Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 01, 1917, Image 6

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    Anter dem Leinde.
Marineskizze von Alb. G. Krüger. Mit Bilder» >von Prof. Will», Stiiwer.
Der letzte helle Schimmer ist längst
an der Kimm versunken. Schwach
auch nur funkele und glitzern die
Sterne. Wie ein Hauch streift leiser,
weicher Wind über die wunderlichen
Felsklippen Helgolands, die ein tiefes
»rwartungsvolles Dunlel einhüllt,
und von deren Anwesenheit an dieser
Stelle der See nur ser dumpfe, halb
heulende, halb fischende Ton der
Brandung zu erzählen weiß.
Eine lange, gleichmäsiige Dünung
streichelt mit weicher Hand die in
Schlummer gesunkene Düne und
macht die aus der Reede sprungbereit
liegenden Torpedoboote leicht schwan
te«. Den mächtigen eisernen Festungen,
die weiter draußen mehr geahnt, als
gesehen werden können, vermag sie
nichts anzuhaben. Nur ein leichtes
Klatschen jedesmal, wenn eine Woge
die starren Stahlwände trifft, das ist
alles. Auch hier, wie überall, tiefe
Stille, lastendes Dunkel Kein Laut,
lein noch so schwacher Lichtstrahl un
terbricht das starrc Einerlei.
Da zucken plötzlich kurz hinterein
ander einige bunte Lichter auf, denen
an einer anderen Stelle ähnliche, nur
diesmal fast aus der Wasie.'flLche be
findliche, antworten.
blitz aufflammte, ein unterdrücktes
Pfauchen und Knattern. Leise beginnt
die See zu rauschen. Zwei dunkle
Schatten huschen üb'r die Wogen,
schneller und schneller. Dann sekun
tet, an der zwei zur Hälft- im Wasser
befindliche, gespenstische Fahrzeuge
halten, denen iwei Ofiziere entstiegen
vorkommen. Hinter ihnen sofort wie
der tiefes Dunkel.
Zwei Unterseeboote haben bei dem
Flaggschiff angelegt ihre Ossi
„Gott mit meine Herren!"
des Admirals dann. V-ieder der se
kundenlange helle Schein. Erneut das
fer. hinter sich in der dunklen Dünung
zurück, die sich mehr und mehr aus
einanderziehen, bis der eine starr nach
Südwesten, der andere nach Nord
osten weist.
Der Streifen hinter dem nach Süd
west steuernden F-chrzeug ist länger
und breiter, als der seines Kamera
den. Mithin muß dieses Schifflein
größer sein, als das andere. Und
schneller. Tatsächlich ist das auch der
Fall. .5. P. saust dort dem Feinde
Als der Kommandant desselben vom
Flaggschiff her den Jnnenraum sei
nes Fahrzeuges betrat, sah cr sich so
fort fünfundzwanzig ihn In stummer
Frage anglühenden Paar Augen gegen
über, u. ein eigenes Lächeln belebte bei
diesem Anblick seine Züge. Sein Herz
begann zu glühen und stürmisch zu
pochen. An dieses heiße Herz hätte er
sie alle Pressen mögen, seine goldenen
„Hart Steuerbord volle Kraft
vorwärts!" hvtte das Fahrzeug hin
ausgewiesen in das Dunkel das
Ungewisse.
Eine Stunde ist in sausender
haften die Augen des Jngeniuers an
dem anscheinend völlig zu Stein er
starrten Gesicht des Kommandanten,
das sich nur selten zu einem schnellen
Umblick oder -wer Steueranweisung
von der Karte und den Instrumenten
hebt. Nichts rührt sich durin. was
auf ein Eizde der Fahrt deuten könn
te. Unentwegt geht diese weiter....
Doch nun! Ein Wink, die Maschi
ne setzt mit einem Ruck ab. Eine Wei
le noch schießt das Boot vorwärts,
langsamer und langsamer, bis es
endlich leise auf den Wogen zu schau
keln beginnt.
Gespannt ruhen aller Augen auf
dem Kommandanten, der seinerseits
sehnsüchtig durch das Fenster des
Türmchens*) nach der Kimm späht:
„Brich an, du Tag des Kampfes,
Vergeltungstag, brich an!" moderni
siert sein grübelndes Hirn eine alte
Strophe. Und der Himmel ist gnädig.
Im Osten zeigt sich ein schwacher,
Heller Schimmer. Heureka! Hastig
winkt er den Leuten und entwickelt
den um ihn Tretenden in großen Zü
gen seinen Operationsplan. Sofort
beginnen aller Augen zu funkeln. Un
willkürlich ballen sich die Fäuste. Nur
Es wird Zeit.
nimmt seinen Platz ein. Und lang
sam sinkt das Boot in die Tiefe.
»Halbe Kraft vorwärts!"
Di« Ventile fliegen auf. Mit Hellem
Klingen geht die Maschine an.
ölt —! Selbst wenn die Welt in
Augen.
Der Dienst ist nicht leicht unter
Wasser. Er erfordert intelligente, wi
kurzer Blick schon läßt sie den Befehl
Sehrohr (Periskop).
erraten. Fast ist es so, als ob die ge
samte Mannschaft nur Glieder eines
einzigen Körper- darstellt. In dem bei
der eigenartigen Beleuchtung hier un
ten so seltsam anmutenden Wirrwarr
flatternder Eisenteile, unheimlich be
weglicher Körper findet daS Auge des
Beobachters nur vier Ruhepunkte.
