Am Helena j. was darauf geschrieben stand. „Ich muß sogleich Edlef telegra phieren," dachte er. Aber die starke, sein ganzes We sen aussüllenbe Freude hielt ihn wie gesangen. Sie äußern /hieß ihm schon sie zum Teil verlieren, sie fast entweihen. „Ich muß der Mutter schreiben," dachte er weiter. still sür sich den Augenblick. Ganz kurz streiften seine Gedanke,, auch alle die, welche ihm diesen Er folg gönnen oder neiden würden. War es denn überhaupt schon der Erfolg? Ihm schien es, was auch sein Arbeitsgenosse Edlef und alle Welt sagen mochte, nur als die Vor bedingung zu einem solchen, nur die schwer wuchtende Verpflichtung, ihn sich zu erringen. Aber gerade deshalb empfand er dies als ein so ungeheures Glück. Eine gigantische Arbeit, verbun den mit einer Verantwortlichkeit ern stester und verzweigtester Art, stand twr ihm. Menschenleben und Kul turinleressen waren in seine Hand gegeben. Wie ihm das die Seele weitete, die Gedanken große Bahnen durch messen ließ. Mit Millionen durfte er arbeiten. Geld, das aus dem Volke kam und in verwandelter Gestalt wieder des Volkes werden sollte, ihm zum Nut zen und zur tausendfachen Verviel fältigung heiliges Geld! Jede Kraft, die in ihm war, die des Verstandes und die der Phan tasie, durste er, mußte er sich entfal ten lassen. Er schloß die dunklen Augen, in denen das Licht einer ernsten Man nesfreude brannte. Ueber sein bär tiges Gesicht ging ein stilles Lächeln. Er sah sein Wert vor sich, wie es nach drei Jahren vollendet sein würde: Der Fluß, der jetzt zwischen un regelmäßigen versandenden Ufern, in breiter Mündung schwächlich und haltlos mit dem Meer in eins ver schwamm, den würden steile Deiche eindämmen. Jetzt war er wie ein Mensch, der vor lauter Willens schwäche zum Verderben seiner Um gebung wird. Straffe Linien sollten ihm Charakter geben. Und da, wo er an der kleinen eingeschlafen«! Stadt vorbeischlich, die neben der Mündung am Strand vergessen lag, sollte ein Quai von Granitquadern einen neuen schönen Hafen bilden. Weit ins Meer hinaus streckte sich dann ein Molo. Gegen sein wuch tiges Steingeröll spritzten die Wo gen. Auf seinem Kopf wandelte die schauende Menge. Den Strand schützte eine granitene Mauer, von einem eisernen Geländer gekrönt. Da hinter dehnte sich die Strandprome nade. Vorn, zu Füßen der manns hohen Mauer, blieb ein Streifen wei ßen Sandes für die Badegäste. Und weiter draußen, eine Meile vom User entfernt, saft inmitten der nur ge lind ins Land sich hineinwölbenden Meeresbucht, erhob sich auf dem win zigen, sandigen Eiland, das bei öst lichen Winden stets hoch von den Wassern überwogt blieb, ein Leucht turm. Rund und gedrungen stand sein« massige Gestalt, grau mit ro ten Backstkinzierltisten. vor d«m hel len Himmel. Und nächtlich blitzte ein Licht hinaus über die schwarzglasigen Fluten: ein warmes, lebendiges Licht, wie aus einem Menschenauge, das sich össnet und schließt in regelmäßi gen Intervallen. Eilige Dampfer, die Rauchfahne lang hinter sich in der Luft, schäum ten heran. Der Hafen, der vor Jahrhunderten Bedeutung gehabt, tum, neue Bewegung in das Land, düstige Menschen, die Geld herbrach ten. doch ein stolzes Glück! gehste.