Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 24, 1916, Image 3

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mini Ls Wche.
<7. Fortsetzung.)
Mit einer mutwilligen Bewegung
schüttelte sie das Haar.
„Geben Sie acht ich bin wie
ei» nasser Pudel," lachte sie.
„Welch ein Vergleich sagen Sie
doch lieber, wie eine Wassernixe,"
neckte er.
„Also schön wie es Ihnen bes
ser gefällt, aber naß bin ich jeden
falls gründlich geworden," meinte sie
gleichmütig. „Ich habe nämlich wie
der mal meine Badekappe beim
Schwimmen verloren. Und Lina ist
der Verzweiflung nahe."
„Warum denn, Komteßchen?" frag
te er, sich dem erfrischenden Eindruck
hingebend, den ihre ganze Person
ausstrahlte.
„Weil sie sich fürchtet vor der schau
derhaften Arbeit, mein Haar auszu
kämmen und zu bändigen. Wenn es
gelöst gewesen, ist das immer eine
große Plage, zumal wenn es auch
noch feucht war. Dann geht es so
kraus und wild durcheinander. Aber
net es ewig nicht wieder. Und es ist
so ein unbehagliches Gefühl, das nasse
diesem Grunde möchte ich keine Was
sernixe sein. Sonst ist das vielleicht
ganz nett. Heute war es jedenfalls
herrlich im Wasser, ich wäre am
liebsten drin geblieben. Aber ich habe
Hunger es ist Zeit zum Frühstück.
Wir kommen, glaube ich, gerade zu
recht. Sie frühstücken doch mit uns,
Herr v. Ried?"
So plauderte sie fröhlich.
„Wenn ich darf, halte ich natürlich
mit. In Gesellschaft schmeckt es bes
ser," antwortete er.
Sie wickelte das ganze Haar fest
zusammen und schüttelte die nassen
Enden kräftig aus.
„So trocknet es schneller," sagte
sie. eine Weile das nasse Haar durch
die Luft schlagend. Die Wassertrop
fen sprühten wie seiner Regen zu ihm
herüber und netzten sein Gesicht. Er
hatte ein wohliges, erfrischendes Ge
fühl unter diesem Sprühregen.
Sie bemerkte es gar nicht, daß sie
ihn dabei in Mitleidenschaft zog.
„Ich möchte Pia wohl einmal in
einer kleidsamen, eleganten Toilette
sehen, das wundervolle Haar zu einer
hübschen Frisur aufgesteckt, ich glau
be, sie würde sich zu einer ganz rei
zenden jungen Dame entwickeln,"
Pia plauderte weiter, harmlos und
unbefangen schlenkerte sie ab und zu
einmal achtlos das heruntersickernde
Wasser aus dem Haar und bemerkte
gar nicht, daß ihr Kleid völlig durch
näßt wurde.
So kamen sie in Schloß Buchenau
an. Zuerst begegnete ihnen Frau
Dornemann. Sie schlug die Hände
zusammen und rief erschrocken:
„Mein Gott Komteßchen! Das
schöne frifche Kleid es ist ja klitfch
haben wir die Pastete! Ich sag es
ja immer, so weißer Plunder ist nichts
liebes Dornemännchen?"
„Sie müssen sich natürlich sofort
umziehen. In den nassen Sachen
können Sie unmöglich bleiben."
Pia sah schelmisch zu Hans v. Ried
„Also da hilft es nichts das
Verhängnis muß seinen Lauf neh
men. Bitte, gehen Sie inzwischen
zu Papa aber mit dem Frühstück
«uf mich warten ja? Ich beeile
mich, so sehr ich kann," sagte sie.
Ried verneigte sich lachend.
„Wir warten, Komteß und
wenn wir inzwischen vor Hunger
umkommen."
Pia rannte die Treppe hinauf nach
ihrem Zimmer. Da Lina noch im
Badehäuschen zurückgeblieben war,
nm dort Ordnung zu schaffen, mußte
sie sich ohne Hilfe fertigmachen. Ha
stig streifte sie ein anderes Kleid
über. Das Haar durchzukämmen
nud zu flechten, war sie allein außer
stande. Es war viel zu schwer,
-vollends in dem feuchte» Zustand.
So drehte sie es nur fest, wie ein
Tau zusammen und türmte es in ei
nem dicken großen Knoten auf den
Kopf, es mit großen Nadeln feststel
lend. Der Riesenknoten stand in
grotesker Weise von dein seinen Köpf
chen >ib. Diese gewaltsame Frisur
sah einfach schauerlich aus. Sie
«iitstellte das arme Komteßchen furcht
bar. Aber Pia nahm sich gar nicht
erst Zeit, in den Spiegel zu sehen.
Sie hätte wohl auch dann schwerlich
etwas geändert, denn sie war in
höchster Eile, wieder hinabzukommen,
Hans Rieds Gesellschaft.
liuck? heute unter einem rot und weiß
gestreiften Leinenzelt der Frühstiicks
«isch gedickt war.
Pia.
Als diese dann nach einer Weile
erschien, siel es selbst ihrem Vater
aus, wie unvorteilhaft sein Töchter
? Wie siehst du denn aus, Pia?
Pia aber blieb ganz gleichmütig.
