Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 31, 1918, Image 3

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    des Südens M
A Roman von Hans Dominik.
(9. Fortsetzung.)
am Ende nichts schaden, wenn wir
vorher für etwas Stärtung sorgen.
Biet Zeit haben wir ohnehin nicht
mehr, denn in zehn Minuten sind
wir am Ziel."
So fanden die guten Dinge, die
der Ingenieur aus seinem Rucksack
nahm, allseitig lebhasten Zuspruch.
«Einen Mvment, Overhosf. Siehst
Du das Dorschen .... es sind ei
gentlich nur drei Häuser .... jen
jeils der Fersina liegen? Das ist
der Ort Ztaccho, auf älteren Karten
sicher sagen, daß deutsche Bergknap
pen so etwa zwischen ven Jahren
IMo und 1400 das Bleierz gebro
chen und ausgeschmolzen haben, von
dem diese Schlacke übrig geblieben
ist.'
Wilder und schrosser wurde jetzt
das Fersental. Durch Tunnels
mußte der Zug sich seinen Weg bah
nen, und dann hielt er auf der Sta
den Felsen geklebt und teilweise in
ihn eingesprengt.
Der Arzt verließ zuerst den Zug
und hals der jungen Dame beim
Aussteigen. Der Ingenieur folgte
Bergstöcken und reichte das
Führung an."
Der Arzt schritt voraus, eine Fel
sentreppe hinab und dann über eine
schmale Hvlzbrücke, die wohl IS Me
ter über dem Fersenbache hing.
/Wenn Du mal hie Absicht hast,
mit dem Automobil an diesem Bahn
hos oorzusahren, wirst Du einige
Schwierigkeiten haben, Overhoff. Die
Brücke trägt's nicht."
ten hatten jenen eigenartigen weichen
Klang, der sich so sehr vom schweren
Erzton unserer deutschen Glocken un
terscheidet. Einen Augenblick bliebe»
die drei Reisenden stehen, um diese
Klänge mit anzuhören und betrach
vom Weingärten und Maisfeldern
wohl IN) Meter über ihnen am Ber
geshange lag.
«Wie schön ist dies Land," flü
sterte Gertrud Overhoff.
«Und wie wenig verstehen sein«
Bewohner d?.i Tchätze des Bodens zu
heben." lnurrie der Ingenieur.
«Geschmacksache, bester Overhoff,"
vermittelte der Doktor. «Es hatte
dielleicht seine guten natürlichen
jchwunden sind, verschollen, wie aus
gelöscht aus der Geschichte des Lem
kes, während diese harmlosen Wein-
Dasein führen. Wer weiß, ob es zum
Guten gerät, wenn man jetzl den
Schätzen der Tiefe wieder nachgeht.
ser Worte das sonnenbestrahlte Bild
«Brandt, Du wirst poetisch. Blei
ben wir bei der lebendigen Wirklichkeit.
Wir haben die Aufgabe, den ehren
zu machen. Willst Du den weiteren
Ausmarsch unter diesem Gesichts
punkte organisieren?"
scherzte der Arzt. «Im Ernst, Over
mancherlei zu wünschen übrig. Freue
Dich, daß Du einen Bergstock und
Nagelschuhe hast. Zuerst müssen wir
behilflich sein?"
Lachend wehrte die junge Dame
ob. «Haben Sie keine Sorge um mich,
Herr Doktor Ich habe von München
aus genug Hochtouren gemacht. Se
hen wir lieber, daß Bruder Fritz uns
t u«b«r stelle ging »q
Weg in die Höhe und bald war der
Eingang des Ortes erreicht. Ein!
schmale Gasse nahm die Wandern
aus und über unregelmäßige Rund
steine mußten sie mehr hüpfen alt
gehen.
„Die moderne Institution der
Haftpflicht scheint den weisen Vätern
dieses Ortes noch unbekannt zu sein,"
schimpfte der Ingenieur und rutscht«
dabei mit dem rechten Fuß trotz der
herausfloß.
«Wie denn überhaupt diese Orte
von weitem schöner aussehen, als von
nahem," bemerkte der Doktor philo
sophisch. «Man ist etwas verwöhnt,
wenn man aus den wellstädtischen
Anlagen eines vornehmen Kurortes
Overhoff?"
