Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 27, 1917, Image 3

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    K Zander des Südens S
Roman von Hau» Dominik.
(6. Fortsetzung.)
„Aber natürlich Beide sind
ouch schon viel zu siegesgewiß. Es
wird ihnen sehr wohl tun, mal ein,
bißchen schlechier behandelt zu wer»
den. Man muß sicy emauzipieren,
ganz nach eigener Willtur handeln
zu können. Also nichts sage»,
und morgen srüh, wenn orr Tau
«och liegt und die Sonne Ntiq rosig
klickt, gehen wir mit den Maluten
!die
j Gertrud Overhoss machte ein et»
-was unentschlossenes Gesicht. Aber
Margot meinte beruhigend:
> .Deinen gestrengen Herrn Bruder
überlaß mir nur. Ich werde ihm
den Fall schon richtig auseinander
setzen mit Herrn Dr. Brandt
findest Du Dich am besten allein ab
nicht?" Sie lächelte spitzbübisch
dazu und Trude wurde etwas rot
und verlegen dabei.
Am andern Morgen geschah es
wirklich, wie oerabredet: Die Gäste
des Kurhauses pflegten noch der
Ruhe, vom Personal war auch noch
nichts zu erblicken, als die beiden
Damen in Touristenkleidern, derbe
Stieselchen an. mit Rucksack und
Malgerät abmarschierten. Nach der
Meierei von Eastagn6 hieß die Lo
jung.
Zwischen Weinbergen gings die
Chaussee nach Pergine entlang, die
sanft bergan steigt.
.Paradiesisch schön ist's," sagte
Gertrud stehenbleibend und voll at
mend die reine dustige Lust einsau
gend.
„Sieh Dir nur diese entzückenden
Färbungen an, Margot. Wahrlich,
sindet sich, was wir suchen."
.Die Lust ist so leicht, der Himmel
so blau", rief Margot. „Trude, ich
„Es gibt ja Lustschiffer aller Art,"
auch noch kommen, wo eme Lust
sahrt nichts Seltenes oder Besonderes
mehr ist!"
»So meint ich's nicht," rief Mar
git, „wie wir schwimmen können,
durch, aber schöner wirü's in ber
Well damit durchaus nicht. Gott ser
Dank, baß die herrliche Luft noch rein
und unverdorben für alle zu yaven
ist. Nur zu wahr ist des Dichters
Wort: Die Welt ist vollkommen all-
Bald hatten sie einen Ruheplatz
gefunden, erquickten sich an Weiß
brot und Schotolabe. Gertrud nahm
wohl kaum sein kann.—"
Margot sah interessiert hinunter.
Ja, es scheint wirtlich ein Treffer
tommen sie hierher. Schade, nun ist
das Aild gestört!"
Gertrud blickte auf:
.In der <->lizze festgehalten ist es
schon, aber ich möchte die beiden gern
Die Frau lächelte freundlich und
entgegnete:
, .Da sei die Signorina gerade «2
die rechten Leute gekommen, denn sie
selbst sei die Wirtin von Castagnö
Sie wiirdew»alleö finden zu ihrer
Erfrischung. Milch so gut wie
nirgends, auch geschlagene Sahne
weißes Brot und sragole sresce
frische Erdbeeren wären vielleicht auch
schon da "
„Da werden wir ja sehr zufrieden
sein," rief Margot freudig. „Meine
Freundin ist eine so große Kinder
sreundin, sie hat ihr schönes kleines
Mädel schon von weitem bewundert
und in ihr Buch gezeichnet —"
Sie streichelte den üppigen dunkeln
Lockentopf des etwa dreijährigen
Kindes, das sie aus runden ountlen
Augen anschaute wie ein lebendes
Engelchen.
„O, la Giuseppina!" sagte die
Mutter und blickte stolz und glücklich
bringt sie der Großmutter dafür ei
nen Strauß frischer Blumen."
»Du bist ein süßes Engelchen!"
schmeichelte Margot und nahm das
stopsen ließ. So tamen sie zu
Gertrud an, die sie lebhast begrüßte
und in Gesellschaft der Wirtin, Frau
Pirani, und ihres Kindes gingen sie
einen prächtigen Hain echter Kasta
nien bis zur Meierei, die sich ganz
romantisch als altertümliches, lang
gestrecktes, graues Gebäude präsen
tierte. Frau Giuüetta deckte ihnen
den Tisch einladend unter den schö
nen alten Bäumen, frische Milch
weißes Brot und duftende Erdbeeren,
wohl sein lassen.
