Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 13, 1917, Image 6

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    Das alte und neue Kairo.
Lebens- und Bcrkehrsbilder aus der ägyptischen Hauptstadt.
Von Fritz Mielert.
Es ist eine charakteristische Erschei-s>
nung aller Länder des Orients, daß j
in ihnen die Kultur des Abendlan- >
des von der des- Morgenlandes hart i
pilgerten. Andernteils aber ist Aegyp-
ten, dieses uralte Kulturreich, ein
Land, in welchem schon eine Reihe der
verschiedensten Kulturepochen geblüht
haben und vergangen sind und
immer üppiger sich entfalten sieht.
Das interessanteste und wechselvoll
ste Bild dieses Nebeneinanders von
altmobammcdanijcher und neuabend
'.-7°
als 40 —5» Jahrhunderten umfaßt,
und in deren seltsam bunter Reihe tue
Pyramiden den einen und der zu ih
nen hinführende Schienenstrang der
Hotelpaläste des europäi
schen Stadtteils und letzterer selbst
mit seinen breiten schönen Avenu-n
und Kais den anderen äußersten
Markierungspunkt der gewaltigen
Kulturzeitspanne von fünf Jahrtau
senden darstellt. Und diese letzte, die
jüngste Kultur auf Kairos Boden, ist
nicht die uninteressanteste. Dem
Aegyptenfahrer stellt sich das moderne
Kairo zuerst vor Augen. Ein mäch
tiger Bahnhofsbau nimmt den ankom
menden Zug in seine luftigen Hallen
auf; ein von allerlei europäischem
Gefährt, Mietlutschen, Autos, elegan
ten Gigs und einem kleinen Babel
elektrischer Trams durchkreuzter, sehr
großer Vorplatz empfängt den Reifen
den, der, wenn er des Abends an-
! kommt, den Platz von elektrischem
Bogenlicht überstrahlt sieht. Schon
hier besitzt das zu jeder Stunde flu
tende Straßenleben einen stark orien
talischen Einschlag, doch die Physiog
nomie der Straßen und Häuser ist
modern, europäisch, die der letzteren
palastartig, die Straßen breit und
mit Asphalt gedeckt. Den Brennpunkt
des hochmodernen, prächtig sich geben
den Kairo lernt der Reisende dann an
der Esbekije kennen, einem kolossalen
Platz, dessen größter Teil von einem
öffentlichen Parkgarten voll der schön
sten Baumwelt Afrikas und Indiens
eingenommen ist. An der Westseite
des Platzes zieht sich eine breite Stra
ße hin, an welcher neven einigen be
wundernswerten Hotelpalästen manch
anderer Prachtbau den Blick aufs an
genehmste fesselt. Hier, zu Füßen der
weiträumigen Hotelterrassen, spielt
sich bis tief in die Nacht hinein ein
Straßenleben von seltsamster, eigen
artigster ab. Nichts min
> hen ist" Interessant ist auch der Blick
tens und des Sudans vereinigt ist.
Und welche Befriedigung gewährt
Hallen, hohen Treppenhäuser und stil
len Zimmer, in denen die unerineß-
lichen Schätz« der Pharaonenzelt auf
gespeichert liegen, in denen eine gera
dezu unübertreffliche Sammlung der
Haus-, Handwerks-, Kriegs-, Kunst-
und Verkehrsgeräte ausgebreitet ist, so
daß uns das lebensvolle Bild jener
um viele Jahrtausende zurückliegenden
lich vor Augen ersteht.
Wie feenhaft ist ferner nicht ein
Wagenkorso in der nachtdunllen Allee,
die nach Gizeh führt, wenn das elek-
Kalifcnxräbcr in Kairo.
schen Märchens und umspinnt den
staunend sie betretenden europäischen
Schleiern der Zeit Harun al Ra?
schids, zumal im Kairoer Basar, der
so manchen ganz überwältigend stim
mungsvollen Winkel besitzt, wie je
nen der Teppich- und Kunstgewerbe
händler, der Edelmetallarbeiter usw.
Einzigartig ist die Ruhe in dieser
Welt der orientalischen Schätze. We
nige Schritte hin die lärmerfüll»e
Muski, die Hauptstraße des arabi
schen Stadtzentrums, und hier in
dieser Märchenoase die geheimnisvolle
Stille eines Zauberwaldes. Die Wohl
gerüche von Ambra und Weihrauch
Sonnenlichter suchen lüstern, wie auf
verbotenen Wegen, ihren gebrochenen
Pfad zu den mit Koransprüchen be
deckten blinkenden Bronzegefäßen und
den Gold- und Silbergeschmeiden im
Verkaufsstände.
