Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 29, 1917, Image 3

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    K Zauber des Südens A
Roman Von Hans Dominik.
Mafsig und düster ragten die Bau
werte der Fortunatiis-Hütle, jener
bald leer in die Ties« ließen, bald
vollbeladen mit der schwarzen sett
glcinzenden Steinlohle zu Tage brach
ten.
Unaushörlich rollten vom Förder
turm her die Kohlenwagen über
Brücken und Stege zu den Berlade
bühnen. Ein kurzer Hebeldruck des
begleitenden Mannes und trachend
stürzten zwanzig Zentner Kohle in
den unten stehenden Eisenbahnwa
gen, daß der schwarze Staub hoch
«uswirbelte.
Weithin zwischen den Zechengebüu
den war ber Boden mit Geleisen be
legt. In hundert einzelne Stränge
gabelten sich hier die Geleise, bie von
der Staatsbahn zur Zeche führten
und viele hunverte von Wagen stan
den dort, bereit, die schwarzen Kch
len auszunehmen, oder schon beladen
und nur der Lokomotive gewärtig,
die sie hinaus bringen sollte.
Es war ein weites Feld der Arbeit,
das sich hier vor den Blicken des Be
schauers dehnte. Das Feld einer rei
chen und lohnenden Arbeit, aber auch
elektrischen Kraftleitungen, die gestern
frisch eingeschraubt noch wie weißer
Schnee erglänzten, heule schon malt-
auch das Ar
deilsseld für Fritz Overhoss gewesen.
Sechs Jahre hindurch hatte er tagaus
tagein in diesem Ehaos von Häusern
jungen Rheinlänter, der damals leck
und lebenssroh frisch von der Tech
nischen Hochschule lain, nicht leicht ge
worden, sich in diese Atmosphäre ewi
gen Nebels und Staubes einzuleben.
So recht gelingt das wohl über
tu westsälische Kohlenrevier
kommt. Fritz Overhoss hatte recht
zeitig daS einzige Heilmittel erlannt,
welches ihn vor Trübsinn oder ser
Ausgabe seiner Stellung retten konn
te. Die Arbeit, die intensivste und
lhingebendste Arbeit, die den Menschen
so sesseln und binden kann, daß er
die Umgebung nicht mehr sieht und
hört und nur dem Gegenstanoe cer
Arbeit lebt.
Und die Arbeit des Ingenieurs
Fritz Overhoss, dei jetzt im 32. Jahre
seines Lebens stand, war reich von
Erfolg gekrönt worden. Seine neue
über.
sen, mein lieber Overhoss "
Der Generaldirektor Mettmann
setzte sich mit etwas zittrigen Fingern
Fritz Overhoss schüttelte den Kopf,
.Ich danke Ihnen, Herr Mell-
tor."
Wird es «ne lange Schicht werden?"
„Das weiß ich selber noch nicht,
Herr Direktor. Aber die letzten drei
Jahre habe ich überhaupt leinen Ur
laub genommen. Die Fördermaschine
.... Sie wissen ja .... die halte es
mir angetan. Die deutschen Patente
Der Generaldirektor Mettmann
schwieg eine kurz? Zeit. Er hoffte
wohl, daß Fritz Overhoss ihm «ine
zustimmende Antwort geben würde.
Hoch der schüttelte wieder den Kopf.
„Ich glaube kaum, Herr Direktor.
Doch feien Sie überzeugt, daß ich der
Stätte meiner Arbeit, meinen Ar
beitsgenossin und besonders auch Jh-
Rechte zum Abschied hin.
.Glückauf denn zur Feierschicht!"
ries dieser und schüttelte die darge
hören."
.Glückauf, Herr Mettmann!"
Mit dem alten Bergmannsgruß
verließ Fritz Ooerhvsf das Zimmer
und schritt wieder über den Zechenhof
Und dann über das weite grüne Ze
chenfeld auf der Landstraße dem
Städtchen entgegen, in welchem er
seine bescheidene Wohnung inne hatte.
Eine halbe Stunde,'nachdem Hritz
Overhofs den Generaldirektor verlas
sen hatte, saß er bereits vor dem
Kursvuch und studierte cmsig die
nächste und beste Verbindung nach
München. Nach zehn Minute» war
auch dieses Studium beendigt. Es er
gab das Resultat, daß der nächste
ben und dann zur Bahn zu gehen.
Fritz Overyof, stellte seinen Hand
koffer in den Wartesaal un!, g'.ng ge
die Lust hatte jenen unoefinierbaren
Beigeschmack, den die Ehemiker auf
etwas schweflige Säure und ein we
nig Kohlenstaub zurückführen und
der bei jedem tiefen Atemzug immer
wieder von neuem fühlbar wird.