Die Wirtin plauderte erst noch
ein Weilchen mit ihren frühen Gä
such von Levico alles bereitet sei.
Klein Giuseppina blieb auf Mar
gots Schoß sitzen und betrachtete auf«
faßt." '
Die Künstlerin in ihr erwachte.
Ihr Gesicht glühte vor besriedig
tein Schasfenseiser, ihre Augen strahl
ten.
j „Für heute laß es genug sein,
Truoi," entgegnete Margot. „Wir
wirtlich, wir lind verloren gegan
gen !"
! »Ist es denn schon so spät? "
«sie scha.utc aus vie kleine Uhr, die
»Herrgott nochmal, wirtlich bei
nahe Mittag. Wie die Zeit ver
fliegt, wen» man schasst! Aber Du
hast ja Deinen Stift garnicht betä
tigt, Margot?"
„Als ob ich dazu Zeit hatte,"
derweitig sehr nützlich beschäftigt
ohne mich hättest Du Deine Motive
und Modelle nicht so leicht und be
quem gehabt. Da siehst Du mal
wieder, welch ein selbstloser Enge! ich
bin! Und sieh her, unser Kleines
hier ist wirklich in meinen Armen
eingeschlafen."
Das Kindchen schlief fest und
Mt.
„Ich kann es nicht aufstör:. , ach
geh', Gerti, und ruf die Mutter her
bei!"
Als Frau Pirani kam, zeigte ihr
Gertrud daö Bildchen des Kindes
und die Frau brach in Helles Entzük
ken aus. Mit heiliger Scheu hielt sie
das Blatt in der Hand und doch,
als könn» sie sich nicht davon tren
nen.
Und als sie es endlich mit dem
Ausspruch: »Die Signorina sei eine
große Künstlerin" der jungen Dame
zögernd reichte sagte Gertrud mit
schnellem Impuls:
»Ich schenke es Euch, Frau Wir
tin, zum Andenten an die schönen
Stunden, die wir hier auf dem herr
lichen Fleckchen Erde verlebten."
Margot reichte der Frau das schla
fende Kind:
„Gott schütze Euer Engelchen und
erhalte es Euch ferner," sagte sie
leise.
rötet:
»ES ist sehr freundlich von den
Damen," wandte sie sich Gertrud zu.
-lor'ina —!' ein bescheidener Stolz
sprach aus ihren Worten, der so gut
zu der herben Schönheit der Frau
paßte.
„Ihr dürft es unbesorgt anneh
men," entgegnete Gertrud. „Es macht
mir Freude, daß es Euch so ersreut
und so recht gesällt!"
Die Frau drückte ihr Kind an sich.
Ein Glücksschein lief über ihr aus
drucksvolles Gesicht:
»Dank, Signorina," sagte sie.
„Ich nehme das reizende Bild von
te, zog sie einen Rosenkranz aus der
Tasche ihres Kleides und reichte ihn
dem jungen Mädchen.
»Sie sind aus den Erzen unserer
Berge gewonnen," sagte die Wirtin.
„Der heilige Vater hat sie einst ge
weiht, als mein Onkel Batista in
„Und solch wertvolles Stück wollt
Ihr verschenken, Frau Pirani?!"
„Es ist nicht zu wertvoll für das,
was ich von Euch erhielt, Fräulein,"
entgegnete die Frau einfach. »Es wird
Euch Segen bringen, glaubt es mir!"
Mit freundlichem Kopfpeigen schritt
sie mit dem Ztinde davon, während
die jungen Mädchen ihre Sachen zu
sammenlegten und sich auf*den Rück
weg machten.
In der Mittagssonne schritten die
beiden jungen Mädchen wieder Levico
zu, beide in Gedanken versunken, bis
Margqj den Kopf hob, plötzlich still
stand, ihre Gefährtin damit zum
Gleichen zwang:
„Du Trudi," meinte sie, „sind wir
nicht wie zwei durchgebrannte Schul
kinder, wie wir jetzt artig und pünkt
lich nach Hause laufen, die Schritt«
beschleunigen, um nicht zu sehr aus
gezankt zu werden?"
