Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 15, 1917, Image 3

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    Helena
. (L- Fortsetzung.)
In den Köpfen der Marstädter fetz
te sich daher die Ansicht immer fester,
Herr der Firma Stürmer <ü: Stür
mer sei, denn sonst würde er sich'so
viele Freiheit nicht nehmen können.
dafür bedanken, so viel mehr zu ar
beiten. Es sahen weite Kreise Thassi
lo als eine Art besoldeten Obcrar
beiter seines Vetters an. der unge
fähr die gleiche Stellung bei der
Ausführung des Werkes haben mochte
M>ie Jrne Hjelnierfen. Daß man diese
beiden fast immer zusammen sah, be
stärkte die Meinung. Es gab Leute,
Sie Jrne Hjelnierfen darauf anrede
ten. Er wollte sich dann totlachen vor
Spott über solche Vorstellungen und
.sagte den Fragenden, daß in der Tat
«r und Thassilo Stürmer bloß Igno
ranten seien und daß ohne Herrn
Edlef die Deiche im Fluß versacken
und die Quaimauern zusainmenpol
tern würden. Er unterließ nie. solche
Gespräche Thassilo mitzuteilen.
Sie lachten zusammen darüber.
Aber während sie lachten, sahen sie
in die Augen, und einer wußte es
vom anderen: es fraß doch, und der
Bodensatz von Bitterkeit ward immer
größer in ihren Gedanken.
Einmal brachte Jrne Hjelmersen
«ine ganz possierliche Nachricht mit.
Es war herausgekommen, daß Edlef
auf seiner Hochzeitsreise sich und seine
Frau als Graf und Gräfin Stürmer
in die Fremdenbücher der Hotels ein-
Auch der klügste Mensch versteht
und glaubt nur, was in den Bereich
feines Begriffsvermögens fällt. Thas
silo sagte schlankweg, es könnte nicht
durch den Besitz!
Dieses Weib konnte sich vor aller
Welt als glatt, klein, armseligen Gei
stes offenbaren der Mann, den die
schmerzlichem Glück darüber, daß
Thassilo sie seit jenem Abend als
seine tlächste Freundin behandelte.
nur seinetwegen nach dem Tode ihres
Vaters nach Glanau zurückgekehrt.
Sie war in den praktischen Ange
legenheiten des Lebens sehr wohl er
fahren. Seit ihren Backfischjahren
hatte sie schon alle Hausfrauenarbcit
auf sich nehmen müssen. Sie verstand
die Kunst, mit bescheidensten Mitteln
anständig zu walten, aus alten Klei
dern gut aussehende Garderobe herzu
stellen. Ihre Fähigkeiten waren er
probt und vielseitig. Sie hätte eine
gut bezahlte Stellung als Hausdame
finden und ausfüllen können. In ei
ner solchen Stellung wäre ihre Arbeit
bestimmt umgrenzt gewesen, sie hätte
dafür die entsprechende Geldeinnahme
gehabt und das hebende Bewußtsein,
auf eigenen Füßen zu stchen. Ihr
Stolz war so tief und rein, daß sie
nicht die leiseste Empfindung von De
war. Mit einer großen Einfachheit
und Klarheit des Sinnes fühlte sie
sich vielmehr sehr gehoben durch das
Bewußtsein, durch eigene Kraft be
stehen zu können.
Daß sie hier aaf Glanau, trotz al-
Gutherzigkeit Georg Altheers, als
eine angesehen werde, die gewisierma
ßen -n Gnaden a ifgenommen sei, ver
hehlte sie sich gar nicht. Aber sie konn
te sich ruhig gefielen, daß sie hier
tiiel viel mehr > rbritete, als sie an
yrrswv gegen Gehalt zu leisten nötig
geyabt.haben würde. Deshalb ertrug
sie es auch gelassen, wenn dieser oder
jener Bekannte -der Altheerschen Fami
lie ikr ins Gesicht rühmend hervor-
Georg Althen selbst hatte ja ge
nau- die Hedi, oie verdiente dreimal
das Brot, das si: bei ihm aß. Aber
immerhin, er hatte sich doch gewis
e>nen famosen Junggefellenlebens
herbst voll Freiheit gefreut yatte!
Zu seiner großen Erleichterung
Ausgehen konnte sie ja auch noch
nicht: sie war in tiefster Trauer.
