Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 14, 1916, Image 3

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    Im Ztiime der Riesen
Roman au« der Segenwart KM Philip»
Berg«.
(IL. Fortsehnn».)
„Mir ist es recht. Wir haben
du, Regine?"
Regine hatte sich schon erhoben. „Ich
bin mit dabei."
Ladenburg und Regine schlüpften
in ihre Pelze. Der Hegemeister zog
die dicke grüne Jacke an, entzün
dete umständlich sein Pfeifchen,
nahm den Stock in die Hand und
klopfte ein paarmal an die Fenster
scheiben der niedrigen Stube. Da
trauten", sagte der Alte.
Vor der Tür, die am Hinterhaus
direkt auf die Felder führte, stand,
als der Hegemeister mit seinen Gä
sten hinaustrat, ein großer brauner
Hühnerhund, der jetzt in weiten
Sprüngen querfeldein davonjagte.
Drüb'n, in der Abenddämmerung,
«ine »eine Viertelstunde Weges ent
fernt, stand gleich einer weißen
Mau«r der Forst. Durch die fri
sche kalte Luft schritten die beiden
Männer und das Mädchen über die
verschneiten Felder, aus denen sich
weit und breit nichts regte. Ein
tiefer Friede lagerte über der Win
terlandschaft und ließ nicht ahnen,
daß an beiden Enden des Reichs,
jenseits der Grenzen, so viel Blut
fließen mußte und so unendlicher
Jammer gehäuft wurde. Ladenburg
schritt aufrecht und kraftvoll dahin,
von der Verwundung, die er mit
heimgebracht, war ihm nichts mehr
anzumerken.
ster seinen Stock in den Schnee und
der Hund legte sich gehorsam neben
ausharren, bis sein Herr zurückkehrte
oder ihn abrief, und wehe demjeni
zu berühren!
Der Hegemeister trat mit seinen
Gasten in den dunkelnden Forst ein.
bürg sah umher, während die Ge
sellschaft schweigend voranschritt, und
es beschlich ihn wieder jene roman
gut erinnerte. Der Hegemeister
schritt voran, ihm folgte Regine, und
der Offizier bildete die Nachhut.
Draußen, jenseits des Forstes, webte
noch die Dämmerung, hier drinnen
breitete sich schon das Dunkel aus,
Etille, der Wind hatte sich gelegt,
wie so häufig vor dem Sonnenunter
gang. Da knackte es links und rechts
im Geäst, dürre Zweige brachen ab,
dä und bildeten eine umsichtbare Be
gleitung. Ab und zu sah man eines
der Tiere und gespenstisch
bauten Kanzel stand. Hier nahmen
die Gäste Platz, währeno der För
ster mit dem Futter auf den Platz
hinaustrat. Jetzt brachen die Säue
von allen Seiten aus dem Dickicht
und strebten auf den Hegemeister zu,
manche zahm und vertraut, andere
dicken Knüppel, den der Forstmann
neben sich auf den Schnee gesteckt
hatte.
„Weißt du, was ich jetzt denke?"
fragte Ladenburg seine Base.
„Laß sehen", antwortete Regine,
Ich will dir sagen, was ich denke;
vielleicht sind unsre Gedanken den
selben Weg gewandert."
.Nun bin ich wirklich gespannt."
„Ich denke: och, möchte doch der
de wieder bei uns eingekehrt sein."
Ladenburg sah Regine lächelnd an.
„Auf mein Wort. Base, du hast es
„Eäfar" bewachte noch den Stock
seines Herrn, als die Gesellschaft zu
rückkchrte. Jetzt war es auch draußen
dunkel geworden, und die Sterne
glitzerten am Himmel. Vor der Tür
des Forsthauses bestiegen Hans La
denburg und Regine ihr Fahrzeug,
-straße.
Tage. Kannst du daS verstehend Re
gine?"
„Wär ich ein Mann, ich würde
deine Mutter sind heldenhafte Na
.Hast du mich so gern, Regine?"
„Du hast recht, ich weiß es. Als
gel, so voll Trost und Milde. DaS
mer wieder im Geiste mit deiner Zu
lunft beschäftigt. Du bist geschaffen,
den besten Mann zu beglücken, und
verdienst selbst von dem besten Mann
beglückt zu werden. Du hast, ich
weiß es von Mutter, alle Anträge
ausgeschlagen. Warum heiratest du
nicht?"
„Ich werde nicht heiraten," sagte
Regine leise und schmiegte sich unwill
kürlich an den Begleiter.
„Da können wir ja zusammen
haushalten", scherzte Ladenburg.
„Mir ist das Heiraten auch verhagelt.
