Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 18, 1846, Image 1

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    Und Berks, Montgomery und SchmMll Caunties allgemeiner Anzeiger.
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Jahrg. 7, ganze Rum.
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(Aus dein Deutschen Republikaner.)
>er Feldwebel vvn der Pvts
damer <>)arde.
sAortsel/iiiig.^
Die Rekruten machten nur kleine Ta
reisen. Nachdem sie in Potsdam ein
zogen und gemustert waren, wurden sie
rschiedenen Regimentern einverleibt.—
silmson kam unter die Garde zu Fuß.
r fügte sich in Alles; erlernte die pup
nhaste steife Stellung, die Hauptgriffe
it dem Gewehr, LinkS-und Rechtsschwen
n schnell; ward in die blaue Uniform
-»gekleidet, und versah bald den Dienst
eich allen Andern. Wie wenig er sich
ich Mühe darum gab, gewann er in kur- >
r Zeit die Aufmerksamkeit und Gunst
r Hauptleute. Er war ohne Widerre
der schönste Mann im ganzen Regi
ente, wenn auch nicht der längste. Sein
on, sein Anstand, seine feinen Sitten
'rrithen bald, daß er aus gutem Hause
i. Man unterschied ihn von den An- >
rn. Seine mannigfachen Kenntnisse
ieben nicht unbemerkt. Die Hauptlen
benutzten ihn. Er mußte bei vielen
xhreibereien und Rechnungen helfen. —
r trug unter der groben Soldatenuni
?rm das feinste Linnen. Er machte
oße Ausgaben, bald seinen Kameraden
nen frohen Tag zu schaffen, baldNoth
idenden Trost zu bringen, denen mit
leld zu helfen war. Dies alles erwarb
»n eine Achtung unter den Gemeinen
id Obern, wie sonst den, Soldaten nicht
» Theil wird. Er empfing sogar Er
ubniß, ein eigenes Zimmer zu bewoh-
I'n; und damit war unter diesen Ver
hältnissen sein höchster Wunsch gewährt.
?rr richtete sich niedlich, aber einfach ein.
?an wußte wohl, er sei wider Willen
id auf des Königs unmittelbaren Be
hl unter die Soldaten gebracht. Viele
ndere beim Regiment waren auf ähnli
)e Weise dahin gerathen. Aber Keiner
hien mit seinem neuen Stande schneller
.'rsohnt zu sein. Er selbst äußerte bei
der Gelegenheit seine Zufriedenheit, und
rklärte, daß er entschlossen wäre, lebenS
rnglich Soldat zu bleiben, und wenn sein
Zater für den Loskauf Tonnen Goldes
-öte.
' Dies alles aber war nur List. Er er
eichte durch sie seinen Zweck, Vertrauen
u gewinnen. Man gestattete ihm vor
ugsweise große Freiheiten. Selten mach
e er von ihnen Gebrauch. Mißbrauch nie.
Oer Oberst des Regiments nannte ihn
richt nur seinen Sohn, sondern beHandel
-e ihn mit einer Freundlichkeit und Ach
tung, deren sich selbst wenige Offiziere zu
rühmen hatten. Wilmson mußte oft bei
ihn im Hause sein und Schreiberdienste
verrichten ; zwar nicht an seiner Tafel,
doch aber mit seinen Hausleuten speisen.
Durch die Gunst der Obersten rückte
Wilmson, besonders da sich der König
selber eines Tages nach ihm erkundigt hat
te, und seine Beförderung wünschte, schon
im ersten Vierteljahr zun, Feldwebel vor.
