Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 10, 1916, Image 3

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    Im Stammderßieseil
111. Fortsetzung.)
Während der Abendmahlzeit er
heiterte sich die Stimmung. Her
sten Tagen der Mobilmachung in
der Stadt umhergestreift. Sie hatte
erlebt, mit welchem Frohmut die
Glauben an den Sieg der deutschen
Waffen, sie hatte die ersten Züge
mit lachenden und scherzenden Sol
burger Hauptbahnhofs hinausrollen
sehen und sich selbst schon den
Frauen des Roten Kreuzes ange
«benso rasch, pünktlich und sicher be
werkstelligt hatte wie das Heer der
Krieger. Von allen diesen Beobach
tungen und Erlebnissen erzählte das
Mädchen in ihrer lebhaften und
geistvollen Art und rieh die Hörer
mit sich fort.
Mitten in dieses Gespräch hinein
läutete die Glocke des Fernsprechers.
Der Konsul, der dem Apparat zu
nächst saß, erhob sich und nahm den
Hörer ans Ohr. Plötzlich sahen
seine
ihn auffangen konnte. Die Konsu
lin stürzte mit einem Schreckenslaute
durch die Stube und warf sich ne
ben dem Gatten in die Knie. Her
bert und Estella richteten den Va
ter auf und betteten ihn auf das
Sofa. Der Arzt griff nach dem
Essig, den Estella mit angstbesliigel-
Stirn und Schläfen des Ohnmäch
tigen, während der Arzt sorgfältig
den Puls des Erkrankten beobach
tete. Endlich schlug der Konsul die
Augen auf, und als ihm das Be
lehrten, richtete er sich hastig em
por, der Bitten des Sohnes um
Ruhe nicht achtend. Herbert reichte
dem Vater ein Glas Wein, das die
ser austrank.
„Freund, was ist geschehen?" frag
te der Professor.
Der Konsul faßte sich gewaltsam.
sprach er mit leiser
Stimme. „Es hatte mich im ersten
Augenblick übermannt. England Hot
terloh.
ernst, „ich habe mit euch beiden zu
sprechen. Jetzt erst, nachdem die
Würsel gefallen sind, kann ich die
Lage wieder klar überblicken. Ihr
einmarschiert. Goschen hat heute
abend nach Schluß der ReichStags
sitzung im Namen seiner Regierung
Teutschland den Krieg erklärt. Pro
fessor, Sie waren weiser als ich,
den bis aufs Messer. Ich fühle
ich jetzt?"
Der Konsul schloß die Gattin in
feine Arme. „Ethel", sagte er zärt
dete sich.
9. Kapitel.
ihr Gesicht huschten wechselnde
Stimmungen, gleich jagenden Schat
ten.
„Ich muß zu euch sprechen", sagte
der Konsul mühsam. „Ohne die
fuchtbare Wendung, die der Krieg
jetzt genommen hat, hätte ich den
mich wie ein Löwe gegen die Un
gunst der Verhältnisse. Ihr wißt
alle, daß euer Onkel in Kalkutta
mir beinahe eine Million verloren
und das ganze, in Jahren mühsam
aufgebaute indische Geschäft so gut
wie vernichtet hat. Ich mache ihm
leinen Vorwurf, er war nicht der
richtige Mann; über der Neigung
zum Bruder hatte ich die Menschen
kenntnis beiseite gelassen. Und also
trage ich die Schuld. Unser Haus
war daran, sich von dem Schlage
langsam zu erholen. Ich muß euch
sagen, daß der Mann, der Estella
liebt und sich um sie bewirbt, mir die
Hand zu dieser Sanierungsarbeit ge
boten hatte. Karl Kramer ist mein
stiller Gesellschafter, feine Einlage
geht in die Hunderttausende. Du
verstehst jetzt. Estella, aus welchem
Grunde ich yart gewesen bin. Du
kennst mich und weißt, daß ich dich
dieser geschäftlichen Verbindung we
gen nicht etwa verschachern wollte.
mer ist ein liebenswerter Mensch, ein
lauterer Charakter, ich weiß keinen
Mann, dem ich dich lieber anver
unsicher zwischen Zweifeln und
Fassung suchen.