Fritz Overhoff setzte die Promenade
fort und atmete, als ob er seinen
Borrat an dieser Luft frr lange Zeit
decken müsse.
melte er vor sich hin. .Du bist ein
guter Kerl, aber Du traust anderen
zu wenig zu. Wenn ich die Fortuna
tus-Grube wirklich noch einmal beeh-
die Bremsllötze des einrollenden
Zuges gegen die Radreifen und unter
brachen jäh die Gedankenlette des
Ingenieurs. Elastisch schwang er sich
die steilen Stufen empor und h.itte
die nächsten zehn Minuten reichlich
damit zu tun, sich einen guten Eckplatz
wagen zu suchen. Und als er sich
schließlich behaglich in die weichen
Polster niedersinten ließ, da jagte der
Schnellzug schon mit achtzig Kilome
rheinisch-westsälijche Ebene dahin,
Fritz Overhoff hatte seine Eltern
früh verloren. Er war laum zwanzig
Jahre, und hatte gerade das Poly
lechnilum bezogen, als sein Bater
Welt. Immerhin hatte der alte Over-
Hofs als Bertreter eines großen Jn
vustriewertes in Köln gut gewirt
das Kapital angreifen zu müssen. So
tonnte Fritz Ooerhosf seine Studien
vollenden und sich dann eine Stel
! lung suchen, ohne daß die öO.OOO
Marl, die auf seinen Namen auf der
l Bant lagen, angetastet worden wären.
> Mannhaft hatte er auf der Hoch
' schule den Bersuchungen des Studen
' tenlebens widerstanden. Die Rechnung
> war für ihn gegeben. SO,OA> Marl
i bringen 2000 Marl Zinsen, macht
> pro Monat 166 Marl und sechsund
! sechzig Pfennige. Das war sein nor
> inaler Monatswechsel gewesen und
> damit wollte er auskommen und war
Alle Borschläge leichtlebiger oder
besser situierter Kommilitonen, sich
doch aus eigener Machtvslllommenheit
einen höheren Wechsel zu genehmigen,
, hatte er stets lurzweg von der Hand
112 gewiesen. Dadurch war ihm vielleicht
. mancherlei entgangen. Die Zerstreu-
Fahrten den Rhein hinauf bis nach
Mainz und Koblenz hatte er ebenso
wenig kennen gelernt, wie das Leben
in der BerbindungSlneipe. Dafür
hatte er aber entsprechend Zeit für
sein Studium gewonnen. Während
die Kommilitonen, die den hochge
wachsenen blonden Kölner Jungen
nen wollten, bald davon abließen,
und ihn für einen hoffnungslosen
Streber erllärten, gewann er desto
ner Lehrer und lonnte noch ein Jahr
eine Assistentenstelle an der Hochschule
belleiden, bevor er dann in oie Pra
xis ging.
was das wert war, das lernte er in
der Praxis kennen. Als er im zweiten
Jahr auf der Fortunatusgrube saß,
tegannen die Ideen, die er schon seit
Jahren mit sich umhertrug, Gestalt
und Realität zu gewinnen. Die Plä
ne einer Förderanlage, die größte Lci
triebssicherheit verband, sollten ausge
führt, die Patente dafür in allen
Ländern genommen werden. Das ko
stete Geld. Erstaunlich viel Geld. So
viel Geld, daß sich Fritz Overhoss
bisweilen verzweiselt an den Kops
gefaßt und sich gefragt hatte, ob er
auch wirklich recht täte, sein ganzes
Besitztum auf diesen einen Trumpf
zu setzen.
Und als die ersten Patente genom
men, die ersten Modelle gebaut wa-
Fritz Overhoss die Ehre der Erfin
dung, besagte Menschenfreunde aber
den materiellen Nutzen gehabt hätten.
Er hatte solche Anerbieten stets zu
rückgewiesen.
Aber dann war wieder ein neues
Patent, ein neues Modell notwendig
geworden und wieder kam ein Aner
könne, ohne gesät zu haben.
Ingrimmig hatte der sunge In
genieur dann Schecks aus Hunderte
der Fortunatusgrube damit ausrüsten
lassen. Dadurch war Fritz Overhoss
über den Berg gelommen. Aber eS
Mit wohligem Gefühl streckte der
vor.
Und mußte doch die Wahrheit einer
alten Behauptung des Generaldirck
ren:
Der Mensch wird schon halb ge
sund, sobald er in seinen Zug klet
ter sich hat.
und soliden, aber auch recht nüchter
nen Onlels. Dann die Mündigkei!
und ein Leben nach eigenen Wünschen
und Ideen.
Talent entfaltet. In früheren Jahren
hatte Fritz des öfteren Gelegenheit ge
habt, dies Talent zu bewundern und
die Staffage anzubringen.
