Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, January 09, 1849, Image 1

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    Neav i n s, Denn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. 1«, ganze Nun». ÄBB.
Isedingungen: Der Klberale ZZcobacKter erscheint jeden Dienstag aus einem großen Superial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt/ Der - Preis ist Ein Thal er deS Jahrs, welcher in halbjährlicher
I" Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden Gl 30 angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreiber angenommen, und vtwaige Aufkündigungen werten nur
I dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Subseriptions.Tcrmins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar und sür den gewöhnlichen Preis «in»
I gerückt. Unterschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterfthreiber. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden.
Die Zwillingsbrüder.
sSchluh.)
An dem Tage, wo er mit vielen ande
rn Verbrechern zu Schiffe gebracht wur
erkünstelte er wiederum einen wilden
'nfall von Tollwuth doch erreichte er
inen Zweck nicht, und die Aerzte durch
hauten den Betrug, und so geschah es,
»ß er unter Schlägen an Bord gezerrt
,d in enge Haft geworfen wurde. Wil
zm wollte sich aus zärtlicher Liebe für
inen unglücklichen Bruder auf demsel
>n Schiffe als Handwerker oder als Ru
rknecht, unter den geringsten Bedingun
en, ja ohne Sold anwerben lassen; doch
urfte ihn der Capitän nicht annehmen,
eil man besorgt war, er könnte es auf
e Entweichung seines Bruders abgese
hn haben, da doch der Edle keine andere
bsicht hatte, als das Schicksal seines
Bruders wo möglich zu erleichtern und
urch Trostgründe und Lehren der Reli
ion wohlthätig aufsein zerrüttetes Herz
nzuwirken.
William verdingte sich auf einem ande
>n Schiffe, das bald darauf nach Neu
wlland segelte, und war bereit alles Un
?mach zu bestehen und in der neuen Zo
? alle Entbehrungen zu leiden, wenn er
ur in Stand gesetzt werde, der Wohlthä
r seines Bruders zu sein, da er seinen
ltern auf dem Sterbebette gelobt hatte,
nzertrennlich sein Freund und Beschüt
zt zu sein. Er sah ihn nicht wieder,
?nn als er nach einer viermonatlichen
ahrt im Hafen von Sidney einlief, und
ch nach John Priseworth erkundigte,
eß es: „Als jenes Schiff, auf dem sich
e Verbrecher befanden, durch die Stra
? Torres steuerte, brach eines Nachts ei
e Meuterei aus; die Matrosen wurden
bermannt; die Meuterer, zwölf an der
ahl, bemächtigten sich eines Bootes und
erloren sich im Dunkel der Nacht; unter
)nen ist auch John gewesen. Sie sind
ber dennoch nicht der rächenden Nemesis
ugangen, denn in derselben Nacht erhob
ch noch ein fürchterlicher Sturm im We
en, der ein so kleines Fahrzeug wie jenes
>ar, an den hundert Korallenriffen gleich
inem schwachen Halme zerknicken und in
?ine Wirbel raffen mußte."
Man hatte ganz richtig geurtheilt: das
boot, auf welchem die zwölf Meuterer
ohen, wurde im Fluge gegen Westen
ingepeitscht und scheiterte endlich nach
inem entsetzlichen und verzweiflnngsvol
en Kampfe an einem zackigen Felsen, der
ich unweit der Insel Tagai, die zur
Sruppe der Pescadores gehört nur wenig
ber die Oberfläche des Meeres erhebt,
llle fanden ihren Untergang, nur John
)rifeworth kämpfte mit siegreicher Kraft
?ider die rasende Brandung und hielt sich
,it nervigen Armen so lange fest an der
ackigen Korallenklippenbank, bis sich die
Gewalt des Sturmes allmälig brach und
u zürnen aufhörte.