Trude blickte sie einen Augenblick
unsicher an, dann entgegnete sie la
chend:
»Na, ganz so schlimm ist es doch
nicht. Ich bin sehr zusrieden mit mei
nem Studienausflug, aber Du trägst
ja nichts davon heim. Ich habe die
Reife tatsächlich dem Studium zu
lassen. Das beschwert meine Gedan
ken weiter absolut nicht."
»Das also nicht," sprach Margot
Reichard. »Aber findest Du nicht,
gewohnte Gesellschaft? Als wir
voll unserer treulos verlassenen Kava
liere. Jetzt wäre es doch ganz nett,
wenn wir sie bei uns hätten. Weder
Du, noch ich. dürften jetzt unter Ge
päck laufen und der lustige Wortkrieg
mit ihnen ist am Ende auch nicht zu
verachten."
Arme
noch ein hübsches Ende zu gehen!"
»O, Du Faulpelz," neckte Gertrud,
„unser Professor hat doch recht, wenn
sieht, von dem man nichts erwartet,
als das hold: Gaukelspiel ia der
Sonne."
Margot seufzte etwas tiefer:
.Ja, es ist nicht zu lvgnen, Tru
di, zu viel mehr reicht's bei mir
als sollte ich wirtlich dem großen
Glücke begegnen. Fühlst Du auch
so, kannst Du mich verstehen, Trudi?"
Freundin ernsthaft zu:
»Gewiß, Margot, ich verstehe Dich
wohl Es mag wohl Wcchrheit sein,
Doppelwesen schuf und die eine Hälfte
sucht rastlos, bis die andere Hälfte
gesunden ist!"
Margot seufzte jetzt wirklich tläg
lich:
steckte —" sie lachte jetzt hell auf
längst daran vorüber ist wenn's zu
spät ist. Das ist eben die Tragik
im Leben.
sammen, und wenn mich der helle
Mittag nicht blendet, kommen uns
unsere Kavaliere schon entgegen."
Gertrud kniff die Augen leicht zu
sammen:
„Ich glaube, Du siehst, was Du
sehen möchtest, Margot. Ich sehe nur
einen Umriß daherkommen und der
scheint wir eher der eines Eingebo
renen des Landes zu sein!"
„Deine idealisierenden, kurzsichtigen
Maleraugen können mit meinen Lux«
lichtern eben nicht Wettstreits," er
widerte Margot Reichard.
.Sie sind es beide, den Doktor er
kenne ich am Gange und der Länge,
Deinen Bruder am Strohhut. Also
nun forsch ihnen entgegen! als ob
wir sie noch gar nicht entdeckt und ihr
Dasein beinahe vergessen hätten."
.Und die andere Hälfte!? Margot,"
neckte Gertrud lächelnd.
.Scherz beiseite," rief diese hastig
und errrötete bis unter die lockigen
dunklen Haare.
Arm in Arm mit vor der Sonne
niedergeschlagenen Augen wollten die
jungen Mädchen an den Herren vor
über; aber Fritz Overhoss rief schon
von weitem!
.Hallo! Da sind ja die Ausreißer.
Strafe muß sein für solch treu
loses Versetzen. Was tun wir nun
mit den eingefangenen Vögelchen?"
Und übermütig lies er auf seine
Schwester zu, und weil die Freundin
nen sich nicht losließen, schloß er die
Arme um beide, die sich lachend wehr
ten. Wie es zuging, daß sich Gertrud
freimachte und plötzlich nur Margot
sich in seinem Arm befand, wußte
später keines von beiden zu sagen.
Ueber den jungen Mann kam es
wie ein Rausch, als er im goldenen
Mittaghlicht das reizende jungt Ding
sich so nahe fühlte. Als er die
halb bittend vor sich sah. Abweh
rend streckte sie ihm die Hand mit den
dunklen Rosen entgegen.
„Hier mein Lösegeld, Herr Over
hoss."
Er ergriss die kleine heiße Hand
und küßte sie, küßte den Arm, der ro
sig aus dem Spitzenärmel sah.
