Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 07, 1846, Image 1

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    MeSÄINS, WtNN. Gedruckt und herausgegeben von Arnold Pu welle, in der Sud Kren Straße, Ecke der Cherrk Alley Vch m' s Winhebans-Hofe gegenüber
Jahrg. 7, ganze Nun». » t t.
Bedingu n g e n. Der Ullierale izroll.iclltcr erscheint jeden Dienstag auf einem grossen Superial-Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Subseriptions-PreiS ist EI n Tha ler des ZahrS, welcher in halbjährliche
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Vause des Jahres nicht bezahlt, werden Kl 5U angerechnet. Für kürzere Zeit als <> Monat wird kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur dann ange
nommen, wen sie einen Monat vor Ablauf des Subscriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis eingerückt, Un
terschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Verlendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreibe?. 6H"Briefe und Mittheilungen müssen postfrei eingesandt werden
Zur Unterhaltung nnd Belehrung.
Das wundervolle Zuckerkuchen.
Ein junger Gelehrter, der kein
nanntes Brodstudium getrieben, sondern
sich den schönen Wissenschaften gewidmet
hatte, lebte seit mehren Jahren auf der
Universität zu L.,. recht angenehm. An
Geld fehlte es ihm nicht, denn einer seiner
Vorfahren hatte ein ansehnliches Capital
eisern gemacht, von welchem er die Zinsen
bezog; doch betrugen diese nicht soviel daß
er auch eine Frau davon hätte ernähren
vnd ein anständiges Haus machen können.
Ein junges, liebes Mädchen, Namens Ju
lie, hatte sein Herz gefesselt; sie war nicht
schon, aber liebenswürdig, von schlankem
und anmuthigem Körperbau. JhremVa-
-einen ehemals reichen hernach aber
faUlt gewordenen Kaufmann, hatte sie
früh verloren; der Gram, daß durch ihn
seine Krau um ihr Vermögen gekommen
war, raubte ihm das Leben. Jetzt arm
und dürftig, ernährte Julie mit ihrer Hä
nde Arbeit ihre Mutter, und freute sich in
nigst, wenn sie dieser eine Freude machen
konnte.
Der junge Gelehrte hatte sie kennen ge
lernt, und da man ihn als rechtschaffenen
Mann allgemein achtete, so erhielt er bald
Zutritt in diese Familie; er gestand seine
Liebe zu Julien, besuchte sie täglich und
ward bald als Bräutigam angesehen. Er
lieferte mehre Aufsätze zu den öffentlichen
Blättern, und hatte den Plan ebenfalls
ein Blatt herauszugeben und dann, wenn
es ihm glücke, Julie zu Heirathen. Um
diesen Gedanken drehte sich sein ganzer
Himmel; aber ein Jahr verging nach dem
andern, und noch wollte sich zur Heraus
gabe einer Zeitschrift keine passende Gele
genheit finden. Briefe um Mitarbeiter
einzuladen, lagen schon bereit; allein man
kam ihm mit der Abendzeitung zuvor.
Bei diesen Umständen war es kein Wuw
der, daß er gegen Weihnacht etwas knapp
am Gelde wurde, zumal da er sich mehre
Mobilien, Kleidungsstücke und Bücher in
Hinsicht der Zeitschrift angeschafft, auch
ausserdem 25 Thaler in der Lotterie ver
loren hatte.
Dieses und der Gedanke, daß er dadurch
gehindert sei, künftig seiner Julie ein an
ständiges Christtagsgeschenk zu kaufen,
welches er seither immer gethan, machte ihn
verdrießlich und mit der Wclt unzufrieden.
