Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 20, 1847, Image 1

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    Der Liberale Äeobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caumies allgemeiner Anzeiger.
Me»lV l n 9, Venn. Gedruckt uud herausgegeben von Arnold Pu lv elle, iu der Süd 6ren Straße, Zlvncheu der Franklin- und Cbcsllllt - Straße
Jahrg. 8, ganze Nun».
Bedingungen: —Der B.lber.l!r Ijtvb.icKttr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Luperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der SubscriptionS - Preis ist Ein Thaler d.s Jahrs, welcher in halbjährlicher
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JweiVerdrecben. ,
russische Novelle v. Dupre de Lt. ?)kaure. >
sFortftyil»q/I
Während des Essens warf Woronitcheff
inen Blick obenhin auf die Papiere; das
sinzige,was er genauer ansah, war der von
em Kammerdiener geschriebene Verhal
ungsbefehl für die Kammerfrau, weil die
-chriftzüge ihm wegen ihrer Ungewöhn
ichkeit aufsielen. Den nächsten Morgen
var sein Wagen wieder in Ordnung, und
r reiste weiter. Wir wollen ihn auf sei
,er Reise, die 5 Jahre dauerte, nicht be
reiten, die Genauigkeit unserer Erzäh
!ung verlangt aber, daß wir mit ihm nach
Rußland zurückkehren. Seine Güter
hatten sich während seiner Abwesenheit
ohnerachtet der verständigen Verwaltung
derselben durch den Intendanten, nicht ver
bessert. Woronitcheff, zu der Zeit At)
Jahre alt, war, wie bereits erwähnt, ei
gensinnig und grillenhaft; sein Reisen
beförderte diese Untugenden in einem ho
heni Grabe, dabei machte er gern mehr
den Großthuer, als sich mit seinem Ver-
mögen vertrug ; in Italien kaufte er eine
Menge Gebilde und Kunstsachen, wobei er
um so mehr betrogen wurde, da er sich für
einen großen Kunstkenner hielt. Von
Paris schickte er prächtige Möbel nach
Hause, und meinte damit den Neid seiner
Nachbarn zu erregen. Der Intendant
erlaubte sich einigemal in seinenßriefen ehr
erbietige Vorstellungen über die Schwie
rigkeit, Geld anzuschaffen, erhielt zur A nt
wort aber nur lakonisch gebietende Droh
briefe.
Bie seiner Zurückkunft benahm er sich
gegen Jedermann hart und gegen den ar
men Outpravitel höchst undankbar. Dieser
klagte bitterlich darüber, daß er einen so
bösen Herrn habe; als Leibeigener band
ihn aber daS Schicksal an dieses Joch, und
er mußte geduldig Alles über sich ergehen
lassen, bis der Tod ihn befreien würde.
Jetzt erst erfuhr Woronitcheff, daß er ei
nen neuen Nachbar an einem Herrn P a
radekin bekommen habe, einen Mann,
.den Niemand in der Gegend kenne, und
der ein nur einige Werste von ihm ent
ferntes sehr schönes Landgut gekauft habe.
