Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 14, 1918, Image 2

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    ! Dir Mlitc Amt,!
Roma» von Fritz Ttowrimnrk.
Erstes Kapitel.
Auf dem Bahnhof in Johannisburg
jstand die Menge Kopf an Kopf. Die
Gauern in langen Wandröcken; die
Frauen in greUroten Umschlagtüchern
put Heller oder duntler Haube. Da
zwischen einzelne Bürger der kleinen
«Stadt. Alles schob und drängle sich
in freudiger Erregung durcheinander.
Der Zug, der bereits von Rudzanny
signalisiert war. sollte die entlassenen
Reservisten und die Urlauber brin
gen! Eigentlich mußte er schon da
Sein. »
Vielleicht war er wieder vor dem
Berge liegen geblieben, wie im vorigen
Jahre, als die kleine Maschine den
Dienst versagte, so daß die Reservisten
aussteigen und die kurze Strecke bis
zum Bahnhof zu Fuß gehen mußten.
Doch nein, da diegk er um die
Waldecke. Aus jeden, Fenster streckten
sich drei, vier Köpfe. Stöcke, Mützen
und Flaschen werden geschwungen.
Trotz des Lärms, den die start ge
bremsten Räder verursachen, hört man
den Gesang der Baterlandsverteioiger.
Die Kehlen sind ihnen heiser gewor>
den, soviel haben sie schon unterwegs
gesungen und getrunken.
Aus dem letzten Wagen waren
zwei Gardisten gestiegen. Ein Gefrei
ter und ein Unteroffizier. Lachend
sahen sie auf das Menschengewühl,
das sich allmählich zu entwirren be
gann. Wie es schien, war niemand
getommen, diese beiden abzuholen.
„Du hast wohl deinem Alten nicht
den richtigen Zug geschrieben, Adam?"
Statt zu antworten, eilte der Ge
freite mit starken Schritten durch die
Menge aus ein ältliches Ehepaar zu,
das noch immer mit forschenden Bül
ten sich umsah. Der Bauer, ein gro
ßer Mann, trug einen feinen Ueder
zieher und schwarzen Hut nach städti
scher Art, die kleine rundliche Frau
ein teures schwerseidenes Tuch und
eine Kapuze.
„Adam!"
Das Auge der Mutter hatte den
Sohn entdeckt. Mit Tränen in den
Augen warf sie dem Heimgekehrten
ihre Arme um den Hals und zog sei
nen Kopf zu sich herunter. Vater
Piontek wußte in diesem Augenblicke
Sein Auge hatte die Gesreitenknöpse
entdeckt. Nun setzte die Freude von
neuem ein.
Die Mutter schlug die Hände zu
sammen. „Was, Gefreiter bist du
geworden?"
„Ja, Mutter, und bei der ersten
Uebung werde ich Unteroffizier. Das
hat mir auch mein Freund Willim
desorgt".
Der Unteroffizier war inzwischen
du dir allein zu verdauten".
Er schlug die Hacken zusammen
und legte die Hand an die Mütze:
„Unteroffizier Wilhelm Sobota, 3,
Kompagnie 1. Garderegiments zu
Fuß, beurlaubt auf vier Wochen nach
die Einladung".
„Lieber Herr Unteroffizier, was
haben Sie zu danken, wenn Sie uns
und unserem Adam eine Freude ma
chen? Wir haben Ihnen vielmehr zu
danken. Nicht wahr, Frau?"
Frau Piontek nickte, wobei ihr gro
ße Tränen die Backen hinabrollten.
„Sie sind uns so lieb, wie unser
Sohn. Wenn Sie dem Adam nicht
geholfen hätten —"
„Liebe Frau Piontek, wenn Sie da
von anfangen, kehre ich sofort um und
fahre nach Berlin zurück. Es würde
mir ja leid tun, denn das ist der erste
Urlaub, den ich nach dreijähriger
Dienstzeit in der Heimat verleben
soll —"
„Was, noch leinen Urlaub gehabt?"
Der Unteroffizier zuckte die Ach
seln. „Ich habe keine Angehörigen,
ren?"
kommen Sie jedes Jahr zu uns".
Mitten im Gespräch wandt« die
Frau den ttops zur Seite, denn ihr
sollte. Doch die Freude des Wieder
sehens besiegte die Bedenken. Er brei
tete die Arme aus und zog das junge
Mädchen an feine Brust.
