Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, November 09, 1847, Image 1

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    Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.^
MeAV i N g, Denn. Gedruckt und herausgegeben von Arnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Ckrsnut - Straße.
Jahrg. ganze Nnm. «27.
' Der Niber.llk' Nrolmcktcr erscheint jeden Dienstag auf einem großen «uperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der SubseriptionS- Preis ist Ein Thaler dcs Zahrs, welcher in halbjährlicher
Vorausb«al>luna erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden HI 50 angerechnet. Für kürzere Zeit als k Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
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gerückt Unterschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auflösten der Unterschreiber. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden.
Die Tochter der Sklavin«
Etwas mehr als fünfzig Jahre sind
verflossen, als in der Hauptstadt der spa
nischen Insel Euba der Advokat B. be
graben wurde. Es war einer von den
Männern, welchen bei der redlichsten Ar
beit die Redlichkeit ihres Herzens nicht
reich zu werden erlaubt. Als er starb,!
erbte daher sein Sohn Lopez, damals
noch ein Kind, nichts von ihm, als seine
Tugend nnd die unfruchtbare Liebe seiner
Mitbürger. Ein entfernter Verwandter,
gleichfalls ein Nechtsgelchrter, nahm sich
des verwaisten Knaben an; als er ein
Jüngling ward, nahm er ihn in seine
Schreibstube, und Lopez—wohl unterrich.
tet und fleißig, wie wenig Jünglinge sei'
nes Alters, aufgeweckt, fromm und lie
hcnswürdig. inniger und stiller, als die
Meisten seiner Altersgenossen, doch leb
haft und begeistert, wenn eS die Vertheil
digung irgend einer großen Idee oder ir
gend eines unschuldig Verfolgten galt,—
Lopez wuchs bald nicht allein zu emem der
schönsten jungen Männer der ganzen Nach»
barschaft. sondern auch zu einem Liebling
aller Bewohner der Havanna!) heran.
Besonders aber waren die Frauen, die be
sten Richterinnen deö hervorstehendenVer
dienstes eines jungen Mannes, die steten
Beschützerinnen des jungen Lopez.
Der nächste Nachbar jenes Rechtsge
lehrten war ein fremder Kaufmann, wie
man glaubte ein Deutscher von Geburt,
aus Hamburg, der jedoch in der Havan
na!) völlig nationalisirt. sich Senor P e s
cador nannte, wie man meinte, mit ei
uer spanischen Uebersetzung seines ur
sprünglich deutschen Namens Fische r.
Er war immer unverheirathet geblieben,
obgleich seine vom Glück begünstigte kauf
männische Thätigkeit, sein Ruf und seine
allbekannte Rechtlichkeit ihn in manchem
Hause zu einem wünschenswerthen Braut
Werber gemacht haben würden. Sennor
Pescador betrieb neben seinen kaufmän
nischen Geschäften auch noch den
einiger ländlichen Besitzungen, und hielt
auf seinen Zucker- und Indigo Plantagen,
in seinen Cochenille und Bananengärlen
eine nicht unbedeutende Anzahl von mann
lichen und weiblichen Sklaven. Die vo
rigen Besitzer dieser Ländereien waren im
mer milde Herren gewesen, und so kam es,
daß die meisten der Sklaven schon seit ei
nigen Generationen auf diesen Gütern
dienten, ohne weder die Härte der Dienst
barkeit gewahr zu werden, noch nach einer
Veränderung ihrer Lage zu verlangen.
