Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, April 29, 1845, Image 1

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    Mea »ln g. Urnn. Gedruckt und herausgegeben von ArnoldPu w e u e, in der Süd «ten Straße, Elke der Cherr» Alley, Be h „>' s Wir,l>MuS-H°ft gcgennd. r
Jahrg. «, ganze Rum. 2»S.
Hed,ngu n g e n. Der ZUberille zzeob.-lckter ericheint jeden Dien,tag auf einen, großen Superial-Bogen mit schonen Vettern gedruckt. Der Subscriptions-Preis ist EI n Thaler des Zahrä, welcber in I>albiäkrl,.se.
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nommen, wen sie einen Monat vor 'Ablauf des «übfcr.pt,ons-Ter»„ns geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis einaerückt 11 .
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Traltgott und Röschen,
Am Ostersamstage Nachmittags lang
ten Röschen und der Hauptmann in der
Residenz an. Das Erste, was sie erfuh
ren, und was sie eben nicht erfreuen konn
te, war, daß der Herzog nicht anwesend
sei, sondern erst am ersten Feiertage Abend
zurückkehren werde. Röschens Angst er
wachte aufs Neue; auch Räuden wurde
unruhig,, denn wenn es ihnen nicht gelang,
den Herzog bald nach dessen Ankunft, o
der spätestens am Morgen des zweiten
Ostertages zu sprechen, so war ihre Hoff
nung vernichtet; denn ehe man das ent
fernte Kronstein erreichen konnte, hatte
ohne Zweifel das Opfer despotischer Will
kühr schon geblutet. Doch es blieb dem
Hauptmann und seiner Schutzbefohlenen
nichts anders übrig, als dem Himmel zu
vertrauen, und die Rückkehr des Landes
vaters in Geduld zu erwarten. Sie such
ten nun Meister Steffens Jugendfreund,
denStaats-Kanzlei-Sekretär Lebrecht,auf.
Dieser empfing sie mit biederherziger
Freundlichkeit und bedauerte, daß es ihm
nicht vergönnt sei, seinen alten Spielge
fährten aus der frohen Knabenzeit bei sich
zu sehn. "Wie hätte sich der gute Stef
fen gefreut, sagte er, wenn ich ihm mit der
frohen Nachricht entgegengekommen wäre,
daß es mir gelungen ist, seinen Pflegesohn
vom Militärdienste frei zu machen."
Ach, braver Mann ! erwiederte Räu
den, es steht sehr zu fürchten, daß Ihr ed
les Bemühen ein vergebliches gewesen sein
wird, denn der Unglückliche soll nicht nur
seines Dienstes, sondern auch seines Lebens
quitt werden. Lebrecht erschrak und
warfeinen Blick des innigsten Mitleids
auf das weinende Mädchen. Wir sind
hierher gekommen, fuhr Nauden fort, um
den Unglücklichen wo möglich zu retten.
Sein Verbrechen ist nach den Gesetzen des
des Natur-Rechts kein Verbrechen, nach
denen des Civil-Rechts kein allzuschweres,
nach den Militär-Gesetzen aber ein großes,
auf dem unbedingt die Todesstrafe steht.
Doch er ist durch die abscheulichste Behand
lung dazu fast gezwungen worden, und
wir hoffen von der Gerechtigkeit- und
Menschenliebe unsers Fürsten Gnade für
den Verurtheilten zu erwirken. Darum
sind wir hier.
"Und Sie sind zur gelegenen guten Zeit
gekommen, erwiederte Lebrecht; und da
dies der Fall ist, so theile ich Ihre Hoff
nung, was ich noch vor einer Woche nicht
gekonnt hätte. Erfahren Sie denn, was
Sie noch nicht wissen können, da es für
Viele bis jetzt noch ein Geheimniß ist ;
der Kriegsminister, der so lange das un
beschränkte Vertrauen des gutmüthigen,
nachsichtsollen Fürsten gemißbraucht hat,
ist seit vier Tagen gestürzt und mit ihm
sein Vertrauter, der President der Krieg
s der nahe Verwandte des Oberst
von Fersen in Kronstein. Beide sind vor
gestern in aller Stille verhaftet und nach
der Citadelle Cullmen abgeführt worden.