Und wenn man sich endlich von
dem Banne dieser überdeckten Gänge
nachbarten Straßen einbiegt, die voll
sind von Marktbuden aller Art, wird
man nicht minder am unverfälschten
nen. Als Beispiel das Bild einer
dieser Gassen: Links eine weite Rei
he von ruinenhaften Häusern mit Ha
te, Spezereien usw. zum Verkauf aus
liegen, «cht» ein malerischer Aufgang
zu einer großen Moschee, vor deren
monumentalem Portal eine arabische
Laterne und Straußeneier niederhän
gen, im Vorblick aber eine andere
Moschee mit einem schönen Minarett
paar, und die ganze Gasse erfüllt von
einem rein arabischen Passantenge
wllhl, das alle Augenblicke kalei
doskopartig wechselt und immer wie
der neue originelle Charaktertypen
zeigt. Oder wer könnte sich der fes
selnden Stimmungsgewalt entziehen,
die ein Besuch der arabischen Univer
sität hinterläßt? Auch hier herrscht
der Orient noch wie vor Jahrhun
derten unverwischt, überall dieselben
weiten zauberhaften Moscheeräum-,
deren heilige Stille noch eindringlicher
wird durch das hallende und ver
hallende Wortgeplätscher vereinzelter
moslemitischer Beter, überall auch
dieselben Matten, Kammern, dassel
be alte gedunkelte Mobiliar für Bü
cher und Habseligkeiten der Schüler,
die aus allen Teilen der mohammeda
nischen Welt hier zusammenströmen,
Palmenwalder bei Karnal,
aber getrennt nach Rassen und Natio
nen ihre besonderen Bezirke haben.
Nicht minder orientalisch ist die große
schweigsame Gräberstadt der Maine
iucken und Kalifen, eigenartig schön
auch der Ritt hinauf zur Zitadelle
und weiter zum türkischen Bettaschi
klösterchen. Hier vereinen sich orien
talische Poesie und der Reiz antiker
Göttersagen zu einem ganz bestricken
den Gesamteindruck.
Südende der Insel Roda, der Blick
dort auf Alt - Kairo und der Gang
durch urwaldartiges Dickicht mit 10
Fuß hohem Dschungel zum merkwür
digen Wunderbaum, dem Hakim kc
bir (d. h. großer Arzt)! Aber auch
die europäischen Stadtteile weisen
manch orientalisch typisches Genrebild
auf, so die palmenreichen arabischen
Straßenfronten von Alt - Kairo ge
genüber der Insel Roda, die blumen
überrankten Mauern der arabisch-n
Landhäuser auf jener Insel, deren
Fuß sich in dem weichen Naß des hei
ligen Flusses badet, die indischen
Luftwurzelbäume auf den Straßen,
unter deren tiefem grünem Dümmer
wabisches Volk dem süßen Nichtstun
frönt, u. v. a., so daß man selbst bei
Dem Schriftsteller Leo Tolstoi, der
> und der Bettler vor diesem ausriß.
> Graf Tolstoi winkte den Polizisten
! Graf ein. .Höre einmal," unt»r
brach ihn der Polizist, .jetzt antworte
du mir einmal: Hast du unsere Po
lizeiverordnungen gelesen?"—„Nein"»
mußte der Graf zugeben. »Nun
also," herrschte der Beamte ihn an,
Vruktenbauten an der mittelsswtisrhkn
Hundelsstrssse.
Die Segnungen der europäischen
Kultur sind im Laufe der letzten
Jahrzehnte, wenigstens in ihrer äu
ßerlichen Form, nach allen Weltteilen
und selbst in Gegenden getragen wor
den, die noch allgemein für durchaus
unkultiviert gelten. Daß westliche Kul
tur z. B. in Indien neben der so be
deutenden einheimischen Kultur längst
Wurzel gefaßt hat, wird vielleicht noch
nicht allgemein genug gewürdigt, und
daß selbst in den Einöden Zentral
asiens, jenen unwirtlichen Landstrichen
an der Grenze dreier großer Reiche,
Werke der Jngenieurkunst entstanden
sind, die trotz der ungemein schwieri
gen Verhältnisse, unter denen sie er
baut wurden, den Vergleich mit denen
Europas und Amerikas sehr wohl
aushalten, dürste vielen unbekannt
sein.
Die sogenannte mittelasiatische
Handelsstraße ist so ziemlich die ein
zige. Handel und Verkehr zwischen
Kaschmir und Turkestan vermittelnse
Straße; sie geht von Srinagar, der
Hauptstadt Kalchmirs, aus nördlich
nach dem von den Quellen des Indus
durchslossenen Tal und in diesem auf
wärts bis nach Leh, der Hauptstadt
von Klein - Tibet, von wo aus sie
weiter nach Nordon die Karakoram-
Berge überschreitet. An dieser teil
weise sehr schwer passierbaren Straße
sind nun im Laufe der letzten Jahre
mehrere schöne Hängebrücken angelegt
worden, die seltsam von dem unwirt
lichen Charakter der Gegend abste
chen. «
Die im Jahre 19l)1 erbaute Ed-
Sorgufluß eine engl. Meile unterhalb
von Kargil, dem Hauptort auf halbem
Wege zwischen Srinagar und Leh.