^ Alle heißen Wünsche hatte er nie- so lange sein Berufs lich. vor der geliebten Frau als ein noch Ringender,zu erscheinen, sie gar mit sich z» reißen in Kämpfe, Ent täuschungen, Sorgen. Er war sich bewußt, viel geben zu Das ganze Weib. Jeden ihrer Ge danken. Er wollte, er mußte der allei halt ihres Lebens sein. Er liebte mit fanatischer schließlichkeit und so wNlte er wieder Hier, in der Stille feines Gast steren Art. .Ich muß wirklich an Edlef tele- Zwang aus seinen Grübeleien rei ßend. Sein Vater, der Mitinhaber der erst vor wenigen lahren gegründeten Ingenieurfirma Stürmer Stürmer saß in Berlin >.nd wartete dort in ihrem Bureau auf dic Entscheidung. Nun konnte Thassilo ihn: mitteilen, daß die Behörde der Stadt, im Ein vernehmen mit dem Arbeitsministe nehmen übertragen hatte. Er setzte sich an den Schreibtisch. Es war vielmehr die niedergellappte den veralteten Möbelstücken der fünf ziger Jahre ausgestattet. Der blu mengemusterte Teppich stammt« auch schwarz. Thassilo fühlte sich nicht gestört durch dies alles. Er sah es gar nicht. Jetzt malte er sich Edlefs Freude mühen, großartig zu tun, so, als sei es schließlich die selbstverständlichste Sache von der Welt, daß ihnen, Thaf silo und Edlef Stürmer, von der Stadt Marstadt das Unternehmen übertragen worden war, Flußkorrek tion, Hafenausbau, Strandsicherung und Leuchtturm für fünf Millionen binnen drei Jahren auszuführen. Marstadt sei nur ein Nest, die Mar ausgemacht, seit chren srllhtn Kinder tagen. Die Mütter sprachen immer davon, und so glaubten die Knaben Und die Mütter, da Edlefs Vater In den Mütter. ten der Stadt und des Landes, so wie mit gesellschaftlichen Einfüh .ungsbriefen an einige Gutsherrschaf ten der Umgegend Mörstadts wohl versehen, und brachten einige Wochen, mit Vermessungen, Zeichnungen, Be rechnungen beschäftigt, in eben diesem Hotel zu. Damals, während der Zeit der Vorarbeiten, hatten Thassilo und Edlef viel auf dem Gute der Altheers verkehrt. Wenn Thassilo am Strande ent kennen. , Das war Beate Alrdeers Heimal. Die Heimat, aus der er sie nunmehr bald zu entführen hoffte. Seine Gedanken wandten sich den .Müttern" zu. Edlef und Thassilo waren gewohnt, sie als ein stets Ver eintes, gleichsam als ein Doppelwefen zu denken. Wie gut, daß sie diese Freuden alle noch zusammen erleben durften, sie, die treu zusammen viel Tränen geweint! Noch! Denn Edlefs Mutter, für Thassilo Tante Irene, einer Wehmut, deren Oberflächlich keit ihm nicht bewußt war, dachte er an diese Möglichkeit. Er beklagte sie willen, welche an der praktischen und welterfahrenen Schwägerin ihr leben lang eine schwesterliche Stütze gehabt hatte. Der frühe Tod des heißgeliebten Gatten hatte in seiner Mutter viel Kraft zerbrochen. Sie wurde nie wie der ein Vollmensch mit frohem Willen und zielsicherem Blick. Dem Bruder des Gatten überließ sie die Abwick wutztfein, durch ihr auskömmliches Vermögen gesichert zu sein und ihren Teil am gemeinsamen Haushalt be- Vater starb, nahm Tante Irene die Geschäfte in die Hand. Sie umgab die Schwägerin mit erhöhter Liebe. standen, wenn es große Unternehmun gen galt. Wenn,man es recht hatte gehen. Sohn und Neffe schritten er helfen. allen Rauheiten des Lebens. Ihr Tisch sei von mir bestellt, ihr Kleid von mir beschafft, ihr Dach von mir deren Vater traf. Den Brief an seine Mutier verschob er bis zum Abend. Ben Kohlköpfen und graugelben Steck rüben sehr kräftige Farbentöne gaben. Ein Schiffer in hohen Wasserstikfeln stand breitbeinig da?or und handelte fest an den