Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 26, 1917, Image 3

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    MntterMaria
(7. Fortsetzung.)
»Ja, sehen Sie, gnädiges Fräu
lein, da haben Sie, nun die Folge
Ihres wie soll ich sagen Leicht
sinns, nun müssen Sie sich schon bis
zum nächsten Morgen meinem Schutz
«r die Sache ganz leicht, aber in sei
ner Stimme ist ein Zittern..
„Wir werden die Kompresse wieder
erneuern." Damit steht er auf und
feuchtet wieder unter dem rinnenden
werden," fagt er.
Sie wunderte sich, wie leicht seine
Hand ist, wie er den Fuß wickelt, wie
er ihn bettet, es tut ihr alles wohl.
And plötzlich muß sie an den anderen
denken, dem sie sich heute verlobt hat,
vor Umarmungen sie gleich
„O mein Gott!"
Kalhain glaubt nicht anders, als
daß es in erster Linie das Peinliche
der Situation ist, das sie quält; auch
der Gedanle an ihr Zuhause, an den
Sachschaden.
plötzlich.
die es uns bringt, wir wollen doch
diese gewaltige Stimme der Natur
mal zu uns sprechen lassen, die uns
-Haus schaffen. Wo Ihre Stute wohl
Art lullte sie ein, und sie
guter Wildsland sei? Ob er hier ar
beiten lasse?
„Schon der vierte Bock trotz Wil
starl und geschützt sind. Ich fühle,
seini nun ist's das Eigenste, das
zwingt."...
Er sieht über die Tischplatte hin
weg zu ihr' hin. „Sie mögen recht
auch der Stärkere einen
eine Stimme, d°e zu einem spricht.
«i"em zu gegebner Stunde das rechte
W°r! ia»t. Ein Ohr, das einen an-
Wolken, den ewig Unsichtbaren. Zu
hört. Nicht nur den Gott über den
Menschen. Wie er vielleicht mal durch
Mutterliebe zu mir gesprochen hat.
Ich nicht, ob Sie mich verste
stehen näher bringt:
In unsers Busens Reine wogt
ein Streben,
Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hin
zugeben.
Wir heißen's Frommsein!"
Darauf wird es still in der Hütte,
es ist, als feien zu große Worte ge
sagt worden.
Und auch draußen wird es all
mählich ruhiger. Das Unwetter hat
ausgetobt. Es regnet tauin mehr,
der Sturm hat die Wolken ausein
andergetrieben. Plötzlich dringt ein
Mondstrahl durch das Dunkel, um
säumt die jagenden Wolkenbilder mit
strahlend weißem Band und läßt
eine ganze Lichtwelle in die Hütte
fließen.
Gerade zu rechter Zeit, denn die
Und in der Hütte bleibt es still,
Wie die Stunden schleichen! Noch
Brust der Natur.
fühlt feine Blicke, aber sie hütet sich,
sie trug immer daran heimlich und
tapfer und stark. Und hat selber
nicht gewußt, daß sie an einer Last
Und die Nacht schreitet fort.
woher sie alle kamen.
Der Berlaukener Gutshof wies
schwere Beschädigungen auch an den
den gelegen, heute umkreisten die Al
ten mit aufgeregtem Flügelschlägen
Wohnzimmer im Gespräch mit der
vor ihr stehenden Brandskat. Es
hatte letztere allmählich ihre Vor
würfe, die sie auf das Haupt ihrer
Herrin für den waghalsigen Ritt, für
fem Morgen, als sie in einem Kal
hainfchen Gefährt nach Haus ge
bracht war, nach ihrem Vater gewe
fo hatte er sich darüber in ganz ei
gentümlicher Weise hinweggesetzt.
Die Freude des gestrigen Tages, die
ihm Marias Verlobung mit dein
seine Geisteskräfte umnebelt. „Ma
fah? ganz ruhig? fast gesagt,
schehen. Laßt nur gut sein, der
Amtsrat Hilst." Damit war er auch
eingeschlafen.
mer im Zimmer. „Man darf wohl
gratulieren?" Sie sah über die
Hornbrille hinweg nach Maria hin.
„Ihr täglich Brotchen werden Sie
ja nun haben. Und für Berlauken
wird es auch kein Schaden sein. Ein
bißchen alt ist er hm und was
man sonst noch von ihm sagt
Na, unser Fräuleinchen ist ja lein
Kind und weiß, wie es im Leben zu
geht und weiß auch, was es tut.
Gott, Gott, Mariachen" .... die
Alte griff nach den Händen des
Mädchens, „ich hätte dir doch aber
'nen anderen Mann gewünscht!"
