Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 27, 1847, Image 1

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    N e ÄiN g, UtNN. Gedruckt und herausgegeben von ArnoldPu m e ll e, in der Süd Kren Straße, zwischen derHranklin- und Chesnnt - Straße
Jahrg. 8, ganze Nnm.
Mvedingungen: Der A,iber«lle Ltvbatlltre erscheint jeden Dienstag auf eine»! großen Luperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der Subscriptions - Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlicher
> Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden Gl sl> angerechnet. Für kürzere Zeit alö « Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
> dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Subferiptlons«Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden tankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis ein»
M gerückt, ttnterfchreibern in hiesiger Etadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiben Briefe und dergl. müssen postfre i eingesandt werden.
Zwei Verbrechen.
!ine russische Novelle v. Dupre de El. 'Maure.
Z
Von diesem Augenblick an fand Wo
onitcheff für gut, eine ganz veränderte
Sprache zu führen; er gab die Förmlich
es des Anklägers auf, um die einfachen,
Nanieren eines feilen Unterhändlers an-
»nehmen, der das Verbrechen und eine
ruchtlose Rache der Gesetze vergißt, um
ich nur mit seinen persönlichen Vorthei
en zu beschäftigen. „Ihr Schicksal, Hr.
Paradekin, das sehen Sie wohl ein, liegt
n meiner Hand, sing er an; Sie bitten
mich, Sie nicht zu Grunde zu richten, und
vas hängt nur von Ihnen ab. Ich lasse
Ihnen die Wahl zwischen dem Ausspruch
der Gerichte, die Sie auf das Strengste
bestrafen würden, und dem Spruche eines
minder harten Nachbars." „Was mei- >
nen Sie, Herr Woronitcheff?" „Was
Sie recht gut wissen, Herr Paradekin,
übrigens stehe ich auch nicht an, mich deut
licher auszusprechen. Wählen Sie mich
zu Ihrem Richter, wenn Ihnen daran liegt
daß ich meine Anklage aufgebe, und un
terwerfen Sie sich unbedingt meinem Aus
spruche." „Wie lautet der?" „Er
lautet so: Habsucht veranlaßte das Ver
brechen, und so muß dasselbe durch ein Op
fer an Geld gesühnt werden."—„Ah! ich
hätte Sie schon frührr errathen sollen.
Welche Summe verlangen Sie ? ...."-
-„Hundert tausend Rubel." „Wie!
Woronitcheff, wo denken Sie hin?
Das ist ja mehr, als. .. —„Nicht eine
Kopeke weniger, mein lieber Nachbar.
Das Geld muß spätestens in 8 Tagen ge
zahlt sein. Für diesen Preis mache ich
mich verbindlich, bei jedem Eidschwur, wel
chen Sie mir anfzulegen belieben werden,
das Geheimniß nicht zu entdecken und die
schriftlichen Beweist Ihres Verbrechens
vor Jhrfn Augen zu verbrennen.,, —"Hr.
Woronitcheff, wenn ich auch dieses Opfer
bringen wollte, so bin ich es doch nicht im
Stande; es geht über meine Kräfte."
„Nichts ist unmöglich, wenn die Ehre und
daS Leben auf dem Spiele steht. Beden
ken Sie, daß die Knute und schwere Ar
beiten in den Bergwerken eine noch her
bere und härtere Sühne sind, als ein Op
fer an Geld. Wie viel Verbrecher würden
sich glücklich preisen, wenn sie die Strafe
für das Blut, das sie vergossen um den
Preis ihres ganzen Vermögens abkaufen
könnten. Ich verlange von Ihnen ja
vielleicht nur den dritten Theil Ihres Ver
mögens, und diesen Handel nicht einzuge
hen, würde von Ihnen höchst thöricht sein.