Die Leitung des nach den Plänen ei
nes englischen Ingenieurs ausgeführ
ten--Baues lag in den Händen eines
Indieks, Herrn Afananda Sawhney.
Fig. 1 zeigt den Stand der Bauar
beiten im Monat Oktober des Jahres
1301; Fig. 2 stellt die Brücke nach
ihrer im Monat Dezember desselben
Jahres erfolgten Fertigstellung dar.
Die Brücke besitzt eine Spannweite
von 36 Meter.
Eine zweite Hängebrücke befindet
sich genau nördlich von Leh über dem
Shayock - Fluß im Nubratale. Diese
Brücke besitzt in 36 Bögen zu je 2,Z
Meter eine Spannweite 75,6
Meter. Die Schwierigkeiten, die bei
ihrem Bau zu überwinden waren,
können erst dann richtig gewürdigt
Sich jung erhalten.
Warum soll man denn alt wer
den, weil man an Jahren zunimmt?
Wenn du dein Leben richtig lebst
und gut ausnutzest, so wirst du in
nerlich gar nicht alt. Dazu hast du
gar keine Zeit, denn deine Stunden
sind ausgefüllt mit Wertvollerem
als dem zwecklosen Nachtrauern an-
Was heißt den» „alt" werde»?
Sich verbraucht fühlen, nicht mehr
mittun können, keine Empsänglich
keit mehr spüren, keines Aufschwungs
mehr sähig kurz meist negative
Eigenschaften, die- positive Fähigkei
ten abgelöst zu haben scheinen. Ich
jage „scheinen", denn es ist ein Irr
tum, zu glauben, daß das notwen
dige Begleiterscheinungen der ver
such dein Körper vielleicht der Na
tur Tribut zahlen muß (obgleich
man auch da durch gesundes Trai
ning wesentlich zur Konservierung
beitragen kann), deinen Geist, deine
Seele brauchst du nicht erschlaffen zu
lassen. Trau' dir nur zu, noch genie
ßen zu können, und du wirst sehen,
wie es dir glückt. Bleibe in leben
den und begeistern kann, dann ver
lernst du den Ausschwung nimmer
mehr. Und vor allem erhalte dir ein
warmes Herz und offene» Verstand
liis für die Jugend, fo wird sie dei-
Tie alte Türlcnsesie von Niktjitsch, der grSiiten Stadt Mintenegro».
werden, wenn man erfährt, daß die
Schlucht, über die sie geht, Hundert«
von Meilen von der nächsten Eisen
bahn entfernt ist und daß zwei Hoch
pässe zu überschreiten waren. Früher
mittels eines FLHrbooles das
alle 3 bis 4 Jahre mit einem Kosten
aufwand von etwa 2<X)<Z Rupien er
din benutzte im Jahre 1902 als erster
Europäer die Brücke und hebt in sei
nen Reiseschilderungen m warmen
Worten die Verdienste dieses BauO
mauerwerk in Kalk; an dem einen
Ufer befindet sich fester Fels, an dem
anderen sind weite Sandstrecken.
Beethoven mit Monokel.
Wer kann sich Beethoven mit Mo
nokel vorstellen? Den massigen, dü
steren Titanenkops mit dem Ausdruck
tiefsten Seelenleidens mit einer
eingeklemmten Glasscherbe? Das
sind Widersprüche, die uns scheinbar
unerträglich sind. Und doch: Beet
hoven hat ein Monokel getragen, wie
übrigens auch sein ebenbürtiger Zeit
genosse Goethe. In seinem Nachlaß
Monokel. Curt Müller hat sie kürz
lich, wie er in den „Zeniral-Zeitunz
für Optik und Mechanik" ausführt,
genau untersucht. Die Brillen wur«
ist, bei dem „Hofdrechsler Jos. Ro
spino am Stephansplatz No. 626,
nächst Bengos Kaffee" gekaust. Bei
Beethoven ist es also wie bei Goethe:
sie haben Augengläser benützt, aber
kein Bildnis sinket sich, auf dem sie
damit dargestellt sind. Für Beetho
vens Kurzsichtigkeit zeugt übrigen»
auch die feine, zierliche Notenschrift
des Meisters, wie man sie an den
Originalhandschristen zur Genüge
studieren kann.
Verschnappt. Herr (zu
dem stellesuchenden Diener): „Noch
eins: ich habe immer mehrere Fuder
Wein im Keller; verstehen Sie da-