Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, November 23, 1841, Image 1

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    NeaA t N A, Denn. Gedruckt und herausgegeben vou ?l ruoldPuw e ll e, in der Süd 6ten Strasse, Ecke der Ckerrn Al!ev,V hm' 6 aegennbrr.
MaHrgang I, ganxe 'Dummer 11k.
Bed in gu n ge N.-Der Nllicrnle IZeobkltKtcr erscheint jeden Dienstag auf einem grossen Superial-Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Subscriptions-Preis ist Ein Th a l er des Jahrs, welcher IN halbjähriger Borausbe«
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AAnsgewaMls
Glaubeu6de k e n u r n i ss e
Der Geizige.
Ich glaube, daß das Geld hienieden
Das beste aller Güter sei.
Ist dieses mir vollauf beschicken,
Gilt mir das Andre einerlei.
Ich glaube, Geld gibt mir die Mittel,
Mich meine? Gebens zu erfreun,
Verleiht mir Weisheit, Rang und Titel, -
lind sollt' ich auch ein Esel sein.
Doch kann ich meinen Schatz bewachen,
Verzicht' ich gern auf andre Lust;
Denn dies scbon kann mich glücklich machen,
Bin ich der Mittel mir bewußt,
Wofür ich jegliches Vergnügen
Im Ueberflusse haben kann;
Drum stimm' ich beim Goldstückewiegen
Ein lautes Lob- und Dank-Lied an.
Ich glaube, daß, wenn ich einst sterbe,
Man auch ein Lob« und Dank-Lied singt.
Doch nur ein Geiz'ger sei mein Erbe,
Dem Gold bereits im Kasten klingt.
Der wird mein Gold zusammenhalten;
Kein armer Schlucker soll sich freun,
lind nicht verselnvendrisch damit schalten.
Dies, glaub' ich, wird das Beste sein.
Und schivitz' ich einst auch in der Hölle,
Es wünscht mir dies schon mancher Feind,
So glaub' ich doch auf alle Falle,
Der Schwarze sei mein bester Freund.
Ihm bin ich ja stets treu ergeben.
Vielleicht macht er die Holle.mir
Nicht gar zu heiß im künfr'gen Leben,
Dies hoff' und glaub' ich für und für.
Der Lebeman n'
Ich' glaube, daß Genuß des Lebens
Der wahre Zweck des Menschen ist;
Und wahrlich, Jeder lebt vergebens,
Der nicht des Lebens Reiz genießt.
Ich glaube, dieses Rund der Erde
Ist nicht ein traurig Jammerthal,
Und drückt auch Noth oft und Beschwerde,
Winkt doch auch Freude überall.
Ich glaube, daß es mohl mag geben
Vielleicht dereinst ein Paradies;
Doch besser ist's, hier froh zu leben,
Das dort ist mir—zu ungewiß.
Ich glaube, daß in Abrahams Schoos,e
ES einst gar weich sicb sitzen mag;
Doch lieber pflück ich hier die Rose,
Und lebe munter Tag für Tag.
llnd kommt Freund Hain mir seiner Hippe
Die Stunde, wo man mich begräbt.
Dann ruft mir nach mit Herz und Lippe:
Der Mann, ja der, der hat gelebt!
Der Heuchler.
Ich glaube, jeder Mensch auf Erden
Mag wohl ein arger Sünder sein.
Doch fromm will ich mich stets gebärden,
Denn Alles, Alles gilt—der Schein.
Drum fehl' ich nie in Gottes Tempel,
Besuche jedes fromme Haus,
Und diene Andern zum Exempel,
Und—lach' sie durch die Finger aus.
Begeh' ich auch selbst ein Verbrechen,
Auf mich, den Frommen, denkt man nicht,
Von mir wird man nur Gutes sprechen,
Und wär' ich auch der ärgste Wicht.
Ich glaube, daß in diesem Leben,
Mag noch so groß die Sünde sein,
Mir sie der Himmel wird vergeben,
War auch mein Frommthun bloßer Schein,
Es Kündigt Jeder ja aufErden,
ich denn nur kein Sünder sein?
Zu enge wird die Hölle werden,
Käm jeder Sünder da hinein.
Ich glaube drum, daß im Getümmel
Derelnst am Aufersiehuugstag
Mir doch ein Plätzchen bleckn ini Himmel,
We.nn ja die Hölle mich nicht mag.
(Schluß folgt.)
Z w e i 112 >) l b i g e s Räthsel.
Fühlst du das Ganze in dem Busen beben,
Dann kann die Zweite nur allein
Der Brust den stillen Frieden wiedergeben,
llnd so der Ersten herben Schmerz zerstreun.
folgt.) .