„Es ist naß, Papa vom Ba
„Jch bitte dich, .zieh die Nadeln
ren?"
Papa. Und mit offenem Haar darf
ich mich nicht zu Tisch setzen, da
zankt Frau Dornemann. Und Herr
Wider Willen muhte Graf Bu-
Geficht hing.
Vergnügt nahm Pia nun mit den
beiden Herren am Frühstückstisch
Platz und schmauste mit dem gesun
den Appetit der Jugend.
Hans v. Ried aber dachte:
Anmut wird es ihr bei ihrem elasti
schen Körper nicht fehlen. Das
mühte geschehen, ehe sie meine Frau
treffe," dachte er weiter.
Einige. Wochen später entschloß sich
Graf Buchenau eines Tages ganz
plötzlich, feinem jungen Freunde in
Schloß Riedberg einen Besuch zu
machen. Er ließ den Wagen an
spannen und verkündete dann Pia
seinen Entschluß. Sie war sehr
freudig betroffen.-
„Laß mich mitfahren, Papa ich
möchte so gern dabei sein," bat sie
erregt. Er schüttelte aber fast finster
den Kopf.
„Nein, Pia, heute nicht heute
muß ich allein sein . Er wird mir
schwer, sehr schwer fallen, dieser erste
Schritt über eine fremde Schwelle.
Dabei kann ich dich nicht brauchen.
Das nächste Mal sollst du mit mir
gehen."
Damit mußte sich Pia zufrieden
geben.
Etwas bang war ihr ums Herz,
als der Bater in den Wagen stieg.
Sie drückte ihm krampfhaft die Hand,
als gehe er einen schweren Weg. Und
das war auch der Fall. Für ihn
war dieser Weg sehr schwer. Er
brach dadurch mit einer jahrelangen
Gewohnheit und bezwang seine Men
schenscheu, die ihm doch in Fleisch
und Blut übergegangen war. Auch
Frau Dornemann hatte sich herbeige
schlichen und sah ihrem Herrn mit
gen davonfuhr.
Pia wandte sich nach ihr um und
faßte ihre Hand.
„Ach, Dornemännchen das ist,
als fange Papa ein neues Leben an",
sagte sie erregt.
Die alte Frau nickte.
„Ja, Komteßchen, so ist es. Gebe
Gott, daß der Herr Gras den Weg
ins Leben zurückfindet. Seit zehn
Jahren ist er nicht mehr
lommen, seit sie ihn damals mit
durchschossenem Knie nach Hause
brachten," sagte sie wie in Gedanken
versunken.
Pia drehte sich plötzlich mit blassem
Gesicht und weit geöffneten Augen
nach ihr um.
„Mit durchschossenem knie? Ich
denkt, Papa ist gestürzt und hat sich
dabei verletzt?" fragte sie hastig.
Frau Dornemann erschrak heftig
„Guter Gott! Ich alte Plauder-
„Mein Gott, Kointeßchen Sie
energisch auf.
„Ich will aber die Wahrheit wis
sen, Frau Dornennnn," sagte sie
Pia fuhr fort:
„Ich will es wissen. Denn, sehen
Sie, liebe Frau Dornemann wenn
das andere wahr ist dann lann
Beispiel Papas Menschenscheu. Wenn
er gestürzt ist dann ist er selber
Hände.
„Um Gottes willen nicht, Komteß
rasth:
„Ein Duell?" flüsterte sie atemlos.
selbst bei den Ohren nehmen. Zehn
Jahre habe ich es still für mich be
halten und nun plappere ich es
es schon lange tun. Nicht wahr,
nes Kind?"
Frau Dornemann schien sich bei
fühlen.
„Ja, Komteßchen vier Jahr«
waren Sie alt."
schritt. Sie trug blitzendes Gold
ken."
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Menschen wie Sie, Komteßchen, die
sollen sich leichtherzig am Leben freuen
und sich nicht mit trüben Dingen pla
gen."
treues Gesicht.
und heiter bleiben und sich um gar
nichts kümmern. Das Komteßchen
ist wie der warme, goldene Sonncn
für ganz Buchenau.
Pia seufzte. Aber dann flog auch
schon wieder ein Lächeln über ihr Ge-
Ach D "ch d '
„Eine liebe Not ja, ja, Kom
teßchen ohne diese liebe Not sähe
es in Buchenau gar still und trübe
aus. Aber Sie wollten doch in dem
großen dicken Buch lesen, das Herr v.
Ried heute morgen herübergeschickt
hat. Und ich will nun in die Küche
gehen."
„Ja, das will ich tun."
Frau Dornemann eilte davon, froh,
nicht weiter examiniert zu werden.
Pia ging langsam und nachdenklich in
ihr Zimmer.
Zum erstenmal in ihrem Leben hat
te sie das Gefühl, daß irgend etwas
Geheimnisvolles über dem Leben ih
res Baters lag. Bisher war sie un
bekümmert neben ihm dahingefchrit
ten, wohl wissend, daß der Vater lei
dend und schonungsbedürftig war.
Seine nervösen Depressionen hatte sie
mit seinem lahmen Bein in Verbin
dung gebracht, das ihn an so vielem
hinderte, was ihr als höchstes Ver
gnügen, als größte Lust erschien. