Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, March 07, 1843, Image 1

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    Me « ViNg, Venn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwell e, in der Süd 6ten Strasse, Ecke der Sherry Alley.B eh m' s Wirchshaus-Hof gegenüber.
Jahrgang 4, gcmtt Mnnmer 183.
Bedingunge N.-D«r Nlberklle Veobklckter erscheint jeden Dienstag auf einein grossen Superial-Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Subseriptions-Preis ist Ei n Tha l e r des Zahrs, welcher in halbjähriger Vorausbe
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HAusgewaehtle
Der Schatzgräber.
Arm am Beutel, krank an Herze».
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armuth ist die größte Plage,
Reichthum ist das höchste Gut!
Und z» enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben !
Schrieb ich h»u mit eignem Blut.
Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwert zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem allen Schatze,
Auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stürmisch war die Nacht.
Und ich sah ein Licht von weiten;
Und e6 kam gleich eiiicm Sterne,
Hiutcn ans der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten.
Heller wards mit eincmmale
Von dejn Licht der vollen Schale,
Die ein Schiner Knabe trug.
Holde Augen s.ch ich blinken
Unter dichtem Blumenkränze;
In des Trankes Hunmeleglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich frenndlich trinken;
Und ich dacht' i es kann der Knabe,
Mit der schönen lichten Gabe,
Wahrllch! nicht der Böse sein.
Trinke Muth des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, m,c ängstlicher Beschwörung
Nicht zurück an diesen Ort,
Grabe h»er nicht mehr vergebens.
Tages Arbeit! Abends Gäste
Sanre Wochen! frohe Feste I
Sei de», künftig Zauberwort
I. W. v. G
Zur Unterhaltung und Belehrung.
Das Gebirge zwischen Schweden und
Norwegen.
Reisend, habe» dies Gebirge mit einem
stürmisch aufgeregten Meere verglichen, des
sen nngehcure Woqen plötzlich erstarrt sind.
MicEis und blendend weißem Schneebedeckt,
verbreiten sie bei Hellem Wetter einen blauen
Schimmer weit nmher. Man steht nbcr den
Wolken in der blanen Lnft Kel>-spitze», wel
che dadurch dem Augs niiermeßlich hoch erschei
nen, und indem ihre glatten Seiten die Strah
len der Sonne von sich werfen, dem Himmel
selbst nahe zn sein scheinen. Noch nm Mit
ternacht flammen ihre schneebedeckten Gipfel
von den Sonnenstrahlen, die vom Horizonte
herausschießen, und dieser sogenannte Eisblick
glänzet wie Feuer in die tiefe Dämmerung
der unteu liegenden Thäler hinab. Wenn
man sich am weitesten nördlich diesem Grenz
gebirge nähert, erreicht man znerst die Greil«
ze, wo die Tanne nicht mehr wächst.
Dann hält nnr noch Kiefer aus, aber nicht
riesenhaft wie sonst. Mit niedrigem Stamm
und starken, weit ansgcdchnten Zweigen,
braucht sie Jahrhunderte, um auch nnr eine
mittelmäßige Höhe zu erreichen. D>? Brü
che haben ein höchst ödes Anssehen; der
Gangfisch und die Aesche finden sich nicht mehr
in den Gewässern; die Heidelbeere kommt
nicht gnt mehr fort; der Bär geht nicht hö
her hinauf. Das Korn hat aufgehört ~« rei
fen ; aber kleine Höft, deren Einwohner von
Fischerei und Viehzucht leben, finden sich noch
a»f2600 Fnh unter der Schneegrenze. Die
Kiefer hört 20l)0 Fnß nnter dieser Grenze auf
nnd die niedrige Waldung besteht von da an
nnr ane Birken. Sie wird immer düuner,
nnd da d„ Sonne deshalb ungehindert auf
die Felswände wirken tan», so findet man anf
denselben oft eine große Fülle von Bergpstan
zen. Die trocknen Stellen bedeckt das Renn
thiermoos. Zweitausend Fuß unterhalb der
Schneegrenze hört auch die niedrige B«rken
waldung auf, uud noch weiter hinauf findet
steh in keinem Gewässer ei» Fisch mehr. Der
letzte ist der Riding (Salmo alpinus). Alle
Berge, welche über die Grenze hinansreichcn,
innerhalb welcher noch Bänme wachsen kin,
nen, heißen eigentlich Fjall, noch 40V Fuß
weiter hinauf gehen Gebüsche, schwärzliches
Reisholz von Zwergbirtcn ; noch, aber nicht
höher hinauf, reift die Moltebeere. Der
Vielfraß besucht uoch diese hohe» Gegenden.