Das letzte hatte Hanne hinausge
fchrie», als hätte es ihr sonst das
Herz abgepreßt. Marias Mienen
drückten Abwehr aus. „Sind meine
Briese besorgt?"
Jetzt war sie die Herrin, die der
Dienerin jede Einrede verweigerte.
„Längst," lautete die Antwort, „erst
der an den Baron hier und nun ist
der August fort nach Karlswalde"
Damit trottete die Alte, gekränkt
über die kurze Abfertigung, von der
sie wußte, daß keine weitere Ein
sprache am Platze sei, zum Zimmer
hinaus.
Maria sitzt in der Fensternische,
Wie kann ein Tag Wandel schaf
fen! Sie sieht auf ihre Obstbäume,
an die sie auch in der Nacht gedacht
hat. Es würgt ihr etwas die Kehle.
So sitzt sie lange, und der Fuß
schmerzt sie, ihre Augen brennen dü
ster aus ihrem bleichen Gesicht her
aus.
Vor ihr auf dem Tisch liegt ein
Schreiben mit der Unterschrift: Hein
rich von Kalhain. Der Brief, in
dem er ihr seine Liebe offenbart und
sie um ihre Hand bittet.
Und lein Zweifel an ihrer Zu
stimmung, an ihrem Jawort, vor al
borgener Schatz erschienen sei, den
er nicht anzutasten gewagt habe, den
er nun aber nicht länger ungehoben
lassen könne. Und dabei warb er
zart um sie, fast unbeholfen, als sei
der Wunsch zu groß, als könne die
ungeübte Feder das schwache Wort,
seine Wucht kaum meistern.
Und nun hatte sie ihm die Ant
wort gegeben, daß sie eines andern
Brau! sei.
Sie barg das Gesicht in die Hände
und stöhnte laut aus.
Es hatte geklopft und klopfte noch
ein paarmal, und sie dachte, er müsse
sein gar nicht verstehe, seinen
Inhalt nicht enträtseln könne. Aber
immer war es jemand anders, der
etwas von ihr wollte. Er war es
nicht.
Im Zimmer unter der niederen
Aber von der Zerstörung liehen dies«
doch ein gutes Teil sehen.
Es war das Abbild ihrer Seele,
Es dauerte aber nicht lange, dann
hörte sie Husschlag, der vor der
Haustür anhielt. Stange, kein an
einig« Worte mit Brandskat wech
selte. Die Hausglocke Ilang, dann
trat er über den kleinen Flur zu ihr
kam schnell auf sie zu. »Du hast
nach mir geschickt. Gott, ich wäre
ja schon längst dagewesen, aber wenn
einem das halbe Dach über dem
Kopfe weggerissen ist .... Na und
was noch sonst alles! Aber ich habe
auch immer an euch gedacht die ganze
Gesicht, »Mariachen, das Malheur
nun sah er erst ihren liegenden
Fuß »was ist denn geschehen?"
Ohne die Antwort abzuwarten,
streckte er die Arme nach ihr aus,
Aber sie blieb so unbeweglich, und
es war etwas in ihrer Haltung, was
Stirn. „Was ist dir, Mädchen?
Du siehst übrigens schlecht aus. Ist
dir in der Nacht etwas mit dem
Fuß passiert?"
„Herr Amtsrat" ....
„Ich heiße Franz, Mariachen!"
lch habe Sie um Ihr Kom
men gebeten, da ich sehr Ernstes mit
Ihnen zu besprechen habe. Ich weiß,
daß ich schlecht an Ihnen gehandelt
habe, ich hätte Ihren Antrag nie
Er hatte sie am Handgelenk ge
faßt, das schüttelte er so heftig, daß
sie vor Schmerz fast aufschrie:
Schreibtisch streifendi Kalhains Brief
ließ er den Brief wieder auf die
Tischplatte fallen. Und er glotzte zu
dem Mädchen Hin, für den Augen»
merklich verändert. Aber da fiel
ihm wie von ungefähr ein anderes
Licht in das Dunkel. Er lachte noch
mals und schlug sich vor die Stirn.
„Dummkopf, der ich war, mir nicht
gleich das Rechte zu denken. Heira
ten will er dich. Er hat nur nicht
früh genug den Mund aufgetan. Und
gestern in deiner Ungewißheit dach
test du: besser mich als keinen. Nun
er aber gesprochen hat, da willst du
mich wieder los sein. Ich weiß nicht,
was ich deiner würdiger finden soll.
