Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, March 13, 1849, Image 1

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    Der Liberale ücobaclitcr
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
Kca » l NS, Venu. Gedruckt und herausgegeben von ArnoldPn w c ll e, in der Süd 6ien Straße, zwischen der Franklin- und EdeSuui < Straße.
Jahrg. I». ganze Rum.
Bedingungen: —Der Kiberale llcob.iclrtcr erscheint jeden Dienstag auf einen, großen Luperial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Lubfcriptions - Preis ist Ein Thal er des Jahrs, welcher in halbjährlicher
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden -II 50 angerechnet. Für kürzere Zeit als V Monate wird kein llnterschreiber angenommen, und etwaige Auskündigungen werden nur
dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Lubser>pt>ons«Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis ein»
gerückt. Unterfchreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Verlendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden.
Der Osterabend.
Erzählung von Wilhelm Walther.
sSchlub.)
Eine Viertelstunde darauf lugten zwei
litzende Augen durch's Gebüsch nach der
Ztelle, wo er lag ; einen Augenblick spä-!
r trat leise und vorsichtig ein alter Mann,
on dessen grauen Haaren der Schweiß
off, ihm gegenüber und betrachtete ihn !
>it dem Ausdrucke wilder Bosheit eine
Traume Zeit laug.
Ja, ganz «wie ich dachte, flüsterte er
ichelnd; sogar das Zeichen an der Stirn
chlt nicht, und ich begreife kaum die
Blindheit des Grafen. Aber was ist denn
as ?—tzr langte nach dem grünen Papier
n Grase.
Im nächsten Augenblicke verschwand
' an der andern Seite des Gebüsches.!
Is war Wilden.
Der Schläfer wandelte unterdeß garv
Göhlich im Traumlande, und die Hoff-
ung verkörperte sich in ihm, die so lan-
? in der Tiefe seiues Herzens gewaltet,!
l den' berauschendsten Formen. Doch
lötzlich erschütterte ihn ein furchtbarer
'on; sein Traum schwand, er schlug
ie Augen auf, und tiefe Dämmerung
mgab ihn. Voll Schrecken sprang er
uf: ein schwarzes Gewitter hing über
?inem Haupte. Ein Blitz, der von ei
em Punkte des Horizonts zum andern
uhr und Alles mit einem bläulichen Lich
? überglänzte, zeigte ihm die Gegend—
och wie ganz anders, als wenige Stun
?n früher im heitern Sonnenlichte
)ie Blitze mehrten sich, der schmale und
mge Kieferwald am Berge erschien ihm
)ie ein schwarzes Kreuz auf einem Rie
msarge, der Thurm wie ein düsteres
Lesen, das einen Arm drohend zu den
Lolken erhob; Alfred flüchtete sich vor
em Sturme, und kam erst spät, durch
äßt, im Schlosse an.
Am nächsten Morgen wollte er endlich
ur Erklärung kommen. Sein Herz beb
e, dann faßte er Muth und ging festen
Zchrittes nach dem Zimmer, wo der Schloß
>err weilte. Als er im Begriff war, die
shür zu öffnen, trat Peter auf ihn zu.
seine Gnaden haben einen Besuch, sagte
Veter, und bitten Sie erst später Ihre
Kufwartung zu machen.
U Er stutzte, denn nie vorher war ihm
»r Zutritt untersagt worden, wenn auch
Nesellschaft beim Schloßherrn war.
Bei der Mittagstafel fehlte Julie und
r hörte, sie sei unwohl.
Es muß etwas vorgefallen sein, meinte
)er Verwalter; denn unsere Gräfin be
zegnete mir vor einer Stunde mit ver
lveinten Augen. Wahrscheinlich ärgelte
ie sich über den Baron, der gestern Nach
nittag hier war, und mit ihr zankte, der
Himmel weiß, worüber.