Aber um dich wär's schade, Mädel.
Wenn du nicht meine Bafe gewesen
wärst, wer weiß, ob ich mich nicht
schon als Junge in dich vergafft hätte.
Du warst mir aber immer wie eine
Schwester, und so ist es noch heute."
„Mich hat dieses verwandtschaftliche
Gefühl nicht in dem Maße beherrscht,"
flüsterte Regine und sah voll Liebe zu
hat. Was meinst du, Hans? Heira
ten will der Mensch."
lich die Engländerin da unten in
„Zu Befehl, Herr Oberleutnant."
„Ach Unsinn, zu Befehl. Auf Be-
Subordination weg und rede wie ein
Mensch. Habt ihr also wirklich zu
sammengehalten?"
„Ja, Herr Oberleutnant, das ha
ben wir, und daß ich mich mit dem
Mädchen jetzt kriegstrauen lasse, ist
Der Landrat sah hoch auf. „Eine
Engländerin und notwendig ge
worden? Junge, wie soll ich das
»erstehen?"
Die Landrätin, Regine. der alte
Herr, alle sahen ganz entsetzt auf den
armen Florschütz, der ganz kaltblütig
erklärte, es sei notwendig geworden,
irgendein englisches Mädchen, von
dem die Familie nichts wußte, zu hei
raten. Nur der Oberleutnant lä
chelte.
> »Na, dann sprich dich nur au».
hat seine Richtigkeit, es ist aber «in
liebes und nettes Geschöpf. Und was
die Notwendigkeit anbelangt, das
abends um achte muß sie zu Hause
Haustüre. Die Stadt' darf sie nicht
verlassen, den Hafen und die Uinje
lich etwas ändern können. Das sind
Vergeltungsmaßregeln, die durchge
führt werden müjs-n."
„Wieso?"
„Zu ""Befehl, Herr Landrat, ich
„Willst du mir Rätsel aufgeben?
los."
Stirne. „Weiß Gott, der Bengel hat
recht. Das Ei des Kolumbus. Daß
mir diese Lösung nicht gleich einge-
Du willst dich also mit deinem Mäd
chen kriegstrauen lassen?"
„Jawohl, Herr Landrat. Dazu
Fritz Florschütz holte ties Atem.
nichts dagegen haben, daß dir dein
Wunsch erfüllt wird. Morgen früh
Während der Mahlzeit erzählte
Abe?—""""
Pflicht erforderten. Also sag« ich
sind es, Bater!"
Ladenburg reichte dem Vater die
Hand. »Du hast recht," sagte er.
„Diesen Weg muß ich gehen. Und
dann wieder hinaus ins Feld."
Während der Landrat zu den
Frauen zurückkehrte, entwarf Laden
burg Telegramm nach, Hamburg.
„Reise sogleich. Ankunft unbekannt,"
lautete kurz und bündig der Inhalt.
8. Kapitel.
Mit gemischten Gefühlen betrat La.
denburg den Boden der alten Hanse
stadt. Als er aus dem Bahnhofspor
weh ums Herz, und er begann schon
zu bereuen, daß er dem Rufe des
Freundes gefolgt war. Aber gewohnt,
dem Unvermeidlichen mit Ruhe ins
Auge zu sehen, kämpfte er das Ge
fühl der Schwäche rasch nieder: „Hier
war es", dachte er, als er über den
freien Platz nach dem Hotel schritt,
„wo du sie zuletzt gesehen hast." Die
Bilder der Erinnerung standen wieder
klar vor seiner Seele. Still und
traurig stand Estella zuletzt vor ihm,
die großen schönen Augen voll von
stummen Fragen an das unbegreifliche
Schicksal. Ringsum flatterten damals
die Fahnen. Der Sturm auf Lüttich
hatte begonnen. Wie viele große und
schwere Ereignisse lagen zwischen je
nem Augustlage und dem heutigen!
Wieviel Gewaltiges hatte er seitdem
erlebt! Gemessen an diesen Ereig
nissen, schien der Tag des Abschieds
rückt. Aber jetzt war jede Minute,
die er mit Schmerzen durchkostet hat
te, wieder frisch in seinem Gedächtnis.
Um Mittag bestieg Ladenburg vor
seinem Hotel ein Auto und suhr nach
demHreimaurcr-Krankenhaus. Nach
dem die Formalitäten im Bureau er
ledigt waren, schritt der Gast lang
sam und voll innerer Unruhe die
Treppe empor nach dem ersten Stock.
Wie würde er Kramer wiederfinden?