Unter den Sklaven dieses achtbaren
Mannes befand sich ein weibliches Wesen
von hoher Liebenswürdigkeit. Man hat
te sie Luna genannt, gleichsam um die
Milde ihres Charakters und ihrer Sitten,
die Freundlichkeit ihrer ganzen Erschei
nung anzudeuten. Als sie getauft ward,
erhielt sie den Vornamen Maria. Ma
ria Luna, ihrer Abstammung nach eine
Quateronne, war ein allzu ausgezeichne
tes Wesen, als daß sie sich dem Auge ih
res milden Gebieters nicht auch bemerklicb
gemacht haben sollte. Sennor Pescador
besaß aber neben der Schwäche, zu redlich
zu sein, um ein Krösus zu werden, auch
die, sich bisweilen von einer angebornen
Heftigkeit zu Schritten der Gewaltthä
tigkcit hinreißen zu lassen, die er gleich
nachher schmerzlich bereute, und die er
dann mit großen Aufopferungen wieder
gut zu machen strebte. In einem dieser
Momente ungestümer Aufwallung halte
er die sanfte Maria Luna, die er als Hau
shälterin in sein Haus aufgenommen, hart
angelassen, und endlich sogar geschlagen.
Maria blutete, und blutend warf sie sich
rhrem erzürnten Gebieter zu Füßen, sei
nen Unwillen zu besänftigen. Sennor
Pescador öffnete plötzlich die Augen; Ma
ria's sanfte Schönheit beschwor seinen
Zorn, die Zärtlichkeit nahm den freige
wordenen Platz ein. Sennor Pescador
begriff auf einmal nicht, wie er so lange
blind gegen die Reize dieser Dienerin hat
te bleiben können, welche Vorzüge der
Seele und des Körpers des schönsten Loo
ses würdig machten. Alles was Maria
that oder vornahm, war von einer An
mutl), einer natürlichen Grazie begleitet,
deren Zauber jedes Herz bestricken mußte.
Ihre milden und duldenden Züge, ihre
sanfte, schmiegsame Gestalt, die südliche
Glut ihres Auges, daö dunkelglühende
Jncarnat ihrer Wangen, die Rosen ihrer
Lippen, vie Melodie ihrer silberklaren
Stimme, vor Allem aber jene kunstlose
Anmuth, und jene heitere Natürlichkeit
ihres ganzen Wesens, und die Grazie, die
jede ihrer Bewegungen, Gang und Hal
tung begleiteten, alle diese Reize, auf ein
mal erkannt und erhöht durch das Gefühl
eines wieder gnt zu machenden Unrechts,
überwältigten den guten Pescador. Er
hob die Weinende, die Kniende empor und
drückte sie an seine Brust. Die sanfte,
zarte Maria, von der Güte ihres
ters schon lange im Stillen gerührt und
überwunden, duldete seine bescheidenen
Liebkosungen; Pescador kostete den Nek
tar ihrer Lippen, er fühlte den lauten
Pulsschlag ihres Herzens an dem seinigen,
u. der Bund der Herzen wurde geschlossen.
Maua verehrte ihren Gebieter in ih
rem Freunde; sie blieb in seinem Hause
und schenkte ihm nach Jahresfrist ein hol
des Mädchen, Manuela, welche die
Sanftmuth und Grazie ihrer Mutter, die
Tugend und die europäische Bildung ih
res Vaters geerbt hatte, erwuchs als das
zärtlich gepflegte Kind seiner einzigen Lie
be, unter den Augen ihrer stets mehr und
mehr geliebten Mutter. Sonst änderte
sich nichts in den Verhältnissen des redli
Pescador; Maria Luna blieb die Vorsts
herin und Ordnerin seines ziemlich weit
läufigen Hauswesens, Manuela, das rei
zenve Kind, ward überall als seine einzige
liebliche Tochter angesehen, und erhielt die
Erziehung, die sie als solche von ihm ver
langen zu können schien. Dem guten
Pescador fiel es nicht ein, andere Schritte
für sie zu thun, die ihr die Rechte sichern
konnten, welche seine Vaterliebe ihr so
gerne gewährte; sie war sein Stolz, seine
Freude ; er lebte und arbeite nur für sie;
bei seinen Freuden, wie bei seinen Sorgen
gedachte er nur ihrer- Den ganzen Tag
über den Geschäften seines Standes hin
gegeben, war er Abends glücklich, wenn
Maria, die er sein Weib nannte, zärtlich
neben ihm Platz nahm, und die kleine
Manuela auf ihren Knien wiegte.