andern gedrängt, frieolich ankerten. Die Sonne spielte über das geteerte Tauwerk hin, das reglos von den Raaen hinauf zum Topp spannte. Im Lichte gleißte es hier und da tupfergoldig auf. Das idyllische Bild würde sich wandeln. Es sollt« Leben und Größe hineinkommen, wenn erst di« Körper von tiefgehenden Dampfern, die schwellenden Fluten teilend, sich bis an den Quai wagen konnten. der Vorarbeiten. Besonders Edles Er selbst bemerkte das nicht. Er hatte so selten das Bedürfnis, sich an zilfchließen. Ihm fehlte die Zeit dazu. Nicht sowohl äußerlich als seelisch. Zwei Männer, die zusammen vor stehen. Die Neugie. und das Interesse unzugänglich«, Mann. Der Doktor Grumberg, ein junger Herr in Thassilos Alter, der schon nung von orientalischem Typus, lä chelte Thassilo nur an und behielt sei nen Cylinder ei» Weilch-n in der Hand, ehe er sich wieder bedeckte. «Ja, unsere Firma hat den Zu schag bekommen," sagte Thassilo kurz. „Das wird alle Welt freuen. Die Vollsstimme hatte sich sozusagen für bus. „Ach ja... Vetter Pardon..." scher Arbeitstraft sein. Der Edlef ist Pferde skr Sie ab." ab. sich sehen, de. sie ausfahren Er hob es auf. Es hatte ein Rotz. Gerade li«f schon die Mutter der Klei- Entschuldigungen ab. Es war eine Arbeiterfrau., Er griff in die Tasche. Ein Mact- Ball dafür!" zenzipfel die Nase putzend. Und dann sprach sie: „Ach Gott nee, Herr Stür mer, was is es einmal für 'ne Freude Wackernagelsche Villa ,Koht,' sag te Herr Rechtsanwalt Wackernagel zu mein Mann, wenn wir den Stürmer war der große Mann von Marstadt. Aber schließlich wirklich ein verdienter Mann von Streben. Dieser kleine Zwischenfall hatte fei ne Ergriffenheil in den fröhlichsten Mut umgewandelt. mögen, es zu sasien. Ihn deuchte, er sei zuiq Herrscher desfelben ernannt. heranwogte. Er tonnte von hier aus das Aufprallen und Zerperlen der weißen Schaumköpse nicht erkennen, wohl aber sah er rastlos weiße Stri che herankommen und verschwinden, so daß es seinem Auge zuletzl schien, als drehe sich das Meer auf einer Walze. Der Strand war noch zerwühlt zu Höckern und Klüften. Die Stürme des Winters hatten das getan. Jeden Frühling ließ die Behörde eine leid lich« Eb«nmäßigt«it h«rsttll«n, u:n d«n wenigen Badegästen doch das Nötigste zu bieten. Mehr als einmal aber in diesem Jahrhundert war. ge jagt vom Sturm, das Meer als hohe Mauer herangedrängt gekommen und hatte die untere Stadt arg beschädigt. Nun sollte ihm eine Grenze gesetzt wrrden! Der Weg, den Thassilo schritt, war eine gutgeyalten« Chaussee, von dür ren hochragenden Pappeln einge >umt. Der Wind ließ ihre Wipfel sich alle nach Seile neigen und Thassilo liebte den Wind. Er gab der Pflanze die Kruft, die dem Men schen aus der kö,perlichen Bewegung schwarzblau in weißgemalten Rähm chen blinterten. Zwei Stufen führten urmittelbar von der Straße zur Als Thassilo Ningelte, füllte er regung überrascht, die ihn so plötz lich überfiel, wie die Angst den Fei gen übermannen mochte. Diese peinliche Empsindung war ihm ganz neu. Sie stieg ihm fast als llebelteit im Halle hoch. „Beate," dacht- er, „o Beate!" „Es ist die Nähe der Entscheidung." Beate hielt auf gewisse Formen. qatte, wie sie sagte, bei ihrer Rück lehr aus der Pension die allzu länd liche Haushaltsführung reformiert. Seitdem, es waren fünf Jahre, war das Altheerfche Haus ein besonderes Gemisch von