Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 05, 1845, Image 1

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    Und Berks, Momgomery und Schuylfill Caunties allgemeiner Anzeiger.^
ZK rilÄ in g, Venn. Gedruckt uud herausgegeben von Arnold Puwe ll e, iu der Sud 6reu Straße, Ecke der Sherry Alley Beh m' s Wirthshails-Hofe gcgeuübcr
Jahrg. «. ganze Num. SM».
Bedingungen.— Der Ullierale IZtVliaclUer erscheint jeden Dienstag auf einem grossen Guperial-Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der Subscriptions-Preis ist Ein Thaler des Zahrs, welcher in halbjährlicher
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terschreibern in hiesiger Etadt wird die Zeitung porrofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unter'schreiber. und Mittheilungen müssen postfrei eingesandt werden.
Der lebende Todte.
tLiiie rvalne Geschichte.
„Seht, da kommt schon wieder der alte
zerlumpte Kerl," sprach einer der Schrei
ber in der Eanzlei des Advokaten Der
ville, der eben am Fenster stand, auf
die Straße sah und sein Frühstück ver
zehrte ; und aus der Brodkrume drehte er
Kügelchen und warf sie aus den Hut ei
nes Unbekannten, welcher über den Hof
eines Hauses in der S.traße Vivienne ging,
worin die Canzlei sich befand.
„Der Herr schläft noch und darf nicht
geweckt werden, "antwortete der 1. Schrei
ber, der eben eine Expens-Note entwarf.
„Dem Alten müssen wir einen Streich
spielen," nahm der dritte das Wort, „sonst
bleibt er uns nicht aus. Wie wär's, wenn
wir ihm sagten, der Herr halte nur zwi
schen Z und 4 Uhr Morgens Unterredun
gen mit seinen Clienten? Wir wollen doch
sehn, ob der alte Schelm um diese Zeit
auch kömmt."
Alle drei lachten und fanden den Witz
vortrefflich; da wurde dreimal an die
Thür gepocht und dieses Pochen mir einem
„Herein von der Seite der Schreiber be
antwortet, und ein Mann in einem alten
zerlumpten Kittel, an welchem man die
Farbe kaum erkannte, trat herein, machte
mit der, den Unglücklichen eignen Auf
merksamkeit und Beschiedenheit leise die
Thür hinter sich zu und suchte umsonst auf
den Gesichtern der drei Schreiber einen
Zug freundlichen Entgegenkommens Ge
übt vielleicht in der Beurtheilung der
Menschen, wandte er sich sehr unterthänig
an den Jüngsten und fragte sehr demüthig:
„Ist der Herr Doctor Derville nicht
zusprechen?" Der Boshafte antwortete
dem armen Frager nur mit einem Schlage
der linken Hand auf sein Ohr, als ob er
sagen wollte: Ich bin taub.
„Was wünschen Sie, mein H^rr?"
fragte der zweite Schreiber, indem er sich
bei seinem Arbeitstische nach der Seite
rückte, die Feder hinter's Ohr steckte und
das eine Bein über das andere schlug, so
daß das Knie fast bis an sein Kinn reichte.
„Ich komme jetzt schon das fünfte
Mal," erwiederte der Fremde, „ich wünsche
mit Herrn Dervillezu sprechen."
„Wegen eines Rechtshandels?"
„Ja,aber ich kann nur ihm allein sagen
„Der Herr Doctor schläft noch. Wenn
Sie ihn über eine Angelegenheit zu Rathe
ziehen wollen, so muß ich Ihnen sagen, er
arbeitet im Geschäfte nur bis 2 oder 3 Uhr
nach Mitternacht. Aber wenn Sie nns
Ihr Zutrauen schenken wollten, wir könn
ten vielleicht eben so, wie er "
Der arme Client stand stumm. Er
blickte schüchtern um sich, wie ein Hund,
der sich in der Küche vor Schlägen ver
birgt, und suchte einen Stnhl, denn der
Alte war entsetzlich müde.
„Mein Herr," sagte er endlich, nach'
dem er weder einenStuhl, noch ein freund
liches Gesicht, noch ein tröstendes Wort ge
funden, „ich habe schon die Ehre gehabt,
Ihnen zu sagen, daß ich Niemanden meine
Angelegenheiten mittheilen kann, als Hrn.
Derville selbst. Ich will also schon war
ten, bis er aufsteht."
Der erste Schreiber, der eben seine Ex
pens-Note vollendet hatte und feine Cho
colade von dem Amtodiener bringen sah,
stand von seinem Lehnstuhle auf, ging
znm Camine, sah den Alten mit kecker und
dabei nichts sagender Miene an, und sprach,
indem er seine Chocolade schlürfte: "Ja,
mein Herr, diese Herren berichten Ihnen
ganz recht, der Herr arbeitet nur bei
Nacht, und wenn Ihre Angelegenheit wich
tig ist, so rath' ich Ihnen, sich gegen 1 Uhr
Nachts hier einzufinden."
Der Fremde sah den Schreiber an und
blieb einige Augenblicke stumm und unbe
weglich stehen, dann sagte er mit einem
Seufzer: „Gut, so werd' ich diese Nacht
wieder kommen," und ging.
Noch hatte er die Thür hinter sich nicht
ganz geschlossen, als die drei Schreiber
schon in ein unbändiges Gelächter aus?
brachen.
„Wie der Kerl aussieht," sagte der erste,
„habt Ihr den Schädel beobachtet?"
„Als wenn er erst ausgegraben worden
wäre," fuhr der zweite fort.
„Ich wette, das ist ein alter in Ruhe
versetzter Corporal, der wieder Dienste
reclamirt," erwiederte der dritte.
„Ich halte ihn für einen Gefangenwär
ter," meinte der zweite.
„Nein, nein," sprach der erste, „ich wet
te, er ist von Adel."
„Von Adel?" antwortete der zweite
lachend, „hast Du denn seinen FlauSrock
nicht gesehen, an dem man die Farbe gar
nicht erkennt, und die Stieseln voll Offen
herzigkeiten ?"
„Und dennoch behaupte ich, er ist von
Adel," erwiederte der erste, „denn seine
Miene, sein Anstand "
„Nun was gilt's?"
„Den Eintritt für unS Alle in's The
ater !"
„Recht! es gilt!" und mit diesen Wor
ten lief der dritte Schreiber zum Fenster,
riß es auf und rief hinaus: „Mein Herr!
Mein Herr!"
„Was thust Du denn Eduard?" frag
te der erste.
„Nun, ich rief ihn herauf, um ihn zu
fragen, wer er sei, er muß es doch am
Besten wissen."
Und neues allgemeines Gelächter er
scholl. Der arme Alte kehrte im Hofe
um und stieg die Treppe herauf.
„Was werden wir ihm jetzt sagen? "
fragte der zweite.
„Laßt mich nur machen," antwortete
der erste.
„Mein Herr" redete er den Alten in
dem Augenblick an, als dieser schüchtern
und mit gesenkten Blicken hereintrat;
„Mein Herr, wollen Sie die Güte haben
uns Ihren Namen zu sagen, damit wir
dem Herrn Doctor melden könnten, wer
mit ihm zu sprechen wünsche."
„Chabert."
„Doch nicht der Obel st (shabert, der bei
Eilau geblieben ist ?"
„Ja, mein H>'rr, derselbe," antwortete
der Mann mit einfacher Biederkeit und
darauf ging er wieder.
Nun gab es ein noch größeres Geläch
ter, und Ausrufungen, Fragen und Er
klärungen inMenge. „Du hast verloren,"
„Du hast verloren," sprach der erste Schre
iber zum zweiten, „Du mußt also den
Eintritt ins Theater für uns Alle bezah
en. In welches Theater gehen wir?"