Ueber das Gesicht seiner Mutter
flog «in Heller Freuöenschein. Unwill
kürlich saltete sie die Hände.
die Schwiegertochter, die wir uns
wünschten. Ein Tag der Freude, Herr
Unteroffizier, für uns zwei alte Men
schen!"
Damit eilte sie auch schon auf das
junge Paar zu und 'schloß es in ihre
Arme.
„Gottes Segen, meine Kinder! Got
tes Segen! Komm Vater, unser gu-
, ter Sohn bringt uns die Tochter zu".
I Von der anderen Seite kamen die
l Eltern des MädchrnS heran, behäbige
Bauersleute, deren Anzug ebenfalls
' Wohlhabenheit verriet, Mutter Piontel
ging ihnen entgegen.
„Hab ich's euch nicht gesagt: heut
ja, Wh er eure Lina lieb hat. Er
hat's bloß nicht gemertt, erst heute
beim Wiedersehen lam's raus".
Auf dem Wege zur Stadt erzählte
Mutter Piontel die Vorgeschichte die
ser Verlobung.
.Sehen Sie, Herr Unteroffizier,
Sie tennen doch uns:::?. Adam; der
den. Die Lina, ist ihm schon von
klein auf gut gewesen. Und sie ist
ein liebes, ordentliches Mädchen, sehr
tüchtig in der Wirtschaft. Und die
Höfe grenzen und passen auch mit
dem Land gut zueinander".
„Das ist wohl auch die einzige
Tochter?"
„Gewiß, und ein gehöriges Stück
Geld kriegt sie auch mit; die Solo
mons wirtschaften gut. Da haben
wir denn manchmal miteinander ge
> sprachen, wie gut sich das treffen
! würde, wenn wir die Kinder zusam
mengeben könnten. Aber, unser Adam
hat immer getan, als wollte er davon
nichts hören. Na, ich will's Ihnen
sagen, lieber Sobota. Da ist im Dorf
eine Margell, ihr Vater ist Stellma
cher mit seiner Arbeit verdient er
Grenze. Also die Eva ist un'erem
Adam auf Schritt und Tritt n.ichge
gangen."
„Ist sie denn hübsch?"
„Wie man es nimmt. Die Manns
leute sind ja hinter ihr her. Ich
will aber nichts Schlimmes von ihr
sagen —"
„Und der Adam?"
„Na, wissen Sie,- Herr Unteroffi
zier, die Männer sind alle so wie ei
! milcht lassen Sie man, lieber Herr
- Sobota, ich kenn das. Ich hab bloß
! immer gefürchtet, zwischen den beiden
> wird's eine Liebschaft werden und
dann blieb unser Adam kleben. Aber
diesmal war die Eva zu dumm
sie hat geglaubt, ihn damit zu locken,
daß sie spröd bleibt das versteht
der Adam nicht der muß genom
men werden wie die warme Semmel,
ehe sie kalt wird".
i Der Unteroffizier mußte laut auf<-
lachen.
> „Ja, ja, mein lieber Herr Sobota,
! Zweites Kapitel.
energisch und lange in der Stadt ge
! feiert. Die ganze weitverzweigte
Sippschaft der Pionteks und Solo
mons, von der Schwert- wie von der
i Spindelseite, war in Johannesburg
versammelt, denn es war Marlllag,
> dichten Gruppen standen Männer und
Frauen beisammen und besprachen
das Ereignis. .
Ueberall ging das Urteil dahin, d'.ß
zu wünschen sei, als die Verbindung
der Kinder. Das würde ein st.cktli
ches Herrengut abgeben, wenn die bei
den Wirtschaften zusammen fielen.
Und ein glückliches Paar würde es
auch werden! Der Adam ebenso or
dentlich und nüchtern, wie die Lina
! wirtschaftlich.
In dem großen Schankzimmer beim
Kaufmann Schweiger war die Gesell
schaft eingekehrt. Willim hatte den
Ehrenplatz auf dem lederbezogenen
Sofa zwischen den beiden Müttern
erhalten. Adam saß mit seiner Braut
seitwärts am Fenster und sah so zu
frieden stillvergnügt aus, wie ein
Mensch, welcher ein schweres Stück
! Arbeit glücklich geschafft hat. Die
Mutter schien ihn also ganz richtig
beurteilt zu haben.
> Es dunkelte schon, als man auf
brach. Adam fuhr mit seiner Braut
auf deren Wagen, Willim mit den al
ten Pionteks. Eine halbe Stunde
ging's in flottem Trabe aus der
Chaussee, dann bogen die Pferde in
Räder bis zur Nabe im Sande ver
sanken. Ein schöner Herbstabend,
still und klar. Hell funkelten die Ster-
Es war ihm so eigenartig zumute.