Und eigentlich war es auch felbst
den mit Hedis Anwesenheit auf Gla
nau. Beate hatte allerlei gefürchtet:
ihr Papa könnie mal in die Hände
einer „Person" fallen es wäre
nicht das erste gewesen, daß ein
ben, welcher Art er auch sei, erträgt
jedes Wesen mit Freude jede Demüti
gung.
Ihre Mission war: dem Manne,
den sie liebte, wohlzutun.
saß! hatte!
war, sich zu amüsieren.
Und immer halte er eine gute,
wohltätige Empfindung, wenn er vom
Hause her oder durch ein Nebenpsört
chen, direkt von der Chaussee kom
mend, die junge Gestalt zwischen den
halbentlaubten Büschen stehen sah.
Es war eigentlich ein mela^ncholi-
Rings halbentlaubte Aeste und Busch
reiser, an denen da und dort noch zä
he, gelbe Blätter zitierten. An den
Syriiigenbüfchen saß noch das grüne
Laub. Aber das Grün war saftlos,
und es schien das Abbild erloschener
Kraft. Auf dem feuchten Erdbraun
der Wege und a>,f dem von schwerem
Herbsttau getränkte,. Rasen, den keine
-.agesfonne mehc ganz zu rrocknen
vermochte, klebten in einem fahlen
Farbengewirr die weißen, gelben,
bräunlichen Blätter, die der Frühne
bel schon von den Wipfeln abgestreift
hatte.
Und dazwischen das Mädchen in
feinem düsteren Trauergewand, ein
wenig fröstelnd ei» schwarzes Tuch
eng um die Schultern genommen,
aber das dunkle Km.benköpfchen unbe
deckt. Uqd auf oe:n feinen, klugen Ge
sicht eine stille Freude.
Thassilo vergaß es ihr nie, dies
einfache: „Ich weiß es."
Bescheiden lag darin!
zu ihm erraten .labe. Oder vielmehr,
es war ihm so herzlich wohltuend,
darüber im unklaren bleiben zu dür
fen.
Alles, was an Ritterlichkeit in ihm
lebte, weihte er dem vornehmen Kin
de.
Erhalte sich gelobt, daß sie allezeit
So verkehrten sie miteinander
sie in jenem wunderbaren Zustand,
der ihr in mancher schlaflosen Nacht
all unerträglich deuchte und den sie
als den Abglanz, als den blassen
Schein des ihr v-rsagten ganzen Glü
ckes dock um keinen Preis der Welt
hätte opfern mögen. Er in -iner voll
kommenen Ruhe.
Quelle Kraft. Er sagte sich:
Beate, das muß ich auch können.
In der Stadt besprach man diese
Freundschaft, die natürlich niemand
begriff. Und alle Welt nahm an, daß
Thassilo Stürmer heimlich mit Hedi
von Güstrow verlobt sei, was zu ver
öffentlichen ihre Trauer verbiete.
Ja, ja, der Georg Althcer, der ver
stand es! Das war einer von denen,
die immer oben schwammen. Nun
brachte er erst d>e Tochter, dann die
Nichte an und oe-dnnte wahrscheinlich
ber eine Anspielung wagtet erfuhr er
nicht, daß er in aller Unschuld Hedi
Mtl stand über der norddeutschen
Tiefebene. Hinter dem wüsten Gehäuf
und Geklüft von weißgelben Sand
massen, die zur Zeit an dieser Stelle
die Flußufer bildeten, ragten rechts
unfern die rostroten Mauern eines im
dürren Laube stehenden Buchenwaldes
auf. Linls zog sich, am gleichen Ufer
wie die Stadt, das Gelände hinauf,
bis der Blick an der obersten Wöl
bungslinie einer Koppel feine Grenze
fand. Dort zog n Pflüger ihre Fur
chen, bis hinab und hinein in die jen
seitige Senkung.^
krochen die Baggereimer an ihren ge
schmeidigen Ketten die schiefe Ebene
des sie tragenden Gestelles hinan, um
»on ihr in jähe-.» Abstieg entleert wie
der herabzugleiten.
