Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 28, 1918, Image 3

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    Abgeblitzt.
Lieschen Schmid war ein kluges,
hübsches und liebenswürdiges Mäd
chen. außerdem als einzige Tochter des
reichen Tuchfabrilanten Balthasar
Schmid im Besitze ein«r stattlich«»
Mitgift, so daß es nicht zu verwun
dern war, wenn zahlreiche Verehrer
das leckere Goldfischchen umschwärme
tei» Der hübscheste unter diesen hieß
Felix Walter und war Photograph.
er gefällige Manieren befaß, so war
Dieses freundschaftliche Verhältniß
erhielt aber plötzlich einen Stoß.
Schuld daran war Herr Micha«! Klee
spitz, der einzige Sohn einer Jugend
in die Familie des Tuchfabrikanten
hineinplatzte. Der Zweck dieses Besu
ch«? war nicht schwer zu errathen.
ordentlich reich und hätte es gern ge
sehen, wenn ihr Michael das vermö
gende Fräulein Liebchen als seine
in den Augen eines Mädchens begeh
renswerth machen, schien belanglos,
denn der oberst« Grundsatz im Klee
spitzschen Hause war Geld und wied«r
Geld. Geld schien ihnen der Schlüssel
zu allen Erfolgen zu fein.
Auch die Mutter Lieschens fand an
dem geplanten Viindniß Gefallen und
nahm sich vor. es mit allen Mitteln zu
fördern. Und das fiel schwer ins Ge
wicht. Denn wenn auch Papa Schmid
die Herzensneigung seines Töchter
chens zu dem ihm viel sympalifcheren
jungen Photographen vollkommen bil
ligte, so war doch die Hauptperson in
der Familie die Frau Mama, und
auch Lieschen wagte es nicht, sich den
bestimmten Wünschen ihrer Mutter zu
widersetzen. Aber sie fühlte schon jetzt,
daß eine Ehe mit dem ihr verhaßten
Kleespitz sie tief unglücklich machen
Felix tröstete sie, so gut er es ver
mochte.
„Es wird und muß sich ein Ausweg
finden !" sagte er. „Deine Mutter kann
auf die Dauer nicht blind sein gegen
die wahren Motive einer solchen Hei
rath; ist sie auch momentan durch die
äußeren Vortheile dieser Verbindung
bethört, so ist sie doch bei aller Stren
ge und Voreingenoinmmenheit eine
viel zu rechtlich denkende Frau, um
das Herzensglück ihrer Tochter einem
Manne zu opfern, der ihrer nicht wür
dig ist. Und ihr darüber die Augen
zu öffnen, soll mein eifrigstes Bemü
hen fein."
Eine leichte Aufgabe war das frei
lich nicht, die'sich Herr Felix Walter
da gestellt hatte, denn Frau Schmid
war sehr argwöhnisch in Bezug auf
eine derartige Absicht, und nur ganz
handgreifliche Beweise hätten sie um
stimmen können. Aber der Zufall kam
Felix auch hier zu Hilfe und zwar in
Gestalt einer Erbtante des alten
Schmid. Diese, die in der benachbar
ten Residenzstadt wohnte, wurde
Plötzlich bedenklich krank und die
Rücksicht auf das Prädikat „Erb" nö
thigt« das Ehepaar Schmid, ohne
Zeitverlust an das Krankenlager der
„Tante" zu eilen; allerdings nicht
ohne eine gewisse Beunruhigung sei
tens der Frau Schmid, denn sie muß
te ja ihr Töchterchen allein daheim
lassen. Aber schließlich kannte sie ihr
Lieschen als folgsames Kind, und so
schärfte sie ihr denn mit ganz beson
derem Nachdruck ein, während der Ab
wesenheit der Eltern keinerlei Besuche
zu empfangen.
Kaum aber war das Ehepaar
Schmid auf der Bahn, so klopfte Herr
Felix Walter an die verbotene Pforte.