John war ein gewandter Schwimmer,
nd obgleich er durch die vorhergehende
lnstrengung ungemein erschöpft war,
raute er sich doch Kräfte genug zu, die
ächstgelegene Insel Tagai erreichen zu
önnen, die etwa drei bis vier Meilen
ntfernt lag. Er erreichte sie glücklich;
och klimmte er nicht ohne Besorgniß am
eilen Ufer empor, es möchte das ihm un
ekannte Eiland von wilden menschenfres
enden Papuasstämmen bewohnt sein, die
l)n sogleich, wenn sie ihn wehrlos sähen,
lutgierig ergreifen und verschlingen möch
en. Er schlich sich demnach leise und be
lUtsam in's Innere des Landes und ge
wahrte in kurzer F::st ein gelbbraunes
Kädchen, das aus dem Stamme der Ma
zyen war; er faßte zu ihr um so mehr
in unbedingtes Vertrauen, als er gleich
eim ersten Anblick sein Herz an sie ver
)r. Das einfache Naturkind, das sich
tlobba-Zedda nannte, und eben auf der
jagd begriffen war, lächelte ihm freund
ch entgegen und bot ihm einen bunten
sogel und einige Beeren zum Schmause.
!r nahm die letzten, erquickte sich und such
? sich durch Geberden und Mienen dem
Wer Liberale Beobachter
Und Berks, Montgomcry und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
I Mädchen wo möglich verständlich zu ma
chen, was ihm widerfahren, was er suche
und füx sie empfinde. Die Liebe, die
mehr mit Blicken, als mit Worten spricht,
verständigt sich bald unter jeder Zone.
Klobba-Zedda, die unverderbte Tochter der
Natur, brach in lichte Thränen aus, warf
sich schluchzend in seine Arme, und gab
ihm auf das Untrüglichste zu erkennen,
daß sie ihn verstehe und das innigste Mit'
leid mit ihm fühle. Hierauf faßte sie
ihn wieder froh lächelnd bei der Rechten,
streichelte ihm die Wange und führte ihn
unter Liebkosungen, wie sie ihr die Natur
eingab und zum Bedürfniß machte, in die
kleine Hütte, die sie mit ihrer Mutter und
einem kleinen Bruder bewohnte. Ihr Va
ter und zwei Brüder waren vor längerer
Zeit schon im Kampfe gegen die schwarzen
Papuas geblieben, welche den östlichen
fruchtbaren Theil dieser Insel und fast
die ganze Gruppe bewohnen, und noch
auf der untersten Stufe der Cultur stehen.
Die Malayen, welche westlich von ihnen
und zerstreut in Hütten und Höhlen woh
nen, sind auf dieser Insel geringer an der
Zahl, aber an Geistesbildung, Kriegslist
und Gewandheit weit überlegen. Klob
ba-Zedda erhielt nach des Vaters Tode,
sich selbst und die Ihrigen durch Jagd und
Fischerei, so schwer eS ihr auch oft ward,
das Nöthige herbeizuschaffen. Die Mut
ter äußerte sich daher oftmals: gib dir
einen wackern Mann und uns einen Er
nährer, es bewerben sich stets so viele rü
stige Männer um deinen Besitz, ihr könnt
dann eure Jagd in die fruchtbarsten Win
kel dieser Insel ausdehnen und uns bessere
Beute liefern. Das seltsame Mädchen a
ber fühlte bisher zu keinem der Freier ei
ne besondere Neigung, gleich als ob sie
ahnte, die Natur, die sie zu einem edleren
Wesen schuf, habe sie auch bestimmt, ei
nen Würdigern zu beglücken, als alle die
rohen Söhne ihres Stammes waren.
Sie zweifelte keinen Augenblick, daß der
feine gesittete John, den ihr ein wunder
samer Zufall zugeführt, von den hohen
Mächten zu ihrem Lebensgefährten be
stimmt sei, daher sie sich ihm von An fang
an, ohne Hehl ergab und bei ihrer An
kunft in der Hütte, zur Mutter sprach:
„Mit diesem vermähle mich, der ist der
Auserwählte und Beschützer." Die Mut
ter vermählte das liebende Paar, indem sie
vor Zeugen einen Hahn mit ihnen schlach
tete und verzehrte.
