Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 09, 1916, Image 3

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    DM MMsL ZMWLH'.
Fortsetzung.)
„So?" sagte Frau Feller und lieh
ihre Handarbeit >n den Schoß sin-
behauptet, sie könnte vom Gel
de leben, und sie besteht daraus, zu
Ihne» gelassen zu werden, gnädige
Frau. Ich glaube, sie ist —", der
junge Mann hielt inne.
„Ich verstehe," b«inerite Frau Ju
lia mit unerschütterlicher Nuhe. „Es
ist das dritte Mal, trotzdem sie feier
lich Besserung gelobt hat. Schicken
gefunden."
„Was?" Diesmal erlitt die uner
schütterliche Ruhe Julias eine kleine
Störung.
.Sie hat Juwelen in der Müllgru
be gefunden", stammelte der Diener
und würde weiter gesprochen haben,,
wenn nicht in diesem Augenblick «ine
robuste, weibliche Gestalt ihn rauh
beiseite geschoben hätte. Sie trug
ein grellrotes Kleid aus billiger Sei
de und einen großen, schwarzen Hut
mit viel bunten Blumen, dazu einen
Samtumhang mit Perlen besetzt. Ihr
Gesicht sah dunkelrot und sehr er
hitzt aus, was teils dem Genuß vcn
Alkohol, teils der Erregung und teils
einer gewissen Angst vor ihrer Her
rin zuzuschreiben Dar. Der Diener
zog sich da er eine
Szene befürchtete. Er ging in die
Küche, wo er die anderen Dienstboten?
in heftiger Erregung beisammen
l b "d'
Frau", begann sie hastig, „möchte ich
jetzt gleich meine Stellung verlas
sen. Mein Korb ist gepackt und mei
ne besten Sachen habe ich an."
„So?" sagte Frau Feller mit ei
nem Blick, unter welchem die Kö
chin fast zusammenknickte. „Ich be
dauere aber, Sie nich! entlassen zu
können. Sie bekommen keinen Pfen
nig Lohn, wenn Sie gehen. Ge
hen Sie sofort an Ihre Arbeit!"
„Aber ich will ja gar keinen Lohn,
gnädige Frau. Ich bin so reich, wie
Sie selbst! Ich hab« in der Müll
grube ein Vermögen gesunden!"
„So? Worin besteht denn dieses
Vermögen?"
„Sie nehmen cs mir höchstens
weg", sagte die Köchin mißtrauisch.
„Wenn Sie es mir nicht sofort zei
gen, Auguste, lasse ich die Polizei
holen!"
„O, aber gnädige Frau, bedenken
Sie den Skandal! Ich will ja —"
in diesem Augenblick begegnete sie den
Augen ihrer Herrin, deren eisiger
Blick und deren unerschütterliche Nu
ausübten.
„Das hier ist es," antwortete sie
und zog unter ihrem Umhang einen
ste fort. „Ich habe ihn in der Müll
grube gefunden."
„Zeigen Sie ihn mir doch mal,
Auguste."
Die Köchin, die noch immer unter
gen stand, gab Frau Feller die Waf
fe. Aber sie ließ ihren kostbaren
Schatz nicht aus den Augen. Sie
hätte auf Tod und Leben mit ihrer
Herrin darum gekämpft, falls diese
Miene gemacht, ihn ihr fortzunehmen.
„Es sind Edelsteine und echtes Gold,
gnädige Frau," schwatzte sie weiter.
„Ich verlause das Messer «wem Ju
welier, den ich kenne. Und mit dem
Geld werde ich eine feine Dame.
Vielleicht heirate ich auch noch", fuhr
sie fort. „Jedenfalls kaufe ich mir
Häuschen und sitz« den ganzen
Tag im Lehnstuhl in einem feinen
Zimmer und lese bloß noch Roma
ne und —"
„Sie sollten lieber nicht soviel
trinken", unterbrach sie Frau Feller
streng.
„Was? Betrunken soll ich sein? Ich
gesunden hab« und nun auf einmal
r«ich bin! Ich habe es gestern in den
Karten gesehen, daß mir ein beson
derer Glücksfall zuliegt. .Und vor
zwei Wochen prophezeit« mir «ine
Wahrsagerin aus dem Kaffeesatz —"
„Auguste, seien Sie nicht dumm!"
rief Frau Feller. „Das hier sind
leine Juwelen!"
„Der Dolch ist Taufende wert!"
