Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 17, 1916, Image 3

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    Vom Amine der Riesen
»loman au« der Gegenwart lx>» KhiUp»
Berge». ~
? (12. Fortsetzung.) "
Als Estella, auf eine Antwort har
rend, dem Geliebten ins Antlitz blick
te. sie und
fragte Estella.
erhob sich und ballte die Fäuste. „Jetzt
Räumen/ Die große Znt finde auch
groß- Menschen. Du hast recht,
Estella. Was die Zukunft bringt,
wissen wir nicht. Alles steht in Got
heime Verknüpfung unserer Seelen
habe ich sest geglaubt, und diesen
Glauben kann ich auch jetzt nicht aus
meinem Herzen reißen. Wie dem
auch sei, jetzt darf nur eines vor mir
das Vaterland. Welch eine herrliche
Aufgabe, für den deutschen Gedanken
auf Erden zu kämpfen und ihn, so
" Estella erhob sich, ihre ganze Ge
möglich, sich zu fassen. „Ich muß
nun wohl Abschied nehmen", hauch
te sie.
Ladenburg sah das Mädchen bei
nahe überrascht an. Wieder war es
ihm wie ein Erwachen. In der Flut
der Gedanken, die während dieser
Stunde auf ihn eingedrungen war,
hatte sich auch die Idee bemerkbar ge
macht, dem Konsul selbst die Kapita
lien, di« er benötigte, anzubieten;
dort hinten in der Wische hatte man
ja wahrhaftig seit Generationen genü
gend Geld angesammelt. Aber so
fort mußte er diese Idee verwarfen.
Es war unmöglich, daß der Konsul
sich einem Fremden anvertraute oder
die Heirat seiner Tochter zu einem
Handelsgeschäft machte. Jetzt, im
Drange der Abschiedsminuten, kehrte
der Gedanke mit Gewalt zurück, aber
auch diesmal verwarf er ihn, als un
würdig der adligen Gesinnung Estel
las.
.Noch einmal, du mein geliebtes
Weib, laß mich dich fest umarmen",
sagte Ladenburg weich, .du bist das
Weib meines Herzens, und nie werde
ich ein anderes lieben, noch an meine
Brust nehmen. Hoffe, wenn du
kannst, auf das Wunder, das uns
noch zusammenfuhrt. Mich soll es
bereit finden, spät oder früh, und wo
es auch immer sei. Estella, leb,
wohl»!"
Estella konnte nicht sprechen. Der
Abschieosschmerz übermannte sie. Sie
küßte den Geliebten noch einmal heiß
und unter Tränen und wollte dann
zum Zimmer hinaussliehen. Ab«r
Ladenburg hielt sie zurück. Seine
ganze stolze Ruhe war ihm wiederge
kehrt.
.Nicht so, Estella", sagte er, »auf
recht, in Kraft und Würde wollen
wir auseinandergehen. Fasse dich,
liebes Mädchen. Ich geleite pich".
Als Estella und Lad«nburg hinaus
traten, hatte das Bild draußen sich
verändert. Der Regen hatte ganz
aufgehört. Blank und goldig strahlte
die Sonne. Die Häuser um den gan
zen weiten Platz waren mit wehenden
Fahnen besät. vor dem Bie
der - Kaffee, und auf der anderen
Seite, vor dem Bahnhofsportal,
standen große Grupp«n von Menschen,
weiße Blätter in den Händen. Nach
wenigen Schritten teilte sich die Er
regung auch dem Offizier und seiner
Begleiterin mit. Am nächsten Laden
hing ein Zettel, der die Vorüberge
henden anlockte. Ein kühnes und ge
waltiges ReiterstUcklein aus Lüttich!