„Schone dich heute, Vater", sagte
Herbert. „Du bedarfst wirklich der
Ruhe. Laß unS morgen weiter spre
sich alles entscheiden. Der Krieg
endlich die Klust sich weitet. Ich sehe
inS Wert gesetzl Wersen mit Karl
Krämer als Juniorchef. Ihr wißt.
hen."^
barg ihr Gesicht in den Händen, Eine
Welt voll Glanz und Schönheit, eine
Zukunft voll Sonnenschein und Le
schienen war, sollte sie aus ihrem
Herzen reißen. Ihre Gedanlen verfin
sterten sich, Sie fühlte sich nur sinken,
Gedanken, die sich langsam Bahn
brachen. Herbert sprach. Er hatte sich
in seine Arme geschlossen.
„Estella, ich verstehe dich," sagte er
leise und eindringlich, „dies ist die
bens. Aber sie muß durchgekämpft
sein. Ein Zurück gibt es nicht. Ich
weiß, es ist dir zumute, als ob ein
schwindelnder Abgrund sich oor dir
aufgetan hätte. Aber du mußt alle
Kraft zusammennehmen und fest hin-
Estella antwortete nichts. Bewe
gungslos sah sie da. Für Klagen und
Tränen war das Leid zu groß.
„Welch eine Erlösung, sich jetzt mit
geschlossenen Augen in den Abgrund
stürzen zu dürfen, nicht wahr?" fuhr
Herbert fort. „Aber an Flucht aus
dem Leid des Lebens denken nur die
Feigen. Die Gottheit hat auch den
Schmerz geschaffen, damit er unsre
Seelen läutere, und vielleicht ist er
unser edelstes und bestes Teil. Die
große Pflicht der Entsagung geht
durch das ganze irdische Leben. Jetzt
ist sie dir genaht, Estella. Aber wie
schön tritt sie dir entgegen und for
dert dein Opfer. Groß wie die Ent
sagung ist auch der Preis, den du
mit ihr gewinnst. Du solltest dein
Haus retten. Mache dir nur klar, was
das heißt. Hier ist nicht von Geschäf
ten die Rede, unser Vater denkt zu
groß, um des Geldes wegen zwischen
dich und dein Glück zu treten, aber es
gilt, einen jahrhundertealten, ehren
werten Namen zu verteidigen, es gilt,
den Ruf und das Ansehen unsrer Fa
milie aufrechtzuerhalten in einer
Zeit, wo so vieles wankt. Dazu bist
du berufen."
Estella sah auf und sprach zum
ersten Male. „Herbert, ich höre, was
du sagst, und höre auch nicht. In mir
ist es ganz tot. Ich kann es nicht be
greifen, daß ich diese Liebe, die wie
ein Ueberirdisches von mir Besitz ge
nommen hat, lassen soll. Was gilt
mir' die Ehre, wenn ich um sie die
Liebe verlieren soll! Ich weiß nicht,
was ich spreche, und ich kann mich
dir auch nicht verständlich machen,
Herbert, du hast nie geliebt."
Der Arzt schüttelte sanft den Kopf.
„Du machst dich mir verständlich.
Jeder Mann hat Liebe und Zärtlich
keit in sich, und die meine gehört dir.
Ich weiß, was du verlierst und ich
denke mit Schmerz daran, wie fchreck-
Aber glaube mir. Estella, aller
Romane und aller dichterischen Phan
tasien gibt es etwas, woran du in
dieser Stunde nicht glauben kannst,
es heißt: Vergessen. Wenn du zur
Besinnung gekommen bist, wirst du
mir beipflichten. Jetzt wäre es zu viel
verlangt. Aber etwas andres fordere
ich von dir, ich, der dich am besten
kennt. Du sollst nicht schwächlich und
mit Zagen den Entschluß fassen, den
der Bater von dir fordert? aus eige
ner Kraft, mit vollem Bewußtsein
und, wenn du es mit dem rechten
Mute tun kannst, auch mit einem in
neren Leuchten, das dir Trost gibt,
sollst du dein Opfer darbringen."
Estella sah den Bruder aus ver
schleierten Augen fragend an.
„Nicht die Familie, nicht das Haus
heischen das große Opfer von dir,"
sagte der Arzt. „Der Krieg ist zwi
schen dich und deinen Geliebten getre
ten. Ihn ruft es hinaus zu den Waf
fen, dich auf einen andern Kampf
tirland. Nicht nur da draußen wer
den Schlachten geschlagen, auch hier,
unter den Zurückgebliebenen, auf den
Feldern der Industrie, der Technik,
des Handels, wird der große Kampf
um das Dasein Deutschlands mit
auSgefochten. In diesem großen
Kampfe bist du in diesen Augenblik
ken ein wichtiger Faktor geworden.