So lebte das glückliche Paar eine Rei
he von Jahren, arglos und ahnungslos,
dahin, weit entfernt, die Schrecknisse vor
auszusehen, welche die unbedachte Ver
nachlässigung gewisser gesetzlicher Formen
dem zarten Gegenstand ihrer elterlichen
Liebe bereiten mußte.
Allmälig erwuchs Manuela vom Kin
de bis zum blühenden Mädchen. Ihre
Schönheit zeichnete sie bald vor allen ih
ren Gespielinnen aus ; denn was die zwei
so ganz verschiedenen Naturen ihres Va
ters und ihrer Mutter an herzgewinnen
den Eigenschaften besaßen, vav schmolz in
ihr zu der schönsten Harmonie, zum vol
lendetsten Einklang zusammen. Sie war
zart und lebendig wie ihre Mutter, sanft
und liebend, tief und gefühlvoll wie ihr
Vater, und den edelsten Regungen des
menschlichen Herzens offen und zugäng
lich wie Beide.
Der junge Lopez B. im Nachbarhause
lernte die schöne Tochter Sennor Pesca
dor'S kennen. Die Bekanntschaft war
vor einer nahen Kapelle des hl. Gonzalo
de Amarante entstanden, vor welcher die
jungen Leute der Havanna!) zweimal im
Jahre, am Tage Allerheiligen und am
besondern Kalendertage dieses Heiligen,
in einer feierlichen Prozession sich versam
meln, Lieder zur Ehre des Heiligen an
stimmen, und endlich mit einem auf Euba
sehr bekannten Scherzgesang auf ihn um
seinen Schrein zu tanzen pflegen. Dieß
"willig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den S. November, IBA7.
Lied knüpfte die Verbindung zwischen.
Don Lopez und Manuela. Bei
Anlaß nämlich hatte der junge Lopez der
dreizehnjährigen Manuela zuerst in s glü
hende Auge geschaut, denn keine ihrer
Gespielinnen tanzte den seltsamen heiligen
Reigen so schön wie sie, oder sang mit so
silberheller und reiner Stimme in die laue
Abendluft hinaus, wie Manuela. Er'
hatte sich ihr genähert, sie angeredet, die
zarte Manuela, die den jungen, vielge
priesenen Schreiber schon so oft mit
chenhafter Neugierde, hinter ihrem grü
nen Gitterfenster halb verborgen, beobach
tet hatte, wenn er mit ihrem Vater im
Gespräch vor dem Portego ihres Hauses
auf und ab schritt, oder wenn er Sonn
tags, reich und leicht gekleidet, auf der
Sandebene vor dem Hause mit minder
geschickten Spielern den Ball schlug, oder
den Discus warf; Manuela war nicht
unempfindlich gegen die bescheidene Aus
zeichnung, die ihr an diesem Abend von
dem Liebling aller Frauen in der Havan
nah zu Theil wurde. Der Bund ihrer
Herzen erwuchs unter dem Bananenschat
ten der benachbarten Gärten ihres Va
ters und des Wohlthäters deS jungen Lo
pez, am rieselnden Brunnen, am rauschen
den Wogengestade des Meeres, unter dem
Laubengewölbe des riesigen Tallibotbau
mes, unterm traulichen Schimmer des
Mondes, bei Volksfesten und in den hei
ligen Domen der Kirchen, bald zu einer
gegenseitigen, ausgesprochenen Neigung,
die Neigung, genährt von der Sonne des
tropischen Himmels, zu einer glühenden
Leidenschaft, zu einem Bund auf Leben u.
Tod. Manuela und Lopez, ohne sich ei
ne Treue geschworen zu haben, die ihren
reinen Herzen so natürlich schien, wie dem
Lebenden das Athmen, liebten sich mit
der ganzen vollen Glut einer ersten, un
trennbaren Liebe; keine Macht des Ge
schickes vermochte diese Herzen mehr von
einander zu trennen.