Husaren waren stürmend bis zur
Stadt vorgedrungen, hätten beinahe
die Zitadelle genommen und den
vollem Gange. Eine zweite Kunde,
von der See her. Der kleine Hilfs
kreuzer .Königin Luise", sonst ein
Als er Estella über die Strohe
lüßte Estella die Hand. Das Auto
setzte sich in Bewegung. Estella sah
mit großen glänzenden Augen zurück,
bis sie die Gestalt des geliebten Man
die amtlichen Nachrichten eintrafen
und das Gerücht bestätigten, lohte
Siegesjubel in'allen Herzen aus. Die
Siegesgewißheit des deutschen Volkes
in dem ihm aufgezwungenen Kriege
Glauben. Ueberall brach die Begei
sterung sich Bahn. Am Abend mar
schierten ganz« Züge junger Leute
durch die Straßen der alten Stadt,
nung führten die Kolonnen nach den
Wohnsitzen der Bürgermeister, wo Re
den gehalten lind brausende Hurras
dargebracht wurden.
Im Hause Krämer an der Rothen
»baumchaussee erhielt die beabsichtigte
stille Feier durch die Siegesnachricht
ein lautes, patriotisches Gepräge.
Gesellschaft wohl einen kriegerischen
Eindruck gemacht. Max Burmeister,
der vor Stunden kriegsg^e
schon in Uniform und glich jetzt noch
mehr einem Riesen. Als der Abend
vorgeschritten war, gestellte sich noch
jchast, der Stabi-arzt Dr. Martens.
Frau Burmeister erlebte Stunden
des Glückes und des Leides, die ihr
einfacher Sinn kaum zu fassen ver
versprechen, daß du dich nicht unnö-
Alle lachten. Max verstand seine
Mutter. Er stand ohne Scheu auf,
den Seelen genommen.
Als die Familie Martens eintrat,
in ihrer Mitte Estella, schön und
ivariung entgegensah, und zu Käthe
Fröhlich, die in» dem Riesen nach
alter Gewohnheit gescherzt hatte und
letzt ganz still wurde. Welchen Ent
schluß hatte Estella, gefaßt? Wie er
auch gefallen war,-er würde ehrlich
sein, wußte Frau Burmeister,
Die Gedanken der Frau Burmei
ster schweiften zurück zu ihren Reise
erlebnissen. Was sie in fremden
Ländern gesehen hatte, das. war
längst verblaßt, aber die Art und
die Schicksale der Reisegefährten has
dächlnis. Am festesten das Erleb
nis Estellas. Ihr Berlehr mit dem
Herz ausschüttete, alle diese Ereig
nisse, die sie mit erlebt hatte, waren
fa wie die Episoden eines RomanZ.
Und dieser Roman war noch nicht zu
Ende. Oder doch? Umsonst suchte
Frau Burmeister, in den Augen
Estellas zu lesen.
Der Konsul hatte seine ganze
stolze Ruhe wiedergefunden. Die
Schwäche, in der seine Kinder ihn
zum ersten Male gesehen hatten, war
spurlos vorübergegangen. Er be-
als „Cousine", was die><
stets mit Freuden als ein Zeichen
der Zuneigung aufnahm. Die Kon
sulin hatte seit dem Ausbruch des
Krieges mit England an Sicherheit
verloren. Ein Druck lastete auf ihr
und wich auch nicht, trotzdem alle
Freunde des Hauses ihr mit ganz
besonderer Rücksicht und Teilnahme
ihrer Gegenwart dem Hasse gegen
England Ausdruck zu geben, ob
wohl es nicht vermieden werden
konnte, die Gespräche von dem eng
lischen Verrat, der zu sehr alle See
len beherrschte, abzulenken. Auch
jetzt schweifte die Unterhaltung,
nachdem die Einnahme Lüttichs ge-
England ab und aus die kühne Tat
des kleinen Hilfskreuzers „Königin
Luise".
der Konsul nach einer Weile, heiter
lächelnd, „ist ein Sieg gegen Eng
land erfochten worden, ein friedli
seit drei Jahren eine junge Enz
tete s Geschöpf. Nach dem Ausbruch
Max Burmeister lachte. »Ent
stecken."
Wort.
Pflanzendüfte. Estella fühlte ihr
geleitet hatte, was jetzt hinter ihr
lag. DaS Metall in ihrer Natur
verschaffte sich Geltung. Nach weni
glücklich zu machen, ehe ich in den
Kamps hinausziehe."
Estella holte tief Atem. „Höre
mich an. Karl." sagte sie ruhig und
ernst. „Du weißt, daß ich dich im
mer gern gehabt habe. Ich könnte
eS bei dieser Erklärung bewenden
ganz ehrlich sein. Deine Vermu
tung hat dich nicht getäuscht. Zwi
schen dich und mich war ein anderer
Reise achten und lieben gelernt hatte.
Ihm entsage ich jetzt. Und wenn ich
dir mein Wort gebe, so geschieht es
daS weißt du, weil du mich kennst,
ehrlich und ohne Rückhalt. Eine
andere Frage aber ist es, ob du mich
nach diesem Bekenntnis willst."
Im Herzen Kramers wallte eine
heiße Eisersucht aus. Er hatte die
Empfindung, das geliebte Mädlyen
dem Weinen verwandt war.
„Estella", sagte er bebend, „ich
fühle es, ich kann dich nicht lassen,
ienen anderen getreten sind, will ich
nicht wissen. Ich weiß und fühle
nur eins, ich kann den Gedanken
angehören solltest. Alles soll au«»
gelöscht sein, was ich an Zweifeln,
an Schmerz und Eifersucht um dich
durchlebt habe. Estella, ich habe dich
so lieb, daß ich dir es mit Worten
nicht sagen kann, du warst der
ganze Gestalt erzitterte vor Leiden
schaft. ' Wie ein Rausch kam es über
ihn, endlich daS so lange sehnsüch
küßte ihren Mund. Estella rührte
' d' D'
Wieder stieg daS Gefühl der Ei
gen. „Estella," bat er, das Mäd
chen fest umschlingend, .habe doch
Mitleid mit mir!"
mich, Karl, ein solches Wort vo»
dir zu hören. Nur den Starken
kann ich achten. Du hast dein Ziel
mir."
„Du hast mir eine heiße Hoff
nung genommen," gab Kramer nach
fes zurück. .Aber wie du willst, so
soll es geschehen. Ich liebe dich zu
sehr, um dir etwas abschlagen zu
können. Dein Bild begleitet mich
hinaus, und meine Sehnsucht wird
in jeder Stunde zu dir zurückslie
ges Mal, daß du mich liebst." .
.Quäle mich nicht, Karl, du weiß!
es ja, daß ich dich immer gern ge
habt habe."
Kramer nahm? von einem raschen
Impuls ersaßt, Estellas Hand und
zog daS Mädchen ins Zimmer zu
rück.
»Lieber Herr Konsul, mein väter
licher Freund," rief er, »Ihren Se
gen!"
Ein Aufruhr entstand in der klei?
nen Gesellschaft. Der Konsul und
die Konsulin umarmten junge
sagend ihre Hand. Gläser wurden
gefüllt und das Hoch der Verlobten
ausgebracht. Ein Gast hatte sich
unbemerkt entfernt. Als Kra-
Gesicht Käthe Fröhlichs gewichen,
ihre blanken Augen umflorten sich
und erloschen gleichsam. Ein stum
mes Weinen ohne Träne durchschüt
nllein auf die Gartenterrasse.
lärmender Zug junger Leute mar
schierte, die .Wacht am Rhein" sin
zu huldigen. Estella sah und hörte
nichts, der Klang zog wie ein Hauch
an ihr vorüber. Bleich und still,
Dritter Teil.
1. Kapitel.
Das Land lag unter bedecktem
der Nacht hatte sich jedoch nicht die
Stille gesellt. Die Luft war voll von
schlitternden, rollenden und donnern-
Im Winde und den schweren Schritt
der ausgestellten Posten.
Bis hierher, in das zerschossene
Putte, slogen die Schrapnelle nicht.
Der ganze Ort, ja. die ganze Ge
gend, im Westen über Mecheln unv
und im Nordosten bis an die Kleine
Nethe, war gespickt mit deutschen
Truppen. Es galt die Bezwingung
wo mußte Bresche in diesen eiserne»
Gürtel geschlagen, an irgendeiner
Stelle mußte der Uebergang über
sitz der Deutschen. Kessel, Wael-
Trotz des Hagels von Geschossen und
der stark verschanzten Stellungen
des Feindes war der Sturm aus
die Stadt schon im Besitz der
schen, aber die Belgier zcgen frische
Reserven heran, holten zum Gegen
der Uebermacht noch einmal geräumt
werden. Jetzt setzten die deutschen
Belagerer zu einem neuen gewaltigen
Stoß ein. Mit der Ruh« und
Pünktlichkeit einer Riesenmaschine
wurden neue Truppen herangeführt
bereitet.