So hoch steigt auch der Dalfjäll bei Tran
straud herauf. Von da an hören auch all,
Büsche auf, die Berge sind mit mehr braunen
als grünen Felsenkräutern bedeckt, die einzi
gen Beeren, welche noch reifen, sind Rausch
beeren. Höher als 800 Fuß unter der Schne
egrenze schlägt der Lappe, der wandernde Ein>
«ohner dieser Oeden, nicht gern sein Zelt auf,
denn es mangelt daselbst an Waide für die
Der Liberale Äcobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.-^
Rennthiere.-Nun beginnt der ewige Schnee.
Seltenes Glück eines Varbiergesellen.
Die Generalstaken von Holland ließe» im
Jahre 1688 i» öffentlichen Blättern bekannt
machen, daß der Großmogul 16 geschickte
Barbiergksellkn verlange, nnd diejeiilgen, wel
che Lust hätte«, diesem Aufrufe Folge zn lei
sten, sich in Amsterdam einer Prüftliig unter
werfen müßte». Es faiidcn sich binnen kur
zer Zeit über huiidert Barbiergesellen i» ge
nannter Stadt ein und sechszehn der geschick
testen aus ihuen wurden nach Ostindien ge
sandt. Am tüchtigste» ward Johann Christi
an Schamberger aus Leipzig befunden. Der
Großmogul empfing sämmtliche Barbiere sehr
gnädig, am meisten aber erwarb sich Scham
berger dessen Gunst durch mehrere gel»»«
geiie Küre». Es währte nicht lange, so
hatte er sich eiueu beträchtlichen Schatz an
Geld nnd Edelsteinen gesammelt. Eine Rei
he von Jahren verstoß dem glücklichen Arzte,
ohne daß er eine beänqstiqende Sehnsucht
«ach seinem Vaterland, fühlte; aber dann
mit eincmmale erariff ihn ein unwiderstehli
ches Heimweh, Er erbat sich einen dreijäh
rigen Urlaub, um sei»? beide» Schwestern in
Leipzig besuche» zu dürfe«. Er erhielt auch
dkilselbe», mit der Bedingung, wieder zurück
zukommen, ja er wurde sogar znm Ober«
Schiffs - Ehiriirgns einer ganzen Flotte er
nannt, die eben nach Holland zn segeln i»
reitschafc vor Anker lag. Dicse Anstellnng
begünstigte vor Allem sein Vorhabe», da sie
ihm die schönste Gelegenheit darbot, sein Ver>
mögen, welches er in Edelsteinen realisirtc,
in den Pstasterrollen und Salben zu verber.
gen, die er als nnnmgänglich nothwendig für
diese Reise in Voraus bereitete, und welche
»,»durchsucht anf das Schiff verladen wurde».