Früher saß er auf dem Kutscherbock
und führte die Leine, jetzt lehnte er
behaglich in den weichen Polstern des
Herrensitzes. Und wem hatte er das
zu verdauten? Dem Rock, den er trug!
Seine militärische Würde, sie würde
ihm auch weiter helfe». Klar lag
sein Lebensweg vor ihm. Durch
zwölfjährige Dienstzeit wollte er sich
den Zivilversorgungsschein erwerben,
der ihm das Anrecht auf eine Beam
tenstellung verlieh.
Aus seinem Sinnen störte ihn eine
Frage auf. Frau Piontek hatte bis
jetzt fast ununterbrochen erzählt; von
ihrer Besitzung, von der Verwandt
schaft, von der diesjährigen Eriite.
Willim hatte dazu nur manchmal me
chanisch mit dem Kopfe genickt. Jetzt
fragte die Frau:
„Von wo stammen Sie eigentlich,
lieber Sobota?"
„Aufgewachsen bin ich in Sentker«,
Frau Piontek".
„Was war Ihr Vater?"
Eine heiße Röte stieg dem jungen
Mann im Gesicht empor, als er leise
sagte: „Ich führe den Namen meiner
Mutter".
„Ihrer Mutter? Ach so! Also
Ihre Mutter war eine geborene Sobo
ta? Entschuldigen Sie, wenn ich wei
ter frage. Ich habe meine Ursach«
dazu. Wissen Sie vielleicht, von wo
Ihre Großmutter stammte und ihr
erzählt haben. Die Eltern meiner
Mutter haben früher wo anders ge
wohnt. Später zogen sie nach Seni
len und starben beide kurz hinterein
ander in dem Jahr, als die Cholera
kam".
„Wissen Sie wirklich nicht, wie
Ihre Großmutter mit Vatersnomen
hieß?"
Willim dachte nach. Als Junge hat
er aufgewachsen war, manchmal von
feiner Familie gesprochen hatten. Ihm
war so, als habe er dabei den Namen
Kosak gehört. Er sprach ihn aus.
Frau Piontek schlug die Hände zu
sammen.
„Mein Gott, so habe ich doch recht
vermutet. Dann ist Ihre Großmut
ter die Lowisa Kosack, die richtige
Halbschwester meiner Mutter".
Sie rüttelte ihren Mann, der sanft
eingeschlafen war. „August, hörst du?
Der Unteroffizier ist ein Verwandter.
Seine Großmutter ist die Lowisa Ko
sack, die den Sobota heiratete. Nein,
wie ich mich darüber freue, und wie
erst der Adam sich freuen wird, daß
Sie ... daß du kein Fremder bist,
sondern zu uns gehörst! Nun sag doch
bloß einer, wie Menschen im Leben
zusammenkommen. Aber nun, lieber
Willim, mußt du als Verwandter zu
so, als wenn ihr jemand ein große»
Geschenk gemocht hätte. Und erst
Vater Piontel! Willim war
Verwandtschaft auch war, sie freuten
sich, daß er zu ihrer Sippe geHörle...
Nun stand er doch nicht mehr so
sorgte. Die Erinnerung an die lie
beleere Jugend trieb ihm jetzt zum
erstenmal die Tränen in die Augen.
mit mir aus Königsberg ins Dorf
zurück. Die Stadt hatte sie dorthin
abgeschoben, wo sie heimatsberechtigt
men, wo der Tisch gedeckt stand, und
um ein Löffelchen Suppe gebettelt
habe. Später wurde es besser. Da
mußte ich die Gänse hüten, und als
ich größer wurde, die Schafe und
Schweine. Nach der Einsegnung blieb
ich bei demselben Bauern, beim Drin
seck, als Kleinknecht und bekam etwas
Lohn. Mit siebzehn Jahren wollte
ich freiwillig zum Militär gehen, aber
der Schulz gab mir nicht die Pa
piere heraus. Er meinte, meine Mut
ter hätte der Gemeinde so viel Kosten
verursacht, da sollte ich wenigstens bei
den, um durch meine Arbeit etwas gut
zu machen. Bei der Aushebung woll
ten die Herren mich zur Linie an
setzen, aber ich bat sehr, ich wollte
Die Alte faltete die Hände: „Das
war unser Glück, daß du dahin kamst.