Aergerlich schlenkerte der Inge
nieur die schwarze Sauce von seinem
rechten Stiefel ab, während Gertrud
Overhoff mitten in der Straße stehe»
blieb, sich auf ihren Bergstock stützte
und herzhaft lachte.
«Der Eingang war das Schlimm
ste," tröstete Dr. Brandt. «Durch
diese Seitengasse haben wir erheblich
abgekürzt. Und dann kommen wir
hier an einer Sehenswürdigkeit vor
bei. Da vor Ihnen der alte Turm,
das ist der Tore dei Canapi, der
Knappenturm. Auch eine Erinnerung
an »den alten verschollenen Bergbau."
Die Reisenden standen jetzt aus
einem freien Platz und hatten Gele
genheit, den alten Turm zu betrach
ten und in kurzer Entfernung davon
eine Villa im Renaissancestil, wie sie
Fritz Overhoff nach dem schlechten
Entree hier niemals vermutet hätte.
„Brandt, wie kommt der feudale
Kasten in das miserable Nest."
„Kardinalsvilla," sagte der Arzt
lakonisch.
„Ron capisco, Dottore.'
„Also eine jener zahlreichen Villen,
welche die Kardinäle des Tridentie
ner Konzils sich hier überall herum
als Sommerfrischen erbaut haben.
Die alten Herren verstanden zu le
ren."
Weiter führte der Weg und wieder
in ein enges Gäßchen hinein, in wel
chem Pflaster und Luft in gleicher
Weise zu wünschen übrig ließen.
Doktor Brandt musterte die Num
mern an den Häusern.
.«Jetzt wird's kritisch, Herrschasten.
Wenn Signor Batista nicht in der
Messe ist, dann ist er höchst wahr
scheinlich im Hause. Du, Overhoff,
bist ja im Italienische» ohnehin et
was schwach. Beschränke Dich daher
auf das landläufige buon giorns. Ich
will selber die Präliminarien eröffnen
und hoffe im Notsalle aus Ihre gü
tige Unterstützung, gnädiges Fräu
lein."
Der altertümliche Türklopfer wur
de in Bewegung gesetzt. Eine Magd,
die jenem Klopfer an Alter wenig
nachstand, erschien und nach einigem
Parlamentieren, bei welchem einige
Soldi wesentlich mithalfen, erreichte
es der Arzt, daß das alte Weiblein
ihn und seine Begleitung in einen be
scheiden aber sauber ausgestatteten
Raum führte, und Signor Batista
rufen ging.
Eine Minute später betrat der Ge
wünschte den Raum. Ein kleiner alter
Mann. Das bronzesarbene und viel
fach gerunzelte Antlitz von dichtem
weißen Haar und einem ebensolchen
Vollbart umrahmt. Zwei tiefschwarze,
kluge und lebhafte Augen blickten aus
diesem Antlitz auf die Besucher und
mit jener Höflichkeit, die auch der
Italiener einfachen Standes allen
Fremden und namentlich Damen ge
genüber zu entwickeln pflegt, begrüßte
er die Ankömmlinge, um dann vor
sichtig abzuwarten, was deren Be
gehr sei.
Doktor Brandt eröffnete die Unter
haltung. Sehr vorsichtig erzählte er,
Begleitung habe, in den Besitz eines
schönen Rosenkranzes gekommen sei
und daß er selber das größte Inter
esse daran habe, zu erfahren, wo diese
Steine zu den einzelnen Perlen ge
funden worden seien.
Signor Batista hörte ruhig zu,
aber Gertrud Overhoff bemerkte, wie
es in seinen Mienen zuckte und arbei
tete, alz der Arzt von dem Rosen
kränze sprach. Es war unverkennbar,
daß alle diese Mitteilungen den alten
Mann traurig stimmten.
Schließlich war Dr. Brandt mit
seiner Rede zu Ende und hoffte er
wartungsvoll. daß Signor Batista
nun seinerseits antworten würde. Die
Antwort kam auch, aber sie lautete
anders, als der Doktor es erwartete.