Er wunderte sich nicht wenig über Alles
daS, waS man ihm von den Sonderbarkei
ten dieses Mannes erzählte, der weder
Besuche habe annehmen, noch mit irgend
einem seiner Nachbarn eine Verbindung
anknüpfen wollen, indem er ihre Einla
dungen immer höflich ablehne, sein Gebiet
selten verlasse, und mit einer Aengstlich
keit, die man sich durchaus nicht erklären
könne, es vermeide, sich vor Jemand sehen
zu lassen. Im ersten Jahre sei dieser ge
heimnißvolle Sonderling der fast einzige
Gegenstand des allgemeinen Gespräches
gewesen, nachher aber habe man sich um
ihn nicht weiter bekümmert. Ungewöhn
liche Sonderbarkeiten lassen die Menschen
nicht leicht unbeachten, sondern verfolgen
und strafen sie durch übele Nachreden und
muthwillige Streiche, die sie ihnen spie
len. Kehrt sich aber der Sonderling nicht
daran und bleibt fortdauernd bei seiner
Weise, so ermüdet er am Ende seine Geg
ner, und sie lassen ab, ihn mit ihrem Spo
tten zu verfolgen. Als daher Woronit
cheff zurückkam, hatten Paradekin'S Son
derbarkeiten schon längst aufgehört, das
Gespräch und die Zielscheibe des Spottes
der Umgegend zu sein, um so mehr, da
sein sonderbares Treiben auch eine sehr
lobenswerthe Seite hatte, die ihm allge
meine Achtung erwerben mußte. Der
neue Gutsherr verbesserte nämlich alljähr
lich daS Schicksal seiner Leibeigenen; sei'
ne Herrschaft über sie war väterlich und
sanft; er forderte wenig von ihnen und
gab ihnen viel; auch sprachen seine Un
tergebenen nur mit Liebe und Dankbarkeit
von ihm, und dieses Lob schallte in der
ganzen Gegend wieder. Woronitcheff
hörte Alles dieses mit bitterem Verdruß,
denn Paradekins sanfte und edele Behand
lung seiner Untergebenen war ein stiller
Tadel der seinigen. Eine Art v. Schimpf,
den er sich durch sein eiteles Großsprechen
! zuzog, steigerte seine feindliche Stimmung
gegen diesen Nachbar auf's Höchste.
Als er sich nämlich eines Tages in ei
ner zahlreichen Gesellschaft befand, that
er derselben seine Absicht kund, Paradekin
einen Besuch abzustatten, und fügte hin
zu, daß dieser ihn nicht nur annehmen,
sondern auch in die freundschaftlichsten
Verhältnisse mit ihm treten werde. Ue
berall bot man ihm darauf eine Wette an,
daß dieß nicht geschehen würde. Er war
aber nicht der Maun, der sich dadurch ab
schrecken ließ. Den nächsten Tag verfüg
te er sich zu dem unsichbaren Nachbar und
bat, daß man ihn melden möchte. Der
Intendant entschuldigte seinen Herrn in
den achtungsvollsten Ausdrücken. Dar
auf nahm Woronitcheff einen gebieteri
schen Ton an, und behauptete, daß er dem
Herrn Paradekin eine wichtige Mitthei
lung zu machen habe. Der Outpravitel
ging, neue Verhaltungsbefehle zu holen,
kam aber einen Augenblick nachher mit der
bestimmten Weisung zurück, daß sein Herr
keine Besuche annehme, und wenn man
ihm etwas mitzutheilen habe, dieses schrift
! lich geschehen müsse, denn nichts in der
Wclr werde ihn von seiner einmal ange
nommenen Weise abbringen. Vergebens
tobte der ungestüme Woronitcheff; das
ganze Personal des Hauses war herbeige
kommen und schien entschlossen, ihm nach
drücklich Widerstand zu leisten, wenn er
es wagen würde, mit Gewalt in die Zim
mer ihres Herrn einzudringen. Zuletzt
einsehend, daß er hier nichts ausrichten
werde, entfernte er sich drohend und mit
wüthendem Haß im Herzen gegen einen
ihn von Person ganz unbekannten Mann.
Er wünschte nichts sehnlicher, als Gele
genheit zu finden, für diesen Schimpf sich
öffentlich zu rächen. Paradekin gab sei
nem Gegner aber keine Blöße. Bald
nachher wurde Woronitcheff durch häufi
ge Reisen nach Petersburg und Moskau,
wo er die Winter zubrachte, von seiner
seltsamen Nachbegierde abgezogen, und zu
letzt vergaß er es ganz, daß er seinen Nach
bar haßte.
So verflossen ! Jahre, ohne daß zwi
schen den beiden Nachbarn die mindeste
Verbindung Statt gehabt hätte. Wäh
rend dieser Zeit kamen in der Gegend ü
ber Woronitcheff übele Gerüchte im Um
lauf, ja man sprach selbst von einem Cri
minalprozeß, den das Tribunal über ihn
verhängen werde, indeß kam es dazu nicht.