So kärgeich auch die Bedingnisse der
Existenz waren, so fühlte sich doch John
Priseworth glücklich an der Seite eines
Weibes bei deren Schöpfung die Natur
in ihrer besten Stimmung gewesen sein
mußte, denn sie verband mit dem schön
sten, regelmäßigsten Körper, eine lautere
krystallene Seele und ein Herz, welches
von Wohlwollen überströmte.
Das sahen und fühlten wohl die be
nachbarten Jünglinge und blickten mit
Neid, mit Haß, mit tödtlichen Ingrimm
auf den Glücklichen, auf den Räuber je
ner kostbaren Perle, um so mehr, weil er
ein weißer Fremdling war. Eben dieser
Umstand machte aber auch, daß sie ihn
für ein höheres Wesen hielten, und sich
scheuten Rache an ihm zu nehmen, ja ei
nigen erschien er wie ein Gott, der gekom
men wäre sie in nützlichen Künsten zu be
lehren und glücklich zu machen. Wahr
lich es fehlte wenig, so hätte sich John
siegreich behauptet, und vielleicht zum Kö
nig dieser Insel erhoben ; allein die Göt
zenpriester, welche er zu hitzig verfolgte
und die sich racheglühend mit den miß
günstigen Jünglingen verbanden, standen
eines Tages mit furchtbarer Macht gegen
ihn auf und zwangen ihn sich in seine Ver
schanzung zurückzuziehen. Diese Bege
benheit fiel, wie nachmals die Berechnung
auswies, ins Ende des neunten Monats,
von jenem Tage angenommen, wo John
vom tollen Hunde gebissen worden war.
Er bat seine Gattin, sich ein paar Tage
von ihm entfernt zu halten, we.il sie in
seiner Nähe gefährdet sein könnte, sie deu
tete das auf den Belagrungszustand, in
"Tvilllg zu loben und ohne Lurche zu tadeln."
Dienstag den S. Januar, 189».
dem er sich mit seinen Anhängern befand,
und zog sich zurück. Die Priester stürm
ten seine Verschanzung, und trieben ihn
auf's Aeußerste; plötzlich war er einem
Rasenden ähnlich: sein Haar sträubte sich
seine Augen blitzten, lichter Schweiß rann
ihm in großen Tropfen über den Leib, sein
Mund begann zu schäumender stürzte sich
über den Wall hinaus und mitten unter
seine Feinde, mit der ungestümsten Ge
walt, und brachte sie sogar zum Weichen,
—fiel aber endlich unter einem zermalmen
den Steinregen und hauchte sein Leben
unter konvulsivischen Zuckungen aus.
Klobba-Zedda wußte sich über den Ver
lust des theuren Gatten nicht zu trösten,
um so weniger, als das Kindlein, das sich
schon unter ihrem Herzen bewegte, keinen
Vater, keinen Freund, keinen Ernährer
haben sollte. Sie zog sich, da sie jetzt
ein Gegeilstand des Schimpfes und der
Verwünschungen geworden, mit ihrer
Mutter und ihrem Bruder, wieder in den
unwirthbaren Winkel zurück, wo sie vor
dem gewohnt, und zitterte ihrer Entbin
dung entgegen, denn die Priester erklär
ten ihr, wenn die Leibesfrucht, dem Va
ter dem Fluchwürdigen gleiche, müsse sie
dieselbe den Göttern ausliefern, um sich
wieder durch die Opfergabe mir ihnen zu
versöhnen, widrigenfalls sie Gewalt brau
chen würden.
Wir übergehen die Monde der Trauer,
des Leidens, und der Angst, welche die ar
me Wittwe bestanden und erwähnen nur,
daß sie endlich eines Knaben genas, der
ganz das sprechende Ebenbild seines Va
ters war. Die Mutter lächelte und wein
te zugleich, bei dem Anblicke, denn ihr ein
ziger Trost sollte ihr entrissen werden,
sollte bluten, am Altare der Götzen und
sie unglücklicher machen, als sie je gewe
sen.
