Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, November 21, 1848, Image 1

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    Und Berks, Momgomery und Schuyltill Cauntics allgemeiner Anzeiger^
» e >LV tN g, Mnn Gedruckt und hcrauSgcgcbcn von Arnold Puwcll c, in der End Km, Slrußc, zwischen drr Franklin- u»!> Cl'rSmu - Siraßc
Jahrg. >», ga»;e Num. <5l
Bedingungen Der B.ilicr.llc z-tvll.'lclitr'r erscheint jeden Dienstag aus einem großen 'Sr uperial - Bogen mit schönen vettern gedruckt. Der LubseriptionS - Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlicher
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<5: in e Nett;> ng.
An einem düstern, regnerische» Tage
Ves MonatS November 1635 hielt vor der
Thür eines Wirthshauses im Dorfe Rueil,
)as noch heute an den Park von Malmai
'on grenzt, ein Reisender auf einem schö
ben Pferde, in einen großen Mantel ge
hüllt. Sein Fllzhut ohne Feder und sein
Wamms von schwarzem Tuche, ohne Ban
ber und Spitzen, deutete zur Genüge an,
)aß er nicht zur Klasse der Rafsinilten ge
hörte, welche damals so berühmt waren
wegen ihrer Händelsucherei und Geschick
lichkeit in Führung des Degens. Aber
an seiuem stolzen Blicke, dem in die Höhe
gedrehten Schnurrbarte, konnte man leicht
errathen, er sei einer von de» unabhängi
gen, unruhigen Bürgern, deren Väter die
Ligue gebildet und die von der eisernen
Hand Richelieu's niedergehalten, noch ein
mal auf kurze Zeit in deu Saturnalien der
Fronde wieder erscheinen sollten, lim dann
vor dem Ruhme des großen Honigs gänz
lich zu verschwinden. Sein Roß schien
von d«w Ermüdung einer lange» Reise
ganz erschöpft zu sein.
In den räucherigen Saal deS untern
Stockwerks eintretend, befahl der Fremde,
man möge für sein Pferd und ein Mit
tagessen Sorge tragen.
Während der Bereitung des Mahles
führte man ihn in eines der besten Zim
mer des Hauses ;dort tcocknete und wärm
te er sich vor einem hellen Feuer vouFich
tenholz. Einige Augenblicke darauf hält
ein anderer Reisender, gleichfalls zu Pfer
de, vor dem Wirthshause und fragt, ob er
etwas zu essen haben könne.
Es thut unS sehr leid, war die Antwort
der Wirthin, Alles, was wir halten, ist
von einem Reisenden in Beschlag genom
men worden, der vor Ihnen gekommen lind
dem man eben sein Mahl aufträgt
Gehen sie hinauf zu ihm, sagte der Ne
uangekommene, und fragen sie ihn, ob er
mir erlauben will, mit ihm das Mahl zu
theilen ; natürlich trage ich die Halste der
Kosten.
Die Wirthin entledigte sich des ihr ge
gebenen Auftrags.
Sagen Sie dem Herrn der Sie schickt,
erwiederte artig der Bürger, daß ich ihm
sehr verbunden sein werde, wenn er mir
Gesellschaft leisten will; aber ich sei es
gewohnt, die Gäste, die ich einlade,
bezahlen zu lassen.
Der Andere läßt sich nicht weiter bit
ten, geht hinauf und so sitzen denn unsere
beiden Reisenden an einem guten Feuer
vor einem Mahle, dem sie genügende Eh
re anzuthun sich bemühen.
Die Unterhaltung war während des
Mahles so lebhaft gewesen, als es nur die
Neuheit der Bekanntschaft der beiden Es
ser erlaubte. Da ward zum Nachtisch ei
ne Flasche alten Weines aufgetischt.