'lndessen unterhielt er mit seinem Va
ter fleißigen Briefwechsel, aus welchem er
immer hellere Hoffnungen seiner nahen
Erlösung hervorschimmern sah. Vater
Wilmson in Magdeburg verkaufte fort
und fort seine gesammten Waarenvor
räthe; und konnte es nicht ohne Nachtheil
geschehen, so ließ er sie in Niederlager
außerhalb der preußischen Grenzen brin
gen. Er zog nach und nach alle seine
ausstehenden Gelder ein, zuweilen nicht
ohne baaren Verlust, unter dem Vor
wande, daß er durch auswärtige Banke
rott' in seinen Vermögensumständen zu
rückgekommen sei.
Man hielt ihn zwar für den ehrlichsten
Mann von der Welt; aber sein kaufmän
nischer Eredit ging dabei unter. Und
eben daS wollte er, um zuletzt auch noch
sein Letztes, seine liegenden Besitzungen
in Magdeburg, ohne andern Verdacht zu
erregen, in Geld umwandeln zu können.
Als ihm dies gelungen war, schrieb er
seinem Sohn; „In vierzehn Tagen ver
lasse ich Magdeburg und eile zum Boden-
see. Man glaubt hier, ich begebe mich
iu die Niederlande zurück. Dort erwarte
ich Dich bei meiner Schwester; ich erwar
te Dich unter Seelenangst. Denn Du
hast ein schweres Werk vor Dir. Triff
Deine Anstalten zur Flucht mit Vorsicht.
An Geld fehlt eS Dir nicht, und verlangst
Du noch mehr, so send' ich Dir es auf der
Stelle. Heute reiset, weil Du es wün
schest, Krabb zu Dir, um beim Befrei
ungSwerke Dein Gehülfe zu sein. Der
alte Mann ist närisch vor Freuden. Du
bringst ihn mit Dir zum Bodensee. Er
soll und will seine alten Tage bei mir be
schließen. Damit weniger auf Dich und
ihn Argwohn falle und ihr beide in Eu
rem Einverständnisse desto freier handeln
könnet, vermiedet, öffentlich beisammen zu
erscheinen. Ich habe ihn mit Geld ver
sorgt."
Der Feldwebel zu Potsdam hatte wirk
lich schon die Entwürfe zur Flucht voll
kommen ins Reine gebracht. Aber zu
ihrer sichern Vollziehung war er eines
treuen, vertrauten ManneS bedürftig, den
er in Potsdam nicht finden konnte. Da
rum verlangte er den treuen Krabb zu
sich. Diesen wollte er, als reichen Kauf
mann gekleidet, nach Berlin senden, von
dort mit Extrapost nach Potsdam kom
men, dann sich von ihm aufnehmen lassen
in den Wagen und so über die preußische
Greuze nach Sachsen fliehen.
Krabb kam wirklich an. Der Alte
weinte Freudenthränen, als er in der
Dämmerung eines Abends zum jungen
Wilmson ins Zimmer trat. Fritz erdrück
te den treuen Hausfreund fast an seiner
Brust, und weihte ihn in seine Pläne ein.
„Holla!" rief der Invalide: „Geht
mir jetzt das Licht auf, warum mir der
alte Herr zu Magdeburg einen ganzen
Reisekasten voll feiner Wäsche und Klei
der machen und einpacken ließ. Fritzchen,
hol' mich, straf' mich, ich sehe darin aus
wie ein geheimer Rath oder Bürgermei
ster, und metzle ich mir erst den Bart weg,
soll mich der Teufel selbst nicht kennen."
Alle Abreden wurden nun genommen.
Krabb sollte im Wirthshaus wohnen blei
ben. Man wollte nie öffentlich zusam
mentreffen, und von Magdeburg den letz
ten Brief deö Herrn Wilmson erwarten,
worin derselbe seine Abreise melden wür
de : dann alSbald zum Werk schreiten.
Der Brief kam endlich an. AuchKrabb
I hatte einen, fast gleichen Inhalts, von
Herrn Wilmson empfangen. Mit diesen
in der Hand lief er voller Entzücken, so
bald es am Abend dunkel geworden, zum
Feldwebel. Dieser aber, der, den Kopf
auf den Arm gestützt, in träumender,
schivermüthiger Stellung am Tische saß,
schien das Entzücken deö Invaliden gar
nicht mit ihm theilen zu wollen, antwor
tete auf Alles sehr zurz und trocken, oft
gar nicht.