„In das wohlfeilste, wenn ich bezahlen
muß; indessen ist daS auch noch nicht aus
gemacht, denn der alte Affe kann uns zum
Besten gehabt haben. Die ganze Welt
weiß ja, daß der Oberst Ehabert todt ist,
seine Frau hat sich wieder verheirathet
mit den, Staatsrathe Ferrand. Das wißt
Ihr ja Alle so gut wie ich, denn sie ist ja
eine Elientin unseres Herrn."
„Und wenn's der Oberst Chabert ge
wesen wäre, der würde anders mit unserm
Simonin umgesprnngen sein, als er sich
taub stellte."
„Das Theater bleibt also verschoben,
bis die Sache entschieden ist." Uud die
Schreiber setzten sich wieder an ihre Tische
und arbeiteten weiter.
Um 1 Uhr Nachts pochte der sogenann
te Oberst Chabert an die Thür des Herrn
Derville, welcher obschon noch jung, für
einen der vorzüglichsten Rechtskundigen
in Paris galt; er wurde eingelassen und
war nicht wenig erstaunt zu sehn, wie der
erste Schreiber auf einem Tische deS Spei
sezimmers die Actenstöße ordnete, welche
am künftigen Tage an die Ordnung kom
men sollten. Der Schreiber, nicht weni
ger verwundert, grüßte den Oberst, und
bat ihn, sich niederzulassen, was dieser auch
that.
„Wirklich, mein Herr, ich glaubte ge
stern, Sie scherzten, indem Sie mir diese
sonderbare Stunde zu einer Unterredung
bestimmten," sagte der Alte mit der Fröh
lichkeit eines Unglücklichen, der sich zum
Lächeln zwingt.
„Wir scherzten und sagten Ihnen doch
"IVillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den». Angnst,
auch zugleich die Wahrheit," antwortete
der Schreiber. „Herr Derville hat theils
aus Gewohnheit, theils aus Vorliebe diese
Stunde gewählt, seine Rechtsfälle zu un
tersuchen, die Mittel zu überlegen, ihren
Gang zu ordnen und seine Schriften dar
über zu verfassen. Es scheint fast, als
ob seine furchtbare Erfindungsgabe sich
nur nach Mitternacht in ihrem ganzen
Glänze entfalte. Er will allein und ruhig
sein, wenn er arbeitet. Sie sind seit K
Jahren das dritte Beispiel einer nächt
lichen Consulation. Wenn er nach Hause
kommt, so sieht er Alles genau durch, lies t
Alles, entwirft seine Pläne und läßt mich
dann rufen, um mir feine Meinung mit
zutheilen. Den Abend bringt er gewöhn
lich in Gesellschaften zu, und denkt da mit
ten unter Vergnügungen aller Art an
seine Prozesse. Er hat mich versichert,
daß ihm seine besten Ideen mitten unter
Lärmen und Unterhaltungen gekommen
seien. Dieß ist sein Leben. —Er ist
übrigens sehr beschäftigt und verdient viel
Geld.
Der Alte schwieg, und sein bizarres Ge
sicht halte einen so stupiden Ausdruck an
genommen, daß der Schreiber, der festen
Meinung, er habe ihn gar nicht verstan
den, sich nicht weiter um ihn bekümmerte.
Einige Augenblicke nachher trat Herr
Derville ein. Der Schreiber öffnete die
Thür und beschäftigte sich damit, noch ei
nen Stoß Acten zu classisiziren. Der
junge Advokat im Ballkleide blieb einen
Augenblick erstaunt stehen und betrachtete
den seltsamen Clienten, welcher ihn im
Halbdunkel einer Nische erwartete.