Aber erzähle doch, wie hast du eigent
lich den Adam angetroffen?"
„Wqs ist da viel zu erzählen, Tant
chen? Ich war gerade Gefreiter ge
worden, als der Adam eing?zogen
wurde. Eines Tages bekam ich Ka
sernen-du jour. Ich revidiere also
abends die Stuben. Der Relrut Pion
tek ist nicht da. Ich frage die an
deren: sie wissen nicht, wo er hinge
gangen ist. In meiner Herzensangst
spring ich auf den Korridor zu den
Gewehrständen; ein Gewehr fehlt".
Die Frau neben ihm stöhnte und
rang die Hände. Er legte den Arm
um sie. „Nun reg dich doch nicht aus,
Tante, es ist ja alles gut geworden.
Ich habe ihn doch noch zur rechisn
Zeit gefunden. Er faß gonz hinten
in der Ecke des Hofes und weinte.
Das Gewehr hatte er neben sich an
die Mauer gestellt. Mit einem Satz
war ich neben ihm und nahm das Ge-
wehr an mich. Es war eine Pa
trone drin. Ja, Tante, der Adam
wollte eine große Dummheit begehen".
„Aber weshalb, lieber Willim,
weshalb?"
„Das kommt so manchmal über
einen. Er war ein bischen ungeschickt,
hat sein Korporal ihn 'n bischen mehr
gezwiebelt als die anderen. Da be
fiel ihn die Sehnsucht nach Hause. In
solch einer Stimmung begeht manch
einer eine Dummheit. Entweder er
rückt aus, oder greift zum Gewehr".
lich! Er war ein Landsmann von
mir, wir hatte» schon ein paarmal
masurisch miteinander gesprochen. Da
habe ich ihm gut zugeredet und ihn
auf die Stube ins Bett gebracht.
Darauf ging ich zum Feldwebel,
der mich gut leiden mochte, und auch
seinen Korporal Hobe ich gebeten, er
möchte mit ihm etwas Geduld haben,
Zähne zusammen und gab sich Mühe.
Das übrige wißt Ihr ja. Im nächsten
Herbst wurde ich Unteroffizier und be
kam ihn in die Korporalschaft".
„Ja, ja, wir wissen, was wir dir
zu danken haben".
„Na, macht bloß nicht so viel Auf
hebens davon. Jeder andere würde
ebenso gehandelt haben wie ich, und
Ihr habt mir schon genug dafür ver
golten. Immerhin ein Päckchen nach
dem anderen, in jedem lag Geld Lrin".
Am anderen Vormittag saß Willim
mit dem Ontel beim Frühstück in der
großen Stube, die noch ganz nach
alter Weise eingerichtet war. In der
einen Ecke der lange, weiß gescheuerte
Eichentisch mit zwei Holzbänlen, auf
Himmelbett, worin die beiden alten
Leutchen schliefen. Die Tante hatte in
dem feinsten Zimmer decken wollen,
auf der anderen Seite des Haufes,
wo drei Räume mit teuren Möbeln
auf städtische Art eingerichtet waren,
Willim hatte dagegen Einspruch er
hoben, und die Tante freute sich dar
über, daß er nicht als Gast, sondern
als Verwandter behandelt sein wollte.
Adam war schon früh aufgestanden,
und in die Ställe und auf das Feld
gegangen, um sich an dem zu erfreuen,
woran sein Herz hing. Die Tante
ging zwischen dem Tisch und dem
großen Herd, der den offenen Kamin
verdrängt hatte, hin und .>er. Sie
hatte viel zu tun, denn alles, was die
Hände rühren tonnte, war auf dem
Feld beim Kartoffelgraben. So tonn
ten sie denn vertraulich ein Wort mit
einander sprechen. Sie hatte sich eben
von Willim erzählt lassen, daß er
seine zwölf Jahre abdienen wolle, um
dann Beamter zu werden. Jetzt kam
sie mit dem großen Kochlöffel in der
Hand zum Tisch, stemmte die Arme
in die Seite und schüttelte mißbil
ligend den Kopf.
„Ach was. Junge, wirst dich all die
Jahre abplagen und deine Knochen
schinden, dos hast du doch nicht nö
tig".
„Ja, Tante, was soll denn aus mir
werden? Ich habe doch nicht einen
Pfennig Vermögen".
„Ist auch gar nicht nötig, dafür
„Was willst du denn aus mir ma
chen, Tantchen?"