Du bleibst stark und das Haus
bleibt schlagfertig: du wankst und
das Haus stürzt, in seinem Falle
Tausende, die von ihm abhängig
sind, mit sich reißend und die Ge
samtheit schwächend. Wenn du die
Lage in diesem Lichte überschaust,
muß dir dein Opfer klein erscheinen."
„Klein?" seufzte Estella.
„Groß und furchtbar für dich, an
dir selbst gemessen. Klein und unbe
deutend innerhalb der wogenden Flut
von Opfern, die der Krieg fordert.
Sieh dich doch um. Millionen ziehen
hinaus ins Feld. Väter verlassen ihre
Gattinnen und die geliebten Kinder.
Männer lassen hinter sich zurück, was
sie in Jahren heißen Ringens für sich
und die Ihren aufgebaut haben. Al
les. was wir bewundert, geschätzt und
geliebt haben, hat seinen Wert verlo
ren. Wenn die Feinde über uns kom
men, gibt es kein Deutschland mehr.
Deshalb hat nur noch eine einzige
große Wertung Bestand: das Vater-
und Treue, Glauben und Hoffnung.
Natur und Kunst und Wissenschaft
und selbst Religion. Von uns Deut
schen fordert das Schicksal jetzt, was
cs der Geschichte der Menschheit
dert hat. Gegen eine ganze Welt von
Feinden müssen wir uns verteidigen,
wir müssen sie zu Boden zwingen,
wenn wir selber nicht vernichtet wer
den wollen. Und was vom ganzen
deutschen Volt gefordert wird, gilt
jedem einzelnen von uns! In diesen
Tagen der einmütigen Erhebung müs
sen wir voll Stolz und Begeisterung
um uns schauen. Die Zeit der Hel-
den sage ist zurückgekehrt. Noch lebt
ein Geschlecht der Riesen auf Erden,
und wir Deutschen sind es."
Von den Worten Herberts hinge
rissen,, hatte Estella sich erhoben. Die
Schleier wichen aus ihren Augen,
gefaßt reichte sie Herbert die Hand.
Unter der Last des Schmerzes erhob
sich ihre edle Natur und rang nach
Kraft.
Herbert lächelte ermutigend. „Nicht
Abkömmlinge jener Riesen sind wir,
von denen der „Wanderer" zu
„Mime" spricht:
„Auf der Erde Rücken
Wuchtet der Riesen Geschlecht:
Riesenheim ist ihr Land",
denn jene waren den Göttern und
Lichtalben verhaßt, aber uns haben
die Himmlischen mit Kraft und Er
leuchtung gesegnet: Riesen und Licht
bringer zugleich sind wir. müssen wir
sein, um den Ansturm der Feinde ab
zuwehren und der Welt das Licht der
Gesittung zu erhalten. Riesenheim ist
auch unser Land. Jeder von uns muß
zeigen, daß er der riesenhaften Auf
gaben, deren Lösung unser harrt, ge
wachsen ist. Jeder, Estella, auf dem
Platz, den das Geschick ihm zugewie-
„Du hast mich wunderbar erho
ben." sagte Estella mit flatternder
Stimme, „aber, Herbert, ich bin keine
Riesin, ich bin ein Weib und kann
mein Herz nicht überwinden. Das
Opfer meiner Hand muß ich wohl
bringen, meine Liebe bleibt dem, der
sie errungen hat. Vergessen kann ich
Äls Herbert die, Hand unter den
Arm der Schwester legte, um sie zum
Bater zu führen, wollte sie noch ein
blieb stehen lind schloß die' Augen,
und ein leichter Taumel machte sie
wanken. Ihr war, als vertrete ihr der
Geliebte den Weg. Dann schien es ihr
in verdämmerndem Bewußtsein, als
ob ein Sonnennebel sie einhüllte,
Palmen standen ringsum, ein alter
Tempel stieg empor und vor ihr im
glühenden Sand tauchte die Gestalt
des Pilgers auf. Wie aus unendli
chen Fernen klangen leise Worte her
an: „Ihr seid Mann und Weib, durch
ewige Bande unzerreißbar aneinan
der gebunden, und vielleicht hat eins
auf das andre hier unten gewartet.
Und seid ihr jetzt nicht verbunden nach
Menschenbrauch, so wart ihr es doch
wohl einmal in einem früheren Leben,
und ein Leben wird kommen, das euch
aufs neue vereint sieht."
Die Vision schwand. Estella öffnete
die Augen, atmete tief und sah um
sich. Die Last war wie von ihren
Schultern genommen. Hoffnung, von
irgendwo her aus geheimnisvollen
Tiefen, war in ihrem Herzen aufge
sprungen.