Es war bei hoher Strafe verböte«, Juwelen
ans dem tandezu bringe». Die RelseSchain
bergers war sehr glücklich; er kam wohlbe
haltti» «ach Leipzig, »iid begab sich, dürftig
gekleidet, z» seiner älteren Schwester, welche
ihn nicht anerkennen wollte; bei der jünger»
drohte man ihn gar a»s dem Hause z« wer
fe». Beide Dame» fürchletc», der »»berufe
ue Bruder würde das unter sie bereits ver
theilte Erbtheil ihrer vcrstorbeue» Eltern in
Anspruch nehme». Sie käme» z»sainme»
nnd berathschlagte», was zu thu» sei, wen»
sich der Angekommene als Bender legitimu en
könne. Indeß schickte dieser zu ihnen, ließ
ihnen sagen, er schenke ihnen sein Erbtheil,
nnd lud sie mit ihre» Männer» z» einem ost
indischen Traktament in den Gasthofe ei«, wo
er abgestiegen war. Als die Herrschaften
dort angekommen waren, führte sie der Br»
der in eine Küche, wo ei» für vier Personen
gedeckter Tisch stand. Schamberger war
reich gekleiket, »nb bei der Ansicht seines
Wohlstandes criiiiierteu sich die Schwester»
ihres liebe» Bruders sehr wohl. Dieser setz
te »Uli cittt» Kessel anf de» Dreifuß über das
Feuer, und warf einige Pstasten ollc» in de»
Kessel. Die Schwester» »lachten große Au
ge» über diese seltsame Zubere>t»ttg z» eiiier
Gasterei. Die Pfiasterrollen finge» a» z»
schmelze» und verbreiteten eben keinen ange
nehmen Geruch. Endlich fuhr der kuriose
Koch mit einem große» Löffel »ach dcm Grun
de des Kessels, nnd holte nach niid nach die
Edelsteine heraus. Er legte sie auf die Tel'
ler seine» Gäste» vor n»d sagte: "Da habt
ihr das osti»dische Gericht!" Es bed»rfte
»»» keiner Legitimacion weiter; der l-etzce
Zweifel an der Aechtheit des Benders war
vcrschwllndtn. Die gerührten Schwester»
fiele» de»» Geber dieses fürstlichen Geschenks
um de» Hals uud süß war die Wo»ue der
Elteuuuiig. Schönberger ging uichc wie
der uacb Ostindien, sondern blieb in Leipzig,
wnrde Dokter der Medizin uud starb daselbst
am 4teu August 1704 Eiu Obstgarten, den
er anlegte, führt noch seinen Namen.
Das Blumenkörbchen.
(Fortsetzung.)
Marie im gräflichen Schlosse.
Einmal an einem lieblichen Morgen, zu
Anfang des Maies, halte Marie in dem
nahen Wäldchen Weidensprossen und Ha
selzweige geschnitten, aus denen ihr Va
ter, wenn es im Gatten nichts zu thu»
gab, die niedlichsten Körbchen flocht Da
fand sie die ersten Maiblümchen. Sie
pflückte einige davon, und machte zwei
Sträußchen daraus, eines für ihren Va
ter und eines für sich. Als sie auf dem
schmalen Fußsteige durch den blumigen
Wiesengrund nach Hause gierig, begegne
ten ihr die Gräsin von Eichburg und de
ren Tochter Amalia, die sich gewöhnlich
in der Residenzstadt aufhielten, vor eini
gen Tagen aber auf ihrem Schlosse Eich
bürg angekommen waren.
Marie trat, sobald sie die beiden weiß
gekleideten, Frauenzimmer mit grünen
Sonnenschirmchen erblickte, etwas seit
wärtS, um ihnen Platz zu machen, und
"Ivillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
be« 7. 1843.
blieb ehrerbietig an dem Fußwege stehen.
„Ei. giebt es denn schon Maiblümchen !
rief die junge Gräsin, die diese Blümchen
mehr als alle andern Blumen liebte-
Marie bot sogleich jeder der beiden Gräsin
nen ein Sträußchen an. Sie nahmen es
mit Vergnügen, und die Mutter zog ihre
Goldbörse von purpurrother Seide heraus
und wollte Marien beschenken.
Allein Marie sagte: „O nicht doch; es
ist ganz und gar nicht deswegen geschehen !
Gönnen Eure Exzellenz einem armen
Mädchen die Freude, ihrer gnädigen Herr
schaft, von der sie so viel Gutes empsieng,
auch eine kleine Freude zu machen, ohne
an eine Belohnung zu denken !"
Die Gräfin lächelte freundlich, und
sagte, Marie solle Amalia noch öfter Mai
blümchen bringen. Marie that es jeden
Morgen, und so kam sie, so lange die Mai
blümchen bAihten, täglich in das Schloß.
