Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, March 28, 1843, Image 1

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    neavlng, Venn. Gedruckt und herausgegeben von AruoldPulv e ll e, in der Süd 6teu Strasse, Ecke der Cherry Allen.B ehm' s Wirthshaus-Hof gegettübn-.
4, gan« Kummer 186.
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wird die Zeitung porrofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Poü oder Träger, auf Kosten der Unterschreibet. »s>Bricfe und Mittheilungen müssen postfrei eingesandt werden.
Zur Unterhaltung und Belehrung.
Das Blumenkorbchen.
(Fortsetzung.)
Ein Freund in der Noth.
Jetzt kam Anton, der alte Jäger des
Grafen, neben dem Jakob einst gedient!
und den Grafen auf seinen Reisen beglei 5
tet hatte, durch den Wald daher. Er war!
schon vor Tags auf einen Hirsch angestan
den.
~Grüß Euch Gott, Jakob, sagte er, seid
ihrs? Ich meinte ich höre Eure Stimme,
und ich habe mich nicht geirt. Ach du,
mein Gott, so haben sie Euch doch noch
fortgeschickt, es ist doch recht hart, noch in
seinen alten Tagen seine liebe Heimath.
verlassen zu müssen!"
„So weit der Himmel blau ist. sprach
Jakob, ist. die Erde Gottes Eigenthum,
und überall waltet seine Liebe über uns.
Unsere Heimath aber ist im Himmel."
~Lieber Gott! fieng der Jäger wieder
mitleidig an, man hat Euch ja fortge
schickt, wie Ihr geht und steht. Ihr habt
ja nicht einmal die nöthige Kleidung für
eine solche Reise!"
„Der die Blumen kleidet, wird auch uns
kleiden!" sprach Jakob.
„Und mit Geld, fragte der Jäger wie
der, werdet Ihr auch nicht versehen sein ?"
„Wir haben ein gutes Gewissen, ant
wortete Jakob; da sind wir reicher, als
wenn der Stein, auf dem ich sitze, Gold
wäre und uns gehörte."
„Redet doch, sagte der Jäger, Ihr habt
gewiß keinen Kreuzer?"
„Dieses leere Körblein da zu meinen
Füßen, sprach Jakob, ist unser ganzes
Vermögen. Was meint Ihr wohl, daß es
werth sein könne?"
„Mein Gott, sagte der Jäger beküm
merk, einen Gulden, ober vielleicht einen
Thaler. Was soll aber das sein!"
„Nun, fuhr Jakob lächelnd fort, so sind
wir ja reich, wenn anders mir Gott diese
zwei gesunden Arme läßt. In einem lah
re mache ich wenigstens hundert solcher
Körblein —und mit hundert Thalern kom
men wir gewiß aus. Mein Vater, der ein
Korbmacher war, bestand darauf, ich muß
te außer der Gärtnerei noch das Korb
machen lernen, um auch im Winter eine
nützliche Beschäftigung zu haben. Ich
danke es ihm noch im Grabe. Er hat
mehr an mir gethan und besser für mich
gesorgt, als wenn er mir dreitausend Tha
ler hinterlassen Härte, die mir jährlich
hundert Thaler reinen Zins trügen. Ein
gesunder Leib und ein ehrliches Hand
werk sind der beste und sicherste Reichthum
auf Erden."
„Nun, Gott Lob, sagte der Jäger, daß
Ihr eö so nehmen könnet. Ich muß Euch
Recht geben. Auch denke ich. daß Euch
die Gartenkunst auch noch zu Gute kom
men könne. —Aber wo wollet ihr den jetzt
hin?"
„Weit fort, sprach Jakob, wo uns kein
Mensch kennet—wo uns Gott hinführt "
„Zakob, sagte der Jäger, nehmt doch
diesen starken, dicken Knotenstab da! Ich
habe ihn, da es mir etwas schwer wild,
den unwegsamen Berg dort zu ersteigen,
zum Glücke mit mir genommen.' J'w
habt ja nicht einmal einen Reisestab ! Und
da, fuhr er fort und zog ein kleines Beu
telchen aus der Tasche, da habt Ihr
etwas Geld. Ich nahm es gestern Abende
in den Dörflein da drüben, wo ich über
nachtete, für Holz ein."
„Den Stab, sprach Jakob, will ich be
hallen, und ihn zum Andenken an einen
braven Mann führen- Aber das Geld
kann ich nicht nehmen. Da es für Holz
ist, gehört es dem Grafen."