Von dem Augenblick an, wo Woronit
cheff mit seiner gemeinen Verkäuflichkeil
hervorrückte, und wo nach der leidenschaft
lichenScene die sanftere Sprache eines ab
zuschließenden Handels folgte, hatte sich
Paradekin wieder völlig gefaßt und sein
Geist allmälig die gewohnte Energie wie
dergewonnen. Die Gegengenwart eines
so schlechten Menschen schreckte ihn nicht
mehr, und er sagte daher: „Was wollen
Sie fortwährend mit dem vergossenen
Blute? Habe ich denn den Mord gestan
den, dessen Sie mich beschuldigen? durch
Ihre Drohungen und den Ton, den Sie
gegen mich annehmen, außer Fassung ge
bracht, habe ich mich einen Augenblick in
die außerordentliche Lage, in welche Ihr
Haß mich urplötzlich versetzt, nicht finden
können. Die Unschuld ist nicht davor
gesichert, zu erschrecken. Kann ich vor
dem Gerichte nicht diesen Augenblick der
Schwäche, den Sie belieben ein Geständ
niß zu nennen, läugnen? Sie haben, wie
Sie sagen, Beweise; aber wo sind Ihre
Zeugen? Ich denke, sie sind wohl etwas
weit von uns. Welches Gewicht kann
man auf die Aehnlichkeit einer Handschrift
legen? Kann sie nicht blos nachgemacht
sein, um mich in s Verderben zu stürzen?
Begreifen Sie endlich nicht, daß seitdem
diese Dame verschwunden, 30 Jahre ver
flossen sind?"—„lch verstehe, Sie berei
ten sich jetzt schon zu Ihrer arglistigen
Vertheidigung." „Warum sollte ich
nicht? Um offenherzig mit Ihnen zu re-
Wer Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
den ; sollten Woronitcheff's Worte wohl
mehr Glauben bei den Richtern finden,
als die Meinigen ?"—„Sehr vernünftig!
Wahrscheinlich hoffen Sie auch noch durch
die Verjährung sich zu retten? Die wer
den Sie aber vergebens in Anspruch neh
men, denn es gibt Verbrechen, bei welchen
darauf keine Rücksicht genommen wird,
und ein solches ist das Ihrige, das weder
das Gericht, noch der Souverän begnadi
gen kann. Bedenken Sie, daß meine An
klage Sie wieder in den Skavenstand
stürzt, aus welchem Sie nur durch das
Verbrechen gestiegen sind; dieses nur, und
der Name, den Sie jetzt führen, und un
ter welchen, Sie Ihren früheren verber
gen, hat sie demselben entzogen. Beden
ken Sie, daß ich das einzige Tribunal bin,
von dem Sie Rettung erwarten dürfen,
und unterwerfen Sie sich demselben."
„Und wenn ich mich demselben durchaus
unterwerfen müßte, wer bürgt mir denn
für die Nechtskräftigkeit eineö Vertrages
mit Ihnen?" Bie diesen Worten faßte
Paradekin seinen Gegner fest in s Auge,
und gewahrte in seiner Miene so viel
Falschheit und Spott, daß er nicht länger
in Ungewißheit blieb, wozu er sich ent
schließen sollte; und mit einer Würde, vor
der Woronitcheff verstummte, fuhr er fort:
„Herr Woronitch.'ff, ich nehme Ihren
Vorschlag nicht an ; er streitet gegen mein
Gewissen, und selbst in dem Falle, daß ich
mich selbst für einen Verbrecher hielte,
würden meine Grundsätze mir nicht erlau
ben, denselben anzunehmen; ich würde
mich lieber dem Ausspruche des Tribunals
unterwerfen, als daß ich meine Schuld noch
dadurch vergrößerte, daß ich zu einer nie
drigen Spekulation die Hand böte. Dieß
ist mein unerschütterlicher Entschluß. Wer
den Sie mein Ankläger; das können Sie;
aber mein Richter tonnen Sie nicht wer
den ; dafür erkenne ich nur die, welche die
Landesgesetze eingesetzt haben." „Sie
haben sich von Ihrer Betroffenheit noch
nicht erhohlt, mein lieber Herr Nachbar,
und sprechen, wie ein Neunter, der in
sein Verderben rennt. Ich bin kaltblüti
ger, und sehe die Sache von der Seite an,
von der Sie sie ansehen werden, wenn Ih
re große Leidenschaftlichkeit sich gelegt ha
! ben wird. Lassen Sie mich morgen Ih
ren Entschluß wissen ; ich werde dann mein
Benehmen darnach einrichten. Verhar
ren Sie bei Ihrem Entschlüsse, und wol
