Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 07, 1916, Image 3

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    NmAmuMZiitse»
?!»ma» aut der Beqenwarl von Phitipp
B-r»«».
(IS. Fortsetzung).
S. Kapitel.
Täglich wanderte Estella Martens
den Weg von der Villa am Mittel
weg bis nach dem sogenannten „Frei
sich noch aufhielt und seiner völligen
Genesung entgegensah. Noch wenige
Wochen, und das Elternhaus tonnte
ihn wieder aufnehmen. Das stolze
Mädchen war ganz still geworden
und ihre Gedanken schweiften über
Selbstgefühl hatte den Willen des
der Pflicht, den sie bis an ihr Le
knüpste sie nun an Karl Kramer.
Als ein Opfer des Krieges war er
heimgelehrt, es galt, alle Kräfte zu-
Alleen schritt, eilten ihre Gedanken
Wacht. Dort saß Schwester Käthe,
Käthe fröhlich, jetzt ein stilles, blas
regte sich ein Gefühl des Wider-
Mädchen erfüllt hatte. Etwas Neues
einander nicht begegnen. Lang, ehe
Estella das Hospital erreichte, verließ
es Emmy schon wieder. Sie war
mit Absicht schon früh zum B«such
erschienen, um ungestört mit Käthe
sprechen zu können.
Als sie auf dem Korridor vor der
Tür des Krankenzimmers standen,
sagte Emmy: .Je länger es dauert,
desto unruhiger werde ich. Was mag
nur aus dem Brief geworden sein?
Er hätte ungefähr um die 3«t^>m
verwundet wurde."
Käthe Fröhlich lächelte ein wenig.
«Mache dir kein« Sorgen. Sollte der
Brief verloren sein, dann ist's ja gut,
du kannst dann wenigstens ruhig
sein."
„Ich fürchte nur, daß er noch zu
rückkommt und dann hier direkt in
die Hände Karls abgegeben wird."
„Ich habe dir schon verschiedene
Male die Versicherung gegeben, daß
«r zuerst in meine Hände kommt."
«Und du gibst ihn destimmt mir?"
„Aber Emmy, du begreifst wohl
gar nicht, daß es beleidigend ist,
immer wieder diese Versicherung von
,nir zu fordern/
„Sei nicht böse, Käthe. Ich denke
nur an irgendeinen Zufall oder an
reau begangen werden könnte. Eine
wahre Furcht hält mich in ihrem
Bann. Karl hängt doch nun einmal
so sehr an dem Mädel. Solange er
war, hätte ich mir gar nichts
zu sagen, und ich Hab'S ja auch ver
sucht. Aber jetzt, wo er zum Krüppel
unbarmherzig, ihm auch diesen großen
Schmerz noch zuzufügen,"
Die Augen der Schwester leuchteten
wie im Schein eines Blitzes in der
alten Lebendigkeit auf, aber gleich
legte es sich wieder gleich einem
Schleier über sie hin.
„Tu', was du willst, Emmq," sagt«
sie. .Aber ich glaube, du unterschätzest
deinen Bruder. Wer hat es so be
wiesen wie er, daß er ein Mann ist?"
„Ich seh« jetzt alles in einem andern
Lichte," fuhr sie fort. „Die meisten
Mädchen haben doch, ehe sie heiraten,
uns ihr hochmütiges Wesen nicht zu
sagt, als Mensch ist sie doch ganz ein
wandfrei, und mit welcher Liebe und
Zartheit sie Karl behandelt, da? ist
doch geradezu rührend."
„Rührend? Sie ist ja seine Braut.
Was ist da zu verwundern?" Käthe
ergriff die Hand der Freundin und
fiiate. aus ihrer Zurückhaltung her
austretend, hastig hinzu: „Weiht im,
was ich glaube? Estella hat sich ge
wandelt, sie liebt Karl jetzt wirtlich.
Dagegen scheint Karl von ihr abge
weniger entdecken."
„Nein." sagte die junge Frau Bur
meister entgeistert, „das ist ja rein
unmöglich. Du mußt dich irren."
„Kann sein," erwiderte Käthe leise.
„Aber ich muß wohl jetzt an meine
Pflichten."
den Brief."
Als eine Viertelstunde später Estella
auf einem Ruhebett und schlummerte.