Manuela's Mutter wußte darum.
Lange rang sie mit sich selbst, ob sie diese
frühe Wahl des Herzens ihrer Manuela
dem Vater vertrauen sollte oder nicht.
Sie kannte Lopez als einen in jeder Be
ziehung trefflichen Jüngling ; allein auch
seine Armuth war ihr kein Geheimniß,
und seine Abhängigkeit von dem strengen
Campomanes, an dessen Einwilligung in
die Verbindung seines Schützlings mit
der Tochter einer Sklavin sie noch mehr
zweifelte, als an der Einwilligung des
redlichen Pescador; allein auch dieser
würde den armen, mittellosen Lopez, so
werth er ihm auch sonst zu sein schien,
als Brautwerber seiner Tochter nicht eben
willkommen geheißen haben; denn der
treffliche Mann war selbst nichts weniger
als reich. Unglückliche Zufälle, wie sie
daö Vermögen des Kaufmannes so oft in
einem Augenblick erschüttern oder vernich
ten, hatten ihn seit einiger Zeit mehr als
einmal betroffen; ja, Maria sah ihren
Gebieter jetzt oft, wie ihr schien, mit
schweren Sorgen beladen von seinem Ar
beitstisch in das Familienzimmer treten,
und rang umsonst, mir der gewohnten
und so oft bewährten Zärtlichkeit die dü
stern Falten seiner Stirn zu glätten.
Auch das band ihr den Mund. Sie hoffte
aber, wie wir so oft thun, wenn wir ein
nahes, drohendes Mißgeschick fürchten oh
ne zu wissen warum, auf eine Aenderung.
Doch das Uebel wurde schlimmer, der
Ausdruck des Kummers und der Besorg
niß auf den Zügen des guten Pescador's
wurde immer unverkennbarer. Gerüchte
gingen in der Havanna!) umher von sei
nem nahen Fall als Kaufmann; seine
Gläubiger, dadurch beunruhigt, wurden
dringender; er selbst, von Kummer ge
beugt, und von dem Gedanken gefoltert,
nach einem langen Leben, der redlichsten
Arbeit geweiht, noch im Herbste seiner
Jahre als Verräther des öffentlichen Ver
trauens vor den Augen seiner Mitbürger
dazustehen, verfiel in eine schleichende
Krankheit, welche seine Geschäfte, die nun
unredlichen Sachwaltern anheimfielen,
noch mehr in Verwirrung brachte. Sen-!
nor Pescador hatte dieselbe Schwachheit
gehabt, welche auch Don Lopez' Vater
als armer Mann sterben ließ. Sein
Vermögen war die sichere Zuflucht jedeS
bedrängten FreundcS, jedes unbemittelten
Fremden gewesen, der sich die Mühe neh
men wollte, seine Redlichkeit irre zu füh
ren. So hatten die Tage des Unglücks
ihn selbst ohne HülfSqueUen überrascht;
mit einem Wort, seine Habe reichte nicht
mehr aus, die Forderungen zu befriedigen,
die jetzt von allen Seiten und auf einmal
an ihn gemacht wurden. In diesem kri
tischen Moment erlag der würdige Mann,
unfähig einen solchen Schmerz zu ertra
gen, der Gewalt der Krankheit. Er
starb, man begrub ihn, die Gerichte leg
ten Beschlag auf sein Besitzthum, und
dieses, Haus, Habe, Plantagen, Güter
und Sklaven wurden zur Befriedigung
seiner Gläubiger zur öffentlichen Vevftei,
gerung an die Meistbietenden bestimmt.
Maria Luna erwachte aus ihrem dum
pfen Schmerze über den Verlust des Ge
liebten, der ihrem Leben allein Werth ge
geben hatte, um die Schreckensbotschaft
zu vernehmen, daß sie eine Bettlerin sei.