«Ich kann nicht glauben, Herr, daß
meine Nichte den Kranz verkauft hat,
den ich ihr geschenlt habe. Ich ver
stehe nicht, was das alles heißen soll.
Geht es den Piranis schlecht, daß
sie ihre Firmungsgeschenke an Frein
de fortgeben müssen? Das wäre
traurig. Ich werde nach Castagnö ge
hen, und selber sehen, wie es dort
geht."
Der alte Mann wurde von Wort
zu Wort lebhafter.
«Corpo di baccho: Ich habe den
Kranz einmal in vielen Monaten zu
sammengebracht und dachte, meiner
Schwester damit ein Geschenk fiir'l
ewige Leben zu machen, Nun hat sie
ihn verlauft. Oder vielleicht hat sie
kamen, und öffnete ihre Tasche.
„Prego Signore! Sie sehen, ich
habe den Kranz. Aber ich hab' ihn
nicht gelauft. Signora Pirani hat
ihn mir geschenlt."
Signor Batista schüttelte ungläu
big den Kopf.
„Ich sehe. Signorina, daß Sie den
Kranz haben, ober ich verstehe im
mer noch nicht, auf welche Weise Sie
ihn belommen haben, warum meine
Nichte ihn fortgegeben hat."
Gertrud Overhoff blickte den al
ten Mann mit gewinnendem Lächeln
an.
„Nehmen wir an, Signor, daß ich
Ihrer Nichte einen Gefallen getan ha
be, daß ich etwas geschenkt habe, wo
für ich lein Geld nehmen wollte und
daß sie mir dafür ein Gegengefchenl
gemacht hat."
Signor Batista blickte die junge
Dame verständnislos an.
«Non capisco Signorina, impossi
bile. Ich werde nach Castagnö ge
hen."
Wieder drohte die ganze Verhand
lung auf einen toten Punlt zu lam
men, als Gertrud Overhoff sich nie
derbeugte und ihren Rucksack vom
Fußboden aufhob.
„Ich will es Ihnen erllären, Sig
nor Batista. Ich bin Malerin,
Künstlerin, Sie verstehen, und
habe so mancherlei zu Papier ge
bracht".
Mit diesen Worten zog die junge
Dame ein großes in graue Leinewand
gebundenes Stizzenbuch aus dem
Nucksack und begann es vor den Au
gen des jetzt neugierig blickenden al
ten Italieners durchzublättern. Da
lamen erst allerlei landschaftliche Mo
tive aus Levico und Vetriolo. Dann
aber lachte dem alten Mann plötzlich
das lebenswahre in Farben angelegte
Bildnis der kleinen Giufeppa Pirani
entgegen.
«Ah! La Giusepina", entfuhr es
dem Allen unwillkürlich.
«La Giuseppina! Signor Batista,
e alora. .
Gertrud blätterte weiter und zeigte
ihm lebenswarme, zum teil auch kolo
rierte Skizzen seiner Nichte und des
Gattes derselben. Sie Heizte ihm
Ansichten des Meierhoses von Castag
ns und allmählich begann der alte
Mann zu begreifen.
«Ah! Signorina, Sie sind eine
große Künstlerin. Wie schön. . . wie
wunderbar schön Sie das alles ge
malt haben. Solche Bilder möchte ich
auch wohl haben. Ich verstehe, daß
die gefallen haben."
Gertrud Overhoff ließ sich von Dr.
Brandt ein Messer geben und schnitt
die Blätter, welche den Meierhof und
seine Bewohner behandelten, aus dem
Buche heraus.
„Gestatten Sie mir, Signor Bati
sta. Ihnen diese Blätter als kleines
Andenken zu geben."
Jetzt wurde der Zwiespalt bei dem
alten Manne offensichtlich. Mit al
len Fasern seines Herzens lechzte er
nach diesen Slizzen und sträubte sich
doch mit unbeholfenen Worten, sie an
zunehmen, da. . . und weil. . . und
so weiter.
Gertrud Overhoff lachte herzlich.