Am Absturz des werdenden Deiches
entlang karrten Arbeiter. Ihre weiß
vor den, gelben Sandgrund in gleich
mäßiger Reihenfolge dahin.
stand in hohen Stulpen
stiefeln, in eine :nge Joppe geknöpft,
den weichen Filz auf dem Kopfe, und
ihm riefelte der Sund an einer Bö
schung herab, vor ihm standen Wasser
lachen in schlammiger Erde. So traf
du noch zwei Minuten war-
Als Thassilo seine Unterweisungen
und Befehle alle gegeben hatte, wintte
er Jrye, der sich unterdes auf den
ch gs d h
In der kleinen Barkasse, die, von
einem Mann bedient, nun schnell fluß
abwärts dampfte, sprachen die beiden
Thassilo immer seinen Hut festhalten
mußte. Der Wind war kalt. Aber die
Sonne brannte.
an einer weißen Karte. Als er an
nahm, daß Thassilo ein Eckchen davon
gesehen hatte, stieß er sie sogleich wie-
Joppe zu.
Thassilo nick e.
brauche von mir keine Notiz zu neh
men. Aber Herr Edlef hat ja wohl
seiner Frau klar uemacht, daß man
auch mir einmal abends ein Stück
Fisch und Bratm vorsetzen müsse,"
sagte der Norweger.
re und seine hellen Augen funkelten.
„Daß ich so ein Narr wäre!" Endlich
kann man sich das Edlef- und Bea
„Defto besser!"
„Ja, das sag' ich auch."
.Sie schwiegen. Ihr Schifflein
rauschte eilig weiter. Es fuhr nu! ih
s>.rn die blflnken Fenster guckten/wie
wachsame Es schwamm,
schwellende Wa',er vor seinem Bug,
hinaus auf das Meer.
Ein kräftiger Ost kam von draußen
gegen die Küste.
Ihr Fahrzeug schoß hinauf um
yinab aus den Wogen, die wie blaues
Glas anzusehen waren. Und ' das
Feuerschiff, das i - der Nähe der Bau
stätte verankert lag, wiegte sich stetig
hin und her, so daß sein kahler, plum
per Mast vor d.'m Hintergrunde von
dadurch auf Sinnestäuschungen zu
sprechen. Es schien, als dächte keiner
der mehr an Einladung.
Leuchtturm fundamentiert wurde.
Festgefügt und dicht verkittet, um
schrankte diese ein provisorischer Plan
>oon m. en durchdringendes Wasser sich
Es schien, als stapften sie
hcitten diese Phantasie. Auf der Rück-
Art Anlegebrücke bildete für die Ilei-
Tage, an dessen Abend die Gesell
schaft stattfinden sollte.
volle Frage niederschrieb, war er sich
bewußt, daß das eben bei seiner Mut
ter ganz gut möglich gewesen.
ins Halbdunkel deS Zimmers, wo der
Freund seinen Mai.tel auf den näch
sten Stahl warf.
„Ich will dich abholen! Wir wol
mitnehmen!" sagt: Jrne.
„Du hast bei.e Zupfgeige mit?"
fragte Thassilo.
oerdienen!"
Er trat in den Lichtkreis. Thassilo
sich ihn erstaunt und mit Wohlgefal
der Stirn geschoben trug, sich zwi
schen seinen Arbeitern beschäftigte,
hatte Jrne Hjelmersen etwas von ei
ner sprungbereiten Wildkatze und ih
rer zähen, schnellen Kraft. Sein har
tes, Helles Gesicht war nicht allen
Menschen sympathisch. Kein Arbeiter,
der sich in ein Unrecht gesetzt hatte,
ertrug den hell:» Blick aus diesen
Augen, die denen eines Seeadlvs
glichen.
Heute abend, i . Frack und im ka
aus seinen Augen. „Thassilo, mein
Junge, spute d'.H! Mach dich nobel!
Wir sind bei unserem Chef geladen.
Während Thqssilu sich umkleidete,
stand Jrne Hje.merfen mitten in der
Stube und präludierte mit nachläs
unanständige Sacken singen," sagte er
stlötzlich.
„Das wirst >u sein lassm, wenn
wir Freunde bleiben sollen!"
auch böhmisch >r dich. Aber wie du
willst... ich kann auch bloß das Al-
Straße, als sie Mit Georg Altheer
„Wie geht es Ihrer Pflegetochter.
zu sein."
„Ja Sie sind ein Cyniker!" be
merkte Altheer.
„Ach, das sind so glückliche Leusel Sie
ist Edles nicht! Es gibt Grenzen."