„Einen Bauer, mein Jungchen! Du
bist in der Wirtschast groß geworden,
bist ein hübscher forscher Kerl. Du
tannst eine Frau mit Geld bekommen,
kaufst dich an, oder noch besser, heira
test ein in eine warme Stelle und bist
dein freier Herr. Habe ich recht, Al
ter, oder nicht?"
Der Bauer nickte bedächtig. „Ge
wiß hast du recht, das ist auch meine
Meinung. Es braucht ja nicht heute
oder morgen zu sein. Da ist beim
Wnuk in Mostollen, meinem richtigen
Halbbruder, eine Margell im vo
rigen Jahre eingesegnet. Die wird
mal die Wirtschaft betommen, denn
der einzige Sohn ist als kleines Kind
verunglückt. Der arme Junge muß
Drittes Kapitel.
früher als unerreichbares Ziel vorge
schwebt hatte, als freier Mann auf
eigenem Grund und Boden zu stehen,
spannen, greifbare Gestalt annahm?
Wohl kaum! Er war gern Soldat
geworden, weil die Militärzeit ihn von
ten Gespannlnechts befreite. Sie soll
gesicherte höhere Lebensstellung zu er
ringen. Wenn er nun das Ziel auf
leichtere Weise und schneller erreichte?
Freund eine geheime Unruhe drängte.
Als glücklicher Bräutigam hätte Adam
täglich doch wenigstens einige Stun
den bei seiner Braut zubringen müs
sen. Er lachte nur, als sein Freund
ihm das vorhielt.
„Wir sind uns gut und werden unS
also das ganze Le
ben verbringen. Viel
von unserer Soldatenzeit erzählt".
Willim lachte. „Du, Adam, das
ist eine gefährliche Sache. Das soll
schon manchmal vorgekommen sein,
daß ein Freund dem anderen die
Braut abspenstig gemacht hat".
Adam zuckte die Achseln. „Wenn
grämen? Ich fand doch immer noch
eine andere, welche mir ebensogut ge
fällt ooer noch besser".
„Aber inein Gott, Adam, wenn du
so denkst, weshalb hast du dich mit
dem Mädchen oerlobt?"
„Ich mich verlobt? Hast du denn
kam, gab ich ihr in der Freude des
Wiedersehens einen Kuß. Was dar
auf folgte, hast du ja miterlebt. Ich
war verlobt und wußte nicht wie".
Er fügte nachdenklich hinzu:
„Wahrscheinlich ist eS auch daS Beste
gehen wollte. Jetzt erst fiel Willim
bändelte, obwohl er sich inzwischen
verlobt hatte? Hatte sie etwa ältere
Ansprüche und bemühte sie sich, die
scheute, mit einem verlobten Manne
eine Liebschaft zu unterhalten? Dar
aufhin schien die resignierte Aeuße
l rung Adams hinzudeuten, daß die
Heirat mit Lina das Beste wäre. Als
wenn er darin gegen eine Leidenschaft,
die ihn zu verderben drohte, «-chutz
! D°'s E' 112 chst w" s
! Adam trieb ihn, diese Möglichkeit
l auszumalen. Der reiche Erdsohn
hatte sich in das arme Mädel verliebt
und Gegenliebe gefunden. Die Eltern
! Adam bei dem Wiedersehen auf dein
Bahnhof sich von der Mutter hatte
überrumpeln lassen, war wohl eine
Uebertreibung. Er hatte nur still
schweigend sich vorwärts treiben las
sen, weil er durch die Verlobung der
Tante, in welchem Ruf die Eva stän
de. Die alte Frau sah ihn erst er
staunt an. Dann lachte sie verschmitzt
und drohte ihm mit dem Finger.
! „Weshalb fragst du? Willst du
etwa dein Glück bei dem Mädel ver
suchen?"
„Nein, Tante, wirklich nicht".
„So, so. Dann muß ich dich noch
einmal fragen: Wir kommst du dar
auf? Sei ganz offen, Willim. Du
fragst des Adams wegen? Was weißt
du von ihm?"
„Liebstes Tantchen, ich halte es für
meine Pflicht, dir zu sagen, daß der
Adam die Lina nicht liebt. Sie ist
ihm so gleichgültig, wie jedes andere
Mädchen. Aber er wird sie heiraten,
weil Ihr es wünscht".
„Na, was schadet das? Du weißt
doch auch, wie die meisten Heiraten
hier zustande kommen. Die Eltern
sehen sich um. wo in der Nachbarschaft
eine gute Partie für ihren Sohn oder
die Tochter zu finden ist. Die Kinder
werden verlobt, heiraten sich und wer
ben glücklich miteinander".