Dank einigen fröhlich geleerten Gläsern,
es begann sich bald ei» gegenseitiges Ver
trauen herzustellen; sie unterhielten sich
wir alte Freunde, und als die letzten Trop
fen der Flasche die Worte zun, vertrau
lichsten Tone gestimmt hatten, wandte sich
der zweite Reisende an seinen verbindli
chen Wirth und machte ihm sein Compli
ment über die Mahlzeit.
Ohne Zweifel, sagte er zu ihm, sindSie
in diesem Wirthshause bekannt ?
Ich? nicht im mindesten.
Aber wahrscheinlich wohnen Sie in der
Umgegend und steigen bisweilen hier ab?
Ich komme zum ersten Male hierher:
ich bi» aus La Rochelle.
Aus La Rochelle, rief der Andere, mit
einer Bewegung der Ueberraschung, aus
La Rochelle! Und was führt Sie so weit
her?
Ach mein Gott, eine verdrießliche Ge
schichte ! Ich bin von Monsigneur, dem
Hrn. Richelieu, hierher entboten.
Von Monsigneur, dem Hrn. Richelieu?
erwiederte der Andere mit immer schmerz
licher werdendem Ausdrucket Aber erlau
ben Sie mir eine Frage. Haben Sie je
mals mit seiner Eminenz eine unangeneh
me Berührung gehabt?
Niemals, und meine Rechtfertigung
wird weder lang noch schwer sei». Man
! hat in La Rochelle eine heftige Satyre
gegen die Verwaltung und die Person des
Hrn Richelieu verbreitet, in welcher von
Urban Grandier, den Frauen von Lou
vain, von Tragödien nnd Versen einer ge
wissen Demoiselle, Namens Marion De
lorme, die Rede ist. Kur;, ich kenne
nicht einmal den Inhalt dieses Buches,
den» ich habe eö »icht geleseil. Indessen
scheint es irgend einem Unbekannten in
die Hände gefallen zn sein und, obgleich
ich in meinem Lebe» noch niemals habe et
was drucken lasse», hält man mich doch
für den Veifasser. Sie wisse», daß i»
der Zeit, i» welcher wir leben, Jedermann
seine Feinde hat. Und da nun nichts so
leicht sicl) verbreitet als die Eiuflüste>li>i
geu deS HasseS, so eilte ich auf daS Ge
heiß Seiner Eminenz herbei und werde
keine Mühe haben, mich vo» ei »er so ab
i geschmackten Anklage zu reinigeil.
- Der Andere hatte mit der gespannte
sten Aufmerksamkeit zugehört:
> Und zu welcher Stunde solle» Sie sich
im Schlosse einsi'nden?
Sechs Uhr Nachmittags.
Mein Herr, erwiederte er mit bestürz
ter Miene und faßte ihn lebhaft beim Arm,
danke» Sie der Gunst des Zufalls, der
mich Ihne» verpflichtet hat. De»» auch
ich bin zu Monsigneur beschnden, und oh
ne allen Zweifel, um Ihnen den Kopf
abzuschlagen.
Bei diesen Worten stieß der Rocheller
einen Schrei des Entsetzens aus.
Ja, mei» Herr, fügte jener nachdrück
lich hinzu, uin Jhne» den Kopf abzuschla
gen. Ich bin der Scharfrichter der Stadt
Chartres ; jedesmal, wenn Hr. Richelieu
eine geheime Rache auszuüben hat, em
pfange ich den Befehl, mich hierherzubc
! geben. Was Sie mir erzählt habe», die
, Stunde, zu welcher Sie sich im Schlosse
einfinden sollen, Alles trifft zu, um mich
! zu überzeugen, daß Sie das für heute be
! stimmte Opfer sein sollen, aber fürchten
l Sie nichts, Sie sollen seiner Rache ent
! gehen. Setzen wir uns wieder zu Pfer-
de. Folgen Sie mir und i» wenigen A
u' genblicken werde ich die mir von Ihnen
erwiesene Artigkeit Ihnen vergelten.