Margot Reichard aber riß sich
energisch los. In ihrem schmalen Ge
sichtchen, das ganz blaß geworden
war, standen die dunklen Augen wie
zwei Flammen.
Da kam er zu sich und trat zurück.
.Verzeihung, gnädiges Fräulein,
die Freude, Sie wieder zu sehen, riß
mich fort."
Stumm reichte sie ihm die Hand
mit den Rosen, die er zitternd ergriss.
Der blonde Männertopf neigte sich
die blauen leuchtenden Augen suchten
die braunen des jungen Mädchens
nur die Rosen sein!?" kam es wie
ein Seufzer über seine Lippen. .Dars
ich die kleine Hand nicht auch behal
ten?"
Ueber Margot kam es wie eine Art
Ohnmacht. Bis zur Stunde hatte ihr
Mädchentrotz uno Stolz jede Annäh
rung des Mannes abgewehrt, nun
fühlte sie Plötzlich, daß sie diesen hier
liebte. Daß seine Werbung sie mit
Stolz erfüllte. Sie wünschte sich weit
schwand hin und fast schüchtern ent
gegnete sie:
„O bitte nicht, Herr Overhoff, wir
waren doch so gute Kameraden, las
wenigstens, bis meine Eltern hier sein
werden."
„So will ich mich denn bescheiden,"
Tones:
.Und Sie zürnen mir nicht mehr,
daß mein Ungestüm Sie erschreckte?"
Sie schüttelte daS Köpfchen und
lächelte ihm zu. Da zog er ihren Arm
durch den seinen.
Sie wendeten sich Levico zu. Weit
vor ihnen schritten Gertrud und der
Doktor, wie es schien, in sehr eifri
gem Gespräch. Er trug Trudis Ruck
sack und Malschemel. Hatten die bei
den nun über den eigenen Interessen
die beiden anderen vergessen? Oder
war es Diskretion, die sie ohne Um
schauen dahingehen ließ. Jeden
falls empfanden Fritz Overhoff und
Margot diese Rücksicht sehr angenehm.
Man hatte sich getrennt, um vor
dem Diner noch etwas Toilette zu
machen. Während Gertrud die leichte
Bluse abstreifte und Gesicht und Nat
ten mit tühlem Wasser übergoß, hatte
sich Margot auf die Chaifelongne ge
bettet, und starrte zur Zimmerdecke
.Was fehlt Dir denn, Margot,"
fragte Gertrud besorgt und trat zu
ihr: .Dein Kopf glüht und wahr
haftig Deine Hände sind eiskalt. Was
hat es denn gegeben?"
Sie setzte sich aus den Rand des
Ruhebettes und streichelte die kleinen
rannen, während sie leise abwehrend
den Kops schüttelte.
»Nun, Liebes,, wenn Du es mir
Margot umschlang den gesenkten
Nacken Gertruds mit beiden Armen
und drückte ihr heißes Gesicht gegen
die Schulter der Freundin:
„Ach Gott, Trudi," flüsterte sie,
»denk doch nur ich hab' meine an
dere Hälfte gefunden, oder vielmehr,
meine andere Hälfte fand mich
„Aber das ist doch gar nicht zum
Weinen," lachte Gertrud. „Ich Hab's
längst erwartet, und mich nur gewun
dert, daß der Fritz so sanstmijtig
zauderte das war seine Art
sonst nicht, Du, das macht mich or
dentlich glucklich. Ich finde, Ihr beide
paßt herrlich zusammen. Der Fritz
ist eine starke Persönlichkeit, ein bis
chen geradezu, der braucht solch ein
verzwicktes Persönchen, das ihm waS
zu raten aufgibt. Im übrigen ist er
wirtlich ein Prachtmensch, der das
Leben bewältigt und stets nach dem
Besten strebt. Ihr dürft beide mitei
nander zufrieden sein nun heul
mir nicht. Kleines, sondern gib Dei
ner neuen Schwägerin einen herzhas
ten Kuß. "
Aber Margot schluchzte auf und
stammelte:
.Ach Trudi, Du hast gut reden.