Auflösung des Räthsels in veriger Nummer
Fledermaus.
Der Liberale Beobachter
Und Berks/ Momgomcry u»d Schuylkill Caumies allgemeiner Anzeiger.'
Zur Unterhaltung und Belehrung.
Die Schatzgräber.
I. Die feindlichen Alten.
In der kleinen märkischen' Stadt Z. leb
ten der Tischlermeister David Knorr und
der Kupferschmidt Tobias Hammerschlag.
Sie waren sich, da ihre Häuser dicht an
einander stießen, die' nächsten Nachbarn,
dennoch aber lange, einer geringen Klei
nigkeit wegen, die unversöhnlichsten Fein
de. Nun hatte der Meister Knorr eine
Tochter, die mit vollem Rechte das schön
ste, liebenswürdigste Mädchen im ganzen
Städtchen genannt wurde ; Meister Ham
merschlag hatte hingegen einen Sohn, den
man mit eben demselben Rechte den schön,
sten, liebenswürdigsten Burschen hieß-
Tinchen und Fritz, —wohl zu merken, wa
ren Nachbarskinder, und schon in frühe
ster Jugend einander zugethan. Letzterer
nun, erst vor Kurzem nach fünfjähriger
Wanderschaft in die Heimath zurückge
kehrr, sah das liebe Tinchen zur Jungfrau,
sie hingegen ihn zum blühenden Jüngliug
herangereift wieder. Was Wunder also,
wenn sich beide, trotz der Feindschaft ihrer
Väter, recht herzlich in einander verliebten
—Lange merkten die Alten nichts von dem
Einverständnisse ihrer Kinder, die es auch
gar wohl geheim zu halten wußten da
machte eines Tages Meister Hammerschlag
seinem Sohne den Vorschlag, sich um die
Tochter des reichen Webers Knöppel zu be
werben. Fritz erstaunt, denn bis jetzt hat
te er noch nicht an Heirathen gedacht; in
deß wußte er sich leicht zu fassen, und er
klärte dem Alten gradezu, daß er des We
bers Hannchen nicht lieben könnte. Mei
ster Hammerschlag wendete nun zwar al
les an. um den trotzigen ungerathenen Bu
ben, wie er ihn nannte, anderen Sinneö zu
machen, doch das fruchtete wenig, und er
mußte zuletzt schon seinen Lieblingsplan
aufgeben. Von dieser Zeit an beobachte
te er seinen Sohn genauer, denn er merkte
gar wohl, daß hinter dieser Weigerung, ei
nes der reichsten Mädchen in der Stadt zu
freien, etwas stecken müsse, was sich denn
auch bestätigte, als kurz darauf der Fritz
ein Herz faßte, dem Alten seine Neigung
zur Nachbarstochter entdeckte, und ihn um
seine Einwilligung zu einer Heirath mit
derselben bar. Meister Hammerschlag siel
wie aus den Wolken ; daß sein Sohn ei
nem Mädchen heimlich Liebe geschenkt ha
be, welches gerade die Tochter seines ärg
sten Feindes sei, das hatte er nicht erwar
tet. Gebührendermaßen fuhr er nun ü
ber seinen Sohn recht tüchtig her, und er
klärte fest und feierlich, daß er nie zu der
Tischlertochter seinen Segen geben werde.
Obgleich der arme Fritz gerade keiner gün
stigen Antwort auf seine Bitte entgegen
gesehen hatte, so war ihm dieser Ausspruch
seines Vaters doch zu hart, und er entsag
te von nun an aller Hoffnung, je einmal
die Geliebte sein zu nennen. In Z. aber
konnte und mochte er nicht bleiben ; weß
halb er denn auch bald seinen Vater mit
seinem Entschluß bekannt machte, sich näch
stens wieder auf die Wanderschaft begeben
zu wollen. Das ging dem Meister Hanv
merschlag nahe, zumal, da er längst bei
ruhiger Überlegung gefunden hatte, daß
des Tischlers reiches Tinchen gerade keine
unebene Parthie für seinen Fritz wäre,
und er beschloß daher, alleS Mögliche zu
thun, um den verliebten Burschen zufrie
den zu stellen. In Folge dessen vermoch
te er es über sich, heimlich an den alten
Knorr zu schreiben, dem er recht freund
schaftlichst die Hand zur Versöhnung nach
langer Feindschaft bot, ihn jedoch zugleich
auch um die Einwilligung in die Heirath
Tinchens mit seinem Sohne ersuchte. Knorr
war aber keineswegs der Mann, der sich
leicht mit einem Feinde versöhnen konnte,
er erwiederte daher dem Meister Tobias
knrz und kalt, da-ß es ihm unmöglich sei,
seinem Wunsche Genüge zu leisten.
