Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 22, 1917, Image 6

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    Die Ktsdt Mölln und ihr
..Schutzheiliger."
Im Lauenburgischen, unfern von
der alten Hansastadt Lübeck, liegt,
rings von Hügeln und großen Bu
chen- und Nadelholzwaldungen um
schirmt, am Ufer eines schönen Sees
das Städtchen Mölln bieder und
behaglich, mit schmalen, winkeligen
Straßen und spießgiebeligen Häusern
aus Backsteinen und Fachwerl, von
denen jedes sein eigenes Gesicht hat.
Trotzdem eine Kleinbahn und eine
Staatsbahnlinie den Ort berühren
und sogar eine Heilquelle in Mölln
existiert, fühlt man sich in diesem
stillen, reizvollen Nest wie weit ab
seits von der hastigen modernen Welt.
Und wer in einer mondllaren Nacht
ten zurückversetzt, in einen mittelal
terlichen Ort mit Zünften und Gil
den, wo bejm zehnten Stunden
schlage jedes Abends noch die Stim
me des Nachtwächters ertönt:
»Hört, ihr Herren und laßt euch sagen,
De Klock h«tt tein flogen.
Ein jeder bewahre sein Feuer und
Licht,
Daß in der Stadt kein Schaden ge
schicht.
Mit uns sey Gott der Herr, '
Ihm sey Lob, Preis und Ehr!"
Nachtwächter und Sänger mehr, aber
die Stille, die um Klock „tein" des
Abends und Klock .veer" in der Früh
ne Sturm und Drang ist die kriegs
schwangere mittelalterliche Zeit aber
auch für dieses gemütliche Städtchen
nicht gewesen. Im Jahre 1225 kämpf
te Graf Adolf IV. von Holstein bei
Mölln gegen den Grafen Albert von
Orlamünde, den Statthalter der Dä
nen, denen er die Herrschaft über
Schleswig, Holstein und Dithmar
schen entriß. Ungefähr drei Jahr
hunderte später (1506) hatte „die
wohlbesestigte Stadt Mölln", damals
im Pfandbesitz der freien Reichsstadt
lang ohne Unterlaß mit Pech und
Schwefel gefüllte Brandkugeln in dir
Stadt schleuderten, die aber von den
und neben dem Gotteshaus« «in glü
hender Svnne ein furchtbares und
ungeheures Geschütz, angefüllt mit
schwarzem Pech und Schwefel", be
reit stond, das viele Feinde ins Jen
seits befördert hätte, wenn es nicht
zerborsten wäre, Als es seinen ersten
Donner entsenden sollte.
In. der unglückseligen Franzosen
zeit hat Mölln mit allen anderen
Städten und Ortschaften des dama
ligen Herzogtums Lauenburg eben
falls viel unter dem Druck der Fremd
herrschaft zu leiden gehabt, und zwei
Denkmäler in der Nähe der Stadt
erinnern an die Gefechte, die das
Llltzowfche Korps und das Hansea
tenlorps hier im September und
November 1813 den Napoleonischer
Truppen lieferte. Trotz dieser eh
renvollen Daten in seiner Vergan
genheit wäre aber die kleine Stadt
am Möllner See wohl kaum so be
kannt, wie sie es ist, wenn nicht ein
einzelner Mann durch seine Zugehö
rigkeit zur dortigen Bürgerschaft ih
ren Namen für ewige Zeiten mit dem
seinigen verlniipst hätte. Dieser
Möllner Bürger ist aber nicht etwa
ein siegreicher Feldherr, ein Glau
bensheld, genialer Erfinder oder Ge
lehrter gewesen, und auch nicht durch
Würden oder Titel ausgezeichnet; er
hieß Till Eulenspiegel. Wer von
uns hätte von diesem berühmtesten
deutschen Schalksnarren und berüch
tigsten Taugenichts aus mittelalterli
cher Zeit nicht schon gehört oder ge
lesen!
Till Eulenspiegels Geburtsstadt ist
nicht Mölln, sondern er stammte
aus dem braunschweigischen Dorfe
Kneitlingen bei Schöppenstedt, wo er
als Sohn des ehrbaren Bauern
Claus Eulenspiegel und dessen Frau
Anna Wibeken gegen Ende des 13.
Jahrhunderts zur Welt kam.