Sie würden vielleicht noch lange die Gei
ßel manches braven Mannes gewesen sein,
und sich durch ihre List in der Gunst des
Fürsten erhalten haben, wenn nicht vor
Kurzem dessen Bruder, ein strenger, aber
Gerechtigkeit liebender Prinz, aus Italien,
wo er einige Jahre gelebt hat, zurückge
kehrt wäre. Dieser hat in einem fernen
Lande die Klagen der Bedrückten vernom
men, die zu dem Ohre des regierenden
Fürsten nicht gedrungen sind. ES ist ihm
gelungen, seinem getäuschten Bruder die
Augen zu öffnen. Die Untersuchung, die
erst begonnen, hat schon Resultate gelie
fert, die das größte Erstaunen und zugleich
den tiefsten Unwillen erregt haben, und
man ist darauf gefaßt, daß noch abscheuli
chere Dinge an den Tag kommen werden.
Der Herzog soll sehr entrüstet sein, und
eS möchte leicht Manchem, der heute noch
sorglos und fröhlich ist, bald eine böse
Stunde schlagen. Wir aber, die wir rei
nen Herzens sind, wollen hoffen, eine gu
te zu finden, wenn wir vor daß Angesicht
des Landesherrn treten."
Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
Lebrecht ließ es sich nun nicht nehmen,
den Hauptmann und Röschen bei sich zu
bewirthen, und bot Alles auf, um die Pfle
getochter seinesJugendfreundes einigerma
ßen zu zerstreuen und von ihrer Angst u.
Unruhe abzuziehen. Er zeigte ihr die vor
züglichsten Merkwürdigkeiten der Residenz
stadt, Gegenstände, über welche ihr reges,
für das Große und Schöne empfängliche
Gemüth gewiß lebhafte Freude empfun
den haben würde, wenn es hätte ruhiger
gestimmt sein können. Obgleich die von
Lebrecht ertheilten Nachrichten ihre Hoff
nung auf einen günstigen Erfolg ihres
Unternehmens geweckt hatten, so stieg doch
jetz wieder ihre Bangigkeit von Stunde zu
Stunde, als der erste Ostertag beinahe
vorüber war, und die Zurückkunft des Her
zogs noch immer nicht erfolgt war. End
lich um 10 Uhr Abends erfuhren die in
ängstlicher Spannung Harrenden, daß der
Herzog so eben angekommen sei, sich aber
sogleich, von der Reise sehr ermüdet, zur
Ruhe begeben habe. Nun mußte der näch
ste Morgen erwartet werden; aber dann
war es auch die höchste Zeit, denn Trau
gott hatte nur noch zwei Tage zu leben,
und nur bei der größten Eile konnte bin
nen einer solchen Frist der weite u. schlech
te Weg zwischen der Residenzstadt und der
Festung Kronstein zurückgelegt werden.
Kein Wunder also, daß die Freunde des
unglücklichen Jünglings, besonders aber
Röschen, diese Nacht schlaflos und in stei
gender Beklommenheit zubrachten.
Schon früh am nächsten Morgen begab
sich Lebrecht nach dem Schlosse, um wo
möglich seinen Gästen Zutritt bei dem He
rzoge zu verschaffen; er kam jedoch mit der
betrübenden Nachricht zurück, daß Seine
Hoheit an diesem Vormittage Niemanden
vor sich lassen werde, da er bis um 9 Uhr
ruhen, sich aber dann zur Kirche, von dort
nach der Parade und sodann zur Mittags
tafel begeben würde.
"Und wann wird diese letztere aufgeho
ben?" fragte Nauden.
Gewöhnlich erst um 5, Uhr, war die
Antwort.
"O Gott, dann ist es zu spät!" rief
der Hauptmann, und Röschen brach in
einen lauten Jammer aus.
Hören Sie meinen Vorschlag sagte
der theilnehmende, aber ruhige und beson
nene Lebrecht. Wir müssen mit dem Her
zoge noch an diesem Vormittage sprechen,
und um dies zu können, etwas wagen.