Sie bat ihre Mutter, ihr in dieser
Noth beizustehen; diese erklärte ihr aber
am dritten Tage, daß sie den Priestern
schon Nachricht gegeben habe und wirk
lich kamen am andern Tage vier Schläch
ter und forderten ihr das Kind ab. Klob
ba-Zedda raffte sich schreiend empor, hielt
in der einen Hand den Säugling, in der
andern eine Keule, drang auf die Unmen
schen ein, trieb sie wirklich zurück, und eil
te dem Gebirge zu, um sich in einer Fel
senschlucht zu verbergen. Die Männer
aber erneuerten den Kampf, und brachten
sie so in die Enge, daß sie keinen anderen
Ausweg mehr hatte, als sich mit dem Kind
lein ins Meer zu stürzen. Sie schwamm
jenem Korallenriffe zu, das einst ihrem
Manne das Leben gerettet hatte, und rief
unablässig den Namen Jesus Christus,
den sie durch ihn kennen und anbeten ge
lernt. Ihre Verfolger setzten ihr nicht
nach, da sie ihren Untergang ohnehin für
gewiß hielten.
Klobba-Zedda lag bereits dre'i Tage
auf jenem kalten Felsen, das lechzende
Kind an der trockenen Brust und fühlte
ihre nahe Auflösung. Endlich gewahrte
sie ein Schiff, das der Zufall oder viel
mehr die Vorsehung hier vorüber steuern
und ihre Rettung werden ließ. Es war
ein mexikanischer Schooner, der von den
Sandwichinseln kam, und gegen Neu-Hol
land steuerte. Man gewahrte und nahm
die verschmachtende Mutter an Bord, war
tief gerührt, bei dem Berichte ihrer Schick
sale und sorgte auf das Antheilvollste für
ihre Bedürfnisse und Bequemlichkeit, ja
es vergingen nur wenige Tage, so bewar
ben sich mehre um ihre Liebe, und boten
ihr die glänzendsten Bedingnisse an. Ich
liebe nur einen, und werde ihn ewig lie
ben, sprach sie voll Innigkeit, vergebt da
rum, ich könnte Euch, und Ihr könntet
mich nicht glücklich machen. Dasselbe
hatte sie zu öftern Malen auch zu Sid
ney zu entgegnen, denn sie wollte lieber
harte Dienste verrichten, als sich wider ih
re Neigung verbinden. Eines Tages be
gegnete ihr William Prisewort!), der in
zwischen selbst ein Schlossergewerbe ange
treten und sich in guten Umständen be
fand. Als sie ihn in's Ange faßte, warf
sie sich laut weinend an seinen Hals nann
te ihn ihren lieben John, und zeigte ihm
ihr Kindlein. William sah in ihm den
vergüngten Bruder, den Liebling seines
HerzenS, schloß ihn zärtlich an die Brust,
und brach in Thränen der Freude aus.
Er war versöhnt mit dem Schicksal, er
war belohnt für feine Liebe, als er mit
dem Ebenbilde seines Bruders, das schön
ste, liebevollste, und treueste Weib bekam,
und an ihrer Seite, das höchste LebenS
glück fand.
!
Die Walddütte.
ES war zwischen Münster und Osna
brück, wo ich an einem regnigteu Oktober
Abende durch einen tüchtigen Wald fuhr.