Nach den Gehversuchen, die der Offi
zier mit Stock und Krücke gemacht
Er durchlebte noch einmal jene un
vergeßlichen Stunden im Wasser
graben vor Antwerpen, fühlte, wie die
war «s ihm wie ein Erwachen. Er
sah sich im Feldalazarett und im
Sanitatszug, der der Heimat ent
besaßen, hatte fallen sehen, schien jetzt
das Verzichten leicht. Anders als
früher schätzte er nun die Lieb« ein,
die das geliebte Wesew nicht lassen
zu können meint. Das große Ent
schöne, stolze Mädchen, das Anspruch
auf den Besten hat, noch an mich
fesseln? Darf ich. der Krüppel, das
abgepreßte Verlöbnis aufrechterhalten,
Flut langsam herangezogen. Lohen
grin nahm Abschied. Gesang füllte
ungehört das stille Krankenzimmer.
sah in das Gesicht Estellas. Sie
Estella schritt aus den Fußspitzen
leid füllte die Brust Estellas. Ihn
Augen glitten über die Decke hin, du
des fehlenden Gliedes. Da wallte ««
heiß, wie Tränen, in ihr aus.
Gehübungen m!t mir versucht, daZ
hatte mich ermattet. Ich muß ja
wieder meine Füße ober vielmehr mei-
Kind."
.Der Mensch gewöhnt sich an
olles/ erwidert« Estella und suchte
bist ja die Güte und Zartheit selbst,
.Erkläre mir, Karl . .
.Höre mich an, Kind, oder besser,
sieh mich an. Ich bin nicht der
Mann, der um dich geworben hat.
Ich bin ein Kriegsinvalide, dem man
das linke Bein abgenommen hat. D«,
strahlend in Schönheit und Zugeno,
sollst dich nicht an einen Krüppel
fesseln.'
„Nicht weiter! Es kann nicht d«i»
Ernst sein, mich so niedrig einzu
schätzen."
.Niedrig? Ich? Der dich von
Jugend auf kennt? Nein, Estella,
gerade, weil ich deinen hohen Sinn
wollt/
.Umsonst, Estella, du hast nicht
mehr den alten Karl vor dir. Es
ist etwas Wunderbares um den
Krieg, Monat« zählen nach Jahren,
er macht die Menschen heranreifen
und läßt sie alles irdische Wesen in
neuen Lichtern seh«n. Als du mir
damals aus freien Stücken gestandest,
mir unbekannten Menschen lieben ge
lernt hättest, wallte mein Blut heiß
auf, mir schien es beinahe, als hättest
du ei» Unrecht begangen, m«ine älte
ren Rechte zu mißachten. Ich sagte
dir damals, ich könne nicht von dir
nicht ohne' Schmerz, denn ich bin viel
zu viel Mann, um ohne Eifersucht zu
sein. Ich denke nur an dich, an dein
nicht an mich fesseln."
Estella hatte still zugehört und vor
sich niedergesehen. Jetzt setzte sie sich
zu Kramer auf das Ruhebett, schlang
den Mund. «Du Bester," sagte sie
innig. .Ich habe dich, solange ich dich
kenne, doch bis jetzt noch nicht gekannt.
Jetzt muß ich einer schweren Stunde
gedenken, als mir Großes abverlangt
wurde und Herbert mich zu trösten
txrsuchte. Deutschland verglich er
mit „Riesenheim", in den. das Ge
schlecht der Riesen wuchtet. Wir
alle, sagte er, müßten in dieser großen
und furchtbaren Zeit zu Riesen wer
den. Du bist einer von ihnen, mein
Freund. Du willst dich selbst be
zwingen, meines vermeintlichen
Blückes wegen. Aber auch ich bin
gewachsen, Lieber, und nehme dein
Opfer nicht an. Hier ist mein Platz
und hier harre ich aus."
Estella? .Du er
hälst Besuch. Waffenstillstand bis
6. Kapitel.
Käthe Fröhlich führte die alte Frau
Kramer und in ihrer Begleitung Frau
Burmeister in die Stube. Das stille
Auge der Sch>v«ster schweifte rasch von
mec lag blaß und ein wenig ermaltet
' auf dem Kissen, Estella vermied den
i Mit der Schwester. Ihr weiblicher
Spürsinn hatte -s ihr längst verraten,
daß Käthe das Verhältnis der beiden
Verlobten zueinander genau, wenn
Frau Kramer un?armte den Sohn
und begrüßte Estella mit Handschlag.
Mama Burmeister war gegen Estella
durchaus nicht in ihrer Absicht, die
Tochter des verehrten Konsuls zu
kränken, sie war -insach befangen und
litt unter den Vorwürfen ihres Ge
wissens. Die Schwiegertochter war
Bruder geschrieben hatte oder nicht.
Selbst der liebevolle Verkehr, in dem
sie das Brautpaar sah, hatte ihr die
innere Ruhe nicht wiederzugeben ver
mocht. Dazu kam noch die tägliche
rer einer Batterie mit dem Heere über
die östlichen Schlachtfelder zog. Ihr
ganzes Leben und Denken floß in das
Warten auf die Post zusammen, die
jene Briefe ohne Marten ins Haui
brachte. Max war ein guter Brief
schreiber, er hatte im Felde seine
schriftstellerische Ader entdeckt, und
Frau Burmeister macht« an der Hand
dieser lebhaften Schilderungen einen
großen Teil des östlichen Feldzuges
gleichsam persönlich mit.