Hoffnung, du goldene Leuchte aus
Sonnenwelten, die du uns die dunk
len, verschlungenen Wege des Schick
sals mit schimmerndem Troste er
-10. Kapitel.
Ein trüber Morgen hing über der
alten Hansestadt. Während der gan
zen Nacht hatte es geregnet. Ab und
zu ging noch ein Schauer nieder, und
nur auf Augenblicke durchbrach die
Sonne den grauen Wolkenschleier. Die
Nässe glänzte auf den asphaltierten
Fußsteigen. Der riesige Bahnhof mit
seinem gewölbten Dache breitete sich in
der nebeligen Luft aus wie ein vor
weltliches Ungeheuer. Die hallenarti
gen Zugänge des Gebäudes waren
durch Militär und Polizei abgesperrt.
In der Versenkung des Bahnhoses,
wo die glitzernden Schlangen der
Gleise hin und wider liefen, vibrierte
ein geräuschvolles, froh und zugleich
wehmütig bewegtes Leben. Unendlich
lange Militärzüge standen zur Ab
fahrt bereit; Herren und Damen des
Roten Kreuzes eilten mit Liebesgaben
geschäftig hin und her. Auf dem
Straßenübergang an der Querseite
des Bahnhofs standen viele Hunderte
heraufbeschworen hatte.
Aus einem großen Hotel gegenüber
der Ankunftseite des Bahnhofes trat
gegen neun Uhr Hans Ladenburg,
warf einen flüchtigen Blick auf den
Uhrturm und schlenderte die Kirchen
allee aufwärts. Er war in Zivil. Ein
grauer, leichter Anzug umhüllte seine
schlanke Figur, den Regenrock trug er
über dem Arm. Fremdartig kam ihm
die Stadt vor, die ihm durch viele
Besuche zur Sommerzeit während der
klassischen Rennen so vertraut ge
üchen Plätzen standen Bürgerposten,
eine rotweiße Schärpe über der Brust,
das Gewehr über der Schulter. Trup
ungewohnten Feldgau, durchzogen die
Bahnhof. Als der Offizier an die
Bahngebäudes niedersieht, blieb auch
er verwundert stehen und mischte sich
in die Menge. Aus den langen Zü
gen blickten Tausende froher Solda
tengesichter, die Wände der Waggons
waren mit scherzhaften Versen be
gen Krieg, aus dem so mancher nicht
wiederkehrt, sondern zum fröhlichen
Waffentanze: die Offiziere standen
auf den Bahnsteigen, rauchten ruhe
voll ihre Zigarette und unterhielten
sich mit den Damen, die sich an dieser
fein Herz.
duld stieg in ihm auf und rüttelte an
der Ruhe seines Gemüts. Den Zügen,
die aus dem Hamburger Bahnhos
ihm verloren. Draußen, bei den
kämpfenden Truppen, dort war jetzt
sein Platz. Sein ganzes Wesen war
von kriegerischem Ungestüm erfüllt,
alles Denken und alle Philosophie
hatten sich in daS unbezähmbare Ver
langen umgesetzt, mit dem Schwerte
in der Hand brennende Menschheits-
Kampf, die Einsetzung aller Kräfte
des Körpers wie des Geistes im
Streite der Waffen als Natur und
höchste Weisheit, denn nur aus diesen
Mit gestrecktem Schritt, Energie in
jeder Bewegung, setzte der Offizier
seinen Weg fort. Seine Sinne wan
derten schon in weiter Ferne. Nur
noch dies Werk des Herzens, nur noch
die Geliebte vor der Welt sich zu eigen
machen, dann zog auch er hinaus, um
Als Ladenburg den Bahnhof um
fchritten hatte, schlug die Uhr von
der alten Kirche herab zehn. Der Of
fizier warf noch einen Blick auf die
Bahnhofsuhr und eilte nach dem An
kunftsportal. Aus der Ferne schon er
sah. Als sie ihn erblickte, schritt sie
ihm langsam entgegen. Sein Gesicht
erhellte sich und ward gleichsam ganz
Estella ganz nahe herangekommen
war, fiel ihm ihr basses, ernstes Ant
litz auf, auf dem jetzt ein schmerzliches
kleines Lächeln emporblühte und rasch
und behielt sie einen Augenblick mit
festem Druck in der seinen. „Was ist
geschehen, mein Lieb?" er be
sorgt. „Ich lese auf deinem Gesicht,
daß du irgendeinen Kummer hast."
Das Mädchen schlug die Augen
nicht zu ihm auf. Mit einer von
Schluchzen erstickten Stimme sagte sie
dir zu nehmen."