„Das Fräulein ist nicht zu Hause,"
sagte die alte -Therese, ein gutmüthi
ges, aber beschränktes Geschöpf, da»
schon ewundzwanzig Jahren in
„Ich komme auch nicht zum Fräu
lein, sondern zu Ihnen, Jungfer The
rese," gab Felix mit einer galanten
Verbeugung zurück.
„Zu mir?" fragte diese mit er
staunter und zugleich mißtrauischer
Miene.
„Jawohl, Jungfer Therese!" Ich
Das Gesicht des alten Mädchens
strahlte.
„Ach Gott, Herr Walter," rief sie,
ich bin noch niemals nicht auf einem
Maskenball gewesen!"
„Na, sehen Sie," ermunterte sie
" d st hl d ASd ck
oon vorhin wich einer kläglichen Zag
haftigkeit „ich weiß ja gar nicht,
?b mich das Fräulein fortlassen wird.
nicht!"
ruhigt," tröstete sie Felix, „Sie dür
fen dem Fräulein nur sagen, daß ich
i« meinem Atelier. Als Photograph
braucht man derlei Sachen, wie Sie.
wissen. Es ist ein eleganter, rothseide-
ner Domino mit einem feschen Kopf
„O, sind svirkl^ich
stimmte Felix zu und entfernte sich
wieder, sehr zufrieden mit dem Erfolg
seiner Operation.
Felix am gleichen Tische Platz.
geS Gesicht. Herr Kleespitz," leitete er
das Gespräch ein.
„Ach, da soll man auch nicht ,"
warf Herr Michael ein, „'s ist doch
«ine ganz verwünscht alberne Gefchich
radezu grausam von wegen äh, Sie
Herr Kleespitz hatte keine Ahnung
davon, daß Felix und Lieschen sich
g«rn hatten, auch fühlt« er sich in sei
ner Position viel zu sich«, als daß
ihm auch nur ein Gedanke an die Ri
valität des „armen" Verwandten ge
kommen wäre. „Was mich betrifft,"
nahm Felix d«n Faden auf, „so werde
ich Fräulein Lieschen wahrscheinlich
heute abend noch sehen und mich im
Walzertakte mit ihr drehen!"
Kleespitz gab es einen Ruck, er sah
den Pfiffig vor sich hinlächelnden Fe
lix verdutzt ins Gesicht.
„Ich verstehe Sie nicht, lieber Wal
ter," sagte er, und man sah es ihm
an, daß er die Wahrheit sprach.
„Die Sache ist ganz einfach die,"
fuhr Walter gleichmüthig fort, „daß
Fräulein Lieschen gern einmal heim
lich einen Maskenball besuchen möchte.
Durch die Abwesenheit ihrer Eltern
bietet sich ihr nun eine vielleicht nie
wiederkehrende Gelegenheit, und da
heute abend in den Rosensälen ein
Ball abgehalten wird, dürfte sie sicher
dort zu finden sein."
„A Pah!" warf Kleespitz etwas be
ruhigt ein, „das ist nur so eine Kom
bination von Ihnen, die alte Therese
wird sicher nicht zulassen, daß sie aus
dem Hause geht."
„Dienstboten sind leicht herumzu
kriegen," entgegnete Felix und was
meine Kombinationen anbetrift, so
gründen sie sich diesmal auf eine sehr
reelle Unterlage. Vor kaum einer
Stunde ging ich nämlich an ihrem
Hause vorüber und sah, wie ein mir
belannter Bursche aus «inem Masken
verleihgeschäft im Begriff stand, das
selbe zu betreten.
„Da sind Sie falsch," rief ich ihm
zu, „hier ist niemand zu Hause."»
„O, doch," erwiderte er mit ver
schmitzten Lächeln und öffnete einen
Karton, in dem ein prachtvoller, ro
ther Domino nebst einem etwas auf
fallenden Kopfputz lag. Ich wußte ge
nug und fragte darum auch nicht wei-
Fräulein Siesel .... . fragte
stotternd Kleespitz.
Walter zuckte die Achseln.
„Glauben Sie vielleicht, daß der
kostbare Staat für die alte Therese
bestimmt war?"
Nein, das war sicher nicht der Fall,
kalkuliert« jetzt auch Kleespitz, und
F«lix mußte entschieden recht haben
>mit seiner Vermuthung. ,
! „Unerhört," fuhr Kleespitz grimmig
! auf, „ich werde sofort zu ihr eilen und
den."
„Sie vergessen, daß sie keine Besu
che annehmen darf, nicht einmal die
! Kleespitz sah ein, daß Felix recht
lich einbilden, die ganze Nacht mit
ihr tanzen zu können," schrie er auf
gebracht und ohne eine Antwort ab
zuwarten, fuhr er fort: „Aber ich
weiß, was ich thue, ich gehe selbst auf
den Maskenball und werde gewisser
. maßen den Schmidschen Schutzengel
spielen."
verständliche Idee, lieber Kleespitz."
gab lachend der schlaue Walter zurück,
„deswegen erzählte ich Ihnen ja auch
„Ja, wirklich." pflichtek Kleespitz
dener Domino mit einem etwas auf
fallenden Kopfputz," rief Felix und
entfernte sich, auch hier äußerst zufrie-
Einige Stunden später durchschritt
der schwarzbefrackte Kleespitz das
schöne Maske," führte er sich bei der- !
selben ein.
lachte.
„Es ist uniitz. Deine Stimme zu
verstellen, ich weiß ja doch, wer Du
bist," flüsterte der schlaue Kleespitz.
„Wirklich?" kam es schelmisch und
eben noch niemals nicht auf einem
„Ich weiß Du bist «in braves Mäd
chen," erwiderte Kleespitz
und sonst mit keinem anderen, auch
nicht mit Herrn Walter, der dort
eifersüchtig in der Ecke sitzt; zweitens
„Einverstanden!" wiederholte der
Domino und seufzte erleichtert auf.
Und so geschah es auch. Den gan
zen Abend ließ der verliebte Kleespitz
den rothseidenen Domino nicht von
seiner Seite und mit Ungeduld er
wartete er, bei einer Flasche Cham
pagner sitzend, die Mitternachtsstunde.
Und kaum hatte diese noch ausgeschla
gen. da spitzte er auch die Lippen und
flötete: „Nun aber mein Kiißchen, sü
ßer Schatz!"
„Hier ist er," sagte bereitwillig der
süße Schatz, sich demaskierend, und
Kleespitz war einer kleinen Ohnmacht
nahe, als er die welken Lippen der al
ten Therese auf den seinen fühlte. Hin
ter dem Pärchen aber stand Felix
Walter und lachte fröhlich in sich
hinein.
Einige Tage nach dem Balle, als
das Ehepaar wieder von seiner Reise
zurückgekehrt war, erhielt Frau
Schmid einen Brief. Sie öffnete ihn,
fand aber nichts darin als einige
Photographien. Nichtsdestoweniger
aber betrachtete sie diese mit lebhaftem
Interesse und schloß sie dann sorg
fältig ein.
„Du, Balthasar," sagte sie am an
deren Morgen zu ihrem Manne, „ich
glaube, der junge Kleespitz ist doch
nicht der richtige Gatte für unser
Lieschen."
„Das glaube ich schon lange," er
widerte Herr Schmid, und spitzte die
Ohren.
„Und da wie es scheint, Lieschen
Herrn Walter ernstlich in ihr Herz ge
schlossen hat, so wollen wir ihm in
Gottes Namen unser Mädel geben.
Das heißt, wenn Du einverstanden
bist."
„Das bin ich schon seit allem An
fang," beeilte sis Herr Schmid zu sa
gen. „Aber da Du für den zungen
Kleespitz so eingenommen warst, 50.."