Der Invalide stand ganz verblüfft vor
seinem jungen Herrn und gaffte ihn mit
großen Augen an. „Sind Sie krank ge
worden ?"
—Nein, Krabb.
„Ist etwas vorgefallen?"
—Nichts.
„Nun, so stehen mir warhastig alle
meine fünf Sinne still, wenn ich das be
greife. Ich dachte, Sie wären jetzt vor
Freuden in allen Lüften, und sitzen nun
da, wie ein Delinquent, verzeih mir's
Gott, auf dein Armensünderstuhl. Muß
ich nicht morgen nach Berlin, den Reise
wagen kaufen, anspannen lassen?"
—Krabb, mit der ganzen Suche Hat'S
noch keine Eile.
„Kiene Eile? Warum denn?"
—lch weiß nicht.
„Ei, so schlag doch das Wetter drei»
Weiß nicht! Wie soll ich s denn wissen?
Der alte Herr ist ja schon fort ins Reich."
—lch bleibe einstweilen noch hier.
Laß mich in Ruhe.
Mit diesen Worten stand Fritz auf,
that einen tiefen Seufzer, ging mit gro
ßen Schritten einigemal durch s Zimmer,
hielt dann plötzlich vor dem Invaliden
"'willig zu loben und obne Furcht zu tadeln."
Dienstag de» >B. August,
still und legte seine Hände auf dessen
Schultern, während er einen Blick voll
innerer Seligkeit, die sich in seinem gan
zen Antlitze offenbarte, in die Höhe rich
tete. Krabb schwieg wie ein Mäuschen,
und sperrte Ohren und Mund auf; sein
ganzes Gesicht ward Ohr, und horchte der
Erzählung, die da kommen sollte. Statt
dessen runzelte Fritz plötzlich die Stirn,
wandte sich ab und ging mit gesenktem
Kopfe lind verschränkten Armen schwei
gend ans Fenster.
„Tröste mich Gott, Fritzchen, aber das
Ding ist gewiß mit Ihnen nicht richtig !"
sagte der Invalide ganz verlegen.
„Eben darum !" rief der junge Mensch
rasch u. ärgerlich : „Eben darum schweig.
Ein für allemal, ich bleibe noch; ich will
nicht fort. Laß mich in Ruhe. Mor
gen, übermorgen, und wenn s in einein
Vierteljahre oder in einem Jahre wäre,
kann ich Dir mehr sagen. Die Sachen
stehen jetzt anders."
„Das sind mir schöne Geschichten !"
brummte der Alte: „Komme daher in
Hast und Jast; will, Gott verzeihe mir
die schwere Sünde, Kopf und Hals daran
wagen, einen Deserteur bei m Ausreißen
zu helfen, und den König zu betrügen;
setze mich dem Galgen aus, denn da
wird's heißen: mitgefangen, mitgehan
gen ! und nun ist 6 mit Allem nichtS;
soll hier ein Vierteljahr oder ein Jahr
auf der Bärenhaut liegen. Alle Hagel,
ich lasse mich hängen, aber das thu' ich
nicht!"
Der junge Wilmson hörte nicht auf
ihn ; und als es der Invalide zu arg trieb,
sagte Wilmson : „Freund Krabb, laß mir
Ruhe. Ich bin in einer unseligen Lage;
bin heute in Himmel und Hölle gerathen;
ich kann nicht fort; bin festgebannt;
will nicht davon, darf nicht davon ; und
wenn mich der König selbst über die Gren
ze bringen ließe, würde ich heimlich wie
der umkehren. Nun gehe. Du sollst ja,
vielleicht schon in einigen Tagen, Alles er
fahren. Nun gehe!" Mit diesen Wor
ten schob er den Alten zur Thür. Krabb
schüttelte den Kopf und ging still fluchend
in sein Wirthshaus.