Doch, so hart dieß Wort auch klang, ein
erschütternderes war noch zurück. Sie
sollte auch hören, und das war das
Schlimmere, sie sollte auch hören, daß sie
eine Sklavin des Verstorbenen sei,
und als solche mit ihrer Tochter, wie alle
übrigen Sklaven, zur Versteigerung an
den Meistbietenden öffentlich ausgestellt
werden solle. Wir wollen hier nicht die
Schrecknisse ausmalen, welche diese Bot
schaft für Mutter und Tochter haben
mußte; jedes fühlende Herz wird sie mit
empfinden. Sie, die bisher als die Gat
tin des liebendsten und geliebtesten Gat
ten gelebt, sie, die ihre Tochter so lange
als die Tochter eines reichen Kaufherrn,
eineö angesehenen und begüterten Plan
tagenbesitzerö erzogen, gealtert im Genuß
eines anständigen Reichthums, im Schoo
ße des Glücks in süße Träume von ferne
rem Glück eingewiegt, sie erwachte nun
plötzlich daraus, um sie als eine rechtlose
Sklavin in die Gewalt eines vielleicht ent
menschtenGebieters zu übergeben, und alle
Schrecknisse der Sklaverei nach langen
Jahren deö Glücks von neuem, und nun
mit verdoppeltem Gewicht auf sich herab
sinken zu sehen, und zwar blos darum,
weil ihr unvergeßlicher Gebieter die ein
fachen Formen, welche das Gesetz für die
Freilassung der Sklaven vorschreibt, auf
seine eigene Redlichkeit und seinen Willen
gestutzt, vielleicht auch, als Fremder, aus
Unbekanntschaft mit der starren Strenge
der Gesetze, unterlassen hatte. Doch das
war noch nicht das Härteste ihres Looses;
für sich selbst würde sie ohne Klage, nach
dem Verluste ihres Freundes, jeden an
dern Schmerz als einen unbedeutenden ge
gen diesen ertragen haben. Allein auch
ihr zartes Kind, ihre geliebte Manuela,
die Lust und die Wonne und den Stolz
ihres Herzens, vielleicht in die Gewalt ei
nes rohen Gebieters, der diese zarte Blu
me zertrat, dahingegeben zu sehen, sie, die
im Reichthums geboren, in den Armen
des Glücks und der zartesten Liebe erwach
sen war—fürwahr, was läßt sich für das
fühlende Mutterherz Grausameres und
Gräßlicheres ersinnen?
Maria flehte zum Himmel um Schutz
für ihr Kind. Doch wo sollte sie auf
Erden Hülfe finden? Das starre Gesetz
war gegen sie; die Berufung auf den
Willen des Verstorbenen war nur eitel
und fruchtlos, seinen fühllosen Gläubi
gern gegenüber. Reiche Freunde befaß
Sennor Pescador nicht, und wer von die
sen sollte sich, wenn er sie auch halte, für
eine Sklavin zu einem Opfer entschlie
ßen ? Nur die Armen hatte der redliche
Mann sich verbindlich gemacht.
In dieser fürchterlichen Angst des Mut
terherzens hing sich Maria's Hoffnung
an Einen, von dem sie wußte, daß er be
reit sein würde, ihr und ihrem Kinde mit
Blut und Leben beizustehen. Dieser Ei-
Laufeiide Nnmnier 11.
ne war der junge Lopez. Allein, nicht
Blut und Leben nein, nur Geld al»
lein konnte hier helfen, und von allen rei»
chen Gaben der Natur, die Don Lopez
besaß, war diese eine ihm verweigert wor
den.