„Schweig, mir, bitte, von dem!"
herrschte ihn die strenge Gattin an,
„ich sagte es Dir ja, er ist kein Mann
für unsere Tochter."
Das glückliche Lieschen konnte sich
zwar die rasche Wandlung ihrer Mut
ter nicht erklären, als ihr aber Felix
bei der Verlobung heimlich eine Blitz
lichtaufnahme wies, die ihren ehema
ligen Verehrer zeigte, wie er einen ihr
wohlbekannten Domino küßte, da be
griff sie den Zusammenhing.
„A," sagte sie ihrem glückstrahlen
den Felix ins Ohr, „Herr Kleespitz ist
also ganz gründlich .abgeblitzt'!"
««»» selten« »trche.
In Stiviehall bei Coventry, Eng
land, befindet sich eine Kirche, die von
de Hülfe erbaut würd«. war «in
Steinmetz John Green aus Coventry,
der sich im Jahre 181 k) an diese eigen
artige und schwierige Aufgabe machte
und sie sieben Jahre später vollendete.
Diese Kirche dürste das einzige derar
tige Gebäude in der Welt sein, das
von einem einzigen Manne erbaut
wurde.
»t« »,ft« ihre» Wille» dek«m.
„Mama!" rief die kleine Elsie, als
sie im Bette lag und unten im Eß
was zu trinken."
„Du sollst schlafen, Elsie!" antwor
tete die Mutter, die Besuch hatte, är-
- , z t ' k !"
verstehen?
Glaubhafter Eifer.^
besuchend): „Was ist das? Du liegst
mit den Kleidern im Bette?" Stu-
Tantt Claras Schätze.
tante. Sie wohnte in einem Vorort
Berlins weit draußen, wo, wie man
zu sagen pflegt, die Füchse einander
gute Nacht sagen, und wo die Woh
nungen billig sind.
Dort hatte sie zwei Stübchen zur
Wohnung mit «iner kleinen Küche, in
der sie selbst sich ihr nicht allzu reich
liches Essen bereitete. Und wenn
auch Tante Clara gern von ihrer „Be
dienung" zu sprechen pflegte, so war's
doch um diese auch nur so bescheiden
bestellt: eine Frau kam des Morgens
auf ein paar Stunden, um der alten
Dame das „Gröbste" der Hausarbeit
selbst zu bereiten.
Und doch besaß Tante Clara
Schätze, wahrhaftige Schätze, die man
chem schon begehrenswerth erschienen
waren.
Darin besteht ja doch das eigentliche
Wesen eines Schatzes, daß sein Besitz
anderen werthvoll und erstreben-wür
dig erscheint. Das schönste Schloß
in einer Einöde, in der Niemand woh
straße des Lebens; Gold und Edel
steine sind werthvoller als viele Dinge,
die weit seltener und schwerer zu
haben sind als jene, nur weil die
Leute sich gerne damit schmücken.
Und so besaß auch Tante Clara
trotz ihres einfachen Haushaltes, in
dem sie das bescheidenste Leben-führte,
ein paar Schätze, die sie sich aus besse
ren Zeilen in dieses Vorstadt-Idyll
gerettet hatte.
Ja, auch Tante Clara hatte einst
freundlichere Tage kennen gelernt. Die
alte Dame war einst eine „gefeierte
Schönheit," freilich gefeiert nur in
dem engen Kreise der Gesellschaft
einer Provinzialstadt, wo sie als Gat
tin eines höheren Beamten ein Haus
ausmachen durfte und umworben
wurde von allen denen, die sich von
ihres Gatten Gunst einige Vortheile
versprachen.