Das; Fritz Wilmson seinen Sinn so
plötzlich geändert hatte, und nun Pots
dam seinen Kerker, nicht verlassen wollte,
hatte gute Gründe. Er war seit dem
vorigen Tage auf der Wache beim Schlos
se gewesen, und erst Mittags, nach
wohnheit, abgelöset worden. Wie er des
Morgens, um sich im Früh strahl der Son
ne zu erquicken, auf dem Platze zwischen
den Bildsäulen umherging, bemerkte er ein
jungeS, in halbe Trauer gekleidetes Mäd
chen, welches in Verlegenheit längs den
Häusern hinging, sich links und rechts
umsah, und endlich in geradester Richtung
auf ihn selbst zukam. Seit ihn? die trau
ernde Schönheit in Magdeburg erschienen
war, konnte er keine weibliche Gestalt in
schwarzen Kleidern mehr gleichgültig be
trachten. Inzwischen verrieth schon die
Tracht u. der gefüllte Handkorb am Arme
der Kommenden, daß diese nur eine Dienst -
magd war. Wie sie aber näher trat, vor
ihm stehen blieb und schüchtern fragte:
„In dieser Gegend soll eine Frau Majo
rin Mahlzahn wohnen, können Sie mich
nicht zurecht weisen? Ich bin noch allzu
fremd in Potsdam, kaum drei Tage hier."
—Und als er die Flötenstimme wieder
hörte, die einst sagte ich bin eine Waise,
und stehe recht allein unter den Himmel!
und sie ihm, wie damals, in allen Nerven
wiederklang : als er abermals, das zarte,
kindlich helle Antlitz sah, und das freund
liche, demüthige Lächeln der Augen, die er
nie vergessen hatte, da umflirrte es ihn
blendend, wie Wetterleuchten. „Wie ist
mir denn," fragte er mit ungewisserStim
me: „Haben Sie in Magdeburg eine
Verwandtin, die Ihnen ähnlich ist, eine
Schwester . .. oder sah ich Sie selbst dort,
aber—in anderer Tracht. .. oder..
Sie richtete nun erst ihren gesenkten
Blick zu ihm auf und trat erröthend einen
kleinen Schritt zurück. „Mein Gott!"
stammelte sie, „trügen Sie nicht den Sol
datenrock, ich würde glauben'. .. Sie wa
ren also in Magdeburg ? Waren Sie viel
leicht .. . aber, das ist doch unmöglich !"
Er ward noch verwirrter. „Ja," sag
te er traurig, „ich bin von Magdebur-g,
bin der Sohn des Kaufmanns Wilmson,
und wider meinen Willen, auf Befehl deS
Königs, unter die Soldaten gebracht: bin
schon seit einem halben Jahre hier, und
der schönste Tag meines Lebens ward mir
zugleich der schrecklichste. Sind Sie eS?
Habe ich Sie vielleicht selbst bei'm Ein
zuge des Königs gesehen?"
~Ach," seufzte sie und senkte ihre Au
gen zur Erde, „der Tag entschied auch
mein Schicksal. Ich erinnere mich Ihrer
sehr wohl, Herr Wilmson ; und n.as man
mir Böses von Ihnen gesagt hat, nie ha
be ich es geglaubt."
„Wer konnte Ihnen denn Böses von
mir sagen!"
„Herr Kiek, Sie kennen ihn ja wohl,
der Kammerdiener des Herrn Geheimen
rathS v. Gundling. Er behauptete, Sie
wären ein Beutelschneider und hätten ihm
den Pfeifenkopf und daS Tuch geraubt.
Ich versichere Sie, nie habe ich dem
schlechten Menschen das geglaubt."