«Sehen Sie, Signor. jetzt geht's
Ihnen wie der Signora Pirani. Der
schenkte ich das Bild der Giuseppina
. . . groß. . ." eine Handbewe
gung marliene die Größe, „und in
Oelsarben ganz fertig genidlt. Sie
wollte es auch nicht annehmen, wollte
es bezahlen und weil ich keine Be
zahlung nahm, so gab sie mir diesen
Kranz."
«Adesso capisco, Signorina, jetzt
verstehe ich. wie der Kranz zu Ih
nen kam. . . aber, was soll ich Ih
nen geben, wenn Sie mir diese Bil
der wirklich lassen?"
Fritz Overhoff atmete erleichtert
auf. Zwar tonnte er von der Un
terhaltung, die italienisch geführt
wurde, nur Brocken verstehen.. Aber
er begriff doch, daß die schwierigsten
Klippen jetzt umschifft waren, daß
man, wie es so schön in der K. K.
offiziellen Sprache heißt, meritorisch
zu oerhandeln begann.
Gertrud Overhofs fuhr fort:
«Mein Bruder hat Interesse dar
an, die Fundstätten dieser Perlen
kennen zu lerne». Zeigen Sie uns
einige davon und Sie haben mir viel
Der Alte lachte. Was diese ?l>r«-
stieri manchmal komisch waren. l»r
wußte ganz gut, daß die blanlen
Steine keinen besonderen Wert hat
zu finden. Für diese kleine Mühe
sollte er die schönen Bilder bekom
men. Ja, die deutsche Signorina
versprach ihm noch mehr und noch
schönere Bilder, wollt» sogar ihn sel
ber in Lebensgröße und mit bunten
Farben malrli. Wenn den Fremden
die Bekanntschaft mit irgendemem
so viel wert war, so konnte es ihm
schon recht sein. Seine Ehre war
dann jedenfalls gerettet, und er konn
te die Bilder annehmen.
«Das ist vernünftig, Signore Ba
tista, mischte sich jetzt der Doktor wie-
der inZ Gespräch. «Und heute ist
, schönes Wetter, da könnten Sie uns
gleich etwas zeigen."
Signor Batista war dazu bereit
und bat seine Gäste, eine kurze Zeit
zu warten. Während die alte Magd
ein Fläschchen des guten Südtiroler
Weines und einen großen Fiasko mit
klarem Wasser aus den Tisch setzte,
zog er sich zurück und kehrte nach
sllns Minuten wieder, ebenso berg
mäßig ausgerüstet, wie seine Gäste.
Aber der Lodenmantel, den er trug,
war längst nicht mehr grün. Er zeigt«
di« verschlissene und undefinierbare
Farbe, die «in Stoss erst annimmt,
wenn er viel« Jahr« hindurch in Re
gen und Wind getragen worden ist.
Batista mit. An Stelle des Berg
stockes aber trug er eine große Dop
pelhacke, deren Stil ihm beim Ge
hen als Stütze diente. So schritt
die Expedition jetzt um eine Person
vermehrt weiter. Durch die letzten
Straßen von Eioezzano und dann den
Bergweg hinauf nach Orzano und
Magnago.
Ein Weg, wie ihn sich Touristen
nicht besser suchen können. Im
Rücken der Wanderer blieb das ganze
Fersina-Tal zurück und je weiter
der Aufstieg führte, desto mehr wei
tete sich hier das Panorama und ließ
schließlich das Kastell von Pergin«
am einen Ende, die Ebene von Trient
am anderen erkennen. Hinter den
Wand«rern lag jetzt, wie aus einer
Spielzeugschachtel aufgebaut, Eioez
zano. Zur Rechten aber öffnete sich
das Silla-Tal und alle die maleri
schen Flecken, die jenes Tal um
säumen, Mavrano, Nogarö, Sereg
«Die Reise geht auf's Hochland
von Calisio," ertlärte der Doktor.
„Zu steigen nicht viel.
Aon Eioezzano nur Svv Meter, von
hier kaum noch 200. Neugierig bin
ich doch, wo der Mann seine Fund
stätten hat."