len Sie Ihr eigner Henker werden, so ge
he ich nach Petersburg, um die Sache bei
dem Justizminister anhängig zu machen,
ihm das mitzutheilen, was mir die alte
Dorothea vertraut hat, und ihm unver
werfliche Beweise vorzulegen; auch werde
ich die Verwandten der ermordeten Für
stin aufsuchen und sie gegen Sie in Be
wegung setzen; um dies zu bewirken, brau
che ich ihnen nur zu svgen, daß Sie sehr
reich sind, und Ihre Reichthümer ihnen
gehören. Sie sehen, ich benehme mich
gar nicht wie ein Verräther. .. Sie ant
worten nichts? Wie soll ich Ihr Schwei
gen deuten ?" —„Als Bestätigung meiner
Erklärung. Kennten Sie mich genauer,
so würden Sie wissen, daß mein Entschluß
unwiederruflich ist, sobald meine Grund
sätze mich dazu bestimmten." „Ihre
Grundsätze! Ach! Unglücklicher,
e» innere Dich doch an die Vergangenheit!
Nun, ich lasse Dir 24 Stunden Zeit zum
Ueberlegen ; bedenke, daß Dich auf der
einen Seite ein ruhiges und geachtetes Al
ter, und auf der andern die Schande der
Strafe und schwere Arbeit in den Berg
werken erwarten, ich wiederhole es, beden
ke das und wähle." Nach diesen Wor
ten entfernte sich Woronitcheff auf dem
selben Wege, den er gekommen, und ging
nach seinem Wagen zurück.
Nach Woronitcheff's Entfernung blieb
Paradekin lange Zeit eine Beute des tie
fen Schmerzes, dem er fast unterlag, denn
diese so lange und leidenschaftliche Scene
hatte alle Wunden seines Herzens von
neuem geöffnet und sein zwar zuweilen
eingeschläfertes aber nie zum völligen
Schweigen gebrachtes Gewissen war in sei-
"IVillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 27. April,
ner ganzen Stärke erwacht; vielleicht war
es noch stechender, als daS Entsetzen, das
er bei diesem so eben erlebten Auftritt
empfinden mußte. Die Religion, diese
mächtige Trösterin bei allen uns überkomm
menen widrigen Ereignissen zu Hülfe ru
fend, stieg er in seine Kapelle hinab, und
sich zu den Füßen des Erlösers niederwer
fend, demüthigte er sich vor der Gottheit,
flehte die Barmherzigkeit des Himmels
inbrünstig an, und trug ihm seine Leiden
die er erduldet und die ihm noch bevor
ständen mitzerknirschten Herzen vor. Mit
ten in seinem inbrünstigen Gebete erleichter
te ein Strom von Thränen seine Qual.
Dann verließ er gestärkt die Kapelle, sich
dem Sturme gefaßt preisgebend, der über
feinem Haupte loszubrechen in Begriff war.
Um sich Paradekin's muthigen Ent
schluß zu erklären, die Geheimhaltung sei
nes Verbrechens, das ihn zu Grunde rich
ten konnte, nicht zu erkaufen, ist es nöthig,
den Leser über seine Person näher aufzu
klären. Er wird gefunden haben, daß
in einem und demselben Individuum zwei
durchaus verschiedene Gemüther ihren Sitz
hatten. Der eine Mensch war bekannt
lich ein Leibeigener, ein Diener, dessen Ge
müth in seiner Jugend durch schlechte Ge
sellschaften war vergiftet worden. Seine
Erziehung war in vieler Hinsicht weit
sorgfältiger gewesen, als sie bei dieser
Klasse von Menschen gewöhnlich ist. Er
hatte mit seinen jungen Herren, die der
Tod früh wegraffte, an dem Unterrichte
in der französischen, englischen, deutschen
und italienischen Sprache Theil genom
men, und den Grund zu einigen andern
Kenntnissen gelegt, die bei seiner schnellen
Auffassung und Hellem Kopfe leicht Wur
zeln schlugen. In einem Alter von 25
Jahren fühlte er bei dieser Erziehung das
Bittere seiner Geburt. Von der Sehn
sucht beherrscht, sich frei zu machen, und
von dem Durste nach Golde gequält, er
lag seine Ergebenheit und seine Treue ge
gen seine Herrschast der lockenden Gele
genheit, Beides zu erlangen, und er wur
de zur Vollziehung des Verbrechens um
so leichter vermocht da er gegen die Ent
deckung desselben sich völlig gesichert hielt.