Der Rocheller folgte in einem leicht be
greiflichen Zustande von Äugst Schon
war das Wirthshaus vo» den Arguebusi
rer» der Leibwache seiner Eminenz «»ge
füllt. Während die Pferde gesattelt »Vul
ven, zahlte der arme Bürger schnell und
ohne zu feilschen seine Zeche, voll Unge
duld, wie ma» denken kann, sich denßlic
ken der Leute zu entziehen. In wenigen
Minuten haben sie beide das Gehölz von
Butard durchschnitte» u»d die Nähe des
Schlosses erreicht.
Bemerken Sie wohl, sagte zu demßo
cheller sein furchtbarer Führer, jenen mit
telsten Thurm und ganz obe» daS bogen
förmige Fenster, daS an den Mauervor
sprung stößt ? Man kann es nur von die
ser Stelle cuiö sehen.
Dort werden jene unwiderruflichen Ur
theile gesprochen und ausgeführt. Wenn
die Arbeit meines Amtes vollbracht ist,
öffnet sich eine Fallthür, der Körper des
Opfers fällt von dieser ungeheuern Höhe
in einen mit ungelöschtem Kalke angefüll
ten Graben hinab und Alles ist Spurlos
beendet. Halten Sie sich hinter der
ke verborgen, und wen» Sie in Zeit von
einer Stunde ein Licht an diesem Fenster
leuchten sehen, so bin ich für Jemand an
ders herbestellt. Dann können Sie sich
ohne Furcht einfinden; ich verrichte mein
Amt nie zweimal an demselben Tage.
Aber wenn Sie durch die Eisengitter kein
Licht schimmern sehen, sind Sie es, der
bestimmt ist, den Commissarien Sei
ner Eminenz zu erscheinen. Und dann
verlieren Sie keinen Augenblick, benutzen
Sie die Dunkelheit der Nacht und die
Schnelligkeit Ihres Pferdes, suchen Sie
die Grenze zu erreichen und sich dann aus
der Ferne zu rechtfertigen.
Aber, mein Herr, antwortete der Ro-
""willig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag de» 2S. November,
cheller, meine Unschuld
Glauben Sie mir und thun Sie, was
ich Ihnen sage. Herr von Laubardement
ist gewiß schon eingetroffen. Vor den
Richtern Seiner Eminenz gibt es keinen
Unschuldigen.
Der Rocheller drückt seinem Tischge
nossen und Beschützer so stark seine Dank
barkeit auS, als es sein Schrecken und der
Gedanke an den Dienst, welchen er ihm
leistet, nur erlaubt. Sie N.unen sich.
Der Agent Seiner Eminenz reitet in das
Thor des Schlosses ein, während der An
dere mit unverwandtem Bliäe nach dein
verhängnißvollen Thurme schaut.
Eine Slunde vergeht, eine Stunde voll
Angst lind Schrecken, kein Licht erscheint
an dem gothischen Fenster. Den Wink,
welchen ihm die gütige Vorsicht gegeben,
benutzend, drückt er seinem Thiele dieSpo
reu in die Seiten und beeilt sich, F>ank
reich zu verlassen, wohin er elst nach dem
Tode Seiner Eminenz zueückk.hrre.
Bei seiner Rückkehr war sein erster
Wunsch, seiilem Befreier seine Dankbar
keit zu bezeigen, er lud ihn daher nach
dem Wiithö'hause von Rueil ein und der
Henker war zum zweiten Male der Gast
des geretteten Bürgers.
Man zeigt noch heute das Zimmer, wo
jenes Mahl stattgefunden hat. Es führt
jetzt den Namen „der Saal der guten
Hülfe."
Jenes Schloß aber hat eine ganz an
dere Gestalt bekommen. Die Gefängnis
se, in welche der Mal schall von Marillac
und so viele andere Opfer gesperrt wur
den, die Säle, in welchen die unerbittli
chen Richter saßen, die Zimmer, wo ihre
Bluturtheile ausgeführt wurden, der
Thurm der heimlichen Hinrichtungen, Al
les ist verschwunden. Aber die Volkstra
dition hat den Namen Malmaison beibe
halten.