.Ich habe prächtige Nachrichten von
Max erhalten," sagte sie gleich, nach
dem man sich gesetzt hatte, „denken
Sie bloß, Karl, mein Junge hat nun
auch das Eiserne Kreuz erhalten. Er
hat es aber auch verdient."
.Sie scheinen also schon zu wissen,
sür welches Verdienst er die Aus
zeichnung erhalten hat?" fragte
Estella.
Mama Burmeister. .Ach Ehott, der
Jung' schreibt ja zu schöne Briefe.
Man könnte sie alle ohne weiteres in
Quartier. Neulich haben sie mal,
weil ein ganzes Dorf schon besetzt
war und sie spät ankamen, im Freien
nächtigen müssen. Als sie einander
zogen, tonnte man jeden Mantel auf
recht in den Schnee stellen, so steis
waren sie alle gefroren, die Mäntel
.Sie wollten uns erzählen, wie
Max das Eiserne Kreuz erhielt",
sagte Estella.
Ben Haufen Russen verfolgt und die
hatten aus dcr Flucht durch ein Dorf
die Häuser an der Hauptstraße an
halten. Als mein Max als Erster
mit seiner Batterie ankam, brannte
der ganze Ort lichterloh. Die Fahr
straße war schon bedeckt mit rauchen
durch den Regen von Feuer und stür
zendem Gebälk durch. Alle Augen
blicke mußten sie halten, um Hinder
nisse wegzuräumen, und auf den
ganzen Wege waren sie in Gefahr,
erschlagen zu werden oder in die
Lust zu fliegen. Aber der liebe Gott
durch das brennende Dorf. Am
nächsten Tage hat der General
Mackensen ihm selbst das Kreuz über
reicht."
Kramer gab der stolzen Mutter
die Hand. „Ich weiß jetzt, woher
Max sein schriftstellerisches Talent
hat", sagte er lächelnd. „Sie ha
ben die Geschichte so lebendig er
zählt als ob Sie selbst mit dabei ge
ster."
Di! Erzählerin ward so rot, als
sei sie ein junges Mädchen. Aber
sie lächelte doch geschmeichelt, als
im Felde ist eZ etwas Großes. Zwei-
und die andre, die mit kühlem Selbst
bewußtsein ihre Taten verrichtet, und
für diese Art von Mut ist Max
ausg zeichnet worden. Bon solcher
Tapferkeit habe ich im Felde ein
hohes, ich kann ohne Uebertreibung
zähtt, Estella!" "
ster Estella an, die ihrem Verlob
ten ruhig ins Auge sah. Käthe
Fröhlich, die am Kopfende des La
gehen, das mich immer wieder fort
riß und die Gefahr vergessen ließ,
er' d.iZ seinige aber bewußter, über
legter Tapferkeit. Zuletzt führte er
durch ein Feuer, wie es selten er
lebt wird. Wir hatten Granat- und
Gewehrfeuer von drei verschiedenen
die Sicherheit der ihm anvertrauten
Leute. Als die Gefahr schon vorüber
schien, durchschlug ihm eine Kugel die
Frau Kramer streichelte liebkosend
die Hand ihres Sohnes. „Gott hat es
„Sie riefen gerade, als wir kamen,
Extrablätter aus. Ich habe eins
mitgebracht. Hier ist es."
schen gefallen, 70 Geschütze, 160
haben?"
Kramer schüttelte den Kopf. „In
diesem Kriege läßt sich nichts Vor
wahl, Estella?"
Estella nickte. .Wenn nur der
Winter mit seinen Leiden für die
Ahnung davon, was sie zu leisten im
stande sind. Das zeigt sich nirgend
so wie im Feldzuge. Ich habe es ja
Käthe Fröhlich sah bedeutungsvoll
aus die Uhr. Die Besuchszeit ging
zu Ende. Die Ordnung im Ho
spital war sehr streng, und das mit
Recht, das Haus barg viele Ver
wundete, die der Ruhe bedurften.
Mit ernster Zärtlichkeit beugte sich
seinem Be!t.
.Jetzt gehe ich die Zeitungen her
aufholen", rief Käthe und eilte hin
schickt hatte. Das Mädchen erkannte
seln.
7. Kapitel.
Weder mit Rat noch mit Unterstllt»
Wunsch aus, den Hegemeister auf sei«
gehege zu begleiten.
Furcht."
Der alte Hegemeister lachte sei» in
niges, stilles Lachen. „Die Furcht
war gar nicht so ohne, mein lieber
»Ich fürchte mich nicht im gering
sten", sagte Regine.
„Das haben Sie auch gar nicht
wen?"
„Mit tausend Freuden. Wir müs
sen aber gleich gehen, ehe es ganz
(Fortsetzung folgt.)