Ich hatte einen Kutscher aus Jbbenbüh
ren, einen trägen Gesellen, der es mit Ni
emanden auf der Welt gut meinte. Denn
seine starken Pferde wären bei einigemAn
treiben eher in den St.»ll gekommen, und
er selbst hätte sich eher auf die Streu wer
fen können. So war die Nacht herein
gebrochen und wir fuhren noch immer un
ter den Tannen hinweg, die ihre träufeln
den Aeste in den Wagen streckten, um mir,
wie aus Gutmüthigkeit, auch etwas vom
Regen zukommen zu lassen. iJch war
ungeduldig und rief ihm einmal über das
andere zu, ob er nicht etwa den Weg ver
fehlt hätte. Er antwortete nicht. Plötz
lich hielt er an, sprang vom Wagen und
sprach einige unverständliche Worte. Ich
fragte ihn, wo wir wären. Statt einer
Antwort hörte ich einige übliche Flüche
von ihm. Damit gestand er es ein, daß
er irre gefahren sei. Ich sprang mit glei
chen Füßen zum Wagen hinaus, um mich
nach Möglichkeit zu orientiren. Rings
schwarze Nacht, keine Spur von Straße,
denn das, was er bis jetzt dafür gehalten,
war eine gelichtete Stelle, die dicht mit
getrockneten Nadeln bedeckt war, und so
mit eine hellere Färbung hatte, als der
Grund umher, der mit finstern Tannen be
wachsen war,die ihre schwarzharzigen Zwe
ige in einander verschränkten und unS den
Ausgang versperrten. Hinter diesen
Waldriesen hatte sich der Nebel wie ein
weißeS Tuch ausgebreitet u, verschloß jede
Fernsicht, selbst wenn die Bäume eine ge
stattet hätten. Der Kutscher fluchte im
mer fort, ich schaute rings umher. Hät
ten nicht Regenschauer und der Nachtwind
mich durchschüttelt, ich wäre mit der Sce
nerie zufrieden gewesen, und ich hätte viel
leicht geglaubt, den Erlkönig im Nebel
dalnn reiten zu sehen. Die nasse Wirk
lichkeit kühlte jedoch meine Einbildung be
deutend ab und ließ solche Spukgeschichten
nicht in ihr anfkommen. Plötzlich flim
mert mir etwas aus dem Nebel zu; zu
tief war der Schein am Boden, um ihn
für einen Stern zu halten. Ein Llcht!
rief ich, und der Kutscher hielt es auch da
für. Wir machten uns also auf den Weg
zu Fuß dahin durch Dorn und Gesträuch,
und zogen Pferde und Wagen nach. Nach
vielen Beschwerden, an schroffen Abhän
gen vorbei, über Steine, sahen wir aber
mals eine lichte Stelle, und unfern von
uns ein langes, schwarzes Haus, an des
sen Ende in einer Mauerblende ein Cru
cifix angebracht war, an welchem eine klei
ne Lampe brannte. Dies war der Schein,
der uns aus dem Nebel hierher geleitet
hatte. Ein gutes Omen! sagte ich ziem
lich laut vor mich hin, und der Kutscher
bekreuzte sich und murmelte leise: Ja
wohl, Amen! Wir näherten uns dem
Gebäude, das still und finster, keine Spur
von Bewohnern zu verrathen schien. End
lich zeigte uns ein Schimmer, der durch
eine Ritze fiel, wo wir die Thür zu suchen
hatten. Ich öffnete sie und sah in einen
wüsten Raum. In einem Winkel war ei
ne Fallthür geöffnet, «nd daraus ragte
mit halbem Leibe ein grauhaariges, scheuß
liches Weibchen, die ein breites, blankes
Messer wetzte. Unwillkürlich trat ich zu
rück. Die Hexe nahm sich ohnedies in der
Rembrandtschen Beleuchtung nicht erfreu
lich aus, und dazu kam noch ihre verfäng
liche Handthierung. Sie halte uns schon
Laufende Rummer 2«.
erblickt und rief einige Worte in einem mir
unverständlichen Dialekte, die aus den
schlotternden Kiefern hervorzischten. Auf
das trat ein baumlanger Kerl mit.einem
bleichen Gesichte, von schwarzen, wilden
Haaren umhangen, eine kleine Pfeife rau
chend, aus einer Seitenabtheilung desGe
bäudes. Was gibts, ihr Herren? frag
te er auf gut Deutsch. Mein Krttsther
nahm schnell das Wort und forderte einen
Stall. „ES ist zwar keine Herberge hier,
sagte der Kerl, aber Sie können hier schon
übernachten." Mein Kutscher hatte be
reits die Thür geöffnet, durch die der
Nachtwind hereinblies. Die Hexe hatte
die Fallthür zugeworfen, gab dem Kerl
das Licht und das Messer, und nachdem
sie einenKieferfpan angezündet hatte, ging
sie dem Kutscher beim Ausspannen zur
Hand. Ich folgte dem Kerl in die kleine
Stube.