„Nichts ist er wert!" sagte Frau
Feller grausam. „Der Dolch ge
meintlichen Edelsteine bestehen aus
buntem Glas!"
Auguste siel kraftlos in einen
Stuhl. „Himmel!" stöhnte sie.
Dann sprang sie wieder auf und
ten." ,
leicht sind es doch echte Steine!"
Frau Feller schob den Dolch in
ihre Tasche und schüttelte den Kopf.
„Es ist Glas," sagte sie abweisend,
hen Sie jetzt sofort an die Arbeit,
Auguste. Ich will wegen Ihres heu
tigen Benehmens noch einmal Nach
„Meine heiligsten Gefühle sind ver-
Feller die Wahrheit gesprochen.
Als Auguste das Zimmer verlas
sen, zog Julia den Dolch hervor und
„Nein, mein Liebling," sagte Frau
Feller, das Kind beiseite schiebend,
„es geh'crt Mama. Und sagc Tante
Laura, die etwas Bedrücktes in ih
rem Wesen hatte.
„Nein. Erwartest Du vielleicht
Herrn Calvert?"
„Nein, das nicht. Er wird Wohl
Partie für Dich. Und dann, Laura,
Du weißt doch herzlich wenig über
ihn —"
„Aber ich weiß nur günstiges," un
terbrach sie da« junge Mädchen und
nahm in einem Stuhl Platz.
Theater gehen?"
friste Julia.
„Ja," antwortete die jüngere
Schwester. „Es ist ein Dreialter und
beißt' „Der dritte Mann".
„Die Ankündigung des Stückes
und eine flüchtig- Beschreibung habe
ich gelesen, liebe Laura. In dem
zweiten Akt kommt ein Maskenball
vor. Tritt Herr Calvert in diesem
Akt nicht als Masle auf?"
„Ja, als Benezianer. Weshalb
fragst Du?"
Julia wich dieser Frage aus, in
dem sie ernst fortfuhr: „Als ich neu
lich Herrn Calvert mit Walter zu-
„Du hast kein Recht, das zu be
blaß wurde, sah ihre -Schwester fest
an. „Was willst Du damit sa-
C l t t 'tt ' ' t
„Natürlich. Was weiter?"
Hand und betrachtete sie aufmerksam.
„Und was weiter?"
„Die Ermordet« war seine Cou-
Tone. „Ich glaube es nicht! Aus
„Das ist Zufall!"
„Ein merkwürdiger Zufall! Uebri
gens, hast Du Herrn Calvert jemals
einen Hausschlüssel gegeben?" fragte
Julia plötzlich.
„Wie darfst Du so etwas sagen!
Willst Du mich nicht auch beschuldi
gen, Arnold bei dem Mord unter-
Frau Feller schnell.
„Um 'Gotteswillen! Du machst
nicht! Welches Motiv hätte er ge
habt —"
früher. Was weißt Du?"
„Nichts!" stieß Laura hervor. Da
faßte Julia die Schwester plötzlich bei
ins Gesicht zu sehen.
saß ,det d'er Die-
und reicht: ihr die Hand. „Wie
nett von Ihnen, daß Sie lommen",
sagte sie in ihrem liebenswüroigsten
Tone „Liura und ich spielten so
eben eine Szene des Stückes, in
tätigkeitsoorstellung mitzuwirken
versprochen hat", erzählte Frau Fel
ler. „Lauras Rolle ist etwas sehr
tragisch Bitte, nehmen Sie Platz,
Frau Baldwin. Wie gut Sie aus
sehen!"
Ganz verwirrt von diesem auf
si« einstürmenden Redestrom nahm
Frau Baldwin auf dem Sosa Platz.
Laura war der Schwester viel
leicht das erste Mal in ihrem Leben
dankbar, verbarg den Dolch in
sen. Die Anklage Julias hatte sie
kaum einen klaren Gedanken fassen.
Sie wußte allerdings etwas, aber
Julia mit ihrem gesühlosen, unsym
pathischen Wesen wäre die Letzte ge
wesen, der sie es anvertraut hätte.
Die beiden Schwestern waren mbezug
auf Charakter und Wes<zr wie Tag
und Nacht. '
oogel. Sie war in alle imglichen
Farben gekleidet Verschiedenes an
ihrer Kleidung war nagelneu, an
deres dagegen ganz alt. Ihre Hand
schuhe waren von verschiedener Farbe
and verschiedener Größe. Wahrschein
lich hatte sie in der Eile einen von
Gervas und einen von ihren eigenen
Handschuhen erwischt. Sie schien
selber zu fühlen, daß ihre Kleidung
nicht tadellos sei.