„Alter, ehrlicher Jakob! sagte der Jä
ger, habt keine Sorge! Das Geld ist dem
Grafen schon bezahlt. Ich hatte es vor
mehreren Jahren einem armen Manne,
der um seine Kuh gekommen war, und das
gekaufte Holz nicht zahlen konnte, vorge
streckt, und nicht mehr daran gedacht.
Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caumtes allgemeiner Anzeiger.
Gestern gab er es mir, da er sich setzt wie
der in besseren Umständen befindet, un
vermutliet und mit Dank zurück. Das
Geld ist Euch recht von Gott bescheert."
"Nun, sowill ich es denn nehmen, sprach
Jakob, und Gott wolle es Euch in etwas
Anderem wieder ersetzen. Sieh, Marie,
sagte er hierauf zu seiner Tochter wie gü
tig der liebe Gott sogleich zu Anfange un
serer Reise für uns sorgt.
Der alte Jäger nahm jetzt mit Thrä
nen in den Augen Abschied. „Lebt wohl,
ehrlicher Jakob! Lebe wohl, gute Marie!
sagte er. indem er erst den Vater und dann
der Tochter die Hand reichte. Ich habe
euch immer für ehrliche Leute gehalten,
und halte euch noch dafür. Es wird wohl
auch noch bei euch eintreffen : ehrlich wählt
am längsten.
Der Jäger wandte sich gerührt um und
gieng Elchburg zu. Jakob aber stand auf,
nahm seine Tochter bei der Hand, und
wanderte mit ihr die Straße durch den
Wald hin—fort i» die weite Welt.
Jakob und MarienS Wanderschaft.
Marie und ihr Vater reisten immer
weiter und weiter, und hatten bereits ei
nen Weg von mehr als zwanzig Meilen
zurückgelegt. Nirgends hatten sie noch
ein Unterkommen gefunden; ihr weniges
Geld gieng zu Ende. Sie behalfen sich
sehr kümerlich. Es fiel ihnen unbefchreib
lich schwer, um Almosen zu bitten. End
lich mußte es doch sein. An manchem
Fenster wurden sie mit rauhen Worten
abgewiesen, an manchen andern wurde ih
nen mit Murren blos ein Stücklein trock
nes Brod herausgereicht, und sie hatten
nichts dazu als Wasser am nächsten Brun
nen. Nur manchmal bekamen sie in ei
nem irdenen Schlüsselchen etwas Suppe
oder Gemüse; hie und da wohl auch et
was übrig gebliebenes Fleisch oder Gebak
kenes. Allein Marie mußte es mehr als
einmal mit ansehen, wie man lange wähl
te, um sicher das kleinste und schlechteste
Stückchen herauszufinden. Nachdem sie
manchen Tag nichts WarmeS bekommen
hatten, mußten sie noch froh sein, in einer
Scheuer übernachten zu dürfen.
Eines TageS, da die Straße sie bestän
dig zwischen waldigen Hügeln und Bergen
hinführte, und längere Zeit kein O'.t kam,
ward es dem alten Manne übel. Bleich
und sprachlos sank er unten an einem
Tannenhügel auf die abgefallenen Tan
nennadeln hin. Marie war vor Schrek
ken und Angst beinahe ausser sich. Ver
gebens suchte sie nach etwas frischem Was
ser sie fand nirgends ein Tröpflein.
Vergebens rief sie um Hülfe—nur der
Wiederhall antwortete. Weit und breit
war keine menschliche Wohnung zu sehen.
Marie stieg eilends und mit bebenden Kni
en auf den Hügel, damit sie besser um sich
schauen könne. Da erblickte sie lief un
ten an der andern Seite des Hügels ein
Bauernhaus, daS, von reifenden Korn
feldern und grünenden Wiesen umgeben,
t-insam im Walde lag. Sie lief, so schnell
sie konnte, hinab, unv kam fast athemlos
bei dem Hauie an. Mit nass.n Augen
und gebrochener Stimme flehte sie um
Hülfe. Der Bauer und die Bäuerin,
beide schon etwas betagt, waren gure,
mitleidige Seelen. Sie wurden von dem
Jammer, dem bleiche» Angesichte, den
Thränen, der Todesangst des armen Mad
chens gerührt. Die Bäuerrn sagte zu
dem Bauern : „Spann doch ein Roß an
das kleine Wägelein; wir wollen den al
ten. kranken Mann hierher bringen."
Als sie bei ihm ankamen, hatte er sich
etwas erholt. Er saß unter einer Tanne,
und war herzlich froh Marien, die er mit
Schmerzen vermißt hatte, wieder zu sehen-
Man brachte ihn auf das Fuhrwerk und
führte ihn auf den Bauernhof.