Schon als lleiner Knirps sann er
auf allerlei Schelmereien, und wenn
es nicht verbrieft wäre, daß er bei
seiner Tause eben noch ein Säug
ling war und deshalb nicht daran
schuld fein lonnte, daß seine „Tauf
göthe", die ihn trug, zuviel getrun
ken hatte, so würde man ihm das
Mißgeschick der Muhme an diesem
Tage auch noch auf sein langes Sün
denregister gesetzt haben. Damals
pflegten sich die Taufpaten und alle
Zeugen der heiligen Handlung mit
samt dem Täufling von der Kirche
aus ins Wirtshaus zu begeben, wo
man sich dann bei Tanz und Bier
auf Kosten der Eltern des gefeierten
Wickellindes nach Kräften vergnügte.
Die genannte Taufmuhme nun, die
beim Heimwege über einen ver
schlammten Wassergraben. Weil sie
aber nicht mehr ganz fest auf den
Beinen war, glitt sie auf dem Stege
aus und besudelte sich und den Täuf
ling so jämmerlich, daß dieser in
dem Morast schier erstickt wäre, wenn
die anderen der Göthel nicht wieder
aufgeholfen hätten. Daheim wurde
Klein-Eulenspiegel in Ermangelung
einer Badewanne dann in einen Kes
sel mit Wasser gestellt, und so kam
es, daß er an diesem Tage dreimal
dann in der Morastlache und zuletz!
im Kessel mit warmem Wasser. Und
dreifach schnell reifte der dreimal Ge
taufte auch heran. Schon als er
noch aus allen Vieren in Haus und
Hos herumkroch, leistete er sich die
ersten Spitzbllbeleien gegen seine
Mitmenschen.
Mit den Jahren des Kindes nahm
auch dessen Neigung zu allerlei Un
fug immer mehr zu, so daß die Nach
barn bald zu Vater Eulenspiegel ka
men, um wider sein Söhnchen Klage
zu führen, weil der kleine Till ein
Schalt wäre. Der Vater zog Till
zur Rechenschaft. Dieser aber bestritt
seine Schuld und sagte: .Lieber Va-
Geht hin, setzt Euch aus Euer Pferd,
so will ich hinter Euch sitzen und
stillschweigend mit Euch durch die
Gassen reiten und doch werden sie
mich verlügen: gebt nur acht!" Und
der Vater nahm ihn hinter sich aufs
Pferd. Da hob sich Eulenspiegel im
Sattel, lllpste Kleid und Hemd von
dem Körperteilchen, auf dem er sonst
zu sitzen pflegte, und .ließ sich die
Leute in einem neuen Spiegel bese
hen". „Pfui," schrie alles, „welch
ein Schalk ist das!" Da sprach Eu
lenspiegel: „Hör', Vater, du siehst
tue, und doch sagen die Leute, ich
wär' ein Schalk!" Der Vater hielt
und setzte Eulenspiegel, seinen lieben
Sohn, vor sich auf das Pserd, Da
saß Eulenspiegel snll, sperrte aber
das Maul auf, grinste die Leute an
und reckte die Zunge heraus, so daß
die Leute Herbeilamen und sprachen:
„Seht an, welch ein junger Schalt
ist das!" Der Vater sagte dann zu
Eulenspiegel: „Du bist halt in einer
unseligen Stunde geboren: Du sitzest
Der gute Mann ist bald darauf
wie das Buch von Till Eulen
spiegel unS weiter berichtet von
sich als Seiltänzer, prellte die Brot-I
bäcker, um seiner Mutter Nahrung!
zu verschaffen, um einen Sack mit
Broten, rächte sich an einem Haus
wirt, bei dem er so viel Metzelsuppe
hatte essen müssen, daß sie ihm be
lam „wie den Hunden das Gras",
dadurch, daß er Brotbissen an lange,
sämtlich miteinander verknüpfte Fä
den befestigte und sie den vielen
Hühnern des Betreffenden vorwarf,
so daß sich schließlich mehr denn zwei
hundert von diesen Tieren würgend
gegenüberstanden und „das Luder
zogen".
Endlich begab sich Till Eulenspie
gel dann aus die Wanderschaft, um
ein Handwerk zu lernen, sann jedoch
nach wie vor mehr auf allerlei Al
lotria, als auf ernste Arbeit. Er zog
erst durch Niedersachsen und West
falen und kam sogar bis noch Ita
lien und Polen, wo er mit dem
Hofnarren des Königs Kasimir des
Großen einen Wettstreit hatte. Er
verdingte sich auf Bauern- und
Pfarrhöfen und Schlössern, stiftete
als Mehner zwischen einem Pfarrer,
dessen Wirtschafterin und den Bau
ern eine allgemeine Rauferei an,
spielte an anderen Orten den Arzt,
behandelte als solcher sogar den
Doltor des Bischofs von Magde
burg auf eine schändliche Art, machte
alle Kranlen in einem Spital mit
darauf setzte er eine Frau aus Bos
heit in die heiße Asche ihres Feuers,
bürg und Sachsen, im Hannoverschen
und in den Rheinlanden. In Lü
beck, wo er einen Weinzapser betrog,
wär's ihm bald an den Kragen ge
gangen. Aber er wußte die ehrsa
men Ratsherren der Stadt so in Ver
legenheit zu bringen, daß sie ihn lau
fen lassen mußten. Dann versuchte
er sich als Metzger, Schreiner und so
gar als Brillenmacher, und weil er
als solcher in allen Landen keine
Arbeit bekommen konnte, wurde er
rZume mir das Haus." Und Eulen
spiegel trug des andern Morgen»,
während der Kaufmann in der Kir
che war, alles, was nicht niet» und
nageisesi, aus dessen Wohnung auf
in einer unglücklichen Stunde gebo
ren." .Damit zog er weiter gen
Wismar, Lüneburg, Hannover. Weil
er stets Gesottenes und Gebratenes
essen wollte, mußte er sehen, wo er
es h»rnahm, und wo das nicht auf
ehrliche Weife ging, half er sich
skrupellos, wie er nun einmal war
aneinander, daß sie sich mit den Ei
mern, Liigeln und Flaschen an den
Kopf warfen und schlugen und sich
ihre flüssige Ware unter die Augen
gössen und auf die Erde, daß es
aussah, als hätte es Milch geregnet.
Nicht selten waren die Streiche die
ses unverbesserlichen Galgenvogels
nicht einmal andeuten, geschweige denn
erzählen lassen. Sie sind alle ge
sammelt in dem schon erwähnten al
ten Buche, das in verschiedenen ins
Hochdeutsche übertragenen Ausgaben
existiert und die Ausschrist trägt:
„Ein kurzweilig Lesen von Till Eu
lenspiegel, geboren aus dem Lande
Braunschweig. Was er seltsamer
Possen betrieben hat feine Tage, lu
stig zu lesen." Und die „Vorred" zu
diesem Buche beginnt mit den Wor
ten: „Als man zalet von Christus
geburt tausend fünfhundert bin ich
N. durch etliche Personen gebetten
worden, daß ich diese Historien und
geschichten in zu lieb sol zesammen
bringen und beschreiben, wie vorzei
tribner ein bauren sun, was er ge
triben und gthan hat in welschen und
tütschen landen, was geborn in dem
brunschwigischen Herzogthum, genannt
Thyl Uhlenspiegel."
Als Eulenspiegel vom Kloster Ma
rienthal im Lauenburgischen, wo er
den Mönchen so übel mitspielte, daß
der Abt ihn zum Teufel wünschte,
nach Mölln kam, war er lranl, was
ihn aber nicht hinderte, sich beim
Apotheker gleich auf eine üble, aber
sehr von ihm beliebte Art für eine
scharfe Purganz" zu bedanken bezw.
Uebermut verschrieben hatte. Seine
Ueberführung ins Möllner Spital
vom heiligen Geist veranlaßte ihn zu
der Klage: „Ich habe stets darnach
getrachtet und Gott allzeit gebeten,
daß der heilige Geist in mich käme;
nun sendet er mir das Widerspiel,
daß ich in den heiligen Geist komme;
er bleibt aus mir und ich lommt in
ihn." Seiner alten Mutter, die ihn
besucht und frägt, wo er krank sei,
antwortet Eulenspiegel: „Hier zwi
schen der Bettlade und der Wand,"
und als die gute Frau ihn um ein
einziges süßes Wort bittet, antwor
tet er: „Liebe Mutter, Honig ist
ein süß Kraut." Wie er im Leben
nichts gefürchtet, so furchtet« Eulen
spiegel auch den Tod nicht. MS er
seine Sünden bereuen sollte, bedauer
te er bloß, dreimal eine Schalkheit
versäumt zu haben, wovon die letzte
zuhören war, daß die Nonne auS
dem Krankenzimmer lief. Schließlich
rer der Stadt recht böse an. Wie
des Menschen Leben, so ist auch sein
Ende, sagten die Möllner, aber sie
gen will; dem wollen wir auch also
tun." Und selbst im Grabe gab der
tote Taugenichts den Möllnern dann
wollte, brach das Seil cm Fußende
entzwei, und der „Totenbaum" schoß
ins Grab, also daß Eulenspiegel auf
die Füße zu stehen kam. Und die
Möllner sprachen untereinander:
„Lassen wir ihn stehen: er ist wun
derlich gewesen in seinem Leben,
wunderlich will er auch im Tode
Das deutsche Tor in Motz.
«n hält und schrieben oben auf den
Stein:
Diesen Stein soll niemand erhaben:
Hier steht Eulenspiegel begraben.
Anno Domini im 1350. Jahr."
Eulenspiegel hatte auch ein Testa
ment gemacht. Seine gesamte Hin
terlassenschast, die sich in einer schö
nen, mit Schlössern wohlverwahrten
Kiste befand, sollte zu je einem Drit
tel seinen Freunden, dem Rate zu
Mölln und dem Kirchherrn daselbst
gehören. Als aber die glücklichen
Erben die Kiste öffneten, fanden sie
nichts als Steine darin. Da aber
dann eine Partei die andere im
Verdacht hatte, daß sie die Schätze
heimlich beseitigt habe, so gerieten sie
alle miteinander in Streit und Un
frieden. So trieb der Schall Eulen
spiegel noch sein Unwesen, obgleich er
schon tot war. Wenn aber die Möll
ner auch leine materiellen Güter von
ihrem berühmten Mitbürger erbten,
etwas hat Till Eulenspiegel ihnen
doch hinterlassen, und zwar etwas,
das sich als dauerhafter erwiesen hat,
als Gold und Kostbarleiten «s ge
wesen wären einen Teil seines
Humors und seiner Lust an Schel
mereien. Dafür möge ein Stücklein
zeugen, das sich vor nicht allzulan
ger Zeit in dem Städtchen begeben.
Damals wurde während des Gottes
dienste! in > der Kirche noch der Klin
gelbeutel herumgetragen, und das
Amt, mit diesem langgestielten Beu
tel die Opferpfennige dir Bürger ein
zuholen, lag den Kirchenräten ob. Da
lollegen ein, daß die richtige Hand
habung des Klingelbeutels eine gro
ße Geschicklichkeit verlange, es
mand ins Gesicht oder sonstwohin
träfe. Einer Frau sei schon einmal
der Hut heruntergestoßen, einer an
stoßen worden. Dem Tutvetler wur
de bei diesem Gerede recht übel zu
Mute, und je näher der Tag heran
rückte, an dem er seinen ersten
Klingelbeutelgang machen mußte, um
so höher schwoll seine Angst. Schließ
lich kam ihm der Gedanlc, sich vorher
nahm eine lange Heugabel, begab sich
damit in den Kuhstall und begann
seine Proben. Aber die verwunder
ten Kühe blieben nicht die einzigen
Zeugen dieser heimlichen Exerzitien
des „Tutvetters". Die Möllner
men bald genug dahinter, und wäh
rend der Alte im Stalle ernsthaft
und behutsam das langstielige In
strument hantierte, stand im Türrah
men ein Häuflein von Schelmen, die
sich lautlos eins lachten. Das ist
der Geist vom Geiste des seligen Eu
lenspiegel, sagen die Möllner selber,
und sie halten das Angedenken ihre?
berühmten Mitbürgers seit jeher
hoch in Ehren. Als einige Zeit nach
Eulenspiegels Tod ein päpstlicher Ab
gesandter auf der Durchreise Mölln
für einige Stunden besuchte, wo er
mit gebührenden Ehren empfangen
wurde, trug ein Biedermann dem
Prälaten die demütige Bitte vor,
daß er sich beim Papste doch für die
Heiligsprechung ihres „ollen Herrn"
damit war Eulenspiegel gemeint
verwenden möchte. So erzählt
die Ueberlieferung. Was der hohe
Herr auf diesen Vorschlag geantwor
tet, ist leider nicht mehr bekannt,
vielleicht hatte er doch einige Beden
ken gegen diesen seltsamen „Schutz-
heiligen" und ahnte in dem from
men Anliegen der Möllner Bürger
schaft den Geist vom Geiste Till
Ziaiholische Albanerin ku» der Gegend
ÄttstumS ' lm
TaS mittlere
Ausgebeutet. Richter:
„Wie kamen Sie, Herr Zeuge, mit
dem Angeklagten zusammen?"
Sin Zweifler. Onkel
(auf Hesuch): „Studierst Tu denn
auch fleißig, Fritz S 5
Studiosus: „Aber, Onkelchen,
welche Frage! Sieh doch nur diese
Fülle von Wissenschast in Folio!"
„Na hoffentlich nicht Folie!"
Ach sol A.: Nanu, du bist
schon?
B.: Aber. Mensch, das weißt du
noch nicht? Ich feiere bereits in
49 Jahren die goldene Hochzeit!