Wie trug der Kamerad-,ein namen
loses Unglück? Denn auf Stimmun
gen von Briefen konnte man sich nicht
Der Offizier musterte das bild
„Und darf ich dagegen fragen, ob Sie
die Schwester Käthe sind?"
Die Schwester errötete ein wenig.
und Freundin Käthe ge
schrieben. Und ich sehe jetzt, er hat
noch sehr zurückhaltend berichtet."
Käthe wehrte lachend ab. „Um mir
Ihrem Besuch."
erhob sich, so rasch er konnte. Für
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Weiß Gott, ich dachte damals nicht,
Ist es nicht zum Verzweifeln? Ein
»In Ihren Worten liegt etwas
lobte des Mädchens sei, das Sie lie
ben."
Ladenburg schüttelte den Kops.
„Was soll daraus werden. Krämer?"
nicht nach Hamburg gekommen. Hat
es einen Zweck, es fortzusetzen?"
„Es hat einen Zweck. Hören Sie
erfahren habe, daß Sie es sind, den
Estella auf ihrer Reise lieben lernte,
ist es, wenn das möglich wäre, noch
kann. Noch ehe ich wußte, wer der
Herzenserwählte Estellas sei, hatte ich
den Entschluß gefaßt, ihr die Freiheit
fiigen. Vielleicht hätte ich Estellas
> nicht mit ihr auseinanderzusetzen ver
mochte.
Alz Ladenburg mit einer Antwort
zögerte, fuhr Kramer fort: „Sie
müssen ganz klar sehen. Hier ist
nirgends eine Schuld, auch nicht auf
der Seite des Konsuls, EstellaS
Vater. Sie müssen wissen, daß. ich
im Hause Martens von Jugend auf
fast die Stellung eines Sohnes ein
nahm. Der Konsul liebt mich wie
ich ihn, er bat es nicht begreifen kön
nen, daß Estellas Glück an einer an
deren Stelle gesucht werden könne als
bei mir. Estella hatte umsonst ver
sucht, den Vater umzustimmen; :s
war ihr unmöglich, ihm zu trotzen.
Alles das habe ich damals nicht ge-.-
wußt, aber ich weiß es jetzt. Laden
burg, ich bin zu Ende. Sie sehen eS
jetzt selbst, Estella ist wieder f-ei.
Oder glauben Sie wirklich, ich würde
sie jetzt, wo ich über dieses ganze
Drama unterrichtet bin, noch an mich
fesseln wollen? Ich müßte ja ein
Barbar sein und die Franzosen
hätten recht mit ihrer Behauptung,
daß wir Deutschen Barbaren sind."
Ladenburg holte tief Atem und
schüttelte wiederholt den Kopf. „Dar
auf war ich nicht vorbereitet," sagte
er. „Ich sitze hier wie ein Junge, der
nichts zu erwidern weiß. Krämer,
was sind Sie für ein Mensch! Ich
habe draußen Ihren Heldenmut be
wundert, jetzt sehe ich. daß der Adel
Ihrer Gesinnung Ihrer Tapferkeit
gleich ist. Nun denn, ich begreife,
daß Sie sich zu dem Entschlüsse,
Estella die Freiheit wiederzugeben,
durchgerungen haben. Aber daZ
vergessen wir ganz was wird sie
selbst dazu sagen?"
Kramer lächelte. „Gleich können
wir sie fragen. Da ich höre ihre
Stimme draußen auf dem Gange."
Ladenburg erhob sich, ein wenig
bestürzt, aber noch ehe er zurücktreten
konnte, trat Estella in die Stube.
Sie stand wie erstarrt, als .sie den
Geliebten erblickte. Ihre Sicherheit
hatte sie so ganz Verlassen, daß sie
umsonst nach Haltung und Fassung
suchte. Ihr Stolz sträubte sich mit
Gewalt dagegen, Kramer eine Komödie
vorzuspielen und den Gast scheinbar
nicht zu kennen, ihr weiblicher Jn
sie unbefangen erscheinen müsse. Aber
Kramer riß sie schnell aus allen
Zweifeln.
„Erschrick nicht, Estella," rief er
ihr entgegen, „deinen Freund hier bei
edlen Dulder zu lieben.
Als sie den Kopf erhob, sah sie die
Augen beider Männer voll Zärtlich-
Aber das Mitleid mit ihm floß in
ziehst "ll
(Fortsetzung folgt),
selbst entleibt. Der Badehausbesit»
ein Paar altersschwache Stiesel in der
Hand. Mürrisch sagte sie: „Die
müssen nun endlich mal besohlt wer
den!"
schnell Bulter? Man nehme
lese Schillers .Wallenstein" bis zu