Der alte Italiener hatte seine Be
gleiter bis jetzt schwelgend geführt,
und nur hin und wieber mit ein paar
Handbewegungen auf besondere Aus
sichtspunkte gedeutet. Jetzt blieb er
vor einem gewöhnlichen Steinhaufen
stehen, wie ihn die Chausseearbeiter
zum Ausbessern der Chaussee aufzu
stellen pflegen.
„Eisen," erklärte er kurz.
Fritz Ooerhoff nahm einen der
rojtroien Steine und zerschlug ihn
mit seinem tleinen Handhammer.
verhüttetes und dann verwittertes Ei
senerz. Die deutschen Knappen ha
ben iqre Sache nicht gut gemacht. In
tor?" g I H
„Sie meinen, seitdem Menschen sie
in Behandlung gehabt hyben? Wir
tönnen rund sechs- bis achthundert
Jahre annehmen. In der Zeit
haben die deutschen Knappen hier ge
haust."
dei den Heinzelmännchen. Irgendwo
steht ein Wirtshaus. Wer hat es
gebaut? Die Knappen. Wo an
ders ein Turm. Wer hat ihn errich
tet? Die Knappen. Wir sehen ir
gendwo an der Straße Stein« lie
gen. Wer hat sie gebrochen und ge
schmolzen? Wieder oie Knappen.
Das werden ja nachgerade geheim-
Unterirdischen unsrer dertschen Sa
gen."
«Vielleicht ist's wirklich so," meinte
langt, den hier und da Haselsiräucher
und Ligusterbüchse beSrcklen, zwischen
denen vereinzelte Buchen ihre Stäm-
Hacke zu arbeiten.
«Ich bin lange nicht' hie: gewesen,
Signorina, und der Eingang ist in
zwischen zugewachsen. Funszehn Jah
re ändern viel."
Hintergrund geführt wurden. Schon
tlaffte es plötzlich, schwarz und schnell
entstakid bei der andauernden Arbeit
heimniSvollen Knappen, gnädiges
Fräulein?" fragte'der Arzt.
Doch Gertrud Overhofs kam nicht
zum Antworten.
Gespannt beobachtete sie die Ar
beit des Alten. Der legte jetzt die
Hacke beiseite und öffnete seinen Ruck
sack. Dem entnahm er eine große
reichlich mit Oel gefüllte Laterne
ein wohl kopfgroßes Knäuel einer
ziemlich stallen Schnur. Gemächlich
knotete der alte Waldläufer die
so ruhig entzündete er die Laterne.
„Oho! das wird ernst," rief Fritz
Ooerhosf. „Offenbar ein alter
Stollen, in den wir hineinkriechen
sollen."
„Du hast gereimt, Fritz. Du be
scherzte die Schwester.
«Kann sein. Trudchen, aber ich
habe doch Bedenken davor, daß wir
etwa alle zusammen in diesen Stol
len hineingehen. Es tann sich etwas
ereignen. Irgendein Stein tann nie
derfallen und dann sind wir von der
Außenwelt abgeschlossen. Ein Ende
in einem oerschütteteten Stollen
möchte ich keinem von uns wün
sc.M."
Der Italiener forderte seine Be
gleiter auf, ihm in den Stollen zu
folgen. Doktor Branot setzte ihm die
Bedenken des Ingenieurs auseinan
der. Doch der Alte hatte nur ein La
chen dafür.
„Sagen Sie dem Herrn, daß der
Felsen fest ist. Nur der Eingang
verschüttet. Im Innern steht der
Felsen seit tausend Jahren unverän
dert." ,
Fritz Overhoff kämpfte eine Weile
mit sich selber. Dann gab er
nach. ,
„Den Anfang des Ganges können
wir uns jedenfalls« ansehen. Macht
dann können wir weiter gehen."
Inzwischen hatte der Italiener die
Laterne genommen und kroch mit
Gertrud Overhosf faßte mutig den
Entschluß, als zweite zu folgen. Ein
Weilchen suchte sie, wahrend sie sich
Beii. Dann schließlich unterstützt von
dem Führer, stand sie auf sistem
Grund und hatte nun das Loch eben
Alten ein paar Schritte zurück und
spürte nach der Wärme des Früh
lingstages eine empfindliche Kühle.