Lassen Sie uns alle Drei nach dem Dome
gehen. Ich werde mit dem Kammer-La
kai ein verständiges Wörtchen reden, daß
er uns gestattet, an der Thür der herzog
lichen Kirchen-Loge, zu welcher ein beson
derer Eingang von außen führt, zu ver
weilen. Wenn nun seine Hoheit nach be
endigtem Gottesdienste die heiligen Hal
len verlassen, so mag Röschen ihm entge
gen treten, den Brief des Garnison-Pre
digers überreichen und um schleunige Er
holung flehen; auch wir wollen dann ein
kurzes, aber angemessenes Wort hinzufü
gen. Der Herzog wird freilich über die
unübliche und unstatthafte Weise, sichGe
hör bei ihm zu verschaffen, im ersten Au
genblicke erstaunen, und vielleicht auch kein
freundliches Gesicht machen; aber hören
wird er uns doch, dafür ist mir sein men
schenfreundlicher Charakter Bürge, und
hat er uns nur erst gehört, dann wird er
uns auch nicht zürnen, daß wir, vom Dra
nge der Verhältnisse genöthigt, die Schra
nken der schuldigen Etikette verletzten, er
wird schnell unsere Bitten prüfen, und wir
dürfen mit Zuversicht ihrer Gewährung
entgegen sehen.
Der Hauptmann und Röschen hatten
nichts gegen diesen Vorschlag einzuwen
den, denn seine Ausführung war, ja der
einzige Weg, der sie noch an das gewünsch
te Ziel bringen konnte. Röschen zitterte
zwar bei dem Gedanken, daß nun der ent
scheidende Augenblick nahe sei, in welchem
sie ihren Muth bewähren solle; doch sie
baute auf den Beistand Gottes und die
Kraft ihrer Liebe.
Es schlug neun Uhr; die hehren Töne
"IVillig ZU loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 2». April, lI8«s.
der Glocken riefen die Gemeinde zur Feier
des Herrn, auf den Straßen wogten fest
lich geschmückte Männer, Frauen u. Kin
der zur Kirche; auch Lebrecht und seine
Gäste begaben sich, man kann sich denken,
mit welchen Empfindungen, auf den Weg.
So bewegt, wie sie, betrat wohl heut Nie
mand die heilige Stätte. Sie war ge
drängt voll, und von mehrern tausend
Stimmen ward vom mächtigen Orgeltone
begleitet, das Osterlied: "O Tod, wo ist
dein Stachel nun" — gesungen. Lebrecht
wies seinen Gästen einen Platz an, und
machte sich sodann, als er den Herzog be
merkt hatte, bis zu dem vor der Loge ste
henden Kammer-Lakaien Bahn. Diesen
bat er lim die Erlaubniß, sich mit noch zwei
Personen, die etwas höchst Wichtiges von
Sr. Hoheit zu erbitten hätten, kurz vor
Beendigung des Gottesdienstes in die klei
ne Vorhalle, die zur Loge fühlte, stellen
zu dürfen. Der herzogliche Diener, der
übrigens den Geheim - Sekretär sehr gut
kannte, machte Einwendungen, indem er
bemerkte: der Herzog sehe es nicht gern,
wenn er zur ungewöhnlichen Zeit und an
einem ungeeigneten Orte von Bittenden
gestört und aufgehalten werde, da ja zu
gewissen festgesetzten Stunden jedem Ge
hör suchenden Unterthan der Zutritt ins
Schloß gestattet sei. Doch die Vorstel
lung Lebrechts: daß ein außerordentlicher
Fall wohl eine Ausnahme zuläßig mache,
daß durch den Verlust einiger Stunden ein
Menschenleben, so wie dießuhe und Glück
seligkeit einer biedern Familie auf dem
Spiele stehe, und daß der Herzog über die
Hülfeflehenden gewiß nicht erzürnt wer
de, sobald er sich nur näher unterrichtet
haben würde machte den Kammer-La
kei schon schwanken, und die Verheißung
eines ansehnlichen Geldgeschenks brachten
vollends seine Skrupel zum Schweigen.
