Also Wilhelm ist nicht mein Kind
nur weiter in der Entschleierung?
Fr. Unsere Tochter Marie, nach mir
benannt, ist ebenfalls nicht Dein Kind!
D. Alle Himmel! Nur weiter, Marie
chen und Nichts verschwiegen wer ist
Marie's Vater?
Fr. Herr Grider, der die Kirche erbaut
und nach dem Westen gezogen ist.
D. Wohl, da wir nur noch einen Tag
in dieser Ehe zu leben haben, so will ich's
wohl geduldig ertragen—also fahre fort,
wenn Du noch nicht fertig bist!
Fr. Ja, da ist der Jüngste, Jimmy—
D. Ich fürchte, der ist auch nicht mein!
He?
Fr. Nein geliebter Gatte, Jimmy, den
wir beide so lieb haben, gehört ebenfalls
nicht zu Deinen Nachkommen.
D. Gnädiger Gott! Ist's möglich?
Im Namen des Erlösers, we m gehört
er denn zu?
Fr. Er belangt zu dem einäugigen
Schuhmacher, der da unten wohnt, wo
der Weg sich gabelt.
D. Wohlan, Gabriel blase, blase die
Posaune—laß die Welt in Gottes Namen
einstürzen —ich habe schon zu lange gelebt,
zu viel geliebt und zu viel gehört!
Westl. Staatsztg.
Ein Lebensbild ans Neu Mexiko.
Eines der merkwürdigsten Charaktere,
die in der Insurrektion Neu Mexiko's,
und den Guerilla Zügen figurirren, die in
dieser Provinz seit ihrer Besetzung durch
die Amerikaner vorfielen, ist gewiß der be
rühmte Guerilla Chef Antonio C o r
tez. Er wird von den Mexikanern, mit
einer Mischung von halb Anhänglichkeit
"TVillig zu loben und olinc Lurchr zu tadeln."
Dienstag den 5. April, 18ÄN.
halbFurcht verehrt, die ihren Grund haupt
sächlich in seiner pcrsöitlichen Tapferkeit,
seiner Unbeugsamkeit unter das Joch der
Fremden und der wunderbaren Keckheit
und List hat, mit der er bis heute noch al
len und jeden Versuch zu seiner Gefangen
nahme vereitelt hat, und mit deren Hülfe
er sich häufig unter die Amerikaner misch
te, ihrer geheimsten Pläne sich Meister
machte, und nie sich wieder in seine Gebir
ge zurückzog, ohne eS öffentlich zu machen,
daß erva gewesen sei. Vor demAuöbruch
des letzten Krieges, durch seine besondern
Eigenschaften sich hervorthuend, arm, un
gebildet, wie alle seine LandSleute, kaum le
sen ober schreiben könnend, schwang er sich
plötzlich als Gen. Kearny Neu Mexiko
angriff und eroberte, zum Haupt Anfüh
rer der Unzufriedenen empor, und war
verlassen von allem regulären Militär, der
Einzige noch, der für die Unabhängigkeit
Neu Mexiko's kämpfte, und seinen Na
men zum Schrecken der Amerikaner mach
te. —Unerbittlich gegen sie, war Jeder, der
in seine Hände fiel, ein Kind des Todes,
und schon manchem hat seine nie ihr Ziel
verfehlende Büchse, das Lebenslicht aus
geblasen, in den Schluchten von Canada,
und Puebla de TaoS, in den Engpässen
von Kroro und Lampuda. Es war im
Februar 1847, ein düsterer, schneeiger
Santa Fe Abend, das Spielzimmer der
Sennora Tula war wohlgefüllt, wie ge
wöhnlich von Offizieren und Soldaten,
begierig im „Monte" Uncle Sam's Doub
lonen d'ran zu setzen ; in einem Neben
zimmer unterhielten sich beim edlen Whis
ky Punsch einige Offiziere über Santa
Fe, seine Mädchen, seine Fandango's, sei
ne Lazaroni und deren Hauptführer Cor
tez.