. Der Offizier sah verständnislos
um sich. Träumte er? Nein, es war
unmöglich, daß Worte die Deu-
Willen zu trotzen?
Estella nickte. „Ich muß mit dir
sprechen. Wo kann es geschehen?"
Als der Offizier sie fragend ansah,
fügte sie rasch hinzu: „Bei Burmei
sters ist es unmöglich. Es haben sich
dort inzwischen Dinge zugetragen, die
scheinen lassen."
Ladenburg schüttelte den Kopf.
„Diesmal bin ich herübergekommen,
um jedes Geheimnis aufzuheben.
Aber ich muß doch erst hören, was
vorgegangen ist. Mit hinüberzukom
inen in das Hotel, wo ich abgestiegen
„Wo wäre ich sicherer als bei dir?"
sagte Estella einfach und setzte sich an
der Seite des Geliebten in Bewegung.
Während sie über den freien Platz
Ankunftseite des Bahnhofes
Groll gegen sie in sich aufsteigen zu
fühlen. War sie etwa dem Ansturm
der Familie gegenüber nicht stark ge
blieben, hatte er sich in der Tiefe ihrer
Zuneigung und in der Kraft ihrer
Standhaftigkeit getäuscht? Aber als
Furcht, ihm alles zu bekennen, zer
streute «r diesen Gedanlen und tat
im stillen Abbitte. Er hatte das
Gefühl, stehenbleiben und Estella an
seine Brust ziehen zu müssen. Was
veranlassen, Abschied nehmen zu
wollen?
Ladenburg führte seinen schönen
gehen", flüsterte Estella, „es ist un
möglich, sich hier auszusprechen".
Estella hielt sich mit aller Kraft
»ufrecht, als aber die Tür sich hiuter
ihr schloß, fiel sie dem Geliebten um
den Hals und weinte bitterlich. La
denburg erschrak, erst jetzt begann er
an den Ernst des Abschiednehmens zu
glauben, trotzdem sich sein ganzes
Empfinden noch gegen die Möglichkeit
einer Trennung auflehnte.
„Was soll ich hören?" rief er.
„Daß es aus ist", schluchzte Estella.
doch nur wer kann dich zwin
gen?"
„Der Krieg", sagte Estella. „Höre
mich an, Hans. Alles stand gut.
Keine Macht der Erde, so glaubte ich,
Ben. Schon h«itte der Vater sich, ob
wohl mit Widerstreben, entschlossen,
mir freie Wahl zu lassen, und als
ist. In einer schrecklichen Stunde er
fuhr ich, daß der Mann, dem der
Vater mich geben will, mit großen
Kapitalien am Geschäfte des Kon
suls beteiligt ist und daß weiter«
enorme Einschüsse von ihm gefordert
werden müssen, wenn das Haus nicht
das Schicksal der Meinen dem Ver
„Und hast dich entschlossen, einem
ungeliebten Mann deine Hand zu ge
ben, und das Wunder, das uns zu
sammengeführt hat, zu vergessen",
sagte Ladenburg bitter.
Estella sah ihn einen Augenblick
groß und erschrocken an und warf sich
du mein einzig Geliebter", rief sie
stürmisch. „Fühlst du nicht, welcher
Schmerz mich durchwühlt und wie ich
und meine Sehnsucht. Aber aus der
Wahl, die mir gestillt wurde, gab es
nur einen Weg. Du kennst meine»
Vater nicht. Du weißt nichts von
unserm alten Haus und seinem An
sehen. Du selbst, an meiner Stelle,
würdest nicht anders gehandelt haben.
In Ladenburg stieg eine große,
rraurige Zärtlichkeit aus. Er drückte
die Geliebte an sich und streichelte
einzuhauen und für das Baterland zu
kämpfen. Aber wie willst du es tra
gen, Estella?"
vor dem Sturz. Nicht von uns allein
fordert die Zeit Opfer."
„Ich höre dich, Estella, und versteh«
deine Wortes sagte Ladenburg lang»
draußen der Geschützdonner mich um
Geliebter, ich kann dich nie vergessen,
kann nie. das fühle ich, aufhören,
dich zu lieben. Sag' mir, hast auch
du die Empfindung eines unerklärli
chen Hoffens, als ob ein Wunder
geschehen müsse, das uns wieder zu
sammenführt?"
(Fortsetzung folgt).
DerVert-eidigersfohn.
„Nur Du Deine
Unterschied. Es gibt
Jene leben von der Kunst, dies« für