Der alte Hammerschlag war ein biede»
res seelengutes Kerlchen! diese Antwort
jedoch empörte ihn dergestalt, daß er nun
nicht eher zu ruhen sich vornahm, als bis
zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
be» 23. 1841.
er, auf welche Weise es immer sei, dem
trotzigen Nachbar seine Einwilligung ab
gezwungen hätte.
2. Meister David Knorr und der Schatz.
Meister Knorr war ein eigenes wunder
liches Männchen, dem das viele Lesen ab
geschmackter Romane, Ritter-, Kloster-
und Geislergeschichten in seinerJugend den
Kopf gar sehr verschroben hatte, so, daß
er noch bis in sein spätes Alter hinein von
nichts anderem sprach und träumte, als von
glühender Liebe, sanftem Monden- und
Sternenschein, von einsamen Klöstern und
Kapellen, von Gespenstern auferstandenen
Todten und dergleichen, weßhalbihn denn
auch das ganze Städtchen nur den über
geschnappten Tischler nannte. Ging er
des Abends in das Wirthshaus, so redete
er gewöhnlich zuerst den Kellner oder Auf
wärter mit den Worten an : "Reich, Kna
ppe, dem König David einen Becher Wein,"
worauf dieser, der schon an solche Reden
gewöhnt war, ihm nichts andres, als für
einen Sechser Kümmel brachte. Jedes
weibliche Wesen, Frau oder Mädchen,
Jung oder Alt, das galt ihm gleich,— be
grüßte er mit den Worten : "Edle Jung
frau !" was denn manche bejahrte Sybille
zuweilen sehr übel deutete, indem sie sich
verblümter Weise alte Jungfer genannt
wähnte. Aus diesen und andern Redens
arten wird man nun vielleicht den Schluß
ziehen : Meister Knorr war verrückt.
Dem war aber nicht so, er hatte, so viel
wir wissen, bis an sein Ende seinen vollen
Verstand, und nur eine üble Angewohn
heit aus seinen Jugendjahren war es, daß
er immer die schwültigsten Worte und
Sätze aus alten Schmölkern, die er früher
einmal gelesen, in den Mund nahm. All'
seine Freunde und Bekannten würden sich
auch zuletzt wohl in sein sonderbares We
sen gefunden haben, wenn er nicht immer
neue Tollheiten auf die Bahn gebracht hät
te. So kam er unter andern einmal auf
die unsinnige Idee, in seinem Keller müsse
noch aus den Zeiten der Kreuzzüge her ein
grosser Schah vergraben liegen.
Ein Traum hatte ihm, wie er sagte,ver
kündet, au welcher Stelle derselbe zu sin
den sei und daß er ihn nur um Mitternacht,
während der Zeit des Vollmondes, in Be
gleitung eines herzhaften, furchtlosenMan
neS heben könne.
Nun hätte er auch gewiß schon längst
Nachforschungen im Keller angestellt, wen
ihm nicht immer so viel Schwierigkeiten in
den Weg getreten wären, als da sei daß
Auffinden eines herzhaften, furchtlosen
Mannes, der es wage, mit ihm um Mit
ternacht dahin zu gehen, wo, wie er bestimt
wisse, schon seit Jahrenein Geist umgehe,
als da ferner die Kenntniß des Schatzgra
benS und so weiter.
Von dieser seiner fixen Idee wußte nun
die ganze Stadt, und wir werden bald se
hen, wie der Meister Hammerschlag recht
weislich seinen Nutzen daraus zu ziehen
verstand.
Z. Der Unbekannte mit der Hahnenfeder.
Die Dämmerung brach ein, es läutete
in der Stadtkirche zum Abendgebet, so saß
der Meister Knorr tiefsinnig und nachden
kend bei seinem ziemlich beleibten augeschla
genen Folianten, der vom Schatzgraben
handelte. Aber es ward immer dunkler
und dunkler, und bald konnte der Alte kein
Wort mehr erkennen, er klappte deßhalb
daS Buch zu, stand auf, und schritt nach
denkend im Zimmer umher. „Eine ver
teufelte Geschichte, brummte er dann leise
vor sich hin, heute ist nun schon wieder die
erste Vollmondsnacht da, und noch habe
ich keinen Alraun, keine Wünschelruthe,
keinen Begleiter gefunden, um das hohe
Werk zu unternehmen. Soll denn das
schöne blanke Geld da unten im Sande e
wig liegen, soll ich nie zu seinem Besitz ge
langen?"