„Und so hast Du denn wirklich Marsch
> ordre mit Deiner Compagnie nach der
Moro?" fragte Kapitän K. den neben
ihm sitzenden Offizier.
„Ja," erwiederte der Gefragte, Lieute
nant 8., und bei Gott! wenn der ver
flnchte Cortez diesmal nicht in unsere
Hände fällt, und nächste Woche hier auf
der Piazza baumelt, soll es meine Schuld
nicht sein. Wir wissen genau, wo in der
Moro er sich aufhält, seine Macht ist nur
gering, und wir gehen gut bewaffnet und
beritten. Es kann nicht fehlen, was meint
Ihr meine Herren, wie?"
„Huien salie ?" rief es von der Thür,
an der ein großer Mann, tief in seinen
Serapo gehüllt gestanden und alles gehört
hatte, —„Huien salie Hennnres man
sucht oft weit, was man näher finden
könnte!" und damit drehte sich der Mann
um und verschwand im Dunkel der Nacht.
Die Offiziere waren betroffen, standen
auf, um den Kecken festzuhalten, ihn zu
examiniren, -- aber er war verschwunden.
Lassen Sie uns ihm folgen! mit star
ken Schritten eilte er durch die ägyptische
Finsterniß „VVI,o comes liiere schall
te vom Posten. —„Frielick gab er zur
Antwort, flüsterte der Schildwache die
Parole zu, und klopfte endlich am Thore
des Padre oder Priesters —Durch die ge
öffnete Thüre ging er in ein Hinterhaus,
weckte dort in ihre Mäntel gehüllte, am
Boden liegendeMänner, nahm kurzeßück
sprache mit dem Padre, und wenig Augen
blicke nachher, hörte man den Hufschlag
mehrerer Pferde auf der Route nach der
Moro.
Lieutenant B. aber, erhielt, als er nach
Hause kam, eine Note von seinem Haus
herrn, die ein Mann „für ihn vor einer
Stunde hinterlassen hätt?." Die Note
enthielt: „Sennor! Vor zwei Stunden
konnten Sie Antonio Cortez haben, ohne
in so kaltem Wetter 80 Meilen weit zu
reiten. Jetzt finden wir uns in der Mo
ro, am Platze den Sie kennen. Bis da
hin Addios.
„Antonio Cortez."
Augenblicklich ging Lieutenant B. mit
der Note zu Colone! Price, Haussuchung
wurde angestellt in allen verdächtigen Hä
usern, der Colone! selbst leitete die Sache,
aber umsonst —Antonio Cortez war weg !
Vier Tage nachher brachte man den
Leichnam eines in der Moro ermordeten
amerikanischen Offiziers nach Santa Fe';
—es war Lieutenant B. Er hatte sein
Kommando in mehrere Theile getheilt,
um desto leichter den Feind umringen zu
können, er und vier Mann wurden über
fallen, niedergeworfen, der Mann vom
Spielzimmer in Santa Fe beugte sich ü
ber den Lieutenant: Buenos Dios, Sen
nor! erkennen Sie mich nun? —und zu
gleich—durchbohrte ein Dolch des Ameri
kaners Herz!
Wohl wurden 8 Tage nachher, sechs
Mexikaner vor ein Kriegsgericht gestellt,
zum Hängen verurtheilt und gehängt,
weil sie an jenem Morde Antheil hatten,
allein Antonio Cortez war nicht unter i'
nen, obwohl bei ihnen ; er konnte sie ni ,
retten, als Priester verkleidet, konnte er
sie bis an den Galgen begleiten, ihnen das
Bild de la santissima Madonna vorhalten
und ihnen den Tod erleichtern. Niemand
wußte, wer der Andere der zwei Geistli
chen war, —der Eine der Padre von Santa
Fe, —der andere Antonio Cortez,
der Guerillachef. Weltbürger.
Das rettende Kleeblatt.