„Ist'S möglich ? Also wären Sie das
selbe Frauenzimmer, daS ich.. . hätte ich
Sie nur wiedergefunden !—lch verwahre
seitdem Tuch und Meerschaumkopf die
Hieligthümer, für Sie. Aber Ihr Na
me war mir unbekannt. Im Tuche stun
den nur die Buchstaben (5. v. St."
„Elemeutine Stern !" lispelte sie halb
laut.
„Elementine Stern?" lispelte er leise
nach. „Also müßte eS lauten: Elemen
tine von Stern?" Und indem er diese
nachträgliche Frage that, siel unwillkühr
lich sein Blick auf den schweren Handkorb
an ihrem weißen Arm, auf die bunte
Schürze vom grobem Linnen, auf das
kleine schwarze Halstuch, und die weiße
Haube mit schwarzen Bande, wie sie von
weiblichen Dienstboten damals getragen
zu werden pflegten, die sich etwas städ
tisch kleideten.
Elementine schien den Lauf seiner Au
gen besser zu verstehen, als er sich dessen
eben bewußt war. Sie ward blutroth
und sagte: „Es konnte wohl so lauten;
aber meine Familie hat das V o n längst
fallen lassen, und nur ihren Unglückstern
behalten. Seit mein seliger Vater aIZ
Subconrector gestorben, und meine selige
Mutter nach Berlin gegangen war, in der
Hoffnung, einige Unterstützung durch ei
nen weitläufigen, aber reichen Verwand
ten zu erhalten, nämlich durch den Herrn
Geheimenrath von Gundling, vollendete
sich unsere Noth. Meine arme Mutter
starb. Und ich war dahin gebracht, die
bessern Kleider abzulegen, und mein Brod
als Magd zu verdienen." Indem sie das
sagte, perllten einige helle Thränen über
ihre rothen Wangen. „Legen Sie mei
ne Traurigkeit nicht falsch auS, Herr
Wilmson ; ich schäme mich meines niedri
gen, doch ehrliche!, Standes gar nicht.—
Ich dachte vorhin nur an den Schmerz
meiner Mutter, den sie gefühlt haben
würde, wenn sie meine Zukunft hätte ah
neu können."
„O liebes Fräulein, wenn ich . .."
„Nennen Sie mich ja nicht Fräulein !"
rief sie und sah ihn mit Aengstlichkeit und
Verwunderung an. Als sie aber seine
Augen von Thränen verdunkelt erblickte,
setzte sie mitleidig hinzu : „Auch Si? sind
wohl nicht mehr glücklich?"
„Wie können Sie mich für glücklich
halten, wenn ich Sie weinen sehe, liebe
Elementine? Wie stelle ich Ihnen den
Meerschaumkopf zu, den ich von Ihnen
in Händen habe ?"
„O !" rief Elementine, und ihre Wan
gen färbten sich höher: „Lassen Sie mich
den nicht wieder sehen. Er ist nun be
zahlt. Er hat mein Unglück vollendet,
oder vielmehr, er war das Werkzeug des
schändlichen Kiek, deö Kammerdieners, zu
Laufende Nunnncr si .
meinem Verderben."
Sie erzählte die Geschichte des KopfeS
nun mit der ihr eigenen Anmuth. Der
Eigenthümer dieses Prachtwerks war der
Gehcimerath von Gundling, welcher sich
auf den Besitz dieses köstlichen Schau
stücks nicht wenig einbildete. Er hatte
ihn um eine beträchtliche Summe in Mag
deburg wohin er den König begleitet hat
te, gekauft, und daselbst seinen Namens
zug von einen Goldschmidt auf den Sil
berdeckel graben lassen. Elementine, wel
che zu gleicher Zeit mit einer dem Gehei
menrath verwandten Familie nach Mag
deburg gekommen war, in der sie einstwei
len nach dem Tode ihrer Mutter aus Mit
leiden aufgenommen worden, mußte au
jenem Unglückstage das Prachtstück von
dem Goldschmidt zurückholen.