Der Bauer hatte ein artiges Hinter
stübchen mit Nebenkammer und Küche,
das eben leer stand. Dieses räumte er
dem kranken Greise ein. Die Bäuerin
"IVillig zu loben und ohne Lurche zu tadeln."
Miensiag öe» 28. 1843.
richtete ihm ein gutes Bett. Marie be->
half sich, um immer bei ihrem kranken
Varer zu sein, gerne auf der Bank. Die
Krankheit war blos Entkräflung, die von
der schlechten Kost, dem elenden Nachtla
ger und den Mühseligkeiten der Reise
hergekommen war. Die gute Bäuerin
gab alles her, was ihr Haus vermochte,
den Kranken Mann zu erquicken-
Marie saß beständig an dem Bette ih
res Vaters- Sie legte aber dabei die
Hände nicht in den Schooß- Sie war
eine Meisterin im Stricken und Nähen,
und nähte und strickte unermüdet für die
Haushaltung der Beuerin. Keinen Augen
blick war sie müßig. Die Bäuerin war
mir ihrem Fleiß und ihrem sittsamen und
bescheidenen Betragen ungemein wohl zu
frieden. Dein Vater Jakob schlug die
bessere Pflege und Nahrung trefflich an;
er halte sich bald so viel erholt, daß er
wieder aufsein konnte. 'Alle die Tage sei
nes Lebens mochte er nie müssig sein.
Er suchte daher seine Kunst, Körbe zu
flechten, wieder hervor.
Nachdem Vater Jakob wieder vollkom
men hergestellt war, sagte er zu dem Bau
ern und der Bäuerin: „Nun sind wir
Euch lange genug zur Last gefallen ; es
ist Zeit, daß ich meinen Stab weiter
setze.''
Allein der Bauer nahm ihn bei der
Hand und sagte: „WaS fällt Euch ein,
lieber Jakob ! Ich hoffe, wir werden Euch
doch nichts zu Leid gethan haben. Wa
rum wollet Ihr denn fort ? Ihr seid sonst
ein so kluger Mann, aber der Einfall ist
einmal nichts!"
Die Bäuerin trocknete sich mit der
Schürtze die Angen und sprach: „Bleibt
doch bei unS ! Es ist schon spät im Jahre!
Seht, daS Laub an den Hecken und Bäu
men wird bereits gelb, und der Winter ist
vor der Thür! Wollet Ihr denn mit Ge
walt wieder aufs neue krank werden:"
Jakob verslchelte, daß er nur deswegen
gehen wolle, um ihnen nicht beschwerlich
zu fallen.
„Ei was beschwerlich, sagte der Bauer;
habt keinen Kummer! In dem kleinen
Stübchen seid Ihr uns nicht im Wege,
und was Ihr brauchet, verdient Ihr ja !"
„Ja wohl, sprach die Bäurin, das ver
dient Marie allein schon mit Stricken
und Nähen. Und wenn Ihr, Jakob, Euch
noch weiter mit Korbflechten abgeben
wollet, so hat es keine Noth. Ich will
euch Bestellungen genug verschaffen. Die
Arbeit soll euch sobald nicht ausgehen."
Jakob und Marie blieben, und der
Bauer und die Bauerin bezeugten darüber
die aufrichtigste Freude.
Jakob und Mariens frohe Tage auf dem
Taiznenhofe.
Jakob und Marie richteten sich unn in
der kleinen Wohnung ein, um nach ihrem
Wunsche eine eigene Haushaltung zu füh
ren. Das Stübchen wurde mit den nö
thigsten Geräthschaften, und die Küche
mit irdenen Geschiren versehen. Marie
schätzte sich glücklich, wieder am Feuer
heerde zu stehen und für ihren Vater zu
kochen. Sie lebten zusammen sehr ver
gnügt. Wahrend Jakob Korbe flocht
und Marie strickte oder nähte, führten sie
vertrauliche Gespräche. Manchen Abend
brachten sie auch in der voderen Stube zu
und der Bauer und die Bäuerin und alle
im Hause horten Jakobs vernünftige
Reden und lehrreiche Erzählungen mit
tausend Freuden. Der Winter mit sei'
nen Stürmen gieng lhnen sehr angenehm
vorüber.
Nächst dem Bauernhause lag ein gro
ßes Stück Gartenland, das aber nicht zum
besten bestellt war. Der Bauer hatte
wegen der vielen Feldarbeit, nicht Zeit, es
gehörig zu bauen, und dann verstanden
sie sich auch nicht darauf. Jakob unter
nahm es, einen rechten Garten herzustel
len. Er hatte noch im Herbste Vorbe
reitungen dazu gemacht, und kaum war
im Frühlinge der Schnee weg, so arbeite-
te er mit Marie vom Morgen bis an den
späten Abend.