Mir war unheimlich zu Muthe bei mei
nen» Wirthe, und ich sehnte mich nach der
Rückkehr deS Kutschers. Eine Bank, ein
Tisch, ein alter Schrank und eine pickende
Schwarzwälder Uhr, das waren alle Mö
beln dieser Stube. Stillschweigend schenk
te der Wirth zwei Schnapsgläser voll,
und stellte sie nebst einem hölzernen Tel
ler, worauf große Schnitten schwarzes
Brod lagen, auf den Tisch. Ich hatte
keinen Appetit.
Beide, Wirth und Gast, schienen nicht
mit einander zufrieden, doch hinderte dies
nicht, daß sie sich einander scharf beobach
teten. Der Kutscher machte endiich dieser
stummen, peinlichen Scene ein Ende. Er
aß das Brod, trank den Schnaps und
schimpfte, daß es nicht einmal rohe» Speck
dazu gab. Endlich warf er sich auf die
Streu, die ihm der Alte auf der Erde zu
recht gemacht hatte, und schnarchte. Ich
wurde gefragt, ob ich mich nicht auch zur
Ruhe legen wollte. Der so gebräuchliche
Ausdruck: „zur Ruhe legen," machte ei
nen unangenehmen Eindruck auf mich. —
Ich war unentschlossen, ob ich nicht lieber
die Streu mit dem Kutscher teilen woT'-
te, doch verlangte ich das Bett zu sehen.
Hinter dem Ofen war eine zerbrechliche
Treppe, die zu einer Fallthür führte.
Das war mir schon nicht recht, ich liebe
die Fallthüren nicht. Das Weib stand
bereits oben und hatte mit dem Kopfe die
Fallthür aufgestoßen, als ich ihr sagte, ich
würde neben meinem Kutscher schlafen,
um morgen gleich bei der Hand zu sein.
Der Kerl und dasWeib schienen das gleich
gültig hinzunehmen. Ich warf mich hin,
meine Waffen legte ich neben mir.
Alsbald nahm das Weib das Licht, und
schlich sich mit dem Kerl auf den Zehen
hinaus, als ob sie uns nicht stören wollten.
Wie wir allein waren, fing mein Knt
fcher, den ich'längst eingeschlafen glaubte,
leise zu sprechen an, was mich nicht er
schreckte. Seine Worte erhöhten meine
Besorgnisse, die ohnedies schon stark ge
nug waren, um ein Bedeutendes. Was
war zu machen? Ich stand auf und ver
suchte es ein Fenster zu öffnen, allein ver
gebens, diese schienen zugenagelt zu skin.
„Was wollen wir anfangen ?" sprach der
Kutscher. „Hier ist kein Entrinnen.
Der Himmel wird uns nicht verlassen.
Daß Einzige, was mich noch tröstet, ist
das Crucifix vor der Thür." Dse Lam
pe die davor brannte, erhellte matt den
Platz vor dem Hause, den ich übersehen
konnte, bis zu den Tannen, die ihm als
natürliche Eidzäunung dienten. Alles
war ruhig und still im Forste, kein Laut
im Hause vernehmbar. Die 4Vewohner
schienen alle zu schlafen, und doch war es
so unheimlich.
Nachdem ich lange Zeit so gelauscht
hatte, und immer noch alles ruhig blieb,
bemächtigte sich meiner der Schlaf, den
die zu große Aufregung bis jetzt nur zu
rückgehalten hatte, um sich geltend zu ma
chen Ehe lch jedoch mich niederlegte, un
tersuchte ich die Thür, und fand sie von
Außen verschlossen. Ich theilte die da
durch erneuerte Besorgniß meinem Schlaf
gefährten nicht mit u. nahm mir vor, nicht