.Bäume kann ich zur Not noch ma
len, aber sie werden nicht schön," hat
die Malerei nur nebenbei und dilet
tantisch betreiben. Sobald sie über
sich selbst bestimmen konnte, wandte
sie sich ihrer Neigung vollloi.imen zu.
Sie siedelte aus der alten Erzbischof
stadt am Rheine nach München über
und trat als Schülerin in eil.» der
Drei Jahre waren dqruber nun
auch schon verflossen. Seit brei
fahren gehörte Gertrud Ooerhosf
ber Beschickung kleiner Prioaiaus
jtellungen bis zur allgemeinen An
ertennuiig, die nicht nur Ruhm und
Ehre, sondern auch materiellen Er
folg bringt. Fritz Overhoss harte
>eine Schwester in den letzien drei
Jahren nur zweimal slüchtig gesehen.
Er halte seloer bis über veioe Ohren
letzien Briefen seiner Schwester spra
che. Ein Sichbescheioen und Genügen
»ach jenem allen Bibelwon, oatz zwar
Aver man liest wohl auch so man
ches in einen Brief hinein, was
schließlich nur in den eigenen Stim
mungen uno Gefühlen vorhanden lst
und Fritz Overhosf hatte selber
Alomeme ver Kleinmut und Resig
naym.
„Adah!. . ." Fritz Overhoss strich
sich mit der Hauo über bie Augen.
lieuie ul u-vodener snmmung, zu ber
übermütigen Frage gelaunt: Was
lostet ble Well und die umliegenoen
Ortschaften.
Die Gegend hatte von Biertel
yofe her der Gegend zu schlenderte,
Maler und Photographen müssen luf
tig wohnen", tröstete er sich dabei,
und dann las er den Namen seiner
Schweiler und zog kräftig an der
Klingel.-
Eine Minute später stand er seiner
Schwester gegenüber.
„Fritz, Du hier! Wie kommt denn
das?"
Kritz Overhoff hatte nichts von
feinem Kommen geichrieben, und er
sah jetzt, daß ihm die Ueberraschung
auch glänzend gelungen war. Pru
die ihm vordem völlig entgangen war.
Gertrud Overhoff halte sich in diesen
fahren zu einer rassig schönen Er
scheinung entwickelt.
„Ja," lachte sie, .aus Kindern wer
den Leute, geliebtes Brüderchen. Ich
mußte den Pensionsdrill er>l über
winden, ehe meine gute Natur zur
freien Entfaltung kam. Seit mich
der Herr Bormund nicht mehr ducken
kann, bin ich mächtig ins Kraut ge
ter." H
Und übermütig stellte sie sich auf
die Fußspitze und blitzte ihn aus ih
re» lebhaften Augen an.
.Du, mogeln gilt aber nicht," neckte
er und freute sich ihrer schlanken,
eleganten Biegsamkeit. Uno wie gut
ihr die blonde üppige Flecht-nkrone
Her? al! wolltest Du mich durch und
durch gucken."
.Ich freue mich nur innig, datz
Du so gar nichts vom Typ „Mal
weib" an Dir hast, Trude, trotzdem
die Kritil Dich doch schon als junges
Talent gefeiert hat."
Ein Schatten flog über ihr Ge>
sichn ch t si wg
morgen lassen sie lein gutes Haar an
einem Latz die
beste Kritil muß doch oie eigene Zu
friedenheit sein.
Nun aoer zu Dir, Fritz. Was hast
Du vor. Was führt Dich plötzlich
nach Münchens Du schriebst mir
deinen sei."
Der Ingenieur hatte es sich auf
eine,» a,.en niederländische» Lehnsej-
als >cy s schrieo, da war's auch rich
tig. Inzwischen hat sich einiges verän
dert. um es turz zu sage», ich habe
Uin ein Haar hätte sich Gertrud
Overholl tu fröhlichem Erstaunen
auf eine große und mit Oetsarben
reichlich versehene Palette gesetzt, unb
im letzten Augenolick vermied sie oas
Unheil.
«Reisen! Ach ja, Fritz, wenn man
das könnte. Fort von hier, in an
ven und Stimmungen gibt, die man
hier nie zu sehen bekommt. Das
wäre ja wunderschön. Weißt Du,
Hritz, so in Ruhe und Muge von
Ort zu Ort wandern und mii Stist
und Slizzenbuch, mit Pinsel unb
Palette festhalten, was es unterwegs
Sntz, >o was tostet doch höllisch viel
Geld."
Fritz Overhoff strich sich über bie
Bruftlasche, m ver sein Scheckbuch
wouie er oocy haben.