In einem alten Bauernhaus, des
sen untere Teile noch erhalten wa
ren, obgleich das Dach einem Gra
natschuß zum Opfer gefallen war,
hatte sich eine Anzahl von Offizieren
ger verwandelt Sein Gesicht war
tief gebräunt von Wind und Wet
ter, die Uniform trug Spuren von
Staub und Nässe. Auch an ihm
hatte sich das große Wunder des
Kriegslebens vollzogen. Die Ver
lebte nur der Gegenwart, seine
Gedanken beschäftigten sich fast aus
schließlich mit den Aufgaben des
Feldzuges, in weite Ferne, gleichsam
unerreichbar schien das Nachdenken,
die Philosophie gerückt, und auch
das, was sein Herz vor dem Beginn
des Krieges so tief bewegt hatte.
Kehrten die Gedanken flüchtig zu je-
Ladenburg war schon srüher aus die
ses Bild von Männlichkeit undTap
dampften, die Augen glänzten von
Mut und Kampfeslust, und das Ge
spräch, das sich ausschließlich mit den
großen Ereignissen des Krieges be
schäftigte. flog hin und her, wähxend
ten.
schon geschehen! Der bayerische Kron
prinz hatte schon früh zwischen Metz
und den Bogefen die Franzosen in
Quentin waren die Engländer ge
laufen wie die Hafen. Hindenburg
hatte Hunderttausende in die mafuri-
sen. Brüssel war In deutscher Ver
waltung. Auf den Meeren draußen
Schiff aus Schiff der feindlichen
Handelsflotte in den Gründ. Zu
einem in der Weltgeschichte unerhör
sollte eine der stärksten Festungen der
Welt fallen, Antwerpen. Es war
einen ungeheuren Feuerstrahl auszu
speien. Die Luft brüllt aus, als ol>
ein Donner aus tausend Schlünden
herausführte. Der Boden unter den
Füßen bewegt sich; so muß eS bei
.Nützt alles nichts," rief Laden»
.Auf Antwerpen freue ich mich/
sagte der Jünglivg wieder. »Ich
kann die Zeit gar nicht abwarten."
Grunde als Sie. Ihre Gründe, Lie
ber?"
merad, und in dem alten Antwerpen
gibt es eine Menge zu sehen. In
Rom bin ich gewesen, überhaupt habe
ich noch nicht."
„Die Reise nach Antwerpen hätte»
Sie vor dem ersten August etwas be
„Aber nicht in so guter Gesellschaft.
nen sind uns Norddeutschen die vlae
mischen Bewohner nahe verwandt.
Sprechen sie doch unsere Sprache.
Stadt, man hatte sie nur mit fran
zösischem Gift durchtränkt. Ganz
besonders freue ich mich auf eine Be»
tönnte sein, daß alle diese Sehens
würdigkeiten zusammengeschossen
sind, wenn wir nach Antwerpen hin
einkommen."
und die Stadt nicht Übergeben woll
ten, sobald sie nicht mehr zu halten
ist. Man nennt uns Barbaren, aber
sehen Sie sich einmal Mecheln an»
diesen Juwelenschrein altniederlänki
scher Baukunst, und wie die Belgier
selbst die Stadt in Trümmer gelegt
haben. Natürlich wird man's uns
lachten mit, denn aus den Riefen
paßte der Ausspruch wirtlich. Er
hatte es vorher nicht bedacht. »Was
mich betrifft," fuhr er fort, „ich
freue mich aus einem andern Grunde
auf Antwerpen. Den Hafen möchte
ich sehen, den ich noch nicht aus eige
ner Anschauung kenne, möchte Bir
gleiche zwischen Scheide und Elb«
ziehen ganze Leben in der
oder nichts mehr zu sehen kriegen."
(Fortsetzung folgt).