'Der Oberst Chabert stand auch so un
beweglich wie eine Wachsfigur, aber diese
Unbeweglichkeit würde vielleicht nicht die
Ursache deS Staunens gewesen sein, wenn
sie nicht, erhöht durch die ganze sonder
bare, fast übermenschliche Persönlichkeit
des Alten, ein ganz eignes Bild dargebo
ten hätte. Der Mann war groß und
hager, seine Augen, statt einen Glanz von
sich zu geben, schienen mit einem Häutlein
bedeckt zu sein, man hätte sie für Perl
mutter ansehen können, welches bei dem
Schein der Kerzen einen bläulichen Schim
mer von sich warf. Der Hals war durch
eine schlechte schwarzseideneCravate zusam
men geschnürt, und ein Mann von vieler
Einbildungskraft hätte diesen alten Kopf
für einen Schattenriß, zufällig hingewor
fen, ansehen können. Es war ein Rem
brandt'sches Gemälde ohne Rahmen. Der
Rand des Hutes, mit dem die Stirn, deö
Alten bedeckt war, bildete auf dem Ober
theile des Gesichts einen schwarzen Streif,
und dieser Effect, eben so natürlich als
bizarr, bewirkte, daß durch den Contrast
die weißen Runzeln, die kalten Krüm
mungen, die entfärbten Eindrücke dieser
leichenartigen Physiognomie noch mehr
hervortraten. Außerdem vereinigte sich
eine gänzliche Unbeweglichkeit des Kör
pers, ein Blick ohne alle Wärme mit einem
gewissen Ausdrucke von trübfinniger Gei
stesabwesenheit und mit den Symptomen,
welche den Idioten (Dummkopf) charak
terisiren, und machten, über diese Gestalt
ausgegossen, etwas, so zu sagen, Unglück
liches, wofür man in allen Sprachen der
Menschen keinen Namen findet.
Aber für den Beobachter war an die
sem welken, gebeugten Menschen doch noch
etwas mehr zu finden, es fanden sich in
diesen Trümmern des Lebens die Zeichen
eines tiefen Schmerzes, die Anzeigen eines
Elends, welches die Seele dieses einst schö
nen Gesichtes verbraucht hatte, wie vom
Himmel fallende Wassertropfen mit der
Zeit einen prächtigen Marmor verunstal
ten. Ein Arzt, ein Dichter, ein Richter
hätten ein ganzes Drama geahnet bei dem
Anblicke dieses sublimen Entsetzens, dessen
kleinstes Verdienst es war; jenen unwahr
scheinlichen Phantasiebildern zu gleichen,
welche unsere exaltirten Bildner auf den
Stein hinzeichnen, während sie sich im Ge
spräche mit ihren Freunden unterhalten.
Beim Anblick deö Advokaten fuhr der
Alte in convulsivische Bewegungen zusam-
men, gleichsam wie der Dichter, wenn ihn
ein plötzliches Krachen in der Stille der
Nacht aus seinen furchtbaren Träumerei
en aufschreckt. Der Unbekannte stand auf
und nahm schnell den Hut ab, den jungen
Mann zu grüßen, aber seine Perücke,
welche vermuthlich an dem fetten Leder im
Innern seines Hutes klebte geblieben war,
blieb darin, und der Oberst zeigte plötzlich
eine fürchterlich verstümmelte Hirnschale.
Eine querlaufende Narbe, eine hervorra
gende Nath bildend, sing beim Hinter
haupre an und verlor sich beim rechten
Auge.
Weder der Advokat noch sein Schreiber
verspürten Lust zum Lachen, so fürchter
lich war dieser Schädel anzusehen; denn
der erste Gedanke, der sich dabei unwill
kührlich aufdrängte, war der; „Da drun
ter ist kein Verstand mehr."
„Wenn das der Oberst Chabert nicht
ist, so ist es doch ein feiner Gauner!"
dachte der Schreiber bei sich.
„Mein Herr!" nahm Derville das
Wort, „mit wem habe ich die Ehre zu
sprechen
„Mit dem Oberst Chabert mit dem
selben, der bei Eilau getödtet wurde," ant
wortete der Alte.