Wir wissen wie sie es verlor. Der be
kannte Zeisig, ein Wüstling, harte längst
Absichten auf das arme, aber schöne Mäd
chen gehabt, welches er durch den Raub
ein wenig necken, oder kirre machen woll
te. Er hielt den Unbekannten, mit wel
chem sie im Menschengewühl so traulich
plaudernd Arn in Arm ging, für seinen
beglückten Nebenbuhler. Die Wuth des
jungen Wilmson, ihm den Raub wieder
zu entreißen bestätigte Kieks Verdacht.
Dies und seine Niederlage unter Wilm
sons Fäusten erfüllte ihn mit Rachsucht.
Er erfuhr erst nach der Rückkunft in Ber
lin, daß der Pfeifenkopf nicht wieder zu
rückgestellt worden sei.
Der Geheimerath Gundling, ohnehin
ein Mann von verschrobener Gemüthsart
bekanntlich des Königs Hofnarr dabei,
gerieth über den Verlust fast in Raserei.
Sein Kammerdiener Kiek wollte von Ele
mentines Angst Vortheil ziehen, versprach
den Geheimenrath zu beruhigen, und den
Preis des Kopfeö zu bezahlen, wenn die
spröde Schöne ein »venig milder gegen ihn
werden wolle. Da sie ihn aber stolz zu
rückweis, erzählte er den Geheimenrath
von dem Vorfall in Magdeburg, nur mit
Entstellungen. Er habe gehört, wie Ele
mentine von einem ihrer Liebhaber um
den Kopf gebeten woroen sei und wie sie
ihm endlich das Geschenk gegeben. Kiek
habe dem Kerl den Meerschaumkopf aus
den Händen gerissen, wäre aber sogleich
von demselben und mehreren vou dessen
Kameraden verfolgt, beraubt und miß
handelt worden; denn mit dem Einzelnen
würde er's wohl noch aufgenommen ha
ben. Ohne Zweifel wäre der Räuber des
Meerschaumkopfs aus Berlin ; denn in
einer fremden Stadt, wie Magdeburg,
könne Mamsell Stern unmöglich sogleich
einen Liebhaber gefunden haben, gegen
welchen sie so große Freigebigkeit geäu
ßert hätte.
Weil Elementinens Bericht von dem
Vorfalle in Magdeburg ziemlich mit der
Lüge des Kammerdieners übereinstimmte,
diente ihr Wort nur zur Bestätigung von
dessen Lüge. Daß sie den jungen Men
schen, mit dem sie so vertraulich gegangen
war, nicht gekannt hatte, noch weniger in
ihm einen Liebhaber gehabt hätte, glaub
te ihr Niemand. Sie mußte vollen Schz
denersatz leisten und auf der Stelle aus
dem Hause; ja es noch für Gnade hal
ten, daß man sie nicht ins Zuchthaus schick
te. Nun Elementine in voller Verlassen
heit und Armuth war, erbot sich der Zei
sig zu ihrem Beschützer und Versorger.
Er zweifelte nicht, daß die Noch, in wel
che er sie gestürzt, ihre Widerspenstigkeit
besiegen müsse. Er irrte sich. Und aIK
sie nach vergeblichen Bemühungen, in ir
gend ein gutes Haus von Berlin als
Kammermädchen unterzukommen, keine
Hoffnung mehr vor sich sah, begab sie
sich nach Potsdam, um wenigstens als
HauS und Stubenmädchen ein ehrliches
Dasein zu fristen.
Der jumje Wilmson hörte die Erzäh
lung der Unglücklichen mit Schmerz und
Zorn. „Laust mir der Bösewicht noch
einmal irgendwo über den Weg," rief er
mit nassen und funkelnden Augen, „ich
jage ihm, und wäre es wieder im könig