Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 22, 1916, Image 6

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    Heidt» vSrttmbergischl» Truppe» im Me.
Es war einmal ein Leutnant, der
hieß Scupin. Er hatte Freude an
der Natur und einen fröhlichen Hu
mor. Der besuchte mich einmal mit
vielen Kameraden in Kirchheim, wo
ich in einem schönen Garten mit al
te. Es war gerade Manöver, und
wir waren alle sehr vergnügt und
dachten an nichts Böses.
Jetzt ist Krieg, und viele von den
guten Kameraden von damals sind
schon tot; der Leutnant ist Major ge
worden und Hot immer noch Freude
an der Natur und einen fröhlichen
ganz anders, das habe ich gesehen, als
ich nach vierzehn Jahren seinen Be
such erwiderte; zufällig, wie das im
Kriege so geht.
Sein Garten steht in einer eigen
artigen Umgebung: rundherum rote
Backsteinmauern, überragt von zer
brannten Giebeln und Dächern und
von allerhand schmerzlichen Ueberre
tzen seltener hoher Tannen und zah-
Xv.
Schloß hinab. Steile Stufen füh-
gemütlich und behaglich. Beides
Worte und Begriffe, die der Franzose
nicht kennt und nicht übersetzen kann.
Der Garten liegt nämlich in einem
französischen Dorfe; das heißt viel
mehr, es war einmal ein Dorf gewe
sen. Jetzt sind nur noch wenige
Mauerreste vorhanden; weite Grund
risse zeugen von dem landwirtschaft
lichen Wohlstand, der einst hier
herrschte. Aber das war vor dem
Kriege, in den sich der Franzose durch
seinen schlauen „Freund" hineinhetzen
ließ. Jetzt ist da kein Wohlstand
mehr. Alles ist in Trümmer zer
schossen,' die Einwohner sind tot oder
verschollen. Aber der Deutsche läßt
sich nicht unterkriegen, auch in zer
schossenen Häusern nicht, und mein
Freund, der Major, hat Freude an
der Natur und einen fröhlichen Hu
mor.
Darum hat er, wenn seine Stellun
gen gut ausgebaut waren, seinen Blu
mengarten angelegt und ihn zu einer
Sehenswürdigkeit im Kriege gestal
tet, derengleichen ich auf der ganzen
vielleicht auch die Jnternationalität.
Schon dieses Wort ist schön und
lieblich und verspricht viel. Das
E'ngangstor ist in nordisch - japa
nischem Stil gehalten und trägt auf
einem Brett die Aufschrift: Kunst
ausstellung.
grünlich gesprenkelten Mauer thront
das erste Schaustück, „Wilson, der
Neutrale". Aus dem zarten Kreide-
ten, Roosevelt und Charles M.
weil noch kein Felsblock gesörder!
Maul dieses herrlichen Helden darzu
stellen (selbst nicht in geschlossenem
Zustande), ist doch die Aufschrift na
hezu vollendet, welche lautet: „Ich,
der größte Amerikaner aller Zeiten,
meinem lieben Freund Billy, in
vergnügter Erinnerung an die unver
dient vornehm« Aufnahme im Hun
nenreich".
Der dritte Mann in diesem edlen
Kleeblatt stellt die Granaten und Ka
nonen her, die zur endlichen Beschleu
nigung der Herbeiführung einer Be
endigung des schrecklichen Krieges die
nen sollen. Verdienen will er nichts
daran; er macht nur alles, damit der
Friede bald erzwungen werden kann,
weil auf friedlichem Wege doch nicht
Frieden geschlossen würde; wie man
merkt, er trieft von Friedensliebe. In
seinem Vaterland läuft eine sehr be
zeichnende Scherzfrage um: Wer sind
die drei größten Schwindler der
Welt? Antwort: Der erste war Ju
das Jfchariot, und die beiden anderen
sind: Charlie Schwab!
In der nächsten Ecke kommt Afrika
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Ruhestätte der Josfre-Ossensive.
zu seinem Recht. Held Botha schaut
W^ss«^WWNNMsis
D" !M^
und Genosseist der südafrikanische
Renegat Botha. Auch so ein herziger
Kerls Zwischen diesen beiden Kul-
und künftiger Zeiten hager und fahl
hervor, Mr. Grey, der Anstifter alles
Unheils. Und um die hehre Gesell
die Aufschrift besagt: „Vittorio
Ter Zufall fügte es, daß diese Ab-
in einem Aufbau Ausstellung
schluß der Portratgalerie macht eine
Doppelplakette von Niki - Max und
Peter - Moritz, die bösen Buben vom
Balkan, mit dem Zulatzvers: .Wer
Hammel stiehlt,, gehört verhaun, auch
traun!"