Seiner Braut war dies nicht entgangen,
sie drang in ihn, ihr seinen Kummer zu
entdecken; aber er blieb verschlossen. Der
Weihnachtsabend kam und noch hatte er
kein Geschenk für die Geliebte seines Her
zens. Auf einmal erinnerte er sich, daß
er noch einen kleinen Ring mit Rosetten,
und einen Rubin, in Gestalt eines Her
zens gefaßt, von seiner Mutter besitze. Ja
rief er, diesen Ring soll sie haben: mein
Zuckerkästchen, was meiner Großmutter
zum Schmuckkästchen diente, will ich ihr
mit Zuckersachen füllen, und so es ihr sen
den. Herrlicher Gedanke! Unmöglich
wird sie den guten Willen einer kleinen Ue
berraschung dabei verkennen. In das Zuk
kerkästchen von fremdem Holze welches et
was altmodisch, aber sehr statt mit Silber
beschlagen und ausgelegt sodann den Ring
in einem Futteral, und alles mit Zuckersa
chen ausgefüllt, das Kästchen verschlossen,
der Schlüssel eingesiegelt, und nun durch
die Aufwärterin fortgeschickt.
Die Freude, die das Geschenk verursach
te, war groß; großer aber noch die Freu
de Carl 6, (so war sein Taufnahme), als
er hörte, daß Julie mit Freudenthränen
ausgerufen habe: Wie gut ist er! er
schickt mir sein Liebstes, den Ring und das
Kästchen seiner Mutter! Nun verging
ein Monat nach dem andern. Carl über
setzte aus fremden Sprachen und lieferte
Aufsätze in beliebte Zeitschriften. Erhielt
er gute Zahlung von seinem Buchhändler,
so legte er etwas davon zurück, u. bestimm
te es zu Theaterbills für seine Julie und
sich: denn beide liebten das Schauspiel.
Dies gab vielen Stoff zur Unterhaltung,
und so lebten beide recht vergnügt.
Wer Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkitl Caunties allgemeiner Anzeiger.^
Eines Tages, im Monat März, zer
brach Julie ihre Zuckerdose beim Reinigen.
Sie war etwas unzufrieden darüber, faßte
sogleich den Entschluß, das Zuckerkästchen
von Carl dafür in Gebrauch zu nehmen,
und wunderte sich, daß sie nicht schon
längst auf diesen Gedanken gekommen
war. Das Kästchen wurde geholt, die
Ueberreste des Zuckerwerks herausgenom
men, und das kleine Behältniß gereinigt.
Beim Auswischen des Bodens blieb daS
Tuch immer an demselben hängen und sie
bemerkte, daß in der Mitte eine kleine Ro
sette angebracht war. Da diese durch die
Länge der Zeit angelaufen war so verur
sachce sie, solche heraus zu nehmen. Sie
drückte und schob daran herum, und auf
einmal springen durch die Kraft vonStahl
federn, welche durch den Druck der Roset
te in Bewegung gesetzt waren, die beiden
Wände herab, und von jeder Seite fällt ein
kleines Packer in Brief Form heraus.
Julie erschrickt; doch öffnet sie ein Pak
ket und findet fünfzehn große weiße Edel
steine darin. Vom Glanz geblendet und
von freudigen Schrecken ergriffen, nimmt
sie das Kästchen und eilt zu ihrer Mutter
im anstoßenden Zimmer. Mutter! ruft
sie, sehen Sie hier Gottes Segen! es sind
Brillanten, ächte Brillanten! denn sehen
sie nicht eben so aus, wie die Steine in
dem Ringe meines Carl ? Sie müssen viel
werth sein, denn sie sind sehr groß! Die
Mutter war nicht weniger erschrocken, als
die Tochter. Julie wollte es sogleich ih
rem Carl schreiben; doch die besonnennere
Mutter entgegnete: Laß es noch, wir wol
len es anders machen! Dein Carl ist ja
vtrreiö't: ich werde einen Stein nehmen
und zu unserm Vetter W . gehen und
ihn fragen, ob es wirklich ächte Steine
sind. Die Tochter stimmte mit ein, und
so eilte die Mutter mit einem von den
Steinen, eben nicht dem größten, dahin
Der Herr Vetter war sehr erstaut, einen
solchen Stein in den Händen dieser Frau
zu erblicken. Sie erzählte ihm, daß sie
ihn schon lange besäße und noch von ih
rem Vater geerbt hätte.