Aus der Art und Weise, wie er die That
in undurchdringlichen Schleier hüllte konn
te man bereits seine Klugheit und die Fe
stigkeit seines Vorsatzes ersehen.
Der ungeheure Erfolg seines Handels
eröffnete ihm eine neue Laufbahn; der
Verbrecher wurde nun ein Biedermann :
„Mein Gott, sagt er oft zu sich, da es so
' leicht ist, auf geradem Wege reich zu wer
den, warum mußte ich mich mit einem Ver
brechen belastet, das mich zu Boden drückt
und mir immer fort mein Leben und allen
Genuß meines Vermögens verbittert?
Von diesem Augenblick an wollte er, durch
! eine in dem Herzen der Bösen sehr selte
ne Umwandlung, wieder zur Ehre und
Tugend zurückkehren; er gab sich selbst
das Wort, ein redlicher Handelsmann zu
werden, und er hielt es. Ein gewissen
hafter Beobachter seiner Verpflichtungen,
und sich nicht das Mindeste'erlaubend, das
gegen Rechtlichkeit stritt, erwarb er sich
allgemein Achtung und Vertrauen. Hat
te Jemand Etwas zu verkaufen, so brach
te er's ihm, überzeugt, daß er dessen Werth
nicht zu gering anschage; gab es eineHoch
zeit, so wurde bei ihm der Schmuck ge
kauft, und er war es auch, der die Steine
aus einem altmodigen Geschmeide heraus
nahm und sie neu fassen mußte; bei je
dem zweifelhaften Falle in seinem Geschäf
te entschied sein Ausspruch; zu allen Ta
xationen von Juweelen wurde er hinzuge
zogen. So beförderte seine strenge Recht
lichkeit seine Wohlhabenheit nur noch mehr
und sein beständiger Verkehr mit der gu
ten Gesellschaft veredelte nicht nur seine
Sitten, sondern bewirkte auch, daß sein
Hauptstreben darauf gerichtet war, sich
die Achtung der guten Menschen zu erwer
ben. Freigebig, großmüthig und mild
thätig, wie es die Russen von Natur sind,
verwendete er einen großen Theil seines
Gewinnes zum Besten der Nothleidenden,
die er selbst aufsuchte. London, wo er sei
nen Wohnsitz aufschlug, wurde der gehei
me Schauplatz seiner Wohlthätigkeit, wel
eher sich besonders auch seine unglücklichen
Landsleute zu erfreuen hatten, wiewohl
die Klugheit ihm gebot, sie nicht öffentlich
dafür anzuerkennen. Die letzten Jahre
besonders hatte er einen alten Herrn, Na
mens Paradekin unterstützt, einen Greis,
der durch thörichten Aufwand im Auslan
de sich schon vor vielen Jahren zu Grun
de gerichtet hatte. Gerührt durch Kust
roff's Wohlthaten und die Sorgfalt, wo
mit er ihn in seinen alten Tagen erfreute,
wünschte der bejahrte Russe, daß er seinen
Namen aufgebe und den seinigen auehmen
möchte, und hinterließ ihm zu dem Ende
bei seinem Tode alle seine Papiere und Ur
kunden. Nach dessen Ableben erfüllte
Kustroff endlich sein sehnliches Verlangen,
sein Vaterland wieder zu sehen, und sich
daselbst unter den angenommenen Namen
Paradekin ein Landgut, in einem von sei
nem Geburtsort entfernt liegenden Gou
vernement, zu kaufen. Als der Ankauf
sich ohne Schwierigkeit gemacht hatte,
fing der neue Gutsherr seine wunderliche
Lebensart an ; seine Eingezogenheit war
weniger eine Folge des Wunsches, Gefah
ren zu entgehen, die für ihn nicht mehr
zu bestehen schienen, als seines großen
Hanges zur Einsamkeit; die Zerstreuun
gen der Welt widerstrebten seinem Hange
zur immerwährenden Thätigkeit. So
war der Mann beschaffen, den ein uner-
Hölter Zufall seinem ruhigen Landleben
und der rührenden Verehrung seiner Un
tergebenen zu entreißen drohete.