"Freilich, wenn dem so ist, sagte er, wie
Sie mir berichten, HcrrGeheim-Sekretär,
dann ist es ja Christenpflicht, einmal et
was gegen die Dienstpflicht zu wagen.
Kommen Sie nur, sobald die Predigt vor
! über sein wird, mit Ihren beiden Supp
likanten hierher, ich werde Sie einlassen "
Lebrecht drängte sich nun wieder zu sei
nen Gästen znrück und flüsterte ihnen das
Ergebniß seiner eben stattgehabten Unter
redung zu. Die Hoffnung Röschens stieg
nun wieder; überhaupt fühlte das Mäd
chen, seit sie in das Gotteshaus getreten
war, sich beruhigter und gestärkter, und
ihr Muth, welcher ängstlichen Zweifeln ge
wichen war, erwachte aufs Neue bei der
Vorstellung, daß sie hier in den geweih
ten Hallen, wo sie die Nähe Gottes leb
hafter empfinde, und nicht in den prunk
vollen Fürstengemächern, wo das demuth
volle Herz beengt und eingeschüchtert wer
de, den entscheidenden Schritt wagen solle.
Und dieser Muth erstarkte immer mehr
in ihrem kindlich frommen, gläubigen Ge
müthe, als der ehrwürdige Domprediger
mit hinreißender erschütternder Beredsam
keit allen guten Menschen die Gnade und
unendliche Liebe des ewigen Vaters ver
hieß und seine vortreffliche Predigt also
endigte: "Baut nur getrost auf ihn, Ihr
Jqmmernden, die Ihr die schwere Hand
des Unglücks fühlt, er wird Eure Thränen
trocknen und herrlich vergelten, Ihr wer
det ihn preisen, daß er Euch auf der Bahn
des Trübsals zu der wahren Glückselig
keit führt." In frommer Begeisterung
hatte Röschen dem feurigen Redner zuge
hört und jedes seiner Worte war einTrost
für ihr bekümmertes Herz gewesen. Sie
hatte in der Erhebung ihres Geistes alle
Angst vergessen, die sie vorher empfunden,
und jetzt, da Lebrecht sie sanft auf die
Schulter klopfte und ihr leise zurief : Kom
men Sie, es ist Zeit! —da erhob sie sich
voll froher Zuversicht, denn sie glaubte ein
Pfand himmlischer Verheißung erhalten
zu haben. Räuden, der schon befürchtet
hatte, daß bei dem Beginn des letzten ent
scheidenden Schrittes die Jungfrau von
ihrem Muthe und ihrer Kraft verlassen
werden möchte, erstaunte über die Freudig
keit und Entschlossenheit, mit welcher sie
ihm und ihrem Gastfreunde folgte. War
er, der beherzte Kriegsmann, der den Do
nner der Schlachten scholl gehört hatte,
doch selbst nicht frei von einer gewissen
Bangigkeit, die ihm die Brust einigerma
ßen beengte; um so mehr mußte er das
einfache Landmädchen bewundern, das noch
nie vor einem Gewaltigen der Erde
standen hatte, und doch den verhängniß
vollen Gang ohne Zaghaftigkeit antrat.
Meister Steffen fühlte sich, nachdem er
einen Tag lang vollkommener Ruhe ge
nossen halte, bedeutend wohler. Aber es
schien, als solle er nur Kräfte sammeln,
um einen neuen Schreck ertragen zu kön
nen. Eben befand sich der Prediger bei
ihm, und Beide berechneten, wie weit wohl
jetzt Röschen schon sein könne, als sie, am
Fenster sitzend, plötzlich Christian, den
Knecht, langsam angefahren kommen sa
hen. Eine trübe Ahndung bemächtigte
sich ihrer bei diesem unvermutbeten An
blicke ; sie ward nur zu sehr bestätigt, als
der Herbeigerufene berichtete, daß gestern
Abend Röschen auf eine ihm unbegreifli
che Weise verschwunden, und er nicht wis
se, wohin sie gekommen sei. Er erzählte
noch zur Vervollständigung seines Berich
tes, daß er in der Straßenherberge von ei
nem Offizier ein Glas Wein erhalten, und
daß kurze Zeit darauf eine so unwidersteh
liche Begierde zum Schlaf sich seiner be
mächtigt habe, daß es ihm trotz seiner An
strengung unmöglich gewesen wäre, sich
wach zu erhalten. Er sei hierauf in einen
festen Schlummer gesunken, der wohl meh
re Stunden gedauert haben könne. AIS
er sich endlich mit Mühe ermuntert habe,
sei er nicht wenig erstaunt und erschrocken
gewesen, sich allein auf den Wagen zu se
hen. Vergebens habe er Röschen geru
fen, Niemand habe geantwortet, vergebens
sei er in der Finsterniß umhergefahren, u.