Bei dieser seltsamen Antwort warfen
sich die beiden Männer der Thenns einen
Blick zu, welcher sagte: der Mensch ist ein
Narr!"
„Mein Herr," fuhr der Oberst fort,
„was ich Ihnen über mich und meine Lage
zu sagen habe, wünschte ich nur Ihnen
ganz allein anzuvertrauen."
Ein beachtungswerthes Ding ist die ge
wöhnliche Unerschrockenheit der Advoka
ten. Sei es die Gewohnheit viele und
verschiedene Menschen zu empfangen, sei
es das Bewußtsein des Schutzes der Ge
setze, oder das Vertrauen in ihr Amt, sie
treten gleich den Priestern und Aerzten li
beral! ohne Furcht ein. Das könnte man
den Civilmulh nennen.
Derville gab seinem Schreiber ein Zei
chen und dieser entfernte sich.
„Mein Herr!" sprach Derville, „bei
Tage zähle ich meine Stunden nicht, aber
in der Nacht sind mir die Augenblicke kost
bar, daher bitte ich Sie, sich kurz und ge
drängt zu erklären. Ich selbst werde Sie
um Aufklärung über jene Punkte ersu
chen, welche mir dunkel zu sein scheinen.
Reden Sie!"
Er gab seinem sonderbaren Clienten ein
Zeichen, sich nieder zu setzen und setzte sich
selbst an die Ecke eines Tisches, von wel
chem er Actenstücke nahm und sie durch
blätterte, indem er zugleich den Worten
des Sprechenden einige Aufmerksamkeit
schenkte, allein bald ließ er das Alles lie
gen und horchte mit aller Aufmerksam
keit zu.
„Sie wissen vielleicht, mein Herr," be
gann der Verstorbene, „daß ich bei Eilau
ein Kavallerie Regiment commandirte.
Ich darf es sagen, ich habe mitgewirkt zu
dem Siege, den unsere Armee dort erfocht.
Dieß ist eine historische Sache, welche zu
meinem Nachtheile in allen öffentlichen
Blättern des Breiteren bekannt gemacht
wurde, denn leider ist darin auch mein Tod
ausführlich beschrieben. Wir zerspreng
ten die russischen Linien und marschirten
vorwärts. In dem Augenblicke, als ich
gegen den Platz kam, wo der Kaiser stand,
stieß ich auf das Llro« der feindlichen Ka
vallerie. Ich stürzte mich wie ein Wü
thender darauf los, allein 2 Offiziere, wah
re Riesen, attakirten mich auf einmal und
spalteten mir den Schädel. Ich stürzte
vom Pferde. Mural wollte mir zu
Hülfe eilen und ritt mir über den Körper
weg, er und sein Corps von 3s)0l) Mann.
Entschuldigen Sie, aber ich spreche die
Wahrheit. Mein Tod wurde dem Kai
ser gemeldet, der mich etwas leiden konnte,
er wollte sich davon überzeugen und ver
suchen, ob vielleicht nicht doch noch Ret
tung möglich sei, daher sandte er auf der
Stelle 2 Chirurgen ab, um mich zu unter
suchen, und befahl ihnen, vielleicht etwaS
obenhin: Geht und seht, ob der arme
Laufende Nummer A».
Chabert vielleicht doch noch Leben in sich
hat."
„Die verdammten Chirurgen, welche
wohl dachten, die Hufe so vieler Pferde
müßten mich zermalmt haben, kamen, oder
kamen vielleicht auch nicht, ich weiß darü
ber nichts zu sagen, denn ich lag besin
nungslos ; das weiß ich aber, daß sie Rap
port abstatteten, ich sei wirklich todt, und
sonach wurde denn auch mein Tod nach den
Militärgesetzen constatirt."