Der junge Schreiber verließ die Witt
we und ihre Tochter von dem Augenblicke
an, wo er ihre Noth und ihre Hoffnung
erfuhr, nicht mehr. Den Tag über harr«
te er bei den Bedrängten auö, die er trö
stete und mit erdichteten Hoffnungen em»
porrichtete, und verließ sie Abends nur,
um die ganze Nacht hindurch einsam auf
seinem schlummerlosen Lager über die
Mittel und Wege zu sinnen, das drohen
de Elend von den theuern Häuptern ab
zuwenden. Bei den Gesetzen selbst, das
sah er wohl ein, war kein Trost zu fin
den ; sie erstickten vielmehr, starr und ei
sern, jede aufkeimende Hoffnung. Hier
gab es kein Mittel, wirksam zu helfen,
als durch die käufliche Erstehung der
Sklavinnen bei der öffentlichen Verstei
gerung im Wege des Meijtgebots. Die
ses einzige Mittel zur Rettung des Theu
ersten, was der junge Lopez kannte, sei
ner Manuela, war aber auch das Einzige,
was dem Unglücklichen völlig unerreichbar
schien. Hätte es gegolten, dem Tod vor
Feuerschlünden zu trotzen, oder im Ein
zelnkampf einem mächtigen Gegner die
Geliebte seiner Seele abzuringen, er hätte
keinem Augenblick an ihrer Rettung ge
zweifelt, denn Lopez fühlte sich zu Allem
stark genug, und um diesen Preis jedem
Gegner gewachsen. Allein er hatte dem
unerbittlichen Gesetz die süße Beute, die
holde Braut abzuringen—arm u. freund
los, wie er war, welche Hoffnung blieb
ihm da zur Seite? Er selbst hatte nicht
so viel MaravediS im Vermögen, als Pi
aster dazu nöthig gewesen wären, um bei
der Versteigerung zuversichtlich auftreten
zu können. An wen sollte er sich wen»
den? Sein Wohlthäter war ein recht
schaffener Mann; allein von dem Mit
gefühl, welches dazu nöthig war, um ihn
zu einem Opfer wie das, welches Lopez
von ihm zu fordern hatte, zu bestimmen,
hatte dieser noch kein Anzeichen bei ihm
entdeckt. Was kümmerte ihn die Skla
vin seines Nachbars, den er wenig kannte,
und der zum Ueberfluß noch selbst sein
Schuldner war? Oder sollte er ihm das
Geheimniß seines Herzens entdecken?
Dann schien vollends alle Hoffnung ver
loren, denn der alte Campomanus hatte
mehr als einmal schon seine Willensmei«
nung ausgesprochett, daß Lopez durch eine
schickliche, d. h. eine reiche Verbindung
das Unrecht des Geschickes gegen ihn wie
der gut zu machen suchen müsse, und zu
diesem Zweck dem Jüngling mehr als ei
ne Partie vorgeschlagen, deren Zurückwei
sung er mit Unwillen und Zorn aufge
nommen hatte; Grund genug, an seinem
Bei stände zu dem Wer ke der Liebe, auf
das Lopez jetzt Tag und Nacht sann, zu
verzweifeln. Zum Uebermaaß der Ge
fahr war ihm auch noch durch Manuela
selbst bekannt geworden, daß ein steinal
ter, widerwärtiger, durch seinen Reichthum
und seinen Geiz berüchtigter Herr auS
der Nachbarschaft, Monsieur George,
wie der allbekannte Franzose in der gan
zen Havanna!) hieß, schon einmal bei ih
rem Vater um ihre Hand geworben, von
ihr aber zurückgewiesen, geschworen habe,
es solle sie noch einst gereuen, ihn als
Bräutigam verschmäht zu haben, und sich
jetzt, nach dem Tode ihres Vaters und
dein Ausbruch des Bankerotts, hoch und
theuer vermessen habe, er müsse das Mäd
chen haben, und sollte sie ihm auch tau
send Pistolen kosten. (Schluß folgt.)
Tod eines amerikanischen
Gesandten. Die letzten europäi
schen Berichte bringen die traurige Nach
richt von dem Tode des achtb. A lera n
d e r H. E v e r e r t. des amerikanischen
Geschäftsträger in China, welcher am 29.
Juni in seiner Wohnung in der Stadt
Canton erfolgte. .