Aber sowohl Edlef als auch Beate
wozu ein Maßhalten im Verbrauch
während der ersten Jahre sicher stark
veitragen mußte. Aber wie durfte er
seine Pflicht gewesen wäre, als sein
Arbeitsgenosse! Er der vielleicht
mit Edlefs Geld und Gut ernährt
worden war
Ganz besonders hatte Beate ver
standen. zu erreichen, daß alle Zim-
Heute war der große Salon nicht
geöffnet, für die vierzehn Anwesen
den, von denen die meisten ihr nur
lästig waren, hat.e Beate es nicht für
nötig gehalten, sie empfing im ersten
Zimmer. Es heischten darin bläuliche
fchen Lichter in ihren Glashüllen
herab. Ein helle-, mit fahlen roten
Arabesken durchsetzter Teppich bedeck
te den Boden. Die beiden Fenster wa
ren dicht verhängt. Das Zimmer
machte einen überaus festlich hellen
Und mitten darin stand Beate. Sie
trug ein schwarze! Tüllkleid, der
schwarzseidene Ilnterstoff hatte keine
Aermel, und eine viereckig tief ausge
schnittene Taille Was der Unterstosf
Abend, Frau sah
„Ja, es ist iotissal!" hörte Thassilo
Stelle sei, weil er noch hochwichtige
Korrespondenzen zu erledigen habe.
Und er hörte den Amtsrichter hinter
merfen sprechen: „Es muß
Vergnügen für Sie und den anderen
Stürmer sein, als Mitarbeiter das
Werk eines Edlef Stürmer fördern
zu dürfen!"
Er hörte auch Jrne antworten:
„Fabelhaft!^'
Und da kam Beate auf ihn zu, und
mit ihrer getragenen Art zu sprechen,
klagte sie, wie ih Gatte doch überbür
det sei u. daß nur ihr Stolz auf seine
of.' entbehren zu müssen.
Thassilo fühlte, daß seines Freun
des funkelnde Blicke auf feinem Besicht
brannten. Er wußte, daß Jrne ein
teuflisches Pläsir daran haben würde,
wenn er jetzt klar und ruhig sagte:
Meine Herrschaften das ist ja al
les Schwindel! Edlef hctt eineiig gewif
wefen ist. Und dann eine gewisse kon
ziliante Art zu .epriisentiercn, die mir
ganz abgeht. Aber mehr nicht, keinen
Deut mehr. Mein is. das Werk! Mein
der Geist, der e- entwarf, mein die
stetige Sicherheit, die es ausführt!
Und lvas er Jhn.'n vormachi, ist eine
denz, was im Äugenblick fast
einzige Aufgabe nicht immer osten
tativ gerade dinn zu erledigen
braucht, wenn er Gäste bei sich sieht
oder selbst in Gesellschaft soll. Aber
es scheint, daß manchmal die Plump
heit eines Schauspiels seinen Erfolg
verbürgt: die Zuschauer halten sich für
zu klug, als daß man ihnen so etwas
vorzumachen wagen sollte, also muß
es wohl wahr scin.
Die schöne, heißbegehrte Frau stand
vor ihm. Sic, um derentwillen er
seine Seele mit einem tödlichen Haß
fleckte, Sie, um derentwillen ein Ver
breche» zu begehen er sich in mancher
dunklen Nachtstunde ichaudernd bereit
geglaubt.
Uno er wähnte, daß sie auf ein
Wort der Anerkennung für ihren Gat
ten aus seinem Munde wartete. Er
bildete sich ein, es würde sie vielleicht
vernichten, wenn er kühl und kalt
Edlefs Arbeit ins rechte Licht rückte.
Es würde sie beschämen und demüti
gen, wenn er Wahrheit lest stell
te,
Er murmelte eiwas, daß Edlef si
cher gleich komme:, werde, daß schließ,
lich jene Briefe auch morgen früh hät
ten erledigt werien können. Darauf
hob die Bürgermeisterin mit begeifter
an. Das war -S ja gerade! Diese
unaussprechliche Pünktlichkeit, die
nichts aufschiebt! Sie hatte einmal
gelesen: Fleiß sei die Hälfte d»s Ge
nies.
mann die Hand schüttelnd und
i'lo en Passant auf die Schulter klo
pfend.
(Fortsetzung folgt.)