Wvtli und Rettung.
Eine wahre Gcschichte.
Das Handelshaus Gruit van Stren,
war im Beginne des siebzehnten Jahr
hunderts einS der angesehensten, reichsten
und festbegründetsten in Hamburg. In
haber der Handlung war damals Herr
Hermann Gruit, der nach dem Tode des
Vaters auch den alten Jansen als Erb
stück mit übernommen hatte, einen gold
treuen Diener des Hauses, mit Leib und
Seele, wie sonst dem alten, nun dem jun
gen Herrn zugethan, welchen er schon als
Kind auf den Knieen geschaukelt hatte.
Wenige verstanden das HandelSwesen da
maliger Zeit bis in seine äußersten Ver
zweigungen so von Grund aus, wie der
alte Jansen ; daher galt auch sein Wort
in der Schreibstube, wie das deS Herrn
selbst.
Der dreißigjährige Krieg verheerte seit
zwanzig Jahren schon, unser armeS Va
terland, durch Raub, Mord und Brand,
von einem äußersten Ende zum ander» ;
Städte und Dörfer waren verheert zu
Hunderten, und verlassen vo» den Bewoh
nern, die mit dem Vieh in die Wälderge
flohen waren, um sich vor den räuberi
schen, blutigen Häuden der gottlosen Lan
zenknechte zu retten. Bei diesem allen,
und der Unsicherheit der Straßen in alle»
Ländern, war es kein Wunder, daß der
Handel stockte und vorzüglich der Betrieb
ins Innere von Deutschland gelähmt war.
Das fühlte man auch im Comptoir des
Herrn Hermann Gruit, da schon seit län
gerer Zeit viel seltener und weniger be
packt die Saumrosse und Frachtwagen vor
dem Hause hielten ; und im Hause war's
oft Wochen lang so still, wie i» einer Kir
che, während eS sonst manchen Tag in und
vor dem Hause fast so lebhaft herging,
als auf dem großen Markte.
Da geschah es eines Morgens, daß nach
dem Jansen im Comptoir lange den Kopf
geschüttelt und dann noch länger gedan
kenvoll von seinen Briefen weg hinauf an
die braungetäfelte Zimmerdecke so starr
geschaut hatte, als wollte er die Fliegen
oben zählen, er sechsmal nacheinander mit
seinem Schwanenkicle in das große silberne
Tintefaß tunkte, die übervolle Feder ge
waltig auf den Tisch stampfte, und da
durch den vor ihm liegenden, angefange
nen Bnef, von oben bis nnten mit Tinte
slecken marmonrt, auf einmal fertig mach
te. Herr Hermann, ihm gegenübersit
zend, fuhr fast erschrocken vom Sitze auf
und sagte: „Ei, Jansen, seid Ihr denn
heute, vielleicht zum ersten Male in Eu
rem Leben in den Rathvkeller gerathen,
und habt von einem spanischen Fäßlei»
gekostet ~Nein Herr," antwortete
Jansen mürrisch, ~aber so gehts nimmer;
bei uns in Deutschland ist'S aus mit dem
Gewinn auf gewöhnlichem Wege bei dem
verwerterten Kriege. Pol) Blitz und
Gustav! was hilft unS unser großes
Schiff, das immer wie eine Schnecke sich
an der Küste hinwindet, um uns die
sündtheuren Waaren, von den geizigen
Herreu aus Holland herbeizuholen ? Wir
müssen zwauzigfach bezahlen, was wir ein
fach aus der elften Hand haben könnten
von ihren Nachbarn, den Engländern,
und in Amerika selbst. Gebt mir auf
ein Jahr das Schiff und so viel Geld und
Nürnberger Waaren, als möglich, und
laßt mich nach der neuen Welt fahren!