Ja, das glaube ich, sagte der Herr W.,
der Herr Vater mag wohl noch mehrere
gehabt haben. Den Werth konnte er a
ber nicht genau bestimmen, noch weniger
ein Gebot darauf thun, weil bei ihm Stei
ne von dieser Größe nicht gesucht wurden !
übrigens sagte er, könne sie es nicht besser
thun, als damit nach Wien oder Berlin
leisen : er glaube, daß sie wenigstens 5000
Thaler dafür erhalte» würde. Sie dank
te ihrem Vetter, steckte ihren Stein sorg
fältig ein, und brachte ihrer Tochter die
frohe Nachricht.
Nun war die Freude groß im Hause.
Einigemal des Tages wurden die Thüren
sorgfältig verschlossen und die Schätze be
sehen. Fünfundvierzig große schöne weiße
Brillanten lagen vor ihnen. Julie bedau
erte nur, daß ihr Carl nicht da sei; die
Freute, sagte sie. sei nur halb. Die Mut
ter hingegen war anderer Meinung ; es ist
recht gut, erwiederte sie, daß er nicht da
ist: da haben wir Zeit nachzudenken, wie
wir ihm diesen großen Reichthum auf eine
gute Art zurückgeben. Es wurde nun be
schlossen, Carl zu sagen, daß ein junger
reicher Mann, während seiner Abwesen
heit, Julien seine Hand angeboten habe;
man wolle hieraus sehen, was er dazu sa
gen werde.
Den dritten Tag darauf kam Carl von
der Reise zurück. Sein erster Gang war
zu seiner Geliebten. Der Empfang schien
ihm etwas kalt; die Mutter fing ihre Er
dichtung zu erzählen an, während Julie,
die an einem Tische Carl gegenüber saß,
sich ganz tief auf ihre Arbeit bückte, um
das Lachen zu verbergen. Carl war ganz
Ohr. Endlich sagte er mit einem tiefen
Athemzuge: Ja Mutter! ich bin nicht
reich; ich fühle das Unglück, daß ich Juli
en nichts anbieten kann, als ein treues
Herz und einen Kopf, der gern arbeitet.
Wir würden unser Brod haben ; aber sol
che Reichthümer, wie der junge Herr hat,
besitze ich nicht: die Pflicht der Redlichkeit
"Völlig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 7. April, »8»«.
befiehlt mir, Juliens Glück nicht zu hin
dern. Hr. M., der um sie wirbt, ist ein
rechtlicher, liebenswürdiger u.reicher Mann.
Es ist hart, seine Geliebte einem andern
zu überlassen ; aber Heirathen Sie ihn, und
leben Sie glücklich ! Thränen stürzten
hierbei aus seinen Augen.
Nein! rief Julie, länger halte ich es
nicht aus, griff nach dem Kästchen, öffne
te es, und reichte es Carl. Hier geliebter
Freund ! sagte sie, geb' ich Ihnen den gro
ßen Reichthum zurück, den sie besaßen, a
ber selbst nicht kannten. Sie sind der juu
ge reiche Mann, der um mich wirbt, wenn
ihm sein Reichthum nicht einen andern
Sinn gibt. Carl war wie aus den Wol
ken gefallen und wußte nicht, was er den
ken, was er glauben sollte. Er selbst Ken
ner von Steinen, fand allerdings, daß alle
diese Brillanten vom reinsten Wasser wa
ren. Jetzt erzählte er, wie er glaube, daß
diese kostbaren Steine in die verborgenen
Fächer gekommen sein müßten.
Mein Großvater, sagce er, war
re lang Direktor der Diamantgruben in
Brasilien, er wollte in sein Vaterland,
Sachsen, zurückkehren, starb aber bei sei
ner Ankunft in Hamburg. Da nun der
Besitz der Diamantengruben in Südame
rika ein königliches Vorzugsrecht, und die
Ausfuhrung derselben bei Todesstrafe ver
boten ist: so ließ er sich dort wahrschein
lich dies geheimnißvolle Kästchen machen,
um gar keinen Verdacht zu erregen, bedien
te er sich desselben auf der Reife als Zuk
kerbehalter. Der Tod übereilte ihn ; da
her blieb auch seiner Gattin dieser verbor
gene Schatz unbekannt.