Amalia fand an Mariens guten natürli
chem Verstände, ihrem heitern, fröhlichen
Sinne, ihrem bescheidenen, Betragen täg
lich mehr Wohlgefallen. Marie mußte
noch manche Stunde in AmalienS Gesell
schaft zubringen, nachdem alle Maiblüm
chen schon längsten verblüht waren. Ja,
die jungen Gräsin ließ es sich öfters nicht
undeutlich merken, das sie Marien immer
um sich zu haben wünsche, und sie deßhalb
noch in ihre Dienste zu nehmen gedenke.
Nun näherte sich Amaliens Geburtstag.
Marie war auf ein kleines ländiches Ge
schenk bedacht. Einen Blumenstrauß hat
te sie ihr schon oft gebracht. Sie verfiel
daher auf einen andern Gedanken. Ihr
Vater hatte den letzten Winter einige
ganz ungemein schöne Arbeitskörbchen für
Frauenzimmer verfertiget. DaS schönste
aus allen hatte er Marien geschenkt. Er
hatte die Zeichnung dazu aus der Stadt
erhalten, und die Arbeit war ihm ganz
vorzüglich gelungen. Marie beschloß die -
seS Körbchen mit Blumen zu füllen, und
es Amalien zum Geburtetage zu verehren.
Der Vater gab das auf ihre Bitte sehr
gerne zu, und er verzierte das niedliche
Körbchen noch mir Amaliens Namenszug
und Familienivappen, die er sehr nett und
künstlich hineinflocht.
Am Morgen von AmalienS GeburtS
tage pflückte nun Marie die vollsten Ro
sen, die schönsten weißen rothen uno blau
en Levkojen, bräunlichen Goldlack, und
andern schönen Blumen. Das ganze
Blumenkörbchen war wirklich überaus
schön. Selbst der ernste Vater lobte den
Einfall Mariens und sagte, als sie es fort
tragen wollte: „Laß es noch ein wenig
da, damit ich es noch länger betrachten
kann.
Marie trug das Körbchen in das Schloß
und übereichte es, unter den herzlichsten
Glückwünschen, der Gräsin. Amalia hat
te eine ungemeine Freude, und konnte
nicht Worte genug finden, bald die schönen
Blumen, bald daS nette Korbchen zu rüh
men. „Gutes Kind! sagte sie, du hast
ja dein ganzes Gärtchen geplündert, um
mich so reichlich zu beschenken! Und dein
Vater macht ja eine Arbeit—so schön, so
geschmackvoll, das ich nie etwas Schöneres
sah. O komm doch sogleich mit mir zu
meiner Mutter." Sie stand auf nahm
Marien bei der Hand, und führte sie die
Treppe hinauf in das Zimmer ihrer Mut
ler.
Das Blumenkörbchen gefiel der Gräsin
sehr wohl. „In der That, sagte sie, es ist
sehr schön! Ich wünsche es gemahlt zu
besitzen. Das Körbchen mit den Blumen
auf denen noch der Morgenthau liegt, gä
be ein so schönes Blumenstück, als je der
größte Maler eines gemalt hat. Es macht
Mariens guten Geschmacke sehr viel—und
ihrem guten Herzen noch mehr Ehre."
„Warle indeß hier ein wenig, sprach sie
zu Marien, und winkte Amalien, ihr in
das Nebenzimmer zu folgen.
„Unbeschenkt, sagte die Gräsin in dem
Nebenzimmer zu ihrer Tochter, dürfen wir
Marien nicht gehen lassen. Was meinest
du was sich wohl am besten für sie schicke ?
„Geht setzt guten Kinder, sagte die
Gräfin gütig, indem sie mit Amalia aus
dem Nebenzimmer trat, und sorgt für die
Blumen, damit sie bis zur Tischzeit nicht
welken. Da wir heute Gäste bekommen,
so soll das Körbchen die schönste Zierde
der Tafel sein; und anstatt des Aufsat
zes dienen. Dir zu danken, liebe Marie,
überließ ich Amalien!"
Amalie eilte mit Marien in ihr Zimmer
und befahl ihrem Kammermädchen, ein
gewisses Kleid zu holen. Jettchen—so
hieß das Mädchen—blieb stehen, und sag
te : „Das Kleid werden Euer Gnaden
heute sa wohl nicht anziehen? —„Nein!
sagte Amalia, ich werde es Marien schen
ken." „Das Kleid? rief Jettchen schnell.