Ich habe Ihnen jetzt mein Wort zu
rückgegeben. Aber als ich Herrn von
Kalhains Brief bekam —? vor eini
gen Stunden ist's gewesen da
fühlte ich mich noch als Ihre Braut,
und als solche ich ihm geant
wortet."
hatte trotzdem verstanden. Und es
blieb ihm plötzlich kein Zweifel mehr,
daß sie Wort für Wort wahr sprach.
dummen Zwischenfall, ich trage dir
gewiß nichts nach. Mein Gott, es
ist ein unglücklicher gewesen,
hinters Licht gestellt, du Mädel du!
Uebrigens wenn ich mich an Kal
hains Stelle denke .... ich weiß
nicht, ob ich den Mann bewundern
soll oder nicht .... na ich will nichts
sagen. Und mir mußt du auch ver-
Komm, Kind, nun genug davoni
wir wollen die Sache vergessen. Und
im übrigen. Mariachen, ich weiß ja
du an jenen andern vielleicht jetzt
noch ein bißchen mehr denkst, als an
mich. Laß man gibt sich alles.
Ich bin ja auch nicht von gestern,
und du hast mir auch allerlei nach
zusehen. Aber Erfahrungen nutzen,
das weiß keiner besser, als so'n al
ter Praktikus wie ich. Und wie ich
schon gestern sagte: ich will dich nun
mal so, wie du bist, und danke Gott,
Berlaulen und Karlswalde und daß
sie sich tief in feiner Schuld fühle.
Sie wußte nachher kaum, ob dies
stutzte. „Was ist dir, Mutter Ma
sich, Auf alle Weise versuchte Ma
nichts, er verlangte nach Stange, als
verspreche er sich schon allein von des
sen Anblick Hilfe und Gewinn. Er
schrie förmlich nach ihm, und als
sie bei ihrem Bater diesem und der
Außenwelt gegenüber nun schon seit
Jahren über sich verhängt sie
belle Geist verstehen mußte.
Und als der Greis verstanden
hatte, daß seine Tochter Wiedels ent
lobt daß Berlauken nun für alle
Zeit Hilfe beraubt sei, brach er
Man dachte, daß das Letzte ein«
»reten werde. Der herbeigeholte Dr.
ibr vollste Schonung, da sonst ei«
längeres Leiden daraus entstehen
Kranlen gesetzt. Ueber ihre Horn
brille hinweg sah sie zu Maria hin.
die starr aus den Bater blickte. Und
was sich ihren Augen darbot, als
offenbare sich ihr die ganze Trag
weite dessen, was sich zugetragen.
Ria?"
„Ich weiß nicht, Brandslat."
so weit. Vielleicht lebt er noch eine
Zeit lang. Aber er trägt nun sein
Kreuz nicht mehr. Wir Haben's ihm
immer schon tragen helfen müssen,
und das und flicht in alles ihre
wunderlichen Kreuzesvisionen hinein.
Ihr Aussehen ist vollends eulenhaft.
halten wird.
„Laß gut sein, Maria." Sie be
dient sich des vertraulichen Du wte
um die' Herrin' ist. „Quäle dich
nicht mehr, als not tut. Sieh, alles
Kreuz stammt von Gott, der wußte
woht> welches gerade für dich oas
rechte war. Da war mal ein Mensch,
der wollte sein Kreuz nicht tragen,
da sprach zu ihm ein er möge
diinle. Das tat der Mensch und
suchte lange zwischen den Kreuzen,
die aufgespeichert lagen, daß, solange
die Erde steht, lein Mangel daran
sein wird, bis er eines fand, daS
ihn von allen als das leichteste und
kleinste erschien. Und siehe da. als
Ach, Marüichen, Pfingsten steht
vor der Tür, was wird's für ei»
trauriges Fest sein!"
Sonst hatte um die Zeit die Na
tur in ihrem höchsten Schmuck ge
prangt, und man hatte zu den Feier
tage gerüstet. Solche Pfingsten wa
ren hübsch gewesen, so recht ein Auf
atmen, ein Fröhlichsein zwischen
Säen und Ernten. Und das eine vor
Jahren, es war für Maria selbst
ohne jede eigentliche Abwechslung ge
srieden und Sonnenglanz. Eine
echte Frühlingsfeier. Dessen dachte
sie jetzt. Es war noch gar nicht
sesscn, auf der Mutter Grabhügel»
Dann war Kalhain, der an daZ
Sterbebett seines Onkels gerufen
wurde, an ihnen vorübergefah-
Als Marj.i in ihrem Bett lag
geschieht dir nichts mehr. Allmutter
fest. Weine und schlafe.". . .
wurde sie sich ihrer vorherigen Lücken
hastigieit bewußt.
G-rtsetzung folgt.)