„Ja, 'Tante, das kann schon richtig
sein. Aber dann liebte der Mann
keine andere".
„Was sagst du, mein Jungchen?
Was meinst du damit? Hat dir der
Adam vielleicht etwas davon ge
sagt?"
„Nein, Tante, mir ist der Gedanke
gekommen, daß zwischen den beiden
nicht alles in Ordnung ist, weil Adam
mir neulich sagte: es würde für alle
das Beste fein, wenn er die Lina hei
i ratete".
! „Es ist gut, daß du mir das ge
. sagt hast. Ich werde aufpassen. Oder
° noch besser: Frag doch den Adam
selbst. Er wird dir' sicher die Wahr
heit sagen".
Willim war dieser Auftrag unan
genehm. Aber tonnte er seine Dank
barkeit gegen die alten Pionteks besser
betätigen, als wenn er ihnen über
viese Dinge Klarheit verschaffte?
Vielleicht ließ sich ein Unheil verhü-
d. d zn h
wollten sie die kleinen Schonungen, die
Vater Piontek überall auf den Berg
kuppen angelegt hatte, durchdrücken.
Ein Dutzend Hasen würden sie sicher
F?mte!" die
Vertrauen zu sprechen. Der Zufall
kam ihm zu Hilfe. Auf dem Wege
zum Felde fing ein junger Besitzer
den Adam an zu necken, daß er noch
dem Paradiese vertrieben werden.
Ziemlich schroff entgegnete Adam, es
ginge keinen an, was er täte.
dich lachen".
Adam war bei diesen Worten ganz
bleich geworden. „Weshalb denn?"
der nach seiner Verheiratung ge
schröpft werden soll. Weißt du denn
nicht, daß die Eva seit dem Frühjahr
einen Schatz hat? Einen Wachtmei
ster von den russischen Straschniks?
Manchen Tag liegt der Kerl von
morgens bis abends bei ihnen im
Hause. Und nachts geht der alte
Kruk ganz ungefährdet mit dem Bal
len Seide über die Grenze".
„Das ist nicht wahr?!"
„Wie kannst du sagen: es ist nicht
wahr? Wir wissen es" doch alle. Ich
habe es dir jetzt gesagt und du tannst
tun und lassen, was du willst. Es
tut uns bloß leid, daß ein guter Kerl
führt wird".
Adam hatte dazu nur mit den Ach
seln gezuckt, aber nichts erwidert. Erst
auf dem Rückwege nach Hause kam
Willim dazu, mit ihm darüber zu
sprechen. Er stellte ihm vor, daß es
doch eine große Dummheit wäre, sich
so kurz vor der Hochzeit mit einem
anderen Mädel einzulassen, abgesehen
davon, daß es wirtlich nicht ehrbar
halten, einer Margell von so zweifel
haftem Ruf nachzulaufen.
„Ich kann es mir schon herausneh
men, mein Junge, mit dir über dies«
Dinge zu sprechen. Du bekommst ei»
liebes, hübsches Mädchen zur Frau,
das dir nicht nur ein großes Be
sitztum zubringt, sondern dich auch
von Herzen lieb hat. Und das willst
du dran geben für solch eine Margell?
Und was soll denn werden, wenn du
heiratest?"
„Es fragt sich noch, wen ich hei
rate!"
„Wenn du so denkst, sind wir die
längste Zeit Freuude gewesen. Ich
bin kein Mucker, der sich darüber auf
regt, wenn sich zwei junge Menschen
lieb haben, doch hier liegt die Sache
anders. Du brichst dein Wort, wenn
ster ist Unsinn. Der Kerl ist hmt«
der Macgell her, das ist richtig. Aber
daß sie von ihm nichts wissen will,
das weiß ich ganz genau. Der Alte
zwingt sie dazu, still zu sein, weil .
er dafür ohne Gefahr über die Grenze
gehen kann. Er trägt nicht Seide,
sondern Papier, bedrucktes Papier
alte Kruk beim nächsten Gang über
die Grenze aus Nimmerwiedersehen".
So schlimm hatte Willim sich die
Sache nicht ausgemalt. Was sollte er
da raten oder helfen? WaS wollte
ein Mädel? War ihr Verhalten Be
gewinnen.
Er sprach es offen au«, was er
Adam hörte schweigend zu,
stehen.
(Fortsetzung folgt).