Weiß das die gnädige Mama?" —„Brin-
ge du daS Kleid, sagte Amalia ernst, und
für das Uebrige laß mich sorgen."
Jettchen wandte sich schnell um. ihren
Verdruß zu verbergen, und gieng. Ihr
Angesicht glühte von Zorn. Zornig riß
sie die Kleiber der jungen Gräsin aus dem
Kasten. „Wenn ich nur alle sogleich zer
reißen dürfte! sagte sie- Das verwünsch
te Gärtnermädchen ! Um einen Theil von
der Gunst meiner Herrschaft hat sie mich
ohnehin schon gebracht, und nun stiehlt
sie mir noch obendrein dieses Kleid ab;
denn die abgelegten Kleider gehören von
Rechtswegen mir. O, die Augen könnte
ich der verhaßten Blumenkrämerin aus
kratzen!" Indeß verbiß Jettchen ihren
Zorn, so gut sie konnte, stellte sich, wie sie
iu das Zimmer trat, freundlich an, und
übergab Amalien das Kleid.
„Liebe Marie, sagte Amalia. es sind
mir zwar heute reichere Geschenke gemacht
worden, als dein Körbchen; aber kein an
genehmeres. Die Blumen in dem Kleide
da sind freilich nicht so schön als die dei
nigen; aber ich denke, du werdest sie aus
Liebe zu mir doch nicht verschmähen. Tra
ge das Kleid zum Andenken an mich, und
grüße mir deinen Vater." Marie nahm
das Kleid küßte der jungen Gräsin die
Hand und gieng.
Jettchen setzte voll Aerger, Neid und
geheimen Ingrimm ihre Arbeit still
schweigend fort. Es kostete ihr in der
That keine geringe Ueberwindung, es
Amaliens Haaren während des Frisirens
nicht ein wenig empfinden zu lassen, wie
aufgebracht sie war. „Bist du böse Jett
chen ?" sagte Amalia sanft- „Das wäre
ja dumm sagte Jettchen, wenn ich böse
wäre, da Sie so gut sind." „Das war
sehr vernünftig gesprochen, sagte Amalie;
ich wünsche, du möchtest auch so vernünf
tig denken !"
Der entwendet« Ring.
Marie eilte indeß mit dem schönen Kleid
voll Freude nach Hause. Der kluge Va
ter hatte über das schöne Geschenk keine
besondere Freude. Er schüttelte den grau
en Kopf und sagte: „Du hättest mir das
Körbchen lieber nicht in das Schloß getra
gen. Das Kleid ist mir als ein Geschenk
von unserer gnädigen Herrschaft, zwar
sehr schätzenswerth; allein ich fürchte, es
möchte Andere auf uns neidisch, und was
das schlimmste wäre, dich eitel machen.
Sei daher doch recht auf deiner Huth,
liebe Marie, daß wenigstens das Schlimm
ste unterbleibe. Bescheidenheit und Sitt
samkeil kleiden ein Mädchen besser, als
der schönste, auserlesenste Anzug.
Kaum hatte Marie das schöne Kleid
anprobirt, es dann wieder sorgfältig zu
sammengelegt, und in den Kasten verschloss
sen, so kam die junge Gräfin blaß und
zitternd und fast außer Athem in daß
kleine Stübchen.
„Um Gottes willen, Marie, sprach sie,
was hast du gemacht? Der Diamant
ring meiner Mutter ist weg! Nimand
kam in das Zimmer, als du. O gieb ihn
doch geschwind her, sonst giebt das eine
schreckliche Geschichte. Gieb geschwind;
Kammer 27.
dann läßt sich die Sache noch vermitteln.
Marie erschrack, daß sie todtenbleich
wurde. „Ach Gott sagte sie, was ist das !
Ich habe den Ring nicht. Ich habe in
dem Zimmer nicht einmal einen Ring ge
sehen. Ich kam nicht von dem Plätzchen
auf dem ich stand."