Alfred sank in Nachdenken. Eine
Stunde später ging er in das Cabinet des
Grafen; dieser war auffallend bleich und
wie ergriffen von tiefer Aufregung ; doch
empfing er Alfred mit gewohnter Freund
lichkeit.
Daß Gewitter muß Sie gestern über
rascht haben; sagte er lächelnd.
Ja, Herr Graf; ich verirrte mich und
war fryh, in einem Dorfe ein Unterkom
men zu finden ; doch solche Vorfälle ma
chen, wenn man jung und gesund ist, we
nig Eindruck; es gibt andere, die meine
Gedanken tiefer beschäftigen.
Darf ich sie kennen?
Allerdings, und um Ihnen die Wahr
heit zu gestehen, halte ich es für meine
Pflicht, sie Ihnen mitzutheilen.
Der Graf nahm die Stellung eines
aufmerksamZuhörenden ; Alfred setzte sich
ihm gegenüber, und erzählte dann oft
von seiner innern Bewegung unterbrochen,
feine Geschichte, wie wir sie kennen, doch
ohne einen Namen dabei zu nennen.
Das ist eine seltsame Geschichte, bemerk
te der Graf, ohne das geringste
von Bestürzung.
Ja, seltsam genug, fuhr Alfred mit tie
fem Ernste fort. Doch hören Sie wei
ter ! Alö ich fast neun Jahr alt war, wur-
de ich nach Goslar, in die Wohnung eines
vortrefflichen Priesters gebracht, der sich
meiner, wie ein Vater annahm und mich
studiren ließ. Margarethe war zwei Jah
re vor meinem Abgange nach der Univer
sität gestorben; auf ihrem Tvdesbette,
entdeckte sie dem Geistlichen meine Her
kunft, und dieser schrieb ihre Geständnisse
auf, und versah das Dokument mit seiner
Unterschrift und dem Pfarrsiegel. Er
wünschte jedoch zur Beglaubigung dessel
ben, daß Margarethe ihre Aussagen in
Gegenwart eines Gerichtsbeamten wider
holen möchte; allein sie starb noch vor der
Zusammenkunft. Der Beamte erklärte
gleichwohl die Rechtskraft dieser Schrift,
da mein Pflegevater die Vorsicht gebraucht
hatte, zwei Hausbewohner als Zeugen
mit heranzuziehen. Nach dem Ende mei
ner Studienzeit händigte mir der Geistli
che die Schnft ein, und forderte mich zur
Geltendmachung meiner Gerechtsame und
Ansprüche auf.
Und dieses thaten Sie ohne Zweifel,
sagte der Graf mit einer gewissen Gut
müthigkeit, wie Jemand der sich für die
Schicksale eines Fremden intencssirt.
Alfred staunte; doch nach einem Mo
ment des Schweigens erhob er sich und
trat mit zornfunkelnden Augen nnd glü
hend roth vor seinen Oheim.
Ich thu' es eben jetzt, mein Herr! rief
er mit lauter Stimme, Sie sind mein O
heim, aber auch der Räuber meines Eigen
thums; Sie wollten mich Ihrer Habsucht
aufopfern; aber der Himmel beschützte
mich und in diesem Augenblicke fordere
ich von Ihnen, was mir nach göttlichem
und menschlichem Rechte gebührt die
Hinterlassenschaft meiner Eltern!
Der Graf erhob sich und schüttelte lä
chelnd den Kopf.
Haben Sie heute Morgen eine Flasche
Wein getrunken, oder auch zwei, mein
Herr?
Das war zu viel für den jungen Mann.
Oh, spotten Sie nur! Sehen Sie,
fuhr er fort und riß ein Medaillon aus
dem Busen, daS Bild meiner Mutter!
Sie kannten Sie einst und werden Ihr
Bild nicht verläugnen.
Schmerz und Erbitterung preßten ihm
Thränen aus und hinderten ihn für ei
nen Augenblick, weiter zu sprechen. Und
der Graf? Er blieb so ruhig und so kalt,
als ob ihm alleS dieses nichts anginge; er
lächelte; aber dann und wann blitzte et
was Unheimliches wie verstohlen auS sei
nen tief gesunkenen Augen.