Die weißen Haare, die jetzt ihre
spitzen Züge umrahmten, waren einst
goldblond, und diese selbst waren da
mals von einer Schönheit, deren letz
ter blasser Schimmer sie nur manch
mal noch aufleuchten ließen, wenn
Tante Clara mit wohlgefälligem Be
hagen von jenen besseren Zeiten er
zählte, und wenn sie ihre Schätze vor
führen konnte, die ja aus jener Glanz
zeit ihres Lebens stammten. Ihr
Gatte war jung gestorben, und wenn
daß sie aus dem angekämmtcn Haar
zwei dicke Zöpfe sich noch fischten las
sen konnte.
mehr tragen und benutzen könnend
Als ihr Gatte gestorben war, als sie
plötzlich Wichen aus de^m
! Haar, das ihr zwar noch immer in
! Fülle vom Scheitel hing, passen woll
j ten.
!und Fülle hatten und mit denen sie
daher wohl in ihrer einfachen Weise
verkehren konnte.
Und diese Verwandten, Cousinen
und Nichten, deren Kinder schon
auch dann und wann einmal da drau
ßen in ihrer kleinen Wohnung im
Vorort. brachten
anderer Wünsche zu erfüllen, sie hatte
ja ihre Schätze, die Zeugen ihrer
Glanzzeit. Sich von ihnen dauernd
trennen, hätte sie um alles in der
Welt nicht fertig gebracht, sie selbst zu
benutzen, dazu fehlte ihr bei ihrer ein
fachen Lebensführung jede Gelegen
heit, sie anderen leihen, daß diese
vornehmen Gesellschaften, zu denen
die Granatkette bereits gekommen
war, und von den Künstlerfesten, die
sen Festen wußte Tante Clara so leb
haft zu berichten, als ob sie selbst und
nicht nur ihre Schätze dabei gewesen
wären.
Die Abenteurer unter ihren Schä
tzen waren die goldblonden Zöpfe.
Wenn Tante Clara von den Erleb
nissen dieses Schatzes zu erzählen be
gann, dann konnte sie kaum ein Ende
Bühne betreten", diese Zöpfe. Eine
Schauspielerin hatte sie sich einmal
, ausgeliehen und hatte mit ihnen sogar
Gastspielreisen gemacht, und scho
nungslos erzählte die alte, weißhaa
rige Tante Clara, daß die Schauspie
lerin ihren großen Erfolg aus den
Gastspielen nicht zum mindesten ihren,
Tante Claras, goldblonden Zöpfen zu
danken habe. Sogar verliebt habe
sich ein Graf in dieses Haar und habe
die Schauspielerin mit seinen Anträ
gen verfolgt.
Ja, und das war ihr Haar, Tante
Claras Haar; auf ihrem Scheitel
war es einst gewachsen,auch ihr hatten
einst die Männer Schmeicheleien ge
sagt und ihr des schöneik Haares hal
ber gehuldigt, sogar ein Kronprinz
von Preußen.
Freilich, auch den anderen Schätzen
der Tante Clara hatte es nicht an
mancherlei Erfolgen gefehlt.
Der Fächer ist einst sogar gemalt
worden. Er wurde „verewigt auf ei
nem wirklichen Gemälde", wie Tante
Clara immer mit Wichtigkeit berich
tete. Ein Maler, dessen Atelier in
der Nähe ihrer Wohnung lag. hatte
an einem großen Bild gemalt und
dazu „hatte er den Fächer ganz noth
wendig gebraucht," wie Tante Clara
erzählte. „Er hätte ohne den Fächer
nicht das Bild malen können, hat er
immer gesagt", so fügte sie stolz jeder
mal hinzu.
zu erzählen.
gar bald herausgefühlt, wie sich die
alte Dame immer freute, wenn sie zu
. ihr kamen, um sich einen ihrer Schätze
auszuleihen. Wie gern erzählte sie
dann die „Erlebnisse" dieses Schatzes
und wie gern ließ sie sich selbst dann
später, wenn der Gegenstand zurückge-
Geschichte dieses Schatzes eine Berei
cherung erfahren hatte.