Paradekin, der von aller Welt abgeschnit
ten auf seinem schönen Gute lebte, sich nur
mit der Verwaltung desselben beschäftigte
und wahrhaft fromm und mildthätig seine
übrige Zeit der Andacht widmete, erfuhr
von diesen Gerüchten nichts. Brach aber
irgendwo Feuer aus, oder drohte eine plötz
liche Überschwemmung, Verheerung, so
waren er und seine Leute immer zuerst auf
dem Platze der Gefahr, dann war es nicht
mehr der Misanthrop, der menschenscheue
Paradekin, sondern ein dreister, unerschrok
kener Mann, der sich kühn in die augen
scheinlichste Lebensgefahr stürzte, um dem
Tode ein Opfer zu entreißen. Von ei
nem Herrn angeführt, den sie anbeteten,
thaten seineLeute Wunder, u. es war nichts
ungewöhnliches, daß Gutsbesitzer in ihren
Versammlungen das Geständniß ableg
ten : „Ohne Paradekin's Beistand wäre
jetzt mein Dorf ein Aschenhaufen." An
dere versicherten: „Dieser Mann ist ein
wahrer Salamander, er stürzte sich in das
Feuer, ohne sich ein Haar zu versengen/'
Der gemeine Mann endlich wollte gesehen
haben, wie der heilige Basilius mit dem
Kreuze in der Hand, ihn geschützt. War
die Gefahr vorüber, so warf sich Parade
kin auf ein Pferd, und eilte pfeilschnell
seiner Behausung zu, wo er wieder der
alte Menschenscheue wtirde, und man ihn
weder sah noch hörte. >
Machte ungünstige Witterung die Feld
arbeiten sehr dringend, so pflegten die
Gutsbesitzer einander wohl mit ihren Leu
ten auszuhelfen. In dem Jahre, wovon
jetzt die Rede sein wird, hatte das Gou
vernement Kaluga durch anhaltendes star-
"'willig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag denOA, April, RBÄ7.
kes Regenwetter ungemein gelitten, und
die Aernte stand in Gefahr verloren zu
gehen, weshalb jeder Gutsbesitzer den Bei
stand seines Nachbarn in Anspruch nahm,
um die Einbringung des Getreides zu be
schleunigen. Paradekin war darin am
weitesten gekommen, weil seine Leute, aus
Liebe zu ihrem Herrn, unausgesetzt flei
ßig und thätig bei der Arbeit gewesen
waren. Mit Woronitcheff s Bauern war
dies, aus leicht zu errathendem Grunde'
nicht der Fall, und er am meisten zurück.
Da er nun auf den Beistand seiner übri
gen Nachbarn nicht rechnen durfte, indem
sie für sich selbst vollauf zu thun hatten,
so hoffte er, das; sein geheimnißvotterNach
bar die obenerwähnte lächerliche Scene
vergessen haben würde, und bat dieser
schriftlich, ihn mit seinen Leuten zu helfen.
Paradekin hatte zwar seine Zudringlich
keit nicht vergessen, aber zu wohldenkend,
um ihm seinen Beistand abzuschlagen, ant
wortete er: „Er werde ihm morgen mit
Anbruch des Tages lilXI Bauern schicken.'