Ich weiß nicht, sagte er, was ich von
Ihnen denken soll. Sie müssen an einer
fixen Idee leiden, die Ihren sonst so kla
reu Blick umdüstert. Sammeln Sie sich,
lieber Freund! Verscheuchen Sie diese
graulichen Phantasiebilder! Treten Sie
in die Wirklichkeit zurück!
Mit'einem Erstaunen, das schwer zu
schildern, hörte Alfred auf diese Worte.
Sie haben Recht, sagte er und trocknete
seine Augen, ich muß in die Wirklichkeit
zurückkehren. Das Dokument will ich
Ihnen zeigen, und wenn Sie dann noch
meine Rechte nicht anerkennen, so möge
die Justiz entscheiden.
Er öffnete seine Brieftasche, suchte nach
einem Papier, aber fand es nicht; eben
daS, woran er alle Hoffnungen knüpfte,
war nicht da. Er ward bleich wie der
Tod, zitterte und gerieth in unbeschreibli
che Angst.
Sehen Sic nun, daß ich Recht habe,
erwiderte der Graf nickend. Sie leiden
in der That an einer seltsamen Vorstel
lung ; aber ich hoffe, der ParoxismuS wird
bald vorüber sein.
Triumphiren Sie nicht zu früh, mein
Herr, sagte Alfred, wie aus einer Erstar
rung auswachend. Das Papier finde ich
zwar nicht, aber es kann nicht verschwun
den sein! Jedenfalls sind Sie der Räu
ber meines Eigenthums.
So? nun dann habe ich Ihnen blos
zu bemerken, daß ich Ihre Anwesenheit
hier nicht länger dulde, obgleich mir ihre
Verblendung in der Seele wehe thut.
"IVillig zu loben und ol>ne Furcht zu tadeln."
Dienstag den HS. Mär;, IBÄS.
Suchen Sie Ihre Papiere, wenn Sie de
ren überhaupt hatten, und dann thun Sie,
was Ihnen gut dünkt. Doch erkenne ich
Ihre Dienste, und werde Ihnen zahlen,
wie es Ihrer seltenen Geschicklichkeit ge
bührt.
Er holte aus dem Schreibtische eine
Nolle Goldstücke und wollte sie ihm in die
Hand drücken ; doch Alfred schlug mit un
beschreiblicher Erbitterung die Hand zu
rück uud eilte aus dem Zimmer.
In seinem Gemache suchte er Alles
durch, um das Papier aufzufinden ; allein
er fand es nicht. Laut weinend sank er
auf's Sopha und es dauerte geraume Zeit,
bevor er Herr seiner Gefühle werden
konnte. Was sollte er jetzt thun ? Tau.
send Vermuthungen drängten sich ihm
auf doch wozu dienten sie ihm nun?
Daß er fort müsse, stand fest bei ihm.
Er beschloß eine Reise nach dem ehr
würdigen Pfarrer, seinem Pflegvater, in
der Hoffnung, bei ihm Mittel zur Verfol
gung seines Rechtes aufzufinden. Rasch
packte er seine Habseligkeiten zusammen.
Doch Julie ? Sollte er ohne Abschied von
ihr gehen? Er suchte sie auf; man sag
te ihm, sie sei beim Grafen, und könne
keinen Besuch von ihm annehmen. Das
schmerzte ihn tief; aber er kannte ihre
Gesinnung, und wußte wohl, was sie an
einer Zusammenkunft mit ihm hindere.
Darum schrieb er ihr vor seiner Entfer
nung, und nannte ihr den Ort, wohin er
gehen werde.
Um die Abendstunde zog er fort und
bestieg im nächsten Flecken den Postwa
gen.