Und es waren gar liebe Verwandte
Claras für ihre Schätze erkennend, sie
immer wieder von Zeit zu Zeit, um
die liebe Alte zu erfreuen, sich von
ihr dies und jenes ausliehen, unter
herrlichsten und glänzendsten Erleb
nisse erzählten.
hatten jeden Glanz verloren, der Pa
riser Fächer war ganz grau geworden.
in die kunstvolle Schnitzerei der ver
gilbten Elfenbeinbrosche hatte sich
Altersstaub gesetzt, und die Granat
all das Leben an Freuden
So war wohl Jahr um Jahr ver
gangen.
Da hatte doch einmal eine Groß
nichte Tante Claras das Verlangen,
nach der lieben Alten zu sehen. Viel
leicht hatte auch irgendeine Besorgung
sie in die Nähe von Tante Claras
Wohnung geführt.
Und als sie anllopfte an die Thür
von Tante Claras Wohnung, da war
es ihr ganz eigen zu Muthe; sie hörte
auch nicht das gewohnte „Herein!"
der Alten. Aber eine Nachbarin
stürzte aus ihrer Wohnung und flü
sterte: „Ruhig!" Und dann erzählte
die Nachbarin, daß es schlecht stehe
um Tante Claras Gesundheit.
Dann beide leise die Thür
auf. Da lag Tante Clara im Bett
und lächelte der Besucherin freundlich
entgegen.
Auf einem blendend weißen Bette
lag die Alte, und blitzsauber war das
Nachtgewand, das sie angelegt hatte.
So hatte sie sich niederlegt, um zu
sterben. Und dazu hatte sie alle ihre
Schätze sich angelegt. Die goldblon
den Zöpfe hatte sie auf ihrem weißen
Scheitel befestigt, und die Brosche
steckte am Busen im Nachtgewand, die
Granatlette war um den Hals gelegt,
und mit dem Pariser Fächer spielten
die knöchernen Finger der Sterben-
Glückselig lächelte die Alte im
Schmucke dieser Habseligleiten, und
ein Lächeln umspielte noch ihren
Mund, als ihm schon der letzte
Lebensathem entflohen war. Vielleicht
erzählte sie in den Gefilden der Seli
gen die Geschichte ihrer Schätze. Man
legte sie mit dem Schmuck in den
Sarg; so ward sie zur letzten Ruhe
bestattet.
«i» «m»eta»»f««« «ietz.
In vielen märlischen Städten führt
der am Waffer oder in der Näh«
einer sumpfigen Niederung gelegene
Stadttheil den Namen Kietz, z. B.
in Spandau, Potsdam, Freienwalde,
Küstrin, Sonnenburg, Biefenthal, ja
in dem wafferarmen Werneuchen.
Auch einige märlisch« Dörfer (Berge
bei Nauen, Birlenwerder bei Ora
nienburg usw.) b«sitzen einen Kietz.
Ferner kommen in Pommern (Wol
lin) Kietz- vor. Der Name stammt
aus dem Wendischen und wird von
Kaiza. Ki»a (Fischerhlltte) abgleitet.
w Ortschaften mit ge
mischter Bevölkerung den wendischen
Theil der Niederlassung, deren Be
wohner sich vorzugsweise mit der Fi
scheret beschäftigten, aber auch im
Acker- und Gartenbau wohlerfahren
waren. Trotzdem sahen die Deut
schen häusig mit Verachtung auf die
Reste der wendischen Bevölkerung
herab, und noch heute gilt allerorts
die Redewendung „er wohnt auf dem
Kietz" als eine Schmähung. Dieser.
Umstand hat im Jahre ISOS die Be
wohner des Kietzes in Birlenwerder
veranlaßt, die offizielle Umnennung
des Kietzes zu beantragen. Seit
Kurzem hat der dortige Amtsvorste
her den historischen Namen in ..Wer
der" umgetauft und die Straßen
schilder dementsprechend ändern las
sen. Da die Städte ihre Kietze bis
her nicht verleugnet haben, lag auch
kein genügender Grund vor, und es
bleibt zu hoffen, daß der alte Name
dem Gedächtniß deS Volles nicht »er»