habe, als er endlich aus dem Walde gekom
men, bei Jedem ihm Begegnenden, so wie
in jedem Hause nach der Verschwundeuen
geforscht, aber Niemand sei im Stande ge
wesen, ihm die geringste Auskunft zu ge
ben, und so habe er sich zuletzt mit schwe
rem Herzen zur Rückkehr entschlossen.
Steffen und Paul wußten nicht, was
sie von der seltsamen Geschichte denken
sollten, und erschöpften sich in beängstigen
den Vermuthungen. Der Prediger glaub
te zuerst einiges Licht zu finden, als ihm
der Umstand auffiel, daß ein Offizier dem
Knechte ein Glas Wein gereicht habe, und
daß dieser nach genossenem Trünke in je
ne Schlafsucht verfallen sei. Er ahnte
ein Bubenstück, und meinte, den Urheber
desselben errathen zu haben. Doch behielt
er aus Vorsicht seine Meinung vor der
Hand für sich, und versprach dem jetzt
völlig trostlosen Müller nur, seinerseits
Alles, was in seinen Kräften stehe, anzu
wenden, um die Spur der Verlornen zu
entdecken. Er ging nun zuvörderst nach
dem Ouartiere deS Lieutenants von Bieb
rach ; dort erfuhr er, daß derselbe mit noch
einigen Kameraden auf mehrere Tage Ur
laub genommen habe und gestern fortge
ritten sei; wohin, das wisse man nicht; er
habe nur hinterlassen, daß er wahrschein
lich erst auf den dritten Feiertag wieder
kommen werde. Diese Nachricht bestätig
te den Verdacht deS Predigers nur noch
mehr, raubte aber auch zugleich dem wak
kern Manne zugleich die Hoffnung, etwas
Weiteres erfahren und thun zu können.
Nun schien sein schöner Entwurf völlig
vernichtet, und das Unglück noch größer ge
worden zu sein; denn Traugott war nun
rettungslos verloren, und auch über dem
Haupte seines treuen Mädchens schwebte
wahrscheinlich die größte Gefahr. Zum
erstenmale in seinem Leben fing der from
me Paul an, mit der Vorsehung zu rech
ten. "Warum, o Gott! fragte er, mit
trübem Blicke gen Himmel schauend, ver
eitelst Du alle die redlichen Absichten gu
ter Menschen und lässest nur die verruch
ten Pläne der Bösen gelingen ?" Er wur
de in diesen traurigen Betrachtungen bald
durch einen Besuch gestört. Ein Soldat
kam zu ihm. Es war Werner, derselbe
Laufende Nummer SÄ.
Bursche, welcher Traugotts Ankläger hin
sichtlich der beabsichtigten Desertion gewe
sen war. "Herr Prediger, sagte er mit
ängstlicher Hast, und der Ton seiner StiiN'
me bebte, so eben binn ich meiner kurzen
leidlichen Haft entlassen worden, und ha»
be erfahren, was mit dem armen Fränzel
vorgegangen ist. Sprechen Sie, ist eö
denn wirklich ganz gewiß, daß er am näch
sten Mittwoch erschossen werden soll?"
Wenn er nicht durch ein Wunder Got
tes gerettet wird, ja war Paul'ö
kurze Antwort.