Meine Elteru waren die einzigen Er
ben seines bedeutenden Vermögens. Das
Kästchen war ihnen nicht modern genug,
und ich erinnere mich noch als Kind, daß
es ungebraucht in einem Schranke stand.
Nach dem Tode meiner Eltern fiel es mir
zu, ich nahm es, ohne den Schatz, den es
enthielt, zu ahnen.
Jetzt ergriff er Juliens Hand und
sprach: Alle diese Diamanten sind Dein ;
ich schenke Dir das Kästchen mit dem gan
zen Inhalte; das Schicksal hat Dich zu
ihrem Entdecker gemacht, also bist du die
rechtmäßige Besitzerin, willst Du reiches
Mädchen mich noch heirathen? Statt
aller Antwort fiel ihm Julie um den Hals
und rief : Ich kenne keinen andern Reich
thum als Dich! Du bist mir alles, nur in
Deinem Umgange finde ich meinen Him
mel. Die Brillanten wurden theils in
Berlin und Wien und theils in Leipzig
verkauft. Für die daraus gelösten großen
Summen wurden Landgüter in Böhmen
erstanden, und nur einen einzigen Brillan
mußte Julje zum Andenken behalten.
Diese Familie lebt noch in Böhmen auf
ihren reichen Besitzungen, und ist vor ei
nigen Jahren in den Adelstand erhoben
worden Beo.
Abenteuerlicher Lebenslauf.
Aus einer kleinen englischen Schrift er
fahren wir den abentheuerUchen Lebens
lauf eines Deutschen, Joseph Gottlieb
Krüger, aus Rheinpreußen, der in die
Fremdenlegion in Afrika trat und mit sei
nen Kameraden nach Bugia geschickt wur
de, wo er einen sehr beschwerlichen Dienst,
wenig zu esse» und schlechte Behandlung
fand so daß er sich bald entschloß zu deser
tiren. Diesen Entschluß führte er IBA4
auch aus und siel nach den fürchterlichsten
Leiden aller Art einigen Arabern in die
Hände, welche ihn Anfangs gut behandel
ten. Kaum hatten sie aber herausgebracht,
daß er den Franzosen gedient, so änderten
sie ihr Benehmen und Einer, der etwas
Französisch sprach, trat zu ihm und sprach:
"Ich bin beauftragt Dir den Kopf abzu
schlagen." Was Krüger in diesem Au
genblicke empfunden haben mag, läßt sich
leicht denken; er nahm indessen seinen
Muth zusammen, fragte, ob dieses Kopf
abschlagen gleich geschehen müsse, und bat,
wenn dies der Fall sei, das Unvermeidliche
so rasch als möglich abzuthun. Der Ara
ber antwortete indeß, er möge nur noch
die nächste Nacht ruhig schlafen, er werde
die Arbeit an ihm am nächsten Tage vor
nehmen. Krüger wurde aus dieser Ge
fahr durch einen Derwisch errettet, der ihn
vermochte, Mohamedaner zu werden. Als
solcher erhielt er den Namen Ebn-Abb-
Allah Sherif, aber seine Leiden hatten
noch lange kein Ende. Die Araber bil
deten sich ein, er müsse Wunder thun kön
nen und verlangten häufig das Seltsam
ste von ihm, so daß er seinen ganzen
Scharfsinn aufbieten mußte, um sich frei
zu lügen. Bei einer Reise, wo er mit
mehren andern deutschen Ausreißern zu
sammentraf, wurde er durch einen Araber
stamm gefangen genommen und als Skla
ve verkauft. Bei diesem Araberstamme
sah er unter Andern, wie ein angesehener
Häuptling betrauert wird. Es war ein
gewisser Galola gestorben. Die jungen
Kameele, Kälber und Lämmer wurden in
das Zelt des Verstorbenen gebracht und
angebunden, während man die Mütter der
selben vor dem geschlossenen Zelte frei um
herlaufen ließ. Das Geschrei, welches die
Thiere machten, kann man sich vorstellen;
aber es war noch nicht groß genug. Alle
Glieder des Stammes, Männer, Weiber
und Kinder kamen zusammen, und zwar
zum Zeichen ihrer Trauer, in den schlech
testen Lumpen, die sie auftreiben konnten.