Der Garten grünte und blühte bald so
herrlich, daß er dem ganzen düstern Wald
thale ein freundlicheres Aussehen gab.
Auch der nahe Baumgarten gedieh unter
Jakobs Hand besser, und trug reichliche
re Früchte. Es war Segen in allem,
was er that.
Der alte Gärtner war wieder in seiner
heitersten Laune. Er machte wieder sei
ne Anmerkungen über die Blumen und
Gewächse. Er brachte aber nicht immer
die alten vor; er wußte immer etwas
neues zu sagen. Marie hatte in den er
sten Tagen des Frühlings an der Dorn
hecke, die den ländlichen Garten umgab,
lange nach Veilchen gesucht, um ihrem
Vater, wie sie es gewohnt war, das erste
Sträußchen zu bringen. Endlich fand sie
einige der schönsten und wohlriechendsten,
und brachte sie ihm voll Freude. „Wohl!
sagte der Vater, indem er lächelnd das
blaue Sträußchen nahm. Wer sucht, der
findet."—„Aber höre, fuhr er fort, es ist
doch immerhin bemerkenswerth, daß die
holden Veilchen, diese lieblichen Blümchen
so gerne unter den Dornen wachsen, und
es scheint mir dieses sehr lehrreich für uns.
Wer in aller Welt hätte geglaubt, daß
wir in diesem dunkeln Waldthale und un
ter diesem alten, mit Moos bewachsenen
Strohdache so viele Freuden finden wür
den ! Allein keine Lage des Lebens ist so
dornicht, daß nicht unter den Dornen noch
einige stille Freuden verborgen sein soll
ten. Bleibe du nur von Herzen fromm
und gut, mein Kind, und es wird dir, so
hart es dir vielleicht auch noch gehen mag,
doch nie an stiller, inniger Freude fehlen."
An einem schonen heitern Sonntags
morgen, nach ein Paar Regentagen, kam
Marie mit ihrem Vater in den Garten,
und fand die eiste Lilie ausgeschlagen,
und im Glänze der aufgehenden Sonne
mir mehreren Blumen lieblich prangen.
Sie rief den Leuten im Hause, die schon
lange begierig gewesen, die Lilie blühen
zu sehen. Alle bewunderten sie.
„Wie schön hell und weiß, wie rein
und fleckenlos sie ist, sagte die Bäuerin."
„Ja wohl, sprach Jakob mit Rührung ;
o daß doch das Gemüth aller Menschen
so rein und fleckenlos sein möchte! Dieß
wäre ein erfreulicher Anblick für Gott
und für seine Engel. Denn nur ein rei
nes Herz ist mit dem Himmel verwandt."
„Und wie schön gerade, wie schlank
und aufrecht sie dasteht!" sagte der
Bauer.
„Wie ein Finger, der zum Himmel
zeigt! sprach Jakob. Ich habe sie gar
gerne in dem Garten. In jedem Gärt
chen des Landmanns sollte eine solche Li
lie stehen. Wir Leute müssen immer so
in der Erde wühlen, und vergessen darüber
so leicht den Himmel. Die schöne auf
recht stehende Blume kann uns aber daran
mahnen, daß wir bei all unserer Mühe
und Arbeit aufwärts blicken und noch et
was Besseres suchen sollen, als was uns
die Erde geben kann/'
Jakob und Marie hatten unter Fleiß
und Arbeit, lehreichen Gesprächen und
manchen unschuldigen Freuden bereits drei
Frühlinge und Sommer auf dem Tan
nenhofe sehr vergnügt zugebracht, und
ihre ehemaligen Leiden beinahe ganz ver
gessen. Als es aber wieder Herbst ward,
die Mittagssonne bereits längere Schat
ten warf, der letzte Schmuck des Gartens,
die rothen und blauen Astern blühten,
das Laub der Bäume sich bunt färbte und
der Garten sich zur Ruhe des Winters
neigte, fühlte Jakob eine merkliche Ab
nahme seiner Kräfte, und er befand sich
manchmal gar nicht wohl. Er verbarg
es zwar vor Marien, um ihr keinen Kum
mer zu machen; allein in seinen Anmer
kungen über die Blumen war etwas Weh
müthiges, das Marie manchmal sehr zu
Herzen gieng.