„Es war schon so spät. Ich mußte
mich b«eilen. Da habe ich in der
jammernden Stimme. „Aber nach-
dem der Professor mir alles erzählt.
terbrach si« Laura heftig, die es
empörte, daß diese Klatschbase über
ihre Herzensangelegenheit redete.
überaus freundlich ein. „Wir spra
chen gerade von Herrn Calvert, als
We kamen." ,
«So? Ich dachte, Sie ipielten
Theater?"
„Nun ja, freilich", log Frau Fel
ler. „Herr Calvert spielt nämlich
den Liebhaber und ich probierte vor-
Laura widerlegte diese abscheuliche
Lüge nichr, sonst hätte sie später «ine
höchst ungemütliche Viertelstunde mit
Julia gehabt.
„Wer ist der Professor?" fragte sie,
Calvert?"
nicht wahr, Frau Fesler?"
„Es Icheint so", erwiderte Julia
kühl. „Was sagten Sie doch vorhin
'i ' b
lassen?"
„Fünf Millionen Marl! Ich glau
„Hoffen wir es", meinte Julia
kühl. „Laura, Du fühlst Dich nicht
wohl. Lege Dich lieber ein wenig
nieder."
„Ja, Du hast Recht", erwiderte die
wins folgte ihr Julia, ergriff drau
ins Ohr: „Du wußtest lein Motiv
dafür, daß Arnold Calvert diesen
Veldes willen!"
11. Kapitel.
ein „Kollege" von ihr war, gab sie
ihm oft gute Ratschläge, die d«r
junge Mann mit gutem Humor und
te. Infolgedessen hatte sie ihn in
ihr Herz geschlossen. Sie erwies ihm
ihre mütterliche Zuneigung dadurch,
daß seine Zimmer besser in Ordnung
gehalten und seine Mahlzeiten besser
zugerichtet wurden, als die der an
dern Mieter. Calvert bewohnte im
ersten Stock ein Schlafzimmer und
ein Wohnzimmer. Das letztere war
sehr geschmackvoll eingerichtet. Ar
nold haßte den Krimslram, mit wel
chem sich seine Kollegen die Wohnung
vollzupfropfen pflegten. Er hatte
daher alle billigen Nippessachen ver
bannt. Die Portieren und der Tep
rich waren von dunlelroter Farbe,
Stühle und Sofa mit Leder überzo
gen und an den Wänden befanden
angefüllte Regale. Calvert las sehr
gern, was «r schon auf der Univer
sität, die er einige Jahre besucht, ge
tan. In der einen Ecke stand ein
Ileines Piano. An der einen Wand
und auf einem Üeinen Tisch befand
sich eine Anzahl von Fechthandschu
hen, Schlägern, Fechtsmaslen und
ähnlichen Dingen, Da Arnold sehr
ruhig lebte, hatte er Zeit genug, sei
ner Borliebe für literartische Arbei
ten zu huldigen was auch das Vor
wies.
Arnold Calvert war blond und
sehr hübsch. Sein Gesicht hatte ei-
des Fensters saßen. Arnold selbst
Taschen seines Jacketts versenkt. Als
wie alles andere, nur nicht wie ein
Privatdetektiv aus.
„Weshalb bringen Sie diesen Herrn
„Flora Brand?"
Wieder nickte Arnold. „Ja, Frau
hörte, war Floras Mutter Ihre
Tante, Herr Professor. Aber Sie
Jascher beobachtete unausgesetzt das
Gesicht Arnolds, während der Pro
fessor sprach. Aber in den Zügen des
Muskel.
Rechtsanwalt, Herr Merry, teilte es
„Ich bin Floras Cousin —"»>
„Das gibt Ihnen noch lange nicht
das Recht, sich diese Freiheit heraus-
Gesicht. „Ich bin der letzte,
„Das stimmt," bestätigte der junge
Mann. „Mein Rechtsanwalt teilte
Ihrem Besuch bei ihm. Ich halte
Ihren Besuch erwartet, Herr Proses
sor. Sie wünschen, daß ich Ihnen
mit Geld —"
Calvert biß sich aus die Lippen und
in sein Gesicht ergoß sich eine jähe
Blutwelle. „Sie dürfen versichert
sein, daß nichts ungeschehen bleibt,
lich blieb er vor Jascher stehen. „Sie
sind Privatdetektiv," wandte er sich
an diesen. Merry erzählte^nnr,
„Und ich bringe ihn hierher, damit
Sie ihm den Auftrag geben. Ich bin
arm sehr arm, aber ich brauch
„Aus diesem Grunde bringen Sie
Herrn Jascher zu mir?" fragte Ar
s s? 'fß
wissen, wer sie ermordete."