Nur die Männer saßen mit gesenktem
Haupte still im Kreise umher; die Weiber
heulten und schrieen so laut es ihnen mög
lich war und rauften sich dabei das Haar
aus ; die Knaben hingegen hatten dicAuf
gabe, die Hunde, deren es mehre Hunder
te gab, nach ihrer Herzenslust recht durch
zuprügeln, damit sie bellen und heulen
mußten. Diese entsetzliche Trauermusik
wurde den ganzen Tag hindurch fortgesetzt,
und dann drei Wochen lang täglich drei
Stunden wiederholt. Nach einiger Zeit
gelang es Krüger zu entfliehen; er siel
aber dem grausamen BeiConstantine in die
Hände, der ihn erst in einen furchtbaren
Kerker sperren ließ und dann seinen Lö
wen vorwerfen lassen wollte. Er rettete
sich nur durch die Erklärung, daß er kein
Franzose sondern ein Deutscher sei. Der
Bei glaubte ihm und entließ ihn beschenkt.
Nach vielen ähnlichen Abentheuern und
wunderbaren Rettungen erreichte Krüger
Tunis, wo er in die Dienste des Beis trat.
Er bekleidet jetzt dort ein Amt, mit dem
er ganz zufrieden ist. Er hat sich mit ei
ner Türkin verheirathet, sich eine eigene
Religion aus Christenthum und Islam zu
sammengesetzt, um es mit keiner zu ver
derben, befindet sich ganz wohl dabei und
mag nicht nach Deutschland zurückkehren.
Republikaner.
--üüü-ZGA ü
Das russische Reich.
Der gefährlichste Rival, welchen Eng
land zu furchten hat, ist der kolossale Bär
des Nordens. Rußland dehnt langsam
und stufenweise seine Absichten zu einem
Universal Reiche aus und nach allen Sei
ten hin, aber hauptsächlich im Osten kom
men seine Pläne nothwendigerweise in
feindliche Berührung mit brittifchen In
teressen und Ansprüchen.
Das russische Reich umfaßt gegenwär
tig den siebenten Theil der bewohnten Er
de. Es erstreckt sich vom baltischenMee<
re über die ganze Breite Europa's und
Asiens bis zur Behrings-Straße und vom
ewigen Schnee des Nordpols bis zum son
nigen Klima des Granatapfels und der
Feige. Mit unumschränkter Herrschaft
gebietet der Scepter des gewaltigen Czaa
ren, über siebenzig Millionen menschlicher
Familien, eine Menschenmasse, welche die
Bevölkerung England's, Frankreich's und
der Ver. Staaten zusammengenommen,
bei weitem übersteigt. Achtzehn Millio
nen wohl bewaffneter und einexerzierter
Miliz stehen ihm zu Gebote Außerdem
besitzt er eine Armee streng disciplinirter
Truppen, von denen viele in Gefahren
und Strapatzen abgehärtete Veteranen
sind. Seine Infanterie zählt eine Milli
!on und seine Reiterei, aus zweimal hun
l dert tausend Mann Kavallerie zusammen-
Laufende Nummer 32.
gesetzt, wird wahrscheinlich von keiner in
der Welt übertroffen. Seine Flotte be
steht aus vierzig bis fünfzig Linienschiffen,
nebst einer beinahe zahllosen Menge Fre
gatten, Kriegs-Schaluppen, schwimmenden
Batterien, Kanonen-Böten zc.,die mit 60-
tausend Matrosen und Marinesoldaten be
mannt sind, welche täglich im Kriegshand
werk eingeübt werden. Und die Ufer deS
Euxinus, wie die Gestade des baltischen
Sees wiederholen unaufhörlich das Echo
der immer anhaltenden Hammerschlage der
Schiffsbauleute, die jeden Monat neue
Kriegsfahrzeuge vom Stapel in die salzi
ge Fluth senden. Die jährliche Einnah
me des Kaisers übersteigt 50 Millionen
Dollars. Dies ist eine flüchtige Skizze
der gigantischen Macht, welche das nörd
liche Europa überschattet und offenbar nach
dem Scepter der Welt strebt. (P. Cour.