An dem Orte, wo er eine heitere und
glückliche Jugend verlebt, fand er seinen
Wohlthäter auf dem Krankenlager; die'
ser empfing ihn mit gewohnter Herzlich
keit, aber mahnte ihn auch zugleich, wenig
stens vor der Hand, den Angelegenheiten
ihren Lauf zu lassen. Alfred erkannte
!aus diesen Aeußerungen, die Abnahme der
Geisteskräfte seines Pflegevaters, und
sein Trübsinn mehrte sich. Bald war
der jugendfrische und schöne Mann gleich
einem Schatten; die Schwermuth nagte
am Kern seines Lebens und nur mechanisch
trieb er die Geschäfte seines Berufs, wo
zu ihm hinreichende Gelegenheit geboten
wurde. So verging ein Monat nach
dem andern ; der Winter mit seinen trau
rigen Farben machte ihn noch finsterer
und verschlossener, und wahrscheinlich wür
de er das frühe Opfer entschwundener
Hoffnungen geworden sein, hätte nicht
ein Brief, der im März des folgenden
Jahres bei ihm eintraf, seinen Jdeeen wie
Verhältnissen eine unerwartet neue Rich
tung gegeben. Dieser Brief war von
Julien.
Am frühen Morgen des Tages, an dem
jene Erklärung zwischen Oheim und Nef
fen stattgefunden hatte, war Wilden mit
triumphirender Miene in das Wohnzim
mer des Schloßherrn getreten. Ich brin
ge etwas recht Schönes, Herr Graf, sagte
er, und nahm mit gewohnter Unverschämt
heit Platz; aber es kostet Sie viel, viel
Geld.
Sie werden sich erinnern, daß ich noch
eine Forderung zu machen habe, fuhr je
ner fort.
Und ich will sie befriedigen, entgegne
te der Graf und sprang rasch in die Hö
he, indem ich sie aus dem Hause weisen
lasse.
Bemühen Sie sich nicht; ich will unse
re Angelegenheit schnell beendigen. Ich
sagte Ihnen Ihr Neffe lebe noch ; aber
ich dachte nicht, daß Sie ihn schon unter
Ihrer Obhut hatten, denn eben Ihr Arzt,
dieser interressante junge Mann, ist dieS
Kleinod und heißt Alfred, Graf zu Leberg.
Dies übersteigt meine Geduld! rief
der Graf uno eilte nach dem Schellenzu
ge.
Nur langsam, lieber Herr, erwiderte
Wilden lachend; nur noch einen Augen
blick Gehör! Ich traf Herrn Alfred zu
verschiedenen Malen, ohne, daß er mich
sah, so unter Anderm bei einer Parthie im
Gebirge, wo er höchst eifrig mit Ihrer
Stieftochter sprach, dann aber lassen
Sie die Klingel in Ruhe! —als er auf e
ben dem Platze ein Bild zeichnete. Bei
dieser Gelegenheit nun sah ich neben ihm
ein Papier, ich nahm es, als er eingeschla
fen war, und auf diesem Papier, das
ein in bester Form vollzogenes Dokument
ist, steht klar die Herkunft des jungen
Mannes.
Her damit! rief der Graf in der hef
tigsten Aufregung.
Erst den Preis!
Geben Sie mir das Papier!
Dazu ist gar keine Veranlassung, Herr
Graf, sagte Wilden in einem Ernste, den
er bisher nicht gezeigt hatte. Wollen Sie
das Papier nicht erkaufen, so erhält es
der junge Herr zurück, er wird auch Ge
brauch davon zu machen wissen.
Wie viel wollen Sie denn ?
Diesmal nur fünfzig Louisd'or, sofern
Sie mir versprechen, den Rückstand im
nächsten Monat abzutragen; Sie sehen,
ich setze viel auf's Spiel.
Gut, sagte der Graf, holte ihm das
Geld und empfing das Dokument.