In Hamburg erzählt man sich vom En
de des Jahres IB3A eine Begebenheit, die
wie frisch einem Romane entnommen zu
sein scheint, zum Beweise, daß die Roman
tik mit der Wirklichkeit oder vielmehr die
se mit jener noch nicht völlig zerfallen ist,
eine Begebenheit, die eben so viel Unter
haltung als Erbauung bewirken kann.—
Ein junger Mann, den seine Geschäfte
nach Amerika riefen, hatte sich zur Ueber
fahrt dorthin, einen Platz auf einemKauf
farthei-Schiffe gemiethet und harrte nur
des günstigen Windes, um sich an Bord
zu begeben. Gerade in der Zeit der ge
fährlichenAequinoctialstürme, die uns all
jährlich die Nachricht von gestrandeten
Fahrzeugen, verunglückten Menschen, o
der doch verlorenen Ladungen bringt, er
hielt er von dem Capitän die Weisung,
sich einzustellen, da nun endlich der gehoff
te Wind wehe und dem Auslaufen aus
der Elbe nichts mehr im Wege sei. Ehe
der Reisende sein Gepäck zum Hafen brin
gen ließ, beschloß er noch jedes Fleckchen
zu besuchen, das ihm lieb geworden war,
um ihm ein stilles Lebewohl zu sagen, zu
gleich auch, sich die Lokalität mit allen klei
nen Einzelnheiten einzuprägen, um da
durch bei der Erinnerung, ein desto leb
hafteres Bild vor seine Phantasie rufen
zu können. Seine Schritte trugen ihn
am Schlüsse der Wanderung, etwa zwei
Stunden vor der Abfahrt, zum Stintfaug
dem schönsten, erhöhten Wallpromenaden
Hamburgs, von welchem man einer ent
zückenden Aussicht genießt. Mit Weh
mut!) überblickte er das ganze Panorama,
und sein Auge ruhete dann auf dem Schif
fe unter seinen Füßen, daß sich durch die
Thätigkeit der Matrosen bemerklich mach
te. Es war der Kauffahrer, der ihn auf
nehmen sollte, um ihn den vaterländischen
Küsten zu entführen. Schon wurden die
Seegel gerichtet, und lustig flatterten die
Fahnen, vom Südostwinde frisch angeregt.
Die Stunde des Abschiednehmens war ge
kommen ; der Drang in die Ferne, der je
dem jugendlichen Gemüthe inne wohnt,
hieß die elegische Stimme in der Brust
unseres Passagiers schweigen und mit neu
em Muthe trat er den Rückweg an.
Eine Fahrt nach Amerika ist keine
Sonntags-Alsterpartic und erfüllt natür
licher Weise mit ernsten Betrachtungen
über die Zukunft, indem sie alle die längst
vergessenen, oft sogar verspotteten Vor
zeichen und Deutungen, mit milderen Blik
ken betrachten lehrt. „Wird das Meer
mir freundlich sein? Werden wir umher
getrieben werden endlos, seekrank, in Ge
fahr und Grausen Z Was wird mein Loos
sein im andern Wclttheile, komm? ich
glücklich hinüber ?" Alles dieses sind Fra
gen, zu deren Beantwortung kein Mensch
fähig ist, und die doch das schlagende Herz
so ängstlich beantwortet wünscht. Auch
Laufende Nmnmer 32.