Indem der Advokat seinen Clienten sich
so folgerecht und klar ausdrücken und ihn
Thatsachen erzählen hörte, stützte er seinen
linken Ellbogen auf den Tisch, den Kopf
in seine Hand und sprach: „Wissen Sie
auch, mein Herr, daß ich der Rechtsan
wald der Gräsin Ferrand, der Witwe des
Obersten Chabert, bin?"
„Meines Weibes? Ich weißes, mein
Herr, auch habe ich mich erst jetzt, nach
vielen unfruchtbaren Schritten, die ich bei
andern Geschäftskundigen gemacht habe,
die mich alle für toll hielten, entschlossen,
bei ihnen zuzusprechen. Von meinem Un
glücke werde ich später sprechen. Lassen
Sie mich Ihnen jetzt nur die Thatsachen
mittheilen, und sie so erklären, wie ich sie
selbst weiß, denn ich bin leider durch meh
rere Umstände, welche nur der Vater im
Himmel kennt, gezwungen, Ihnen meh
rere derselben nur als Hypothesen vorzu
tragen."
„Wahrscheinlicherweise, mein Herr, hat
ten mich meine Wunden in eine Art Starr
krampf versetzt; denn ich wurde ganz be
raubt und blieb nackt auf dem Schlacht
felde liegen, so daß die Leute, welche be
stimmt wurden, di? Todten zu beerdigen,
mich mit in die Grube warfen."
„Erlauben Sie mir hier eine kleine
Erzählung einzureihen, die mir erst später
bekannt wenden konnte, als die Begeben
heit vorsiel, welche ich meinen Tod nennen
kann.
„Ich begegnete in Stuttgard einem al
teil von meinem Re
giments ; der gute Mann, der Einzige,
der mich nachher wieder erkennen wollte,
hat mir meine wunderbare Erhaltung er
klärt. Er sagte mir, mein Pferd habe
in demselben Augenblicke einen Schuß in
die Flanke erhalten, als die Russen mich
niederhieben. Das Thier und sein Reiter
seien über und unter einander gefallen, so
daß wahrscheinlich der Körper des Pferdes
mich vollständig bedeckte."
„Als ich zu mir kam, war ich in einer
Lage, mein Herr, in einer Atmosphäre,
wovon ich Ihnen keine Beschreibung ge
ben kann, und wenn ich bis Morgen fort
spräche. Die Luft, die ich einathmete,
war lau und mephitifch. Ich wollte mich
bewegen und fand nicht Raum dazu. Ich
öffnete die Augen und sah nichts. Ich
bemerkte wohl, daß ich keine Luft habe und
daher ersticken müsse. Dieser fürchter
liche Gedanke raubte mir die schmerzhafte
Empfindung, die mich geweckt hatte. Mei
ne Ohren klangen heftig, und ich vernahm
oder glaubte zu vernehmen, denn ich
will nichts behaupten Seufzer, welche
unter nur hervordrangen."
(Fortsetzung wird folgen.)
Berlin, Canada, den 3. Juli.
Außerordentliches Jagd Ereigniß. Am
2. Juni.verließ eine Gesellschaft von 24,
in zwei Partieen, das Städtchen Neu»
castle, in Clarke Taunschip, zu einerJagd-
Excursion. Sie hielten das Feuern auf
vom Montag bis Mittwoch Mittag. Das
Resultat war 600(1 Köpfe. Die gewin
nende Partie hatte 3500 erlegt. Dar
unter befanden sich: 11 Grundschweine,
5 Hasen, 70 schwarze, 533 rothe, 610 ge
streifte Eichhörnchen, 30 Krähen. 2 Eulen
4 Habichte. 23 Tauben. 160 Holz picker,
80 Schwarzvögel, und 12 blaue JayS.
Es ist ausgerechnet, daß diese in einem
Jahr 500 Büschel Frucht verzehrten. Von
Bowanville soll auch eine Jagd-Partie
ausgehen, und einen Kreuzzug gegen die
Bewohner des Waldes ausführen.
Hier wirst sich die Frage auf. verdie-