Ihr wißt, der alte Jansen war schon zwei
mal dort und versteht den Kram. Zwar
der alte Herr war auch immer ängstlich,
und meinte, es lasse sich ja ohne großes
Wagniß schon bei uns was gewinnen ; a
ber das ist nun anders geworden, dluin
muß manö anders treiben."
Da standen die beiden Herren auf, gin
gen lange im Zimmer auf und ab und be
rathschlagten. Nachdem nun jedes Für
und Wider, hinreichend erwogen war, wie
es verständigen Männern ziemt, wurde
beschlossen, daß Jansen reisen sollte. Vier
Wochen später schritt Herr van Stren in
seinem Nathsgewande, mit Jansen neben,
und zwei schwer bepackten Dienern hinter
sich, dem Hafen zu. Die den ganzen Ha
fendamm bedeckende Menge Volks, die un
ter Musik und Jauchzen, der Zurüstung
und Abfarth des großen Handelsschiffes
harrte, machte, als Herr Gruit mit Jan
sen ehrerbietig, Platz; denn der
wackere Mann war geliebt und geachtet
von Jung und Alt, Vornehm und Gering.
Einige Ralhöherlen, Freunde der Beiden,
traten freundlich grüßend herbei, und der
Aeltere ein Mann von greisem Haare und
Barte, sprach : ~Freund Hermann, Euer
Schiff ist schwer bepackt und geladen;
Ihr habt doch nicht zuviel gewagt ? denn
weit ist der Weg, und gefährlich die Fahrt,
und unser Jansen ist eben auch keiner der
Jüngsten mehr." Herr Herman zuckte
die Achsel und sprach: „Der Jansen hat
es auf sich, ihm, seiner Treue, Geschicklich
keit und Kenntniß, hab' ich vertraut und
alles überlassen." Aber Jansen antwor
tete munter: „Laßt Euch nicht anfechten,
ihr Herren ! Es ist das drittemal, daß ich
die Farth mache, und alle gute Dinge sind
ja drei; drum hoffe ich fest, wir sehen uns
gesund und freudig wieder; wir haben ja
das Sprichwort: Gott verläßt keinen
Deutschen, —und den alten Jansen nun
einmal gar nicht; drum lebt wohl !"
Da donnerte der erste Signalschuß zur
Abfahrt, und das Boot, das ihn einneh
men sollte, zur Ueberfahrt nach dem Schif
fe, war eben gelandet. Der ehrliche Jan
sen drückte seinem Herrn noch einmal kräf
tig die Hände; ein Paar Thränen träu
felten dem alten Knaben in den grauen
Bart, und er stieg ein. Die Musik er
tönte lebhafter, leicht hingleitend über die
spiegelglatte Fläche, langte schnell das
Boot am Schiffe an. Die Leiter ward
herabgelassen, hinauf stieg Jansen ; schnell
ist die Leiter zurückgezogen, eben so schnell
der große Anker aufgewunden und das
Boot befestigt; und nun donnerte der
letzte Kanonenschuß zur Abfahrt, alle
Wimpel flaggten, und stolz flog das
Schiff dahin, alle Seegel gebläht vom
günstigen Winde; vom Verdecke winkte
noch einmal Jansen mit dem Tuche das
letzte Lebewohl, und bald war das Schiff
Laufende Nummer I t
dem Auge nicht mehr sichtbar. Die Men
ge verlief sich, und die Herren schritten
unter freundlichen Gesprächen, ihren Wo
hnungen zu.
Drei Vierteljahre waren seitdem ver
flossen, und weder Jansen kam zurück noch
eine Nachricht von ihm,--wohl aber hat
ten sich dunkle Gel üchte von deutschen
Handelsschiffen, welche in der G.'gend von
Neu Amsterdam (in Südamerika) geschei
tert wären, verbreitet. Immer bedenkli
cher ward die Miene des Herrn Hermann,
und immer sorgenvoller seine Stirne.