Er las es, dachte einen Augenblick nach,
während sein Spießgesell lächelnd die
Goldstücke zählte, und ließ dann das Pa
pier im Kamiue in Flammen aufgehen.
Darauf trat er rasch an den Schellc.izug,
und klingelte.
Ich danke dem Himmel, sagte er hohn
lachend, daß wir quitt sind.
Wie? Herr Graf?
Nun ja, Sie können jetzt verschwinden,
in der Ueberzeuguug, daß ich Ihrer ent
behren kann. Der Bediente erschien.
Führe er diesen Mann bis an die Haus
thür, und sage er ihm dort, er möge sich
wohl hüten wieder zu kommen.
Der Quacksalber stand einen Augen
blick verdutzt; dann aber warf er einen
Blick voll tiefer Bosheit auf den Grafen,
lächelte und entfernte sich mit den Worten:
Herr Graf, wir sehen uns doch noch ein
mal wieder!
Als Wilden außerhalb des Parks war,
blieb er stehen. Ein fürchterlicher Grimm
brannte in ihm, und verzerrte sein Gesicht
zu unbeschreiblicher Häßlichkeit. Lange
sah er auf 6 Schloß, ballte seine Faust nach
dem Theile, wo der Graf wohnte und brü
tete über einem Racheplan ; dann ging er
weiter. Nicht lange darauf besuchte er
daS Haus, worin Marie gestorben und
forschte bei deren Schwiegersohn mit einer
peinlichen Genauigkeit, wie es schien, nach
den Verhältnissen, in denen die Gestorbene
zur gräflichen Familie gestanden. Seine
Andeutungen verriethen einen gräßlichen
Argwohn gegen Jemanden ; doch nannte
er keinen. Die Leute hielten ihn biswei
len für verrückt, besonders, wenn er nach
düsterem Sinnen plötzlich aufsprang die
Hand ballte und lachte. Sie fürchteten
ihn und waren froh, wenn er ging.
Der Graf genas, und konnte wieder
seine Geschäfte verrichten. Die Jagd ge
wann neuen Reiz für ihn, und da er sich
kräftiger fühlte, als seit geraumer Zeit,
so durchstreifte er vielfach die nahen For
sten, oft in Gesellschaft des Barons, oft
nur nur in Begleitung seines Jägers.
Es war an einem kalten Wintertage,
als er langsam durch ein Fichtengebüsch
ging, das ziemlich weit vom Schlosse ent
fernt lag. Seine Gedanken—die Falten
auf der Stirn und der zusammengeknif
fene Mund verriethen es—mochten eben
so wenig heiter sein, wie der Tag mit dem
Nebel und der Eiseskälte, und ihn so be
schäftigen, daß er einen Mann nicht sah,
der unweit von ihm an einem Baume
stand und ihn unverwandt betrachtete.
Als er näher kam, trat ihm Jener in den
Weg; es war Wilden.
Beim Anblicke dieses ManneS fuhr der
Graf heftig auf, und noch mehr bei des
sen leiser Anrede. Er winkte seinem Jä
ger, der hinter ihm ging, sich zu entfer
nen. DaS Gespräch dauerte lange Zeit,
aber mit jeder Minute wurde der Graf
bestürzter, und alö sie von einander gin-
Laufende Nummer 2S.
' gen, reichte er Wilden die Hand und wank
te dann wie ein Schwerbelasteter dem
Schlosse zu. Was zwischen Ihnen vor
gefallen, Niemand wußte es; der Jäger
hatte bloß ein leises und eifrig fortgesetz
tes Gespräch aus der Ferne wahrnehmen
können, und dann gesehen, daß der Graf
dem verrufenen Vagabunden die Hand
gegeben!