Du kannst tun und lassen, was Du
willst, aber ich hab doch mein
Vater hat ziemlich strenge Ansichten
über die persönliche Freiheit seiner
Einzigen, ohne seine .Einwilligung
dars ich mich gar nicht verloben.
Ich weiß ja selbst nicht, wie es so
schnell geschehen tonnte. Er hat
mich überrumpelt, wirklich Trudi, es
ist so! Lach mich nicht aus.
Nun bin ich in tausend Aengsten
Vater könnte am Ende „nein" sa
gen und was dann. Ich hab ihn
doch wirklich lieb. "
Gertrud hatte sich aufgerichtet und
machte eiy ernstes Gesicht:
»Wenn das Dein ganzer Kummer
ist, Margot, so tröste Dich," entgeg
nete sie sehr entschieden. »Mein Bru
der wird Deinem Vater schon gesal
!en, denn er ist Jemand in der Welt,
in der Dein Vater Ansehen genießt.
Sowie Dein Vater hier ist, sprichst
Du mit ihm und Fritz steht seinen
Mann auch. Bis dahin wüßt Ihr
Euch natürlich zusammennehmen. —"
„Ich schon," entgegnete Margot.
»Aber!" ...
wär ja noch schöner. Halte ihn
beizeiten kurz, den sogenannten Her
ren der Schöpfung ist das wirklich
sehr dienlich. Ich stehe schon ein Weil-
Fritz, keine Kopshängerei, Margot.
Mach Dich sehr schön. Sieh,
ich tue es auch und dann »Auf in
den Kampf Torero," sagte sie mit Hel
ler Stimme, zog Margot vom Sopha
ist doch das Leben schön wenn
man jung, gesund, geliebt ist
wenn man so ordentlich fühlt, daß
wir wollen nicht daran vorbeigehen,
laß es uns festhalten! —"
Nun fand auch Margot ihre Fas
sung wieder. Ein weißes dustiges
Seidenkleid brachte ihre dunkle
Schönheit zur vollen Geltung. Selbst
die durchsichtige Blässe nach der Er
regung ließ sie doppelt reizend er
scheinen.
Unter Lachen und Scherzen vollen
deten sie ihre Toilette, und als sie
Arm in Arm den Speisesaal betraten,
waren sie gleich reizend, jede in ihrer
Eigenart.
An den Abenden entfaltete sich in
den Gesellschastsräumen des alten
Kurhauses jedesmal ein mondaines
Leben und Treiben. Die zahlreichen
Italiener, die gerade dort zu logieren
pflegten, hatten der romanischen Sit
te, abends in Gesellschaftstoilette zu
erscheinen, zum Siege verhelfen.
Mochten die italienischen Damen und
Herren auch den Tag über im
schmucklosen Sportsanzug durch die
Berge streifen, des Abends veränder
ten sie ihr Aussehen ganz beträcht
lich. Die Herren erschienen im Smo
king mit weit ausgeschnittener Weste
und die Damen in farbenfreudigen
Toiletten. Der leider im Auslande
immer noch vorkommende und mit
Recht berüchtigte Lodendeutsche hätte
hier keine Stätte gefunden.
Auch Fritz Overhoss und sein Be
gleiter hatten sich bisher diesem
Brauche gefügt. Aber heute war der
Ingenieur in überquellender Laune.
„Brandt, Mensch," rief er, als er
neben dem Arzte die breite Hotel
treppe emporstieg, „heute ist ja mein
Berlobungstag und was die Jta
liani können, das können wir noch
lange. Heute ziehen wir den Frack
an und schrauben uns eine weiße
Binde um den Hals. Wir müssen
Furore machen."
Wie er sagte, so geschah's und un
ter den vielen Lustigen und eleganten
Heute durste dort keiner der guten
Einheimischen Tiroler Weine aus den
Tisch tommen, sondern nur Sekt.
die Gläser zusammen ud Toaste slo
gen zwischen den vier Reisenden hin
und her. Fritz Overhoss toastete aus
die Liebe, aus die Jngenieurkunst im
«uf die Malerei, welche vie letzt«
Wendung mit verursacht hatte.
„Prosit Trudchen," rief er über
mütig und stieß mit seiner Schwester
on. „Die brotlose Kunst soll leben."