N a s h v i ll e, den !sten Marz.
Gestern Nnchmittag schoß E. Z. Judson
auf Hrn. R. Porterfield von hier u. töd'
tete denselben. Judson wurde verhaftet,
allein die Aufregung war so groß, daß nie
mand zweifelte.das Volk würde eine exem
plarische Strafe an ihm verüben^wenn er
in seine Hände käme. Als Judson zum
Verhör vor den Friedensrichter geführt
wurde» schrieen einige: „Schießt ihn nie
der !" Andere : „Hängt ihn !" und ein
Bruder des Getödteten schoß mehrMale
mit einer Pistole nach ihn. Eine Neihe
von Schüssen folgten nun, allein wie durch
ein Wunder blieb Judson unbeschädigt,
und erreichte auf seiner Flucht das City
Hotel, wo er sich verbarg. Augenblicklich
war das Haus von der Volksmasse um
ringt. und nachdem jeder Wiukel durch»
sucht worden, fand man ihn endlich unter
dem Dach. Als er hier seinen Verfolgern
zu entrinnen suchte, stützte er von dem
Balkon des dritten Stockwerkes in den
Hof, aber ohne bedeutende Verletzung.
Endlich gelang es dem Scheriff. ihn der
Wuth deS Volkes zu entreißen und inS Ge
fängniß zu bringen. Die Aufregung hat
sich nun gelegt und die öffentliche Stimme
scheint dem Gesetz seinen Lauf lassen zu
wollen.
Nashv i ll e den löten März. Lei
der täuschten wir uns, als wir in unserem
gestrigen Bericht glaubten, die Wuth deS
Volkes Habesich gekühlt und es würde
dem Gesetz in Judsons Angelegenheit sei
nen Lauf lassen. In der Nacht verfügte
sich ein Haufe vor die Jail und verlangte
die Auelieferung Judsons. Der Gefäng
niswärter war leider schwach genug und
leistete der Forderung Genüge. Unter dem
Geschrei: „Hängt ihn!" nahm das Volt
den Unglücklichen in seine Mitte und voll
zog daS schreckliche Urtheil. Doch kaum
hatten ihm seine Henker den Stoß in die
Ewigkeit gegeben, als ein dumpfer Fall er»
tönte. DaS Seil war zerrissen und Jud-.
son lag mit dem Stricke um den HalS.
sinnlos auf dem Boden. Dieser Anblick
brachte d.rasende Volksmasse einigermaßen
zur Besinnung. Man hob ihn auf, brach
te ihn inS Leben u. sodann ins Gefängniß
zurück. Judson befindet sich seitdem sehr
krank und kann nur mit Mühe sprechen.
Man hofft, daß dem Gesetze nun von Sei
ten des Volkes kein weiteres Hinderniß in
den Weg gelegt wird. Deut. Rep.
Neu Uork. Die Ankunft der Schiffe
letzten Mittwoch, sagt der N. V. Herold,
von allen Theilen der Erde, war vielleicht
die zahlreichste, die Neu Uo>k jemals sah.
Nicht weniger als drei und vierzig Segel
von allen Größen und Benennungen, lie
fen beinahe zur selben Zeit in den Hafen
ein. Es war eine der belebtesten und ma
lerischsten Scenen, die man sich denken
kann. .
'Außer den sechs europäischen Packet«
schiffen kam eine große Zahl vom Norden
Europas Ost- und Westindien so wi? Süd
Amerika, ungerechnet der Küstenfahrer.
Die Passagire der Packets haben lang«
Berichte von ihren ausgestandenen Drang»
salen und Leiden zu erzählen.