Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 27, 1917, Image 3

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    Sabine Bs. li.
/ ' (S. Forlsitzung.)
Einen scheuen Blick warf er um
sich; noch immer weit und breit leine
Menschenseele. Ganz gedämpft nur
erreichten einzelne Musittöne sein
Qhr. -Den Schlüssel zur eigenen
Tür in der linken Hand haltend,
holte er mit raschem Griff ein gan
zes Bund Dietriche aus der Tasche.
Und begann sofort seine Arbeit. Ei
nen nach dem anderen oersuchte er.
Dabei hielt er den eigenen Schlüssel
bereit, um ihn beim ersten verdächti
gen Moment in das Schlüsselloch
stecken zu tönnen. Das war ganz
raffiniert; sollte er überrascht wer
den, so hatte er sich eben in der Ka
dintntiir geirrt und versuchte, mit
dem eigenen Schlüssel die Tür des
Nachbarn zu öffnen, was selbstver
ständlich nicht ging, und jedem
Mißtrauen die Spitze abbrechen
würde
Nach mehreren Versuchen gab das
Schloß nach. Bergmann schlüpfte
in die Kabine hinein und schob den
Riegel vor. Dann blickte er um
sich.
„Hier irgendwo liegt's sicherlich
ober wo?" murmelte er vor sich hin.
Er versuchte die Kommode, die
Schränke zu ösfnen.
„Natürlich alles fest verschlossen!"
Da entnahm er seiner Westentasche
zwei kleine Wachskügelchen. Rasch,
wie jemand, dem derartige Arbeit
geläufig ist, drückte er je ein Kü
gelchen gegen das Schlüsselloch des
Garderovenschranles. Tief hinein;
dann es vorsichtig lösend. Dasselbe
wiederholte sich bei der Kommode.
tig in die leere Blechdose und mit ihr
i>. die Westentasche.
Es war alles das Werk weniger
Mindten gewesen; war fast so schnell
vor und legte sie fein säuberlich auf
den Tisch. Dann öffnete er eine
Handtaiche; sie enthielt Feilen und
und ging an die Arbeit.
Die Musik hatte zu spielen aufge
hört; ein Teil der Passagiere, der
ihn; das empfand er. Das hatte er
schon -.mpfunven. ehe Hertha ihm
heute eröffnete, was man auf dem
i.'iu ,tas :>i der Mann!" Mit Aus-
Pitrou. Aber schließlich Pitrou
Länder und dem Russen. Beide schie
nen ihm recht sympathische Men
jegen ihn
Jetzt tat's ihm auch leid, daß er
den Russen vorhin so kurz abgefer
tigt hatte. Gerade Bergmann war
meint.
Und seinem Impulse folgend, ging
er in den Rauchsalon.
Bergmann war natürlich nicht an
wesend. Bei dem Steward mochte
er keine Erkundigung einziehen; er
nahm also ohne weiteres an, daß dem
rück aufs Dea.
Es war ordentlich kalt geworden.
Könnecke fröstelte leicht. Er blickte
auf die Uhr.
„Elf," murmelte er. .Zeit, in die
Klappe zu gehen. Aber ich könnte
nicht schlafen; ich werde wohl sobald
nicht schlafen können."
Wieder fröstelte er. Im selben
blieb, würde er sich erkälten. Und er
entschloß sich, hinunterzugehen und sei
nen Ueberzieher zu holen.
Dem Entschluß folgte sofort die
Tat. Bor seiner Kabinentür ange
langt, zog er achtlos den Schlüssel
aus der Tasche die übliche, ganz
mechanische Handlungsweise eines je
den Menschen, der in sein Zimmer
treten will steckte ihn ins Loch
and wollte mit einem energischen
ment wurde ihm ganz plötzlich klar,
daß er auf etwas Ungehöriges geflo
hen war. Die Tür hatte sich zwar
sofort geöffnet, aber jener Ruck hatte
gefehlt. Jenes Zurückschnappen des
Schlosses,
gehabt?"
wolle nur wissen, ob er, der Steward,
seit acht Uhr abends diese Kabine
betreten habe.
Es sei nicht üblich, meinte er. Der
Tagsteward bereite die Kabine für
die Nacht vor, ehe er vom Dienst
abgelöst würde. Die Nachtstewards
betraten die Kabine nur, wenn sie te
lephonisch gerufen würden, wie der
Herr dies jetzl auch getan.