unser Reisender empfand das Verlangen
glühend, als er den Fuß in die Allee setz
te, welche zum Stintfange führt. Siehe,
da fallt sein Auge auf den Rasen, der sei
nen Weg einfaßt, und wie ein Stern lacht
ihm ein vierblättriges Kleeblatt entgegen,
da 6 nach altem Glauben Glück bringt
ein vierfaches. „Das muß ich mir neh
men," denkt der Reisende, „ich will so gut
meine Amulette und Zauberzeichen an mir
tragen, wie ein Araber, der zwar für ei
nen Barbaren gilt, von dem uns aber doch
neuere Beschreibet ganz interessante Din
ge erzählt haben!" Schon bückt er sich,
das oininose Vierblatt sich zuzueignen, da
fällt ihm das strenge Gesetz ein, welches
bei 5 Reichsthaler, oder verhaltnißinaßi
ger Gesängnißstrafe gebietet, in den Wall
anlagen Nichts abzupflücken. Mit zier
lichen Sophismen demonstrirt er sich, daß
vor der Vernunft Nichts und ein Klee
blatt gleichbedeutend sei, und daß das Ge
setz bei seiner Warnung Blumen, Zweige
aber weder einen Grashalm noch ein
Kleeblatt gemeint habe. Mit einem vor
nehmen Lächeln über seine kindische Furcht
streckt er die frevelnde Hand aus und eig
net daö Pflänzchen sich zu. Der auf-
und abwandelnde Soldat bemerkte aber
kaum die unloyale That, als er mit gro
ßen Schritten herbeieilt, und den Ueber
treter des Gesetzes für seinen Arrestanten
erklärt.
Vergebens versuchte der Reisende seine
Logik gegen die Instruktion der Schild
wache ; wie Wasser von einem Felsen pral
len seine schonen Redensarten an dem Un
erbittlichen ab; und die einzige Antwort,
die er auf seine Auslegung der Verord
nung, auf seine Bitte den Geist des Ge
setzes, nicht den todten Buchstaben zu be
trachten, erlangen kann, ist ~Daö geht
mich Alles nichts an, Sie müssen mit auf
die Wache!" Keine Vorstellung, daß er
nach Amerika in dieser Stunde abreisen
müsse, daß seine Fracht verloren sei, daß
ein Kauffahrer auf kein Arretiren warte,
kein Anerbieten die Strafe gleich zu be
zahlen fruchtet. „Sie müssen hier war
ten bis die Ablösung kommt, und dann
auf die Wache!" Dabei beharrt der dienst
fertige Soldat und schickt sich an, wenn
der inhaftirte Verbrecher sich ungeberdig
benimmt, seinen Worten mit dem Geweh
re Nachdruck zu verschaffen ? Was ist zu
thun ? Das Ende der Controverse ist, wie
immer in solchen Fällen, wo auf einer
Seite Gewalt, auf der andern Ohnmacht
streitet, das Resigniren des schwächern
Theiles. Unser armer Reisender räso
nirt mit unerhörbaren Ingrimm über al
le Wallanlagen der Welt, und verwünscht
sämmtliche drei- nnd vier gestaltigen Klee
blätter, sich selbst und sein boshaftes Ge
schick, während das Kalkenauge des Wäch
ters jedes Entspringen unmöglich macht.
Nach halbstündigem Warten endlich er
scheint die Ablösung und, der Arrestant
hoffte mit ihr die Erlösung. Keineswegs.
Er wird auf die Wache gebracht. Unge
achtet des lebhaftesten Bedauerns von Zei
ten des Befehlshabers, der die unglückli
che Kleeblattögeschichte erfährt, schreibt
doch die Pflicht vor, mit keinem Arretir
ten eine Ausnahme zu machen. Der
Blattpflücker muß sich in Geduld fassen,
bis die Zeit kommt, daß er im Stadthau -
se seine Strafe bezahlen kann. Ja, bis
dahin hätten alle Schiffe des Hafens,
wenn sie den Südostwind benutzen woll
ten, mit Bequemlichkeit absegeln können.
Und wirklich fand, nachdem alle formellen
Umstände beseitigt und die Taschen des
Passagiers um fünf Thaler leichter gewor
den waren, der spät Befreite von seinem
Schiffe keine Spur, weder bei Altona,
noch hinter Blankenese, noch selbst in Cux
hafen am Ausflüsse der Elbe bis da
hin trug ihn der Drang, das Fahrzeug
einzuholen. Voll Unmuth über den pe
cuniären Verlust und den unersetzbaren —
der Zeit, muß er nach Hamburg zurück
kehren, und einen Platz auf einen andern
in jener Periode just absegelnden Kauf
fartheischiffe miethen. Schon beginnt er