Einen großen Verlust nach dem andern
hatte er erlitten, durch den Fall mehrer
Handelshäuser, zu Braunschweig, Nürn
berg, Augsburg und Ulm, und täglich noch
trafen Unglücksbriefe ein. Herr Gruit
war eben daran, die Bilanz zu ziehen,
(die Rechnung abzuschließen) ; drum war
es still wie im Grabe im Comptoir; kaum
hörte man' athmen, und nur das leise
Schnarren der Federn, der emsig- schrei
benden Eommis, die manchmal ängstlich
die Augenlieder hoben, ohne ihre Körper
stellung zu verändern, wenn ein schwerer
Seufzer des Herrn Gruit, wie ein klagen
der Geist, durch's Zimmer drang, oder
ein großer Schweißtropfen von der Stir
ne auf's Papier niederfiel. Endlich schlug
der Herr die Augen auf, sah starr nach
dem ihm gegenüberhängenden Bilde sei
nes Vaters, und eine schwere Thräne,
tropfte herab auf das Hauptbuch. Er
schrak zusammen, fuhr mit der Hand ri
ber Stirne und Augen, wie aus schwerem
Traume erwachend, legte langsam die Fe
der nieder, klapste leise das Buch zu, und
ging langsam hinauf in das Familien
zimmer. Dort kleidete er sich in seine
volle Amtsklcidung als Rathsherr, küßte
seine Frau, und seine drei muntern Kna
ben, und ging mit der Aeußerung, daß
heute Sitzung wäre, sie sollten mit dem
Essen nicht warten, hinunter. Die grü
ne Gasse entlang, schritt er dem Nath
hause zu'; ein Diener trug ihm das schwe
re Hauptbuch nach. Im RathSsaale leg
te er vor den erstaunten College», die Eh
renzeichen seiner Würde ab, und gab sich
als insolvent (zahlungsunfähig) an. Die
Herren erschraken, saheil seine Bücher ein,
erkannten daraus seine Schuldlosigkeit, u.
beschlossen einstimmig, daß ihm noch eine
halbjährige Frist gestattet sein sollte, als
die äußerste Zeit, in welcher man Jansen
noch zurück erwarten könne, wenn das
Schiff nicht verunglückt sei.
Das halbe Jahr und zwei Monate da
rüber waren schon verstrichen, Jansen
war nicht gekommen. Herrn Hermanns
Umstände hatten, statt sich zu heben, nur
sich verschlimmert; da drangen die schon
durch Fristverlängerung erbitterten Gläu
biger, so ungestüm, auf den strengsten
Vollzug der Versteigerung seiner Besi'tz
thümer, daß der Magistrat, notgedrun
gen, dem Rechte in voller Ausdehnung
seinen Gang lassen mußte. Alles war
versiegelt worden, und dem armen Gruit
nebst Familie, nur das Stübchen, in wel
chem einst der Hausknecht schlief, links
am Eingänge des Hauses, geblieben. E
ben hatte die Versteigerung seiner Habe,
im geräumigenEomptoir, jenem Stübchen
gegenüber, begonnen ; gedrängt voll Leu
te war das Zimmer; laut tönte die Stim
me des Ausrufers. Schrecklich klang die
ser Ruf, Herrn Hermann drüben im
Stübchen, nnd mit jedem Niederfallen des
Hammers, fuhr es ihm wie ei» Schwert
durch's Herz; er saß, den Kopf in die
Hand gestützt, tiefsinnig am Fenster, und
starrte das Schild seines Nachbarn, des
Wirths zum Westindienfahrer, an, als
wollte er es mit den Augen festnageln.
Die gute Elisabeth aber, saß am Ofen, die
roth-geweiuten Augen zur Erde gewen
det, die Hände gefaltet und fest zusammen
gepreßt, während die beiden jungen Kna
ben, unbekümmert um Alles, mit der gro
ßen Angora-Katze spulten ; Fritz der Ael
teste aber, hielt den quer vor der Thür
liegenden 8011, den Haushund, an beiden
Ohren fest, als er auf Anklopfen an der