„Marie, sagte die Gräsin Amalia wie
der, ich bitte dich um deiner eigenen Wohl
fahrt willen, gieb mir den Ring. Du
weißt nicht, waö der einzige Stein in dem
selben für einen Werth hat. Der Ring
kostete bei tausend Thaler. Wenn du das
gewußt hättest, so würdest du ihn sicher
nicht genommen haben. Du sahst ihn
wohl nur für eine Kleinigkeit an. Gieb
ihn mir und alles soll dir als ein jugend
licher Unverstand verziehen werden!"
Marie sieng an zu weinen. „Wahr
lich, sagte sie, ich weiß nichts von einem
Ringe. Ich habe mir nie getraut, etwas
Fremdes auch nur anzurühren, viel weni
ger es zu stehlen. Mein Vater hat es
mir zu sehr eingeschärft, Niemanden etwaS
zu nehmen."
Jetzt trat der Vater in das Stübchen.
Er hatte in den Gerten gearbeitet, und
die junge Gräsin so eilend in das Haus
gehen sehen. „Gott im Himmel, was ist
das?" rief er, als er vernommen hatte,
wovon die Rede sei. Der gute Mann
hatte einen solchen Schrecken, daß er sich
an der Tischecke halten, und auf die Bank
niedersetzen mußte.
„Kind sprach er, einen solchen Ring
zu stehlen, ist ein Verbrechen, auf das der
Tod gesetzt ist. Das ist aber noch das
Gebot Gottes: Du sollst nicht stehlen.
Für eine solche That sind wir nicht blos
den Menschen —wir sind dafür noch einem
größern Herrn verantwortlich —dem höch
sten Richter, der in alle Herzen blickt,
und vor dem kein Läugnen und keine
Ausflucht gilt. Hast du Gottes und sei
ner heiligen Gebote vergessen, und dich
meiner väterlichen Ermahnungen in dem
Augenblicke der Versuchung nicht mehr
erinnert; hast du deine Augen von dem
Glänze des Goldes und der Edelsteine ver
blenden und zn dieser Sünde verleiten las
sen : so läugne es nicht, bekenne es und
gieb den Ring zurück. Das ist der ein
zige Weg, den Fehler gut zu macheu, so
viel er noch kann gut gemacht werden."
Marie sagte weinend und schluchzend:
„O Vater, gewiß—gewiß ich habe nichts
von einem Ringe gesehen. Ach, wenn
ich einen solchen Rieug auf der Straße
gefunden hätte, ich würde keine Ruhe
mehr haben, bis ich ihn dem Eigenthümer
wieder zurückgestellt hätte. Gewiß, ich
hab' ihn nicht!"
„Nun, sagte der Vater, so glaub ich
es auch, du hast ihn nicht. Denn so wür
dest du vor Gottes Angesicht, vor deinem
alten Vater nicht lügen. Und da du,
wie ich fest glaube, unschuldig bist, so bin
ich ruhig. Sei du es auch, Marie, und
fürchte nichts. Cs giebt nur ein einziges
wahres Uebel in der der Welt, das wir zu
fürchten haben, und das ist die Sünde.
Kerker und Tod sind nichts dagegen.
Was nun auch über uns kommen wird,
und wenn uns auch alle Menschen verlas
sen, und wider uns sein werden: so haben
wir doch Gott zum Freunde, und er ret
tet uns gewiß und bringt unsre Unschuld
hier oder dort an den Tag."
Die junge Gräsin wischte sich eine
Thräne ab und sagte: „Wenn ich euch,
ihr lieben Leute, so reden höre, so glaube
ich es freilich auch, daß ihr den Ring
nicht habt. Allein, wenn ich wieder alle
Umstände überlege, so scheint eS mir doch
nicht anders möglich—ihr müßt ihn ha»
ben! Meine Mutter weißt das Plätzchen
auf ihrem Arbeitstischchen, wo sie den
Ring hinlegte, gerade bevor ich mit Ma
rien WS Zimmer trat, bestimmt. Keine
Seele kam sonst in das Zimmer. Daß
ich nicht an das Tischchen hinkam, wird
Marie selbst bezeugen. Marie war, wäh
rend meine Mutter mit mir in dem Neben
zimmer redete, allein in dem Zimmer, vor