Muth, David Knorr," brummte
in diesem Augenblick eine tiefe Baßstimme,
"Fasse Muth! So Du willst, ist der
Schatz noch heute Dein!"
Der Alte erschrak, als er sich umblickte,
und eine lange hagre Gestalt vor ihm
stand, die tief in einen schwarzen Mantel
gehüllt, einen gar seltsam geformten mit
einer langen Hahnfeder geschmückten Hut
auf dem Kopfe hatte. Indeß wußte er
sich bald zu fassen, und den Unbekannten
fl'xirend, fragte er : seid Ihr?"
"Begnüge Dich damit, entgegnete Je
ner, wenn ick dir sage, ich will Dir heute
beim Heben deines Schatzes behülflich sein.
Wie? rief Meister Knorr freudig er
staunt, aber der Alraun und die Wünschet
ruthe—
"Das ist meine Sache. Heute Nacht
um zwölf Uhr sehn wir uns wieder. Bis
dahin sorge nur für Spaten und Hacke."
Mit diesen Worten verlies; er das Zimmer.
Meister David war selig, und stellte in
seiner Freude nicht einmal Betrachtungen
über den räthselhaften Fremden an, wer
er sei, wie er in sein Zimmer gekommen,
und mit dein letzten zwölften Glockenschla
ge trat auch schon der Fremde mit einer
Blendlaterne wieder in's Zimmer.
"Hier bin ich! brummte er, und nun
David Knorr, laß uns den Schatz heben!"
Jetzt wurde es aber dem Alten doch un
heimlich zu Muthe, und nur seine uner
sättliche Geldgier war es, die ihn, trotz
seiner Furcht, mit dec langen Gestalt in
den Keller hinabtrieb.
Dort angekommen, langte der Fremde
eine dünne Ruthe hervor, mit welcker er,
unter vielen Ceremonien auf und abschritt.
Endlich beugte sich dießuthe niederwärts,
nnd der Unbekannte blieb dicht an der Kel
lermauer stehen, die das Haus des Mei
sters Knorr von dem seines NachbaröHam
merschlag trennte. "Hier liegt der Schatz!
rief er dann mit hohler Stimme, "her den
Spaten ; hier liegt der Schatz!" Und nun
begann er emsig zu graben. Während deß
stand Meister David still in einem Winkel
und schaute mit Furcht und Wonne der
Arbeit des Fremden zu, ohne jedoch zu be
merken, daß dieser, nachdem die Erde ein
wenig aufgewühlt, sich fast einzig und al
lein nur bestrebte, mit der Hacke die Kel
lermauer zu durchbrechen. Endlich, ehe
noch der Schatz zu Tage gefördert war,
schlug die Kirchenuhr Eins. Da ließ der
Fremde Spaten und Hacke ruhen und sag
te dann zu dem Alten : "Für jetzt ist'S ge
nug, in nächstfolgenden Mitternacht erst
können wir das Werk vollenden-" Und
damit verschwand er.
!. DaS goldene Gemach, die Kupferschmie
de Werkstatt und die Versöhnung.
Als kaum der Tag angebrochen war, er
hob sich Meister Knorr vom Lager, die
Begebenheiten der letzten Nacht überden
kend. Er zweifelte keinen Augenblick mehr,
daß er bald im Besitze des herrlichen
Schatzes sein werde, nach dem er so lange
gestrebt, und freudevoll theilte er fast der
ganzen Stadt sein Glück, seine Hoffnung
mit. Auch deS räthselhaften Unbekannten
vergaß er nicht, Erwähnung zu thun, wor
über man ihn dann gebührendermaßen
recht tüchtig auslachte. Dadurch ließ er
sich aber keineswegs irre machen; im Ge
gentheil erwartete er ganz ruhig die kom
mende Mitternacht, in der festen Ueber
zeugung, sie werde ihn an daS Ziel seiner
Wünsche führen.
So verging der Tag. Der Abend brach
ein, der Mond und die Sterne stiegen auf. i
Es schlug zehn, eilf es schlug zwölf
und der Fremde trat, wie gestern gerüstet,
in das Zimmer. Knorr folgte ihm, bei
weitem nicht mehr so furchtsam als in der
vergangenen Nacht, in den Keller und die
Arbeit begann auf's Neue. Kaum eine
halbe Stunde war verflossen, als der Un
bekannte den Spaten und die Hacke fort
warf u. dem alten David zurief : "Siehst
Du den grossen Stein da an der Mauer?
den hebe auf und, Du erblickst den Schatz!
mit diesen Worten verließ er den Keller.