Und dann wurde es bis auf das
Licht der Laterne plötzlich ganz dun
kel, denn der Ingenieur Fritz Over
hoff stieg durch die Oesfnung ein
und verfinsterte sie dabei natürlich
vollkommen. Ihm folgte als letzter
der Dokkor und langsam, ganz vorsich
tig vorwärts schreitend, setzte die Ko
lonne sich in Bewegung.
Jetzt ließ aucq der Ingenieur eine
kräftige elektrische Taschenlalernr
ausslammen und allmählich gewöhn
ten die Augen sich an das geringere
Licht, das hier herrschte. Die Wan
derer sahen, daß sie sich in einem
engen, von Menschenhand gehauenen
Gang befanden, der etwa einen Me
ter breit und gui manneshoch war.
Dabei rollte der Führer unaufhör
lich sein Knäuel ab, so daß der Fa
den neben ihm am Boden liegen
blieb.
In dieser eig-nattigen Lage fand
sich Fritz Overhoff als alter Berg
mann zuerst zurecht. Im Vorbeige
hen fand er Gelegenheit, ein Stück
chen Stein von der Wand zu brechen
und in den Lichtkegel seiner Laterne
zu bringen. Im nächsten Moment
blieb er stehen und trat dabei dem
hinter ihm gehenden Arzt gehörig
auf den Fuß. Da blieb auch er
stehen.
„Was soll's, Overhoff," rief der
und blieb nun gleichfalls stehen.
„Oolith, Brandt."
„Keine Ahnung, Ooerhoff, was
das bedeutet."
«Zu deutsch heißt's Eierstein.
Aber das ist Nebensache. Die
Hauptsache, daß Metall ist. wo Oolith
ist."
„Avanti, Signori, klang
von vorn die Stimme des Führers.
Mit schnellen Schritten erreichte der
Ingenieur wieder die Vordergruppe.
Jetzt ging man wohl anderthalb Mi
nuten in dem engen Gange und war
reichlich IVO Meter vorwärts gekom
men, als der Gang sich zu einer grö
ßeren unregelmäßigen Höhlung erwei
tete. Der Führer blieb stehen und
beleuchtet« mit seiner Laterne die hier
reichlich zwei Meter hohe Decke. Da
schimmerte es silbrig wie von tausend
leuchtenden Punkten. Und dann sah
man, wie sich von dieser Höhlung
wohl ein Dutzekid Gänge abzweigen.
Zwei so groß und geräumig, wie der
bisher beschritten« und auch ziem
lich wagerecht, andere dagegen
scharf nach unten oder steil nach
oben und zum Teil sr> eng, daß man
eben nur liegend hindurch schlüpfen
konnte..
«Der richtige MaulwurfsFau",
sagte der Arzt. „Ein Kessel, von dem
die Gänge nach allen Seiten abge
hen." Inzwischen kroch der Führer
ein Stückchen in einen der engeren
Gänge hinein und man hörte dröh
nend Hackenschläge auf das Gestein
selten. Dann kehrte er zurück und
' mit einem «kurzen „Prego Etgnork
no" legte er Gertrud Overhoff ein
Glück weißfunlelnden Gesteines in die
Hand.
„Allewetter, wenigstens achtzig
Prozent Blei und darin Silber. Man
weiß nicht, wieviel, aber jedenfalls
brachte er eine rötlich leuchtende Erz
stufe, die Fritz Ooerhoff sogleich als
tupserhaltig ansprach.
„Ein wahres Dorado," fliist!rte
der Ingenieur dem Arzte ziu „Ich
begreife nicht, warum diese alten Esel
von Knappen den Abbau ausgegeben
haben."
„Krieg und Pest sind triftige Grün
de," philosophierte der Doktor.
„Da Helsen die reichste», Erze nicht
gegen. Doch unser Mentor winkt zum "
Weitergehen."
Wieder setzte sich Vie Kolonne in
Marsch und schritt in «inen der gro
ßen Gänge hinein. Die Minuten oer
rannen und zusehends nahm der
Gang ein Gefälle an. Dabei be
gann sich die Feuchtigkeit zu zei
gen.