Bel'm Lesen von Paradekin's Billet
empfindet Woronitcheff etwas, das er sich
nicht erklären kann. Die Buchstaben, ob
gleich leserlich, haben eine so seltsame Form,
daß sie ihm ungewöhnlich auffallen; je
mehr er sie ansieht, um so mehr erregen
sie seine Aufmerksamkeit. Auf seinem
Stuhle sinnt er über den Eindruck, den
diese Schriftzüge auf ihn machen; nicht
lange, so steht er anf und geht mir gro
ßen Schritten im Zimmer herum : ~Diese
! Handschrift soll ich kennen, sagte er; ich
habe sie schon gesehen, aber wo ? bei wel
cher Gelegenheit? Wann? Ich bekomme
von dem menschenscheuen Paradekin zum
eisten Mal etwas Schriftliches, und den
. noch kenne ich diese Züge, sie fallen mir
ungewöhnlich auf; sie erinnern mich an
ein merkwürdiges Ereigniß. Seit der
Zurückkunft von seiner Reise hatte ihn so
vielerlei beschäftigt, so mancherlei Besorg
nisse hatten ihn beunruhigt, daß die An
forderung an sein Gedächtniß lange ohne
Antwort blieb. Die Begierde jedoch, das
Gewölk zu zerstreuen, welches dasselbe um
hüllte, bewog ihn die letzten zehn Jahre
seines Lebens Jahr für Jahr die Muste
rung passiren zu lassen, wobei er metho
disch zu Werke ging, indem er auch nicht
die kleinste ihm zugestoßene Begebenheit
außer Acht ließ. Plötzlich, wie von einem
Blitzstrahl erhellt, eilt er in ein Zimmer,
das zur Bibliothek und Kanzelei diente,
durchsuchte eifrig die Repositorien, wirft
ungeduldig ungeheure Acktenpackete, die
seit drei Generationen hier ruhig lag>m,
auf den Boden; trampelt wüthend mit
den Füßen, erboßt über diese leblosen Ge
genstände und findet endlich mitten unter
den das Zimmer verdunkelnden Staubwol
ken, ein kleines mit einem schwarzem Ban
de zugebundenes Päckchen, das nämliche,
was er von Dorothea, seiner alten italie
nischen Wirthin, erhalten hatte. Jetzt
kehrt er freudetrunken in sein Zimmer zu
rück ; er lös't das Band, und das Erste,
das ihm in die Augen fällt, ist die von
dem Kammerdiener für die Kammerfrau
der Fürstin geschriebene Instruktion. Er
hält Paradekin's Willet dagegen. Die
Jndentität der Handschrift ist, augen
scheinlich, es ist dieselbe Person, es ist die
nämliche Hand! Kustroff ist es, der das
Billet geschrieben hat. Woronitcheff ju
belt laut; eine höllische Freude blitzt aus
seinen Augen; er wird nicht müde, die
Schriftzüge zu betrachten, die seinem Haß
gegen einen Nachbar, dessen Wohlstand
und guter Ruf er beneidet, gute Dienste
leisten sollen. Ha! ruft er, nun habe
ich dich, geheimnißvoller Paradekin! Der
Wille des Himmels, ein unbegreifliches
Ungefähr macht mich zum Herrn über
dein Schicksal, Überbeine künftige Ruhe;
du sollst sie mir theuer bezahlen diese Ru
he.... Ich wi11.... Ja! Dieses Pa
pier verräth den blutigen Ursprung dei
nes Vermögens ! Welches Glück für mich,
daß ich dich entlarven und dem Arme der
Gerechtigkeit überliefern kann ! daß es in
meiner Macht steht, dein ruhiges Alter
durch Enthüllung einer Mordthat zu be-,
schimpfen, welche die Nacht der Zeit ver
grub! Die Enthüllung dieseö tiefen Ge
heimnisses wird vielleicht dazu dienen, mei
nem zerrütteten Vermögen wieder aufzu
helfen .... Aber ich will Nichts überei
len ; die Freude über ein unerwartetes
Glück soll mich nicht zu übereilten Schrit
ten verleiten; ich will mich maßigen und
meinen Haß mit noch mächtigern Interes
sen in Einklang bringen.