ländlichen und städtischen Angewohnheiten. Das Hausmädchen bediente bei Tische mit weißen Baum wollhandschuhen, aber es kam vor, daß der Hausherr an diesem Tisch in Schmierstiefeln laß. Die Herrschasten seien beim Kaffee, meldete das Mädchen, und Herr Rechtsanwalt Wackernagel sei auch da. Dies gab Thassilo auf der Stelle volle Ruye. war ihm >ehr willkommen, Sie bot die Möglichkeit, sich zuerst unbefangen zu geben und auf ein Alleinsein mit Beale zu hoffen. Denn Altheer hatte immer allerlei Geschäfte mit feinem freund und Sachwalter Wackerna gel. Der Flur des Herrenhauses von Glanau war von Beate so hergerich tet, daß er sich als kleine Halle geben tonnte. Eine Geweihsainmlung und ein paar alle fast schwarze Oelbilder zierten die weißgekaltten Wände. Ein für den Salon schon zu schadhaft ge» wesener Teppich lag in der Mitte auf dem Fliesenboden, Darauf stand ein Tisch mit sechs Stühlen herum. Beate halte die Gewöhnlichkeit des Tisches durch eine sehr hübsche gestickte Decke verhüllt. Die täglich benlltzten Wohnzimmer der Familie lagen nach hinten. Von dort hatte man, zwischen den schwarz braunen, runzligen Stämmen der vier alten Ulnien hindurch, einen köst lichen Blick auf aas Meer. Zum Anbau einer Terrasse hatte Beate ihren Vater nicht bewegen kön nen. Man trat hinten aus dem mitt leren Zimmer, durch eine Glasthur, üder zwei hinabführende Stufen un mittelvar in den Garten. Wenn Beate des Sommers bei Regen draußen sitzen wollte, mußte sie unterm Schirm nach dem halboffenen Pavillon hinü verlaufen, welcher sich mit seiner Rück wand in ein Fliedcrgebüsch drängte und von seiner Schwelle aus den herr lichsten Rundblick über die Gegend gewährte. Die drei Hinterzimmer bestanden aus dem Salon, Beatens kleiner Wohnstube und oem geräumigen Eß saal. Das war ein Raum, den Beate hatte lassen müssen, wie er nun schon einmal von jeher gewesen. Seine Wände waren hell und dunkelgrün ge streift. Auf den ersten Blick sah das wie eine Tapete aus. Aber es war nur mit Leimfarbe die Mauer ge malt. Oben lief ein Fries herum, «r zeigte einfach auf dem weißen Grund schwarzgraue Vasen, eine war mit der andern ein« kleine, ver- Givrg Alth««r sagl«, er zähle diese !jasen immer, wenn er mal aufgeregt sei, obfchon er seit seiner Kindheit wußte, daß an jeder Längswand ein undzwanzig und ai. jeder Schmal wand dreizehn Vasen in Reih und Gued gemalt dastanden. Vom Plafond, der völlig glatt und schmutzig weiß war, hing inmitten ein enormer Kronleuchter herab. Zwölf PriSmenkelten. einer Rofette aus gehend, hielten eine riesige rote Glas- Icheibe Um sie herum standen acht zehn Lichter. Aon ihrem Nande hing eine Franse herab von langen, ge schlissenen Prismen. Stühle, Tische, Büfett, das war iilles alltäglich. Man bemertte eben immer nur die Wände und de» Krön-, leuchter. Unter demselben oder vielmehr an der einen Ecke des großen Speiseti sches, der unter ihm stand, saßen jetzt Georg Altheer, der Besitzer von Gla nau, der Rechtsanwalt Wackernagel und Beate Altheer. Sie an der Schmalseite, die oeid.n Männer recht» und links. Fast sah das aus wie eine Wirtstasel, die gerade nur oben be- Als Thassilo eintrat, standen alle Georg Altheer hob die Rechte und schwenkte sie in der Lust, wie man tut, um einen Vcrbeifahrcnden luftig 'agt..." S (Fortsetzun'l folgt.)
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