Schon schimmerten die Wände naß
im SchMie der Laternen und letzt
sammelte sich das Wasser in Strei
fen auf dem Boden. Wieder ö»
Meter weiter hatte sich ein winziges
Bächlein gebildet, das im Stollen
weiterlief. Der Führer blieb stehen
und beleuchtete mit seiner Laterne die
Stollenwände. Da sahen die Wan
derer eigenartige Verzierungen. Wie
Flechten auf einem alten Baum
stamm waren hier die Metallsalze
aus dem Gestein durch die Feuchtig
keit herausgesickert und überzogen es
in fremdartigen Mustern. Da kleb
ten ganze Rosetten von tiefblauem
Kupfervitriol. Daneben zeigten sich
die grasgrünen Kristalle vom Eisen
vitriol und daneben die weißschim
mernden Zintsalze. An den Grenzen
aber flössen diese Farben zusam
men, daß die ganze Felswand wie
eine farbenfrohe Tapete schimmerte.
Mit den Augen des erfahrenen
Bergmanns sah Fritz Overhosf, daß
hier unendliche Schätze lagern muß
ten, daß ein Abbau dieser Gesteine
sich mehr denn reichlich rentieren
Jetzt blieb der Führer stehen und
zog einen Meißel und einen kurzen
Ichweren Bergwerkshammer aus dem
Rucksack. Mit wuchtigen Hieben
sprengte er ein Stück der bunten
Felswand ab und meißelte weiter in
den trockenen Stein hinein. Noch ein
hestiger Schlag aus ven Meißel und
dann siel es dem Führer blendend
gelb in die Hand, gleißend und fun
kelnd wie reines Gold. W,
Auch dies Stück reichte er der jun
gen Dame. .
„Ist das wirklich Gold, Fritz," rief
sie nach kurzer atemloser Betracht
lung.
«Katzengoltz allenfalls, Trude, wenn
wir die Bezeichnung im weitesten
Sinne und nicht geologisch genau
nehmen."
«Was heißt denn das, Fritz?"
»Es heißt, daß das Gold für oie
Katze ist. Aber dafür haben wir es "
nach meiner Meinung mit einem schö
nen Kupferlies zu tun. und der ist
Der Führer war während der Un
terhaltung stehen geblieben. Jetzt
nahm er das Wort:
«Ich glaube, wir werden umkeh
ren müssen. Das Wasser tritt zu
zutage, aber die Oesfnung ist zu eng,
wir kommen trocken nicht heraus."
«Also kehren wir um," sagte der
Dottor gelassen.
«Kehren wir für heute um," ver
vollständigte der Ingenieur den Satz.
«Denn wir kommen wieder, die Ge
gend muß gründlich untersucht wer
den."
Auf demselben Wege, aus dem man
gekommen war, wurde der Rückweg
angetreten. Der Arzt ging jetzt an
der Spitze und trug die Laterne,
während der Führer sein Knäuel
aushaspelte. Bald war die Grotte
erreicht und dann schimmerte den
Wanderern immer Heller und' immer
größer ein glänzender Punkt entge
gen, der das Licht der Lampen bald
überstrahlte und sie erbleichen machte.
Als erster gelangte der Arzt ins Freie
und war den übrigen beim Hinaus
klettern behilflich.
.»quin eine halbe Stunde waren
die Wandeitr im Berge gewesen, aber
die Zeit erschien ihnen wie eine Frist
von vielen Stunden, als sie jetzt wie
der in den sonnigen Tag und die
FrühlingSwäniie hinaustraten. Wäh?
rend der alte Batista seine Lampe
auslöschte und sein Gerät wieder im
Rucksack „nterbrachte, während der
Doktor und Gertrud Overhosf ihn
mit italienischen Fragen überschütte
ten, sing Ftitz Overhoff mit bloßen
sorgfältig schichtete «/ das Geröll
wieder vor dem Stolleneingang auf.
Jeden Brocken, den Batista mit seiner
Hacke weggeschlagen halte, brachte er
wieder an seine Stelle und legte über
alles die grünen Rasenstücke. Alt er
sertig war, war der Eingang wieder'
s' verdeckt, daß ihn niemand finden
konnte, der ihn nicht kannte.
(Fortsetzung folgt.)