Knorr war nun allein, und ohne sich wei
ter zu besinnen, schob er den bezeichneten
Stein fort. Siehe, da schaute er in einen
Dummer 12.
weiten, geräumigen, hellerleuchteten Saal.
Ringsumher an den Wänden standen gol
dene und ziemlich umfangsreiche Becken
aufgeschichtet. Er schien vom Glänze ge--
blendet, und seiner Sinne nicht mächtig.
Endlich aber ermannte er sich, und war im
Begriff, durch das Loch in das goldene
Gemach zu steigen, als ihn von innen ei«
ne nervige Knpferschmiedehand ergriff, und
mit den Worten : "Endlich haben wir den
Dieb!" hineinzog. O, du grausames
Schicksal! Als sich Meister David um
schaute, sah er sich in der Werkstätte sei«
neö Nachbars. Die goldenen Schüsseln
und Becken waren nichts Anderes als kup
ferne Kessel.
"Aber ums Himmelswillen, ist dasmög
lich," rief nun der Meister Hammerschlag,
denn er war es, der den guten David durch
daS Loch daS möglich, Ihr,
Nachbar Knorr, seid der Dieb, dem wir
schon so lange nachspürten?"
Meister Knorr aber stand da, wie eine
Bildsäule, vor Schreck u. Erstaunen, und
wußte nicht zu antworten. Endlich brach
er fast weinend in die Worte aus; WaS?
Dieb? Ich ein Dieb?
"Allerdings," entgegnete der alte Tobi
as." Schon seit drei Wochen bemerke ich,
daß mir allnächtlich aus meiner Werkstät
te die werthvollsten Sachen gestohlen wer»
den. Lange wußte ich mir' 6 nicht zu er
klären, auf welche Weise der Dieb hier
eindringen könne, da jede Thür des Abends
sorgfältig verrammelt wurde-
Um dies zu erfahren, beschloß ich daher
gestern, in heutiger Nacht mit meinenGe
sellen dem Spitzbuben aufzulauern ; und
ich sehe denn nun mit Schrecken, daß Ihr
es seid, der "
Odu mein Himmel! jammerte Meister
David, bin ich denn toll, bin ich den behext,
wach' ich, träum' ich? Man hält mich
für einen Dieb?
"Nun, leugnen werdet Ihr es nicht kön
nen, Meister Knorr, nahm der alte Ham
merschlag wieder das Wort, daß Ihr so
eben in Begriff wäret, mich zu bestehlen.
Mein Sohn Fntz und diese vier Gesellen
sind Zeugen. Ihr werdet die Gefälligkeit
haben, die Nacht hier zu bleiben, damit ich
Euch morgen dem Bürgermeister überge
ben kann.
Da hielt sich meister David nicht län
ger. Händeringend stürzte er seinem
Nachbar zu Füßen und rief: Wie? Jstv
möglich? Ihr woll't mich wie einen Dieb
in's "Ihr erhaltet sogleich Eure Frei
heit wieder, und nie soll durch mich und
die Meinen, ich bürge dafür, ein Wort
von der Begebenheit dieser Nacht über die
Zunge kommen, das alles aber nur un
ter einer Bedingung: Wir versöhnen
uns nämlich, und Ihr gebt meinem Fritz
die Hand Eurer Tochter. Schon einmal
bat ich Euch darum, weil ich gern das
Glück meines Sohnes machen wollte.
Weigert Ihr Euch wie damals, so über
gebe ich Euch den Gerichten!"
Meister Knorr war seiner selbst nicht
mehr mächtig, daß ihn jener Unbekannte
betrogen, schändlich betrogen hatte, lag
klar am Tage, daß aber sein Nachbar mit
im Spiele war, ahnte er kaum.
Er besann sich also nicht lange und un
terschrieb ein Papier, in dem er feierlich
seine Tochter dem Sohne seines Nachbars
zusagte.
Tobias Hammerschlag hatte nun seinen
Zweck erreicht. Wenige Wochen nachher
waren Fritz und Tinchen Mann und Frau,
und Meister David versöhnt! Nie aber
erfuhr er den wahren Zusammenhang der
Sache-
Jener Unbekannte war übrigens einGe
sell des alten Tobias, ein kluger, pfiffiger
Kerl, der zum Glück in seiner Perkleidung
vom alten Knorr nickt erkannt wurde.
Volks Blatt-
Der Umgang mit Menschen ist ein wah
rer Umgang. Man geht ewig um einan
der herum, ohne sich näher zu kommen.