Nehmen wir nun den Faden der Er
zählung wieder auf und versetzen uns in
die fast verzweiflungsvolle Lage deS ent
larvten Verbrechers. Das Alter konnte
Paradekin's Kraft geschwächt haben; a
ber von der schnellen Uebersicht, welche die
Nähe einer drohenden Gefahr ermißt, und
ihm Mittel an die Hand gibt, sich dersel
ben zu entziehen, hatte es ihm nichts ge
raubt; wiewohl durch die plötzlich und un
versehens ihn getroffenen Beschuldigungen
seines Feindes ungemein beunruhigt, hat
te er doch sogleich eingesehen, daß er sich
auf dessen Schwüre und bloße Zusicherun
gen nicht verlassen könne. „Wenn ich nun
auch mit Aufopferung von vielem Golde,
die Vernichtung der mir Gefahr drohen
den und in seinen Händen befindlichen
Schrift erlange, sagte er zu sich selbst,
wer steht mir denn für neue Forderungen
von ihm? Bei dem ersten Mahnen seiner
Gläubiger, bei dem ersten Verluste im
Spiele wird der habsüchtige Mensch seine
Drohungen und Erpressungen erneuern;
mein Vermögen wird sich völlig in der
Gewalt des falschen Mannes befinden, und
habe ich es zuletzt durch wiederholtes Er
kaufen seines Schweigens erschöpft, so
wird der Wüthende mich dennoch angeben
und mich in einen Eriminalprozeß verwik
keln, von dem er jetzt mich zu befreien be
hauptet. So würde ich in den letzten
Tagen meines Lebens das Spielwerk sei
ner wüthenden Habsucht werden; lieber
will ich mich der Strenge der Gesetze selbst
überliefern. Es sprechen für mich 30
Jahre der Reue, und einige gute Hand
lungen ; das Geschick entscheide!"
Da am nächsten Tage keine Botschaft
von Paradekin bei Woronitcheff anlangte,
so schickte der ungeduldig Aufbrausende
seinen Intendanten zu ihm, mit dem Auf
trage, zur Antwort bloß I a oder Nein
von ihm abzoholen; weiter nichts.
Die Antwort war noch lakonischer als
die Frage. Sie war: „Nein!"
Gregorieff ritt damit schnell zurück, um
sie seinem Herrn getreulich zu überbrin
gen, der darüber in schreckliche Wuth ge
riet!) und fürchterlich fluchte. Selbst der
Intendant bekam dabei seinen Theil, denn
er sollte Schuld an der Antwort sein. Da
rauf wurde er eiligst weggeschickt, um den
Neisewagen in Stand setzen zu lassen, in
dem er den nächsten Morgen verreisen
wolle. Durch seine plötzliche Abreise hoff
te er den Nachbar zu schrecken und ihn zu
Laufende Nummer SS.
dem verlangten Opfer zu bewegen. A
bends wurde Gregorieff in das Eabinet
seines Herrn gerufen, um dessen Befehle
in seiner gewöhnlichen Weise zu empfan
gen. „Höre genau, cliu-ak (einfältiger
Tölpel,) und wehe Dir! wenn Du nicht
pünktlich thust, was ich Dir befehle. Ich
habeledecmann gesagt, daß ich sehr schnell
reisen und Tag und Nacht fahren würde,
Du sollst aber wissen, daß ich nur sehr
kleine Tagereisen machen will. Hier haft
Du meine Reiseroute, auf der alle Post
stationen und Nachtquartiere angegeben
sind; schickt Herr Paradekin, mit dem ich
wegen eines großen Geschäftes in Unter
handlung stehe, herüber, so muß Andreas
Alexiowitsch mir augenblicklich nachreisen,
und mich eiligst aufsuchen: das nöthige
Reisegeld sollst Du ihm zustellen; nun
geh' und laß mich um 6 Uhr wecken."