Da stellte seine Schwester daS
Glas wieder auf den Tisch, ohne
ihm Bescheid zu tun.
„Hoho! Mio coro", rief sie trotzig.
„Die Kunst ist nicht brotlos. Sieh
her, was sie mir heute schon einge
bracht hat."
Mit diesen Worten zog sie dm
Rosentranz hervor und legte ihn vor
ihren Bruder hin.
Fritz Overhoss war lustig und ani
miert. Er hatte für leine eigene
Person ein- Flasche Seit geirunken
und sah die Welt voller Nosen
»Ein Rosenkranz. Was ist. Ein
paar Perlen aus Holz ooei Stein,"
war im Moment verslogen.
»Gertrud, wo hast Du den Kranz
her?"
»Den Kranz .... warum
fragst Du so tomisch. Ich sagte Dir
ja schon, daß er ein Lohn sür meine
Maltunst ist. Ich erhielt ihn heut
vormittag als Geschenk."
Der Ingenieur wog die einzelnen
Perlen in der Hand.
„Weißt Du nicht, woher der Stoss
zu diesen Perlen stammt?"
„Aber gewiß doch. Die Signora
Pirani erzählte mir, daß ihr Oheim
die Steine hier in den Bergen gesun
den habe. An den alten Stellen, wo
srüher die Knappen gegraben ha
ben."
Nachsinnend spielte der Ingenieur
mit den einzelnen glänzenden Perlen.
reich, dem gehört ein Teil der Welt/
murmelte er vor sich hin. »Schwere»
Bleierz hier. Wenigstens achtzig
Prozent, Blei, Kupser und Zink in
rieser goldigen Perle und Silber in
jcner weißen. ... Laß mir den
„Aber warum denn, Fritz,"
schmollte die Schwester. „Mir wurde
er doch geschen», und die Spenderin
bringen würde."
„Sie hat Recht, Trude. Er wird
Segen bringen. Aber nicht nur Dir,
die Spenderin wohl geahnt hat. Laß
ihn mir. Zur rechten Zeit gebe ich
ihn Dir schon wieder."
Und das Schweigen der Schwester
als Zustimmung nehmend, ließ er
den Kranz in seine Brusttasche glei
ten.
„Hallo, Leute! Wir sitzen ja total
aus dem Trockenen. Das geht nicht,
hallo! Cameriere ancora una bo
tiglia.... vino spumante."
Wieder perlte ?er edle Wein in den
Gläsern und einen neuen Toast lieh
Fritz Overhoss vom Stapel.
„Wir wollen anstoßen, Trude, aus
hossen konnten."
Die Mitternacht war längst vor
über, als die Paare sich envlich zum
Ausbruch entschlossen.
in der Frühjahrssaison zu besuchen
pflegt, begann >ich zu zerstreuen. Die
einen zogen sich in ihre Zimmer zu
rück, die anderen rüsteten sich zum
üblichen Nachinittagsspaziergang, und
wiederum andere saßen in der ge
räumigen glasüberdeckten Vorhalle
res Kurhauses, um dort den Kasse«
zu nehmen und von der erhöhten
Veranda herab Land und Leute zu
betrachten.
Unter den Letzteren befand sich
Fritz Overhoss mit seiner Schwester
und Dr. Brandt. Mit jener optj.
mistischen Behaglichkeit, die ein gutes
Diner den meisten Menschen nun
einmal zu verleihen pslegt, bediente
sich der Ingenieur mit dem kräftige»
Mokka und zünde sich eine Zigarrete
an. Und während er den Blick dann
von der Beranda zum Logo di Le
vico Hinüberschweisen und die Schön
heiten der Gebirgswelt ganz auf sich
wirken ließ, während sein Blick aus
dem schmucken weißen Kirchlein von
Tenna am Westuser des Sees hakten
Gedanken hin. Bis Gertrud Over,
hoff ihn dabei störte.
„Warum heute so nachdenklich,
Fritz. Was hat Dir der Wald von
Pianari getan, daß Du ihn so an
dauernd fixierst?"
Overhoss fuhr aus seinen
(Fortsetzung folgt.)
Boshaft. Dame (als ihr
Söhnche» jähzornig ist): „Eigen
tümlich, das; die Buben alle so bös