Aber seit diesem Augenblicke trat eine
wunderbare Veränderung beim Grafen
ein. Bald war er scheu und ängstlich,
als ob ein fürchterlicher Gedanke ihn be
schäftigte ; bald suchte er mit einem Eifer,
der seltsam gegen seine frühere Zurückge
zogenheit abstach, die Gesellschaft Juliens
und unterhielt sich mit ihr so herzlich, daß
sie darob erstaunte; doch das erstere Ge
fühl, beherrschte bald jedes andere. Ei
nes Tages rief er den Baron und Jnlie
zu sich, und nachdem jener sein Ehrenwort
gegeben, was auch immer er höre, ver
schweigen zu wollen, überraschte er sie mit
Enthüllungen, welche Beide furchtbar be
wegten. Die Verhältnisse und den Rang
des jungen Mannes, der sich als Arzt bei
ihm eingeführt und den er später fortge
schickt hatte, theilte er selbst freiwillig ih
nen mit, und dann drückte er den Wunsch
aus, Julie möge Alfred zur Rückkehr ein
laden ; er selbst könne aus einer leicht be
greiflichen Rücksicht nicht einen derartigen
Schritt thun.
Was mochte ihn den stolzen und ehr
geizigen Mann, veranlaßt haben, sich zu
einem Geständnisse zu erniedrigen, das al
le früher gefaßten Pläne und alle geheg
ten Hoffnungen, mit einem Schlage
zernichtete? Was zwang ihn, sich so tief
zu erniedrigen, daß, als Alfred nun an
kam, er ihm wie ein bloßer Verwalter
Rechnung ablegte, und dann das Schloß
der Leberge auf immer verließ, um sich
auf sein kleines Gut zu vergraben? Al
fred war das Alles ein Räthsel, dem er
umsonst nachgrübelte. Uebrigens hatte
er ja auch so wenig Zeit zum Grübeln,
denn Branden löste, als ob er irgend ei
nen geheimen Grund habe, die Verbin
dung mit dem Hause Leberg nicht mehr
wünschenswerth zu finden, in aller Stille
sein Verhältniß zu Julien. Ihre Hand
war also wieder frei, wie es ihr Herz
Branden gegenüber immer gewesen
und das war es, was Alfreds Glück die
Krone aufsetzte.
Es war in den Nachmittagsstunden
des Osterfestes, wie voriges Jahr,
der eine recht bunte Menge auf der Hü
gelebene versammelt, und der Ball schwirr
te durch die Luft, obgleich nicht wie ein
Jahr zuvor, die Sonne am blauen Him
mel leuchtete; denn dichte Wolken ver
hüllten sie. Aber trotz dieser Unfreund
lichkeit der Witternng, trotz eines kalten
Windes, der Ohren und Nasen roth färb
te, schienen die Spielenden noch heiterer
und lebensfroher, als im vergangenen
Jahre. Der ehrenhafte Meister Braun,
sah lustig unter dem gewaltigen, schief
aufgesetzten „Dreimaster" hervor, und
machte gar seltsame Schwenkungen mit
dem Stocke; der Bierwirth um eine Jah
resschichte dicker als zuvor, tummelte sich
keuchend nach dem Zielpunkte und stieß
ein schmetterndes Gelächter aus, wenn der
Ball auf seinem Rücken knallte.
Soll er denn heute wirklich kommen?
fragte ein Ballschläger den Meisterßraun.
Ganz gewiß, erwiderte dieser; als er
vorgestern bei mir einkaufte, sagte er:
Meister Braun, der Grüne muß noch ein
mal den Ball schlagen!— Aber mir däucht,
fuhr er fort und zeigte mit dem Stocke
nach der Heerstraße, dort kommt ein Wa
gen.
Ja, ich sehe ihn, und richtig! es ist der
Grüne mit seiner Liebsten.
Hört, Jungen, entgegnete der alte Bür
ger gar ernsthaft, laßt den Grünen weg,
sagt vielmehr der Herr Graf mit feiner
Gräsin Braut, und macht hübsch Eure
Reverenz. Do kommen sie!
Sie kamen ! Er im grünen Rocke wie
ein Jahr zuvor, und sie, reich gekleidet,