Auf solchem Umweg über Halb
asien geleit« uns der mit kunstvollen
Abbildungen nicht versehene, aber
sonst recht gut ausgestattete Führer
in die asiatische Ecke.« Wanderer,
stehe und staune! Hier ist das achte
Weltwunder: «Nikolausens Dampf
walze".
Jämmerlich blieb sie zwar im Dreck
stecken, nachdem sie längere Zeit ihr
Räderwerk beim Rücklauf überan
strengt hatte, aber ihr Anblick ist doch
immer noch so verblüffend, daß ich
allen mühsam bewahrten Ernst verlor
und ganz fürchterlich lachen mußte.
spricht für sich selbst.
Die heimtückisch nebenan lauernde
Fratze von „Japs, dem Zaungast",
schaut grinsend auf dieses im Dreck
steckengebliebene Gebild der russischen
Jngenieurkunst.
Japs scheint darüber nachzudenken,
ob er nicht wieder gut sein will mit
dem Deutschen, weil er überzeugt ist,
daß er nach dem Krieg wieder wie
statten aufgenommen und gut behan
delt wird. -
Ob er wohl recht Hit mit seiner
Ruhestätte - Offen
' d '
aus. Es ist nichts besonderes zu se
hen. „Tja, nicht wahr", sagt der
Major, klemmt das Glas ins Nuge
und blinzelt mich schlau und sphinx
artig an, „es ist wie so oft im Leben,
eine Bierverbandstreppe in die Tiefe.
Unten ist das römisch-irisch-russi
sche Dampfbad; indem daß es auf
französischem Boden steht, ist's das
Bierverbandsbäd. Es ist mit alleti
hat, vorausgesetzt, daß diese scheint,
wird es auch als Licht-, Lust- und
Sonnenbad von der Ausstellungslei
ten. Modern, alle Tiere im Freien.
Weil's aber jetzt so viel herschießt,
find die meisten verscheucht und kom-
Wie sagt doch Wilhelm Büschs
„Mutter Köhmen?" Up dit, da will
wieder dem Ausgang zu, neben dem
dei tiefe Schlund starrt. Es ist aber
gar nicht schauerlich da unten; s^ile
öffnet sich, und wir sind in einem
netten Wirtschäftle, genannt »Boches
Bierstube beim borstigen Barbaren",
woselbst ein gutes Vesperle mit ent
sprechendem Trunk die alten gemein
samen w,e er e^ren
„kl> Müler Oer Glück bst".
Folgende Geschichte, die der Be
samer Beweis, wie trotz eines un
glaublichen Lügen- und Verleum
dungsapparats die Wahrheit, wenn
man nicht gerade achtgibt, manchmal
in den Spalten der englischen Blät
ter durchsickert. Jener Offizier, der
verwundet von den Deutschen ge
fangen war und sich durch Belgien
nach Holland durchgeschmuggelt hat
te, erzählte dem englischen Journali
sten folgendes:
„Oh, ich habe wirklich viel Glück
blieb ich als tot liegen. Eine deut
sche Kugel ging mir durch die Brust
und nahe am Rückgrat wieder her
aus. Meine Leute, die mich für er
re und mein Taschenbuch und er
zählten. ich fei tot. Das war der
erste Glückzufall. Denn hätten sie
mich aufgehoben und getragen, so
wäre ich erstickt. Ich fand mich
schließlich, wie lange nachher weiß
offizielle Todesanzeige; da aber mein
Brief zehn Tage älter war, schloß
belgische Bauern gaben mir Kleider.
Ich lebte eine Zeitlang von Rüben,
die ich aus den Feldern zog; dann
in der Diplomatie wohlbekannten
»Sie sind Franzose!"
„Ganz recht, Herr Oberst."
„Was tun Sie dann hier?"
„Die französischen Aerzte habe»
„Tragen Sie Gläser?" Ich zeigte
diesen Fall gekaust hatte. Der Oberst
viel kurzsichtiger als heute."
„Unmöglich. Da hätten sie 50
schast ist in ganz
„Nein, Herr Oberst. Ich hatt«
eine geheime Abmachung mit mei
nem Abgeordneten, und mit so einn
„Packen Sie sich, Sie sind ei»
Feigling!" sagte der Oberst übellau»
mg, und ich war wiederum frej.
Am folgenden Tage ging ich üb«:
die holländische Grenze und fand voi»
reich. Ich habe eben Glück. Es ist
erstaunlich, mit welcher Unverschämt
heit man lügen kann, wenn sichs um<
Leben handelt!"
Dieser Offizier hat wirklich Glück
gehabt. Wie stimmt aber eigentlich
seine Erzählung mit der von den
Deutschen ausgeübten Tyrannei in
Belgien, mit der Unterdrückung einer
länder täglich in die Welt hinaus
posaunen? Diese Erzählung beweift
höchstens, daß man die Zügel in Bel
gien noch lange nicht strasf genug