„Ja, weißt Du, Trudchen, wir
weroen iMurlich sehr spar>am sein.
türlich L. Klasse. Das läßt sich sa
the isi vornehmer ourch Italien ge
fahren. Äber auch Herr Johann
Gottfried Seume ist recht billig zu
Fuß gereift, von Wien bis nach
Syrakus, und hat dabei vielleicht
mehr gesehen und erlebt, als Goe
the."
Gespannt hatte Fritz Overhofs
während dieser Rede seine Schweiler
beobachtet.
Aber nicht die geringste Spur des
MißsallenS war auf ihren Zügen
.Wie Du es machst, Fritz, das soll
mir gleich sein. Die Hauptsache
nur, daß ich dort hinkomme, bort le
mir."
«Aber weißt Du, Trudchen/ fuhr
der Bruder fort, .ich habe mir sagen
Es soll nicht nach jedermanns Ge
schmack sein, alle Speisen mit Oli
venöl zu essen. Uno es gibt, oas
weiht Du von Deiner Kunst her
Mein Geschmack ist mehr darauf ge
richtet, zwar all dies Malerische und
Romantische zu sehen, aber mich sel
niit warmem und kaltem Wasser vor
sieht. Und dies, das kann ich Dir
sicher verraten, ist in den gewöhnli
chen Albergi nicht zu finden."
Gertrud Ooerhosf betrachtete for
schend ihren Bruder, um dessen
Mundwinkel ein mühsam unterdruck
„Jch verstehe Dich nicht, Fritz,"
ihre Züge flog. „Ich Hab's bis
.Du brauchst Dir Deinen Kopf
Glicht zu zerbrechen, Trudchen. Ich
«llen Komfort zu gönnen, den un
sere Zeit ben Reisenden bietet. Du
bist natürlich auf dieser Reise mein
Gast und brauchst Dich um nichts
sorgen."
Gertrud Overhoss sprang von ih
durchs Zimemr.
«Hast Du's so weit gebracht, Fritz.
Endlich, nachdem Du jahrelang da
teil auch noch Glück haben, joiist
bringt man'S zu nichts. Meine
Schmerze» habe ich lieber allein ge
lragen, aber meine Kreuben, mein
Gluck, das will ich ehrlich mit Dir
teilen, geliebtes Schwesterherz —"
„Und das sollst Du nicht bereuen,
Fritz. Wie sehr ich mich gesehnt
habe, so recht zu studieren und all
das »schöne, das mir in Phantasten
führen zu tonnen, und immer wieder
mutzte ich mir sagen: mit meiner
Malerei würde ich es nie so weit
bringen, um sorgenlos re»sen zu ton
nen. Hätt ich allein das leichte
so reichlich Zinsen tragen werde.
Aber das schwere solide Kriefenblut
unserer Mutter hielt mich davon zu
rück. Und wirtlich, ich hab'
gelitten unter diesem Zwiespalt,"
setzte sie leise hinzu.
.Jetzt sind die Sorgen zu Ende,
Trudchen, wir werden reisen, und
auf einem anderen Sessel bequem
„Weitzt Du, Hritz," begann sie.
während der Ingenieur den Blick mit
Interesse über iells sertige, teils an
gesangene Bilder und Studien sch^ei»
'
nig in seinem Sessel aus.
„Etwas viel verlangt, Trude. Das
heißt am Ende die Katze im Sack
taufen. Ich mutz doch erst wissen,
was es ist.
Gertrud Overhosf lachte fröhlich.
„Erstens ist » leine Katze, und
zweitens sollst Du sie auch gar nicht
>m Sack taufen, sondern kannst sie
Dir vorher genau ansehen. Es ist
meine beste Freundin Margot Ret
chard. Die müssen wir unbedingt
mitnehmen."
Der Ingenieur schüttelte nachdenk
lich den Kops. Und sagte: „Hm!
Hm! Trudchen, das ist doch eigent
lich ziemlich viel verlangt. Ich bin
natürlich überzeugt, oatz es sich uin
eine nette und junge uno selbstc-r
-ständlich auch hübsche und gebildete
Dame handelt, ?enn sonst wäre sie
sicherlich nicht Deine Freundin ....
Aber erstens, weitzt Du denn über
haupt, ob sie mitgehen würbe, und
zweitens .... kennen lernen möchte
Dir zusammen aus eine srohe sidele
Ferienreise zu gehen. Aber ein Drit
ter, der nicht ins Milieu patzt, kann
gegen Margot Reichard gesagt hast.
Denn .... ich will Dir gleich oas
Programm entwickeln. Wir gehen
Professor Engelhardt, Der soll mir
ben besten Rat sür unsere geplante
Reise geben und dann werden wir
bort auch bestimmt meine Freundin
treffen. Da kannst Du sie kennen
lernen und danach Deine Entschlüsse
fassen."
Fritz Overhoff. „So soll'S gesche
hen. Ich denke, das Mittagesien
(Fortsetzung folgt.)