Vier Gestalten stehen da wie aus Erz
gegossen: Völlig bewegungslos, die
Augen starr aus den Kommandanten
gerichtet, steht der Ingenieur an sei
nem Stand. Keine Bewegung des
eben so steif verharrenden Borgesetz
ten, dessen Augen allerdings fortwäh
rend über den ganzen Betrieb irren,
kann ihm entgehen. Denn jede hat
einen Zweck, jede bedeutet einen Be
fehl. Am Periskop lehnt der Beobach
tungsoffizier. Kein Auge weicht von
dem Apparat. Nichts rührt ihn.
Nichts vermag ihn aus seiner Ruhe
zu bringen. Der vierte im Bunde ist
der Mann am Ruder, der mit diesem
völlig verwachsen zu sein scheint. Alles
andere hastet, springt, greift, zuckt...
Jetzt! ,
Schnell hebt der Bsobachtungsoffi
zier die Hand. Sofort beschreibt die
Rechte des Kommandanten in der
Luft eine wilde Bewegung. Ein leich
ter Schlag des Ingenieurs gegen die
Schulter des Maschinisten läßt diesen
blitzschnell zufassen. Die Maschine
steht. Und während die so plötzlich
eingetretene Stille fast lähmend aus
die Mannschaft wirkt, ist der Kom
mandant an das Periskop getreten.
Stumm, mit fast aus den Höhlen
tretenden Augen, starrt er minuten
lang hinein. Verwundert steht die ihn
beobachtende Mannschaft den furcht
baren Kampf, der sich in seinen zuk
kenden Gesichtsmuskeln, in seinen ge
ballten Fäusten ausdrückt. Mit einem
aus tiefer Brust herausgeholten Seuf-
zer tritt er endlich seitwärts und
winkt der Mannschaft.
Einzeln dürfen die Leute an das
Periskop herantreten und schauen ver
blüfft auf das Bild, das sich ihnen
friedlicher Lämmer, liegt ein engli
sches Geschwader. Unbejorgt, als
gäbe es keine deutschen Seewölfe in
Panzerkleidung.
zu dem Kommandanten hinüber.
Doch der schüttelt nur trübe den
Kops: .Unter möglichster Schonung
flüstern wie beschwörend seine vor
Erregung bleichen Lippen. Es geht
nicht. Die deutsche Marine kann kein
Fahrzeug und keinen Mann entbeh
ren, Leider! Der Einsatz ist zu hoch.
Nun ein kurzes Kommando. Die
Sicht. .Schade!" denten die Offiziere,
„Verwünscht!" die Leute.
Bald darauf geht das Boot an die
zu versehen. Dann saust es weiter.
Wieder hebt der Becbachtungsosfi
zier die Hand, fährt diesmal aber
„ige Gestalt zuckt und bebt: Da oben
gondeln ruhig, wie im tiefste» Frie
den. drei englische Kreuzer umher.
„Aufpassen, Jungens!" hallt seine
helle Stimme durch den Raum, „jetzt
Auch der Mannschaft bemächtigt
sich sofort eine furchtbare Aufregung.
Aber sie wird niedergezwungen. Und
links! Wieder rechts! Halt!
Dann ein schnelles: „Los!"
Ein nervenerschütterndes Zischen.
Der Torpedo hat das Rohr verlassen.
Hart Steuerbord legt sich sofort das
Ruder. Mit voller Kraft setzt die Ma
schine ein und schleudert das Boot
förmlich seitwärts in Sicherheit.
„Halt!"
Der zweite Torpedo liegt im Rohr.
Wieder das minutenlange, vorsichtige
Anlavieren, ein kurzes Zögern, dann
erneut das betäubende Zischen. Und
wieder fliegt das Boot seitwärts. Nur
dauert das Ausweichen etwas länger.
Angestrengt beobachten die Offizie
re. Der erste Kreuzer ist verschwun
den. Eben legt sich der zweite auf die
Seite. Die See wimmelt von treiben
den Menschen, Wrackteilen. Der drit
te Kreuzer setzt Boote aus, um zu ret
ten. Die beiden Offiziere blicken sich
das Periskop nicht sehen? Gut
ran!
Zum dritten Male laviert das
Boot, zischt der Torpedo. Aber so
ein. Gefehlt! Der Blick der drei, der
„Los!"
auf den Wogen. Ein weiterer Tor
pedo gibt ihm den Rest. Das Werk
ist getan.
Doch da! Und da! Feindliche
Torpedoboote hasten heran ein
großer Dampfer fort höchste
Zeit!
„Periskop dicht! Nieder, ganz
tief! Volle Kraft vorwärts!"
sender Fahrt tief unter der Oberfläche
des Meeres. Immer schlechter wird
die Luft. Die Besatzung schnappt
förmlich. Aus allen Poren bricht der
Schweiß. Es geht nicht ander«:
„Auf!" winkt der Kommandant.
In wenigen Minuten taucht das
Schnell wird beobachtet. Vorsicht!
und breit kein Feind mehr zu sehen,
Luken fliegen auf. In langen,
vier"*). Und zu diesem tönt es aus
zwanzig Kehlen:
„Stolz weht die Flagge schwarz, weiß,,
rot.
An unsres Schiffes Mast..."
*) Harmonika.
Kaiser Franz Joseph bei den
Schulkindern.
Ein besonders stark entwickelter
Zug im Charakter des verstorbenen
Kaisers von Oesterreich war feine
Kinderfreundlichkeit. Oft erschien er
selten kam es vor, daß einer durch
die Anwesenheit des hohen Besu
chers verlegen war; dieser zeigte stets
seine besondere Genugtuung, wenn
die Knaben im Gegenteil durch ihre
Antworten zeigten, daß sie von seiner
Anwesenheit keine Notiz nahmen.
Einmal hatte er bei solcher Gelegen»
schaffen. Der Attentäter machte einen
zweiten Versuch, und dabei flog der'
Hut vom Tisch vor die Füße de»