Um sich mehr zu sammeln, und ruhig
zu überlegen, wie er sich bei dieser Sache
benehmen konnte, geht er in seinen Park
und nachdem er Alles erwogeu hat, kehrt
er zurück, aber zu ungeduldig, auch nur
eine Minute zu verlieren, forderte er seine
Droschke. In wenig Augenblicken fuhr
sie vor, Woronitcheff warf sich in den Wa
gen und rief dem Kutscher zu: Zu Dom
Paradekin. 'Dieser, der falsch gehört zu
haben glaubt, wendet sich um. Der Be
fehl, wird mit donnernder Stimme wie
derholt und der Wagen nimmt die Rich
tung nach dessen Gute. Dießinal richte
te Woronitcheff cS so ein, daß Paradekin
nicht unsichtbar für ihn blieb, denn da er
sich noch recht gut erinnerte, wie er das
erste Mal abgeführt worden, so hütete er
sich wohl, geradezu zu gehen und um Vor
lassung zu bitten, sondern er ließ seinen
Wagen ohnweit des Wohnhauses im Ge
holz halten, befahl dem Kutscher, auf ihn
zu warten, und indem er den großen Ein
gangsweg zum Hause verließ, bog er, um
nicht bemerkt zu werden, in einen
pfad ein, der nach einem Grasplatz vor der
Ostseite des Hauses führte. Sorgfältig
die Wege nach den Hofen und dem Tbor
platze vermeidend, wo sich das Gesinde
aufhält, schlich er nun nach der Kapelle
und gelangte durch eine Seitenthür nach
der geheimen Treppe, welche Paradekin
herabstieg, wenn er dem Gottesdienste bei
wohnte. Diese genaue Kenntniß des Lo
kals verdankte Woronitcheff den Erzäh
lungen von den wunderlichen Grillen sei
nes Nachbars. Oben bei der kleinen
Treppe angelangt, öffnete er schnell die
Thür und stand Paradekin gegenüber, der
bestürzt über sein Eindringen ihm nicht
verhehlte, wie unangenehm ihm dasselbe
sei. „Wie, mein Herr!" sagte er, „Sie
sind so unhöflich, mit Gewalt zu mir zu
dringen und mich zu überfallen, das heißt
meine Güte schlecht belohnen; morgen
sollten ZW Bauern...." „Von Ihren
Bauern ist jetzt nicht die Rede, unterbrach
ihn Woronitcheff, es betrifft jetzt andere
Dinge als eine elende Erndte." „Sie
habcn also mein Billet nicht erhalten?"
—„Ja, ja ! nur ruhig ! es ist in meinen
Händen, daS Billet, welches der Himmel
Ihnen eingab, zu schreiben, es zum Werk
zeug Ihres Verderbens zu machen."
Paradekin wunderte sich Anfangs nicht
über den drohenden Ton seines Nachbars,
der als ein heftiger und stolzer Mann be
kannt war. „Gehen Sie, mein Herr,
rief er mit fester Stimme; gehen Sie au
genblicklich, ich habe Nichts mit Ihnen zu
thun, und Ihr sonderbares Betragen ü
berhebt mich aller Rücksichten." ~Jch
soll gehen, Elender! versetzte Woronit
cheff, die Arme über die Brust kreuzend;
an Dir ist es, aus einem Hause zu gehen,
das Du nur einem feigen Morde und dem
Diebstahle, als Folge desselben
„Was wollen Sie, mein Herr mit ei
ner eben so lächerlichen als abscheulichen
Beschuldigung sagen? entfernen Sie sich,
sage ich Ihnen, oder Sie zwingen mich,
die Rechte der Gastfreundschaft bei Seite
zu setzen, die für denjenigen nicht besteht,
der das Asyl eines rechtschaffenen Mannes
auf eine unwürdige Alt verletzt." —„Sag
vielmehr eines verrichten Bösewichts. Was
mich anlangt, so wisse, daß ich weder Dich,
noch Deine Leute furchte, o, gebe doch
der Himmel, daß sie alle hier gegenwar
tig wären, um ihnen das Verbrechen und
die Schändlichkeit ihres Herrn zu enthül
len!" „Mein Herr, daö heißt mich zu
sehr beschimpfen und...." —„Schweig,
schweig? sage ich; diese Arroganz ist jetzt
Laufende Nummer SÄ.