Marie betrachtete einst eine Rose, die
sich verspätet hatte, und erst jetzt im Herb-
30.
ste in voller Blüthe prangte. Sie woll
te sie brechen; allein die Purpurblättchen
fielen plötzlich ihr unter der Hand ab, und
lagen zerstreuet auf dem Boden umher.
„DaS ist der Mensch, sagte der Vater.
In der Jugend gleichen wir wohl einer
frisch aufblühenden Rose; allein wir wel
ken auch dahin wie die Rosen, und unsere
Blüthenzeit ist sehr kurz, und sehr schnell
vorüber. Bilde dir also, liebes Kind
nichts ein auf die eitle, vergängliche Schön
heit des Leibes; trachte nach Schönheit
der Seele, nach Tugend, die nie welkt."
Jakob nahm einst gegen Abend, auf
der Gartenleiter stehend, noch Aepfel vom
Baume, und reichte sie Marien herab, die
sie sorgfältig in einen Korb legte. Da
sprach er: „Wie die Herbstluft so schau
erlich über die Stoppeln herweht und mit
den gelben Blättern und mit meinen
grauen Haaren spielt!— Mein Herbst,
liebe Marie, ist da, und der deinige wird
auch kommen. Mache doch, daß du, wie
dieser Baum hier, dann reich an guten
Früchten seiest, und der Herr seines großen
Gartens,derWelt,slch deiner freuen möge."
Als Marie noch einige Saamenkörner
für den künftigen Frühling in die Erde
legte, sprach der Vater: „So, meine
Tochter, wird man auch uns einst in die
Erde legen, und uns mit Erde bedecken.
Aber sei getrost! Wie über ein Kleines
das Körnlein in der Erde sich regt, zu le
ben anfängt, und als eine schöne Blume
sich über die Erde erhebt, und gleichsam
triumphirend über dem Grabe steht: so
werden auch wir einst schön und herrlich
aus unserem Grabe hervorgehen. Denke
daran, liebe Marie, wenn sie mich einst
begraben werden. Die Blume, die du
dann etwa auf mein Grab pflanzen wirst,
sei dir ein Bild der Auferstehung und
Unsterblichkeit.
Marie blickte ihren Vater an. Zwei
große Thränen standen ihm in den Augen.
Sie erschrak, und bange Ahnungen er
füllten ihr Herz.
lÄorrsetzung folgt.Z
Gleichheit.— Amerika berühmt
für seine Freiheit und Gleichheit, trägt
dies jetzt von Personen auf Grundsätze
über und führt dadurch die sonderbarsten
Auftritte herbei. So ward in Rochester
kürzlich beim Beschluß einer Vorstellung
im Theater angekündigt, daß am Tage
darauf in demselben Locale eine Predigt
gehalten werden solle. In der That war
am nächsten Abend die Bühne als Studir»
zimmcr decorirt, ein Prediger erschien und
hielt vor dem zahlreich versammelten Pub
likum eine Predigt. Alles ging ruhig und
ohne vor sich, bis plötzlich Feu
erlärm von Außen einen Theil der Zuhö
rer entfernte. Das Seitenstück dazu hat
sich in Nashua, Neu Aork, ereignet, wo in
einer Kirche ein Schauspiel: „Der gebes
serte Trunkenbold" aufgeführt worden ist.
C h i n e si scher Strafcodex.
—London, 20. Januar. In dem Times
liest man über de» chinesischen Strafcodex:
Laut diesem Gesetze werden die des Hoch
verrats überwiesenen auf der Folter durch
langsame Marter zu Tode gebracht und
ihre gleichnamigen Blutsverwandten ent
hauptet ; die andern Verwandten werden
alö Sklaven verkauft, Todesstrafe trifft
jeden, der sich auf dem Wege befindet, den
der Kaiser und sein Gefolge ziehen. Die
selbe Strafe wird gegen jeden ausgespro
chen, der ein Zimmer betritt, welches für
den Kaiser oder ein Mitglied seiner Fami
lie bestimmt ist. Die Handwerksleute,
welche im Palaste arbeiten, erhalten einen
Erlaubnißschein den sie zurückgeben müs
sen, sobald sie den Palast verlassen; wer
nach der festgestellten Stunde noch in dem
selben betroffen wird, ist des Todes schul
dig. Verordnet der Arzt dem Kaiser
ein Tränkchen, oder Pillen oder Pul»
ver:c., die nicht mit der Reichs-Phar
makopäa vorgeschriebenen Weise überein
stimmen, bekommter IVO Srockprügel:
die geringste Unreinigkeit, welche an den
Speisen befunden wird, welche auf die
kaiserliche Tafel gesetzt werden, zieht dem
.Oberkoch 80 Stockschläge zu. (B. Coresp.