Damit war die Unterredung be
endet. Jeder Zweifel, daß ein
Fremder in Abwesenheit Könneckes
seine Kabine aufgesucht hatte, war
behoben
Und so kauerte der junge Deutsche
in der Ecke seines Sofas und sann
und sann. Und je länger er sann,
desto mehr zog sich seine Stirn
kraus. Nach einer Weile sprang er
auf und versuchte die Schubfächer
und den Garderobenschrank. Sie wa
ren fest verschlossen. Da holte er
seine Schlüssel hervor und wollte
eben den Schrank öffnen, als ihm ei»
anderer Gedanke kam. Er hielt in»
ne, nahm die elektrische Stehlampe
vom Tisch. Mit dieser leuchtete er
scharf in das Schlüsselloch ries
Schlankes hinein. Und stehe da; et
was fesselte seine Aufmerksamkeit.
Etwas Gelbes. Er holte sein Ta-
Gelbe, untersuchte es dann. Es war
ein winziges Stückchen Wachs.
Und solch winzige Stückchen
Wachs fand er bei näherer Untersu
chung auch in allen übrigen Schlüs
sellöchern.
Da stellte «r die Lampe auf den
Tisch zurück und richtete sich em
por. Und dann, während er so da
stand, glättete sich seine Stirn, die
oüstere Miene wurde heiter. Bis zum
Schluß gar ein feines Lächeln seine
Lippen umspiegelte.
„Also so! Also so! Na war
tet; Jungekens, bei diesem Spiel
können zwei mitspielen."
Längere Zeit ging er in der Ka
bine gemächlich auf und nieder;
hin und wieder lachte er leise vor
sich hin, wie bei einem lustigen
Gedanken. Endlich zog er den
Ueberzieher an, schloß vorsichtig die
Tür wieder hinter sich und ging aufs
Deck.
Die nächste halbe Stunde pro
menierte er einsam, unzählige Zi
garetten rauchend. Dann stattete er
der Marconistction einen Besuch ab.
Diele Station befindet sich, wie
Sonnendeck.
In wenigen Minuten hatte er eine
Depesche nach Castarua entworfen,
die er dem diensttuenden Telegraphi
sten zur sofortigen Uebermittelung
einhändigte. Der Telegraphist führte
den Auftrag ohne Verzug aus.
Als Könnecke dann auf die Uhr
sah, er sich, daß die mit
Zeit der Zusammenkunft unter der
Kommandobrücke herangerückt fei,
und in der Tat fand er das gelievte
Mädchen bereits seiner in Ungeduld
oon ihnen Stimmen hörte. Es
drängte ihn, zu erfahren, wer in
dieser nächtlichen Stunde sich noch
auf Deck aufhalte, und sich auf einen
Augenblick von Hertha verabschiedend,
folgen.
Gegenwart zurückgeführt, und ein
selbstzufriedenes Lächeln breitet sich
über sein Gesicht.
.Miß May! Wie nett!"
ten."
scheinen mich nicht erwartet zu haben."
.Man erwartet sein Glück nicht zu
einer bestimmten Stunde; man freut
sich nur, wenn es kommt," erwiderte
der Telegraphist galant. .Sie hatten
mir ja nicht gesagt, wann kom
.Gefahr?!"
.Nun, Gefahr insofern, al» es
für Sie doch unangenehm sein wür
de, wenn man Sie jetzt oben auf dem
Deck sähe."
»Wieso?! Ich kann doch zum Bei-
splel Kopfschmerzen haben und etwa»
an die Luft wollen —"
Der Telegraphist lachte leise vor
sich hin.
Kopf.
Telegramm —"
Und Georg Magnus, der Telegra
phist, erklärte, und May Boston hör
te aufmerksam zu.
schlüge sie aus ihren Gedanken auf
schreckten. Bing! Bing! Bing! Bing!
tönte es in die Nacht hinaus.
schauen, wer dort gelacht hatte.
Sollte ihm etwas zugestoßen sein?
Der Gedanke ließ ihren Herzschlag
stocken. Sie war vom Sessel aufge
sprungen, alle Furcht von ihr gewi
chen. Auf Zehenspitzen, den Körper
flach gegen die weiße Schiffswand ge
drückt, schlich sie sich auf dem Deck
Bald verstand sie alles.
Drüben an der Reling hielt eben
Sir Alfred Tucker dem Monsieur
die Zigarettentafche hin.
Freund?"
„Danke."
Der g'immende Tabak leuchtete in
der Dunkelheit auf wie Glühwürm
chen.
„Kopfschmerzen ganz fort?"
„Gänzlich."