> nicht mehr an der Zeit; jetzt gleich wirst
Du, sobald Du mich völlig ausgehört
> hast, hier zu meinen Füßen liegen, und
mein Mitleid anflehen ; Du wirst in mir
den Herrn über Dein Vermögen, Deine
Ehre und Dein Leben erkennen."—„lch,
Sie anflehen! Nie! Wäre ich unglück
lich genug, Sie zu fürchten, sc» weiß ich
zu gut, daß von einem solchen Menschen,
wie Sie, nichts zu hoffen ist/' Jetzt trat
Woronitcheff seinem Feinde näher, und
sich bemühend, seinen Zügen eine Rnhe zu
geben, welche sie nur noch schrecklicher
machten, sagte er leise: „Höre Kustroff,
denn so heißest Du eigentlich, was hast
Du vor AO Jahren mit der Fürstin vor
genommen, die Du nach Italien begleite
test ; Sie ist nach ihrem Vaterland? nicht
zurückgekommen; was hast Du mit ihr
gemacht? Antworte!"— Bei dieser star
ken Aufforderung war Paradekin wie vom
Blitze getroffen, und konnte seinem Fein
de sein Erblassen nicht verbergen; sich je
doch bald wieder fassend, antwortete er:
„Von welcher Fürstin sprechen Sie? Ich
war nie in Italien." —„Nein, Herr Pa
radekin war nie in Italien, wohl aber hat
Kustroff, der Leibeigene und Diener einer
russischen Fürstin, seine Gebieterin dahin
begleitet, und dieser Diener bist Du."—
„Mein Herr, aus meinem Benehmen,
meiner Umgebung und besonders aus dem
meinem Stande angemessenen Betragen
ist eS leicht zu ersehen, daß ich niemals
Jemands Diener war; das ist eine neue
Schmach. Ich wiederhole Ihnen, daß ich
diese Unterhaltung satt habe; ich werde
ihr ein Ende machen " —„Du weichst
meiner Anklage aus, Scheinheiliger! gut!
so will ich denn für Dich antworten : Du
hast die Fürstin auf der Straße von Bo
logna,zwischen den Poststationen L og o
scuro und Polesella ermordet.
Dieses schöne Haus, diese großen Lände
reien und die Menge von Leibeigenen, die
Dir gehorchen, das Alles ist der Blutpreis
für Deine unglückliche Gebieterin; wie
wohl es lange her ist, daß dieses Blut ver
gossen wurde, so ist es doch nicht derge
stalt verwischt, daß es nicht gegen Dich
schreien sollte. Ich bin über den Schau
platz der Schandthat gereist, und dort
wurde sie mir entdeckt. Die Vorsehung
hat mich zu Deinem Ankläger gewählt,
und morgen wirst Du vor die Richter ge
schleppt."
Obgleich Paradekins Betroffenheit mit
jeder Minute stärker wurde, so erwiederte
er dennoch mit schwacher Stimme: „Die
schändliche Verläumdung, durch die Sie
meinen guten Ruf zu verderben beabsich
tigen, erfüllt mich mehr mit Unwillen, alö
daß ich mich darüber wundere, da ich weiß,
daß Sie feindselig gegen mich gesinnt sind;
aber ist dies nicht auch der Fall mit allen
Ihren Nachbarn? Uebrigens Beschuldi
gungen ohne Beweise " „Ohne
Beweise! wiederholte Woronitcheff mit
dem schrecklichsten Hohngelächter, glaubst
Du denn, daß ich jetzt Dir gegenüber ste
hen würde, wenn ich die nicht hätte? Kust
roff, Du erinnerst Dich doch des Post
knechts, der Dir bei der Mordthat half?
des Rolando? Da Du beim Erwähnen
dieses Namens erblassest, so ist er Deinem
Gedächtnisse noch gegenwärtig; nun-wei
ter ! erkennst Du auch diese mit Deiner
Verbrecher - Hand geschriebene Schrift ?
sie ist die für die kranke Kammerfrau zu
rückgelassene Instruktion mit Deinem Na
men. Deine Handschrift hat sich seitdem
nicht geändert, dieß beweißt das gestern
von Dir erhaltene Billet; nun sag' noch,
wenn Dri kannst, daß es mir an Bewei
sen fehle!" Die letzten Worte vernahm
Paradekin nicht mehr; bei dem Namen
Rolando und dem Erkennen der unseligen
Schrift war er bewußtlos in seinen Lehn
stuhl zurückgesunken. Woronitcheff tri
umphirte, Paradekin's Ohnmacht war ein
stilles Eingeftandniß seines Verbrechens,
und er hütete sich wohl, Hülfe herbeizu
rufen, denn Zeugen konnten seinem Bor
haben nur Nachtheil bringen; er hielt dem
Ohnmächtigen seinen Flakon unter die