"Ach, allmächtiger Vater! rief Werner
außer sich, dann bin ich sein Mörder. Ich
habe ihn fälschlich angeklagt; der
nant von Biebrach hat mich bestochen und
überredet, daß ich den Fränzel der Deser
tion bezüchtigen mußte; der brave Junge
hat gewiß nicht daran gedacht. Ach, ich
glaubte ja nicht, daß es so weit kommen
würde; hätt' ich daS gewußt, ich würde
mich nicht haben zu einer solchen Nichts
würdigkeit verführen lassen. Ich meinte,
der Verklagte würde mit ein pal mal Gas
senlaufen davon kommen. Ach, ich Unse
liger, was hab' ich gethan! Nun werde
ich keine Nuhe mehr finden, mein Gewis
sen wird mir ewig den Mord vorwerfen!"
Siehst Du, Unglücklicher! erwiederte
Paul entsetzt, das ist der Fluch einer muth»
willig bösen That; wir können ihre Fol
gen nicht berechnen.
"Ach, was soll ich denn anfangen? frag«
te Werner, gibt es denn kein Mittel, den
armen Unschuldigen zu retten. Rathen
Sie mir, Herr Prediger; soll ich zum O
bersten gehen und ihm Alles entdecken ?"
Es wird zu nichts helfen; denn nicht
wegen beabsichtigter Desertion, sondern
wegen eines Subordinations-Vergehens
soll Fränzel sterben; seine Unschuld in er
sterer Sache wird seine unerbittlichen Rich
ter zu keinem milderen Urtheile bewegen.
Ich will Dich indessen von Deinen Versu»
chen nicht abhalten; sieh zu, was Du thun
kannst ; ich rathe Dir aber, zum Obersten
zuletzt zu gehen, wenn Du irgend noch et
was bezwecken willst; denn Du weißt, er
ist des Lieutenants v. Biebrach Onkel, und
es könnte leicht kommen, daß er Dich zum
Stillschweigen zwänge um seines Neffen
Schuld geheim zu halten.
Werner versprach, diesen weisen Rath
zu befolgen und entfernte sich mit trostlo
sem Herzen. Er lief zu allen Hauptleu
ten und Majors der Garnison, klagte sich
als den schändlichsten Verläumder an, er
zählte, wie der Lieutnant von Biebrach ihn
zu dem Schurkenstreiche verleitet habe, und
bat um seiner Seligkeit willen, das Blut
urtheil an dem unglücklichen Fränzel, der
so Vieles unschuldig gelitten, nicht zu voll
ziehen. Diese Neuigkeit erregte großes
Aufsehen und war binnen wenig Stunden
in der ganzen Stadt verbreitet. Sie dien«
te allerdings dazu, das allgemeine Mitleid
für den Deliquenten zu erhöhen; zu sei
ner Rettung aber konnte sie nichts beitra
gen, denn die Sentenz beruhte auf dem
erwiesenen Subordinations - Verbrechen ;
die Nichter hatten nach dem todten Buch
staben des Gesetzes erkannnt, andere Mo
tive mochten oder durften sie in keinen
weiteren Betracht ziehen.
folgt.)
Jn Kordofan treten zwei eifersüchtige
Liebhaber mir Peitschen gegeneinander auf
und hauen so lange blindlings zu, bis der
Eine die Flucht nimmt, weil seine Haut
ihm lieber ist, als das Mädchen; in Cey»
lon wird die Sache noch viel einfacher ab
gemacht. Beide, die auf Eine schwarzäu»
gige Geliebte Anspruch machen, gehen inS
Wasser, in einen Teich, und einander ge«
genüber stehend, werfen sie sich mit beiden
Händen einander Wasser ins Gesicht, bis
Einer vor Ermüdung nicht mehr weiter
kann und so alle Ansprüche aufgibt; den»
Hunderte vonZuschauern haben dem Kam
pfe zugesehen und ihr Gelächter schallt ihm
noch bis in die weiteste Ferne nach. Meist
bleibt der Kampf unentschieden. Camp
bell, der als Augenzeuge berichtet, sah, wie