„Das will die ganze Welt wissen,
Herr Professor."
„Entschuldigen Sie," mischte sich
wissen will, Herr Calvert. Die Welt
hat diesen Mord bereits vergessen
beruhen lassen."
Arnold Calvert blickte den dicken
Mann scharf an. „Was wollen Sie
gestellt?" "n
beschriebenen Seiten vernichte —"
„Warum sollte ich das wünschen?"
rief Calvert in eisigem Tone. „AIS
Frau Brands Berwandter und ihr
tzrbe habe ich selbstverständlich das
größte Interesse daran, das Geheim
nis ergründet zu sehen. Prosessor
Bocaros hat recht. Nehmen Sie die
Verfolgung in die Hand und suchen
Sie den Mörder zu entdecken. Ich
will alle Kosten tragen. Und wenn
Sie den Mörder der Gerechtigleit
überliefern, zahle ich Ihnen extra
zehntausend Marl!"
„Zehntausend!" rief Jascher. „Ab
gemacht! Ich werde das Rätsel schon
lösen um zehntausend Marl lohnt
sich das schon."
„Sind Sie nun zufrieden?" wandte
sich Calvert an Bocaros.
Seltsamerweise machte dieser ein
sehr mißvergnügtes Gesicht. „Ja."
antwortete er langsam. „Ich bin
zufrieden." Er erhob sich. „Nun
wollen wir gehen."
„Nein," widersprach Calvert, „blei
be» Sie noch sitzen. Da Herr Ja
scher nun aus Ihren Diensten in die
meinen getreten ist, möchte ich gern
wissen, was Sie bis jetzt erfahren
haben."
„Ich habe alles mögliche erfahren,"
rief Jascher. „Durch die Zeitungen,
durch eigene Beobachtungen, durch
Professor Bocaros, durch Herrn
Tracey —"
„Tracey?" rief Calvert 'verwun
dert. „Ach so, das war der Ameri
kaner, dessen Automobil gestohlen
wurde."
„Sie kennen ihn ziemlich gut.
Herr Calvert!" warf Bocaros in et
was hitzigem Tone ein. „Tracey ist
verlobt mit Fräulein Baldwin, deren
intimste Freundin Ihre Braut ist."
Arnold wandte sich rasch nach dem
Sprecher um. „Woher wissen Sie
das?" brauste er auf.
„Ich wohne ganz in der Nähe des
Baldwinfchen Hauses. Frau Bald
win ist meine Wirtin. Ich kenne
Tracey und Fräulein Baldwin. Ich
bin auch mit Fräulein Mafon zu
sammengetrossen und —"
„Und Fräulein Mafon hat Ihne»
erzählt?" warf Arnold dazwischen.
„Nein. Herr Tracey sprach davon.
Und es kam mir sonderbar vor."
fuhr der Arieche mit erhöhter Stim»
me fort, „daß Sie mit der Dame ver
lobt sind, in deren Hause Flora er
mordet wurde."
„Das Haus gehört Fräulein Mo
sens Schwager," erwiderte Calqert
in kaltem Tone. „Wollen Sie mit
Ihren Worten besonders aber mit
Ihrem Ton vielleicht andeuten.
Herr Prosessor, ich wisse etwas über
den Mord?"
„Nein," mischte sich hier Jascher
schnell ein, indem er dem Griechen
„Gewiß, gewiß," beeilte sich Bo
caros hinzuzusetzen. „Natürlich ist
es nur ein Zufall."
ficht zuckte keine Muskel, es sah hart
theaters. Er wird Ihnen sagen, daß
„Aber, Herr Calvert," siel ihm
Jascher begütigend ins Wort, „kein
Ton des Herrn Professors zu schlie
ßen —"
„Nein, nein!" unterbrach ihn die
setzen, beweist Ihre Schuldlosigkeit."
Ermordeten?" siel Bocaros ein.
(Fortsetzung solgt).