Den nächsten Morgen reiste Woronit
cheff ab. Er hatte berechnet, daß er um
8 Uhr vor Paradekin's Hause sein wür
de ; dies war gerade die Stunde, wo die
ser in seinen Gewohnheiten sehr pünktli
che Mann die Messe hörte. Es ist be
reits erwähnt, daß die Kapelle in einem
von den Hausflügeln lag; die Hauptthür
derselben ging nach der Landstraße heraus.
Woronitcheff ließ halten und ging in die
Kirche. Paradekin ließ sich dadurch in
seinem Gebete nicht stören; nach dem Got-
tesdienste entfernte sich die Domestiken
durch die Hauptthür. In dem Augen
blick, wo sich ihr Herr anschickte, nach sei
nem Zimmer zurückzukehren, redete ihn
Woronitcheff mit den Worten an : „Ich
reise nach Petersburg; Sie sehen hier
meinen Reisewagen! Haben Sie mir kei
nen Auftrag dahin mitzugeben, Hr. Pa
radekin; (den Namen ironisch betonend.)"
—„lch gebe nur meinen Leuten Aufträ
ge, mein Herr! glückliche Reise! Gottes
Wille geschehe!"—„Herr Kust..., Hr.
Paradekin wollte ich sagen, kann sich auf
meinen Eifer, und auf meinen guten Wil
len, ihm zu dienen, verlassen." Mit die
sen Worten verließ er die Kapelle, und
stieg in seinen Wagen, der sich pfeilschnell
entfernte. Da ihm bei dieser kurzen Un
terredung Paradekin's ruhiger und resig
nirter Ton aufgefallen war, so fing er bei
nahe an zu zweifeln, daß er werde zurück
gerufen werden, änderte jedoch vor der
Hand noch nichts in seinem Reiseplane.
Sein Haß, der bisher noch durch seine
Habsucht niedergedrückt war, erlangte a
ber seit diesem Augenblick das völlige Ue
bergewicht und er tröstete sich über den
Verlust der 100,000 Rubel mit der Aus
sicht der Strafe, womit Kustroff werde
belegt werden, mit der Publicität, die er
einem großen Verbrechen geben und mit
der Achtung, die für ihn als Angeber
daraus erwachsen werde.
Nach seines Todfeindes Verschwinden
war Paradekin starr vor Schreck und Ab
scheu. Im Hause Gottes in dem Augen
blick überfallen, wo die Seele sich durch
Gebet alles Jrrdischen zu entledigen sucht,
hatte er mit Würde und als Mann ge
antwortet, der sich seinem bösen Geschick
unterwirft; nun unterlag er demselben
aber auch fast, und von der peinlichsten
Unruhe gequält schleppte er sich mühsam
nach einem Zimmer im obern Stock des
Hauses, wo er die Straße nach den beiden
Hauptstädten übersehen konnte, und wo
er den Wagen seines Feindes im Fluge
dahin eilen sah. Er hätte gewünscht, ihn
zurückhalten zu können; sein Entschluß
wankte, er ging herab, befahl seinen Leu
ten das schnellste Pferd zu satteln, und ei»
nen Augenblick nachher nahm er den Be
fehl zurück. Endlich, beschämt, die Un
ruhe und Angst seines Herzens vor seinen
Leuten blicken zu lassen, nahm er sich zu
sammen und tiefe Verachtung seines Ver
folgers stählte seinen ersten Entschluß.
Allmählig wurde er ruhiger, und um nicht
neuen Anfällen der Unentschlossenheit zu
unterliegen, verließ er seine Wohnung und
begab sich tief in ein Gehölz, über die Ver
theidigungsmlttel sinnend, von denen er
werde Gebrauch machen können. Oorts. f.