„Sehen Sie? Was sagte ich Ihnen?
doch?"
„Richtig! Ist sie nicht schön? Was?!
„Der! Könnecke?! Ein ganz netter
Kerl?! Ich würde dem Mann nicht
über den Weg trauen!"
„Was haben Sie denn gegen ihn?"
„Das ist noch nicht spruchreif!"
dem Schiff noch eine Sensation er
leben! Ich will alles beweisen, was
für einen Mitbürger wir da unter
uns mitschleppen. Ein ganz gefährli
cher Mensch, sage ich Ihnen!"
„Sie machen mich neugierig: kön
nen Sie denn gar nichts verraten?"
.Noch nicht. Nur, daß er allen
Grund hat, seine Tätigkeit zu verber
gen. Aber er kann sich freuen, wenn
er an seinem Bestimmungsort an
dern Schiff —" > U d
als Mensch glicht sympathisch. Aber
tion?"
Mädchen
gegen den Engländer ausstreckend, rief
er:
.Ach; ein Gedanke! Bielleicht besteht
die Achseln.
.Bielleicht. —5
steckt."
„Ich danke Ihnen für Ihren sehr
netten Unterricht, Herr," sagte May
Bostock und machte dem Telegraphi-
Glocke geschlagen; nämlich fünfmal.
Und das bedeutet ein halb Drei. Und
ich habe morgen einen schweren Dienst.
schon aus unser Wiedersehen morgen
Siebentes Kapitel.
„Was tun? spricht Zeus."
Gräbert schüttelte bedenklich den
Kopf.
.Durchaus nicht."
„Schön. Gibt es sonst etwas
Neues?"
helfen.
den Gesprächsstoff?"
.Ich auch nicht. Und das Merk
ven scheint."
.Ein Liebespaar? —"
„Soll heißen, daß heute, lange nach
Mitternacht, das Deck nicht unbelebt
hen und Lachen und Sprechen und
Flüstern gehört: die ganze Nacht hin
durch."
»Ein Liebespaar? —"
d
»Ja. Es ist etwas Geheimnisvolle»
um den Mann; etwoü Vi^<imnil.
Volkes überhaupt in der Luft. Nicht?
„Acht Uhr! An die Arbeil!" >agte
Es war die Stunde nach dem
Frühstück, und der dritte Tag auf ho
her See. Das Meer schien glatt wie
ein Spiegel; kaum daß es sich hier
und da in kleinen Wellenlinien kräu
selte. Und der wolkenlose Himmel, der
sich im Wasser spiegelte, ließ auch
dieses im tiefsten Blau erscheinen.
An einem solch herrlichen Tage hat
ten sich natürlich alle Passagiere auf
Deck versammelt; jeder verbrachte die
Zeit auf die ihm eigene Art. Hier
versuchten sich ein paar Leutchen inr
Scheibenschießen, dort hatte sich eine
von wo aus man auf das Zwischen
deck hinabschauen konnte. Dort ging
es nämlich lustig zu: ein slowakischer
Bursche in der originellen Tracht sei
ner Heimat hatte eine Ziehharmonika
mitgebracht, ein Ungar in den weiten
«reißen Hosen und der hemdartigen
Jacke eine Geige. Sie saßen auf dem
Boden, die Beine nach Türkenart un
ter dem Körper gekreuzt und spielten.
Ein Paar weiche Mädchenstimmen hat
ten die Melodie aufgenommen und
sangen dazu, während eine ganze
Anzahl von Paaren sich im Kreise
drehte. Ein Lachen, Schwatzen und
Jubeln, ein buntes Bild; den
Passagieren der ersten Kajüte der
jiitpassagiere des „Cäser" jedoch stand
und lag auf der Seite des Schiffes,
von der man in Entfernung
Wette jiönnecke—Sir Alfred Tucker.
bildete, wie Gräbert schon angedeutet
hatte, das ausschließliche Gesprächs
thema.
Sir Alfred, ein starkes Marine
sellte.
„Gut geschlafen, Sir Alfred?"
„Werden wohl Ihre Wette gewin
.Jch hoffe es."
„Würde mich freuen. Dem Kerl«
gönnte ich den Verlust."
Alfted das Glas sinken.
Ich hatte das Schiff so schön im Ge
nicht gern davon abgelenkt sein
wollte."
Hand; ein hübsches kleines Mädchen,
mit dem sie lustig zu plaudern schien.
Noch ein paar Schritte; nun war
einem Bein auf das andere. .Haben
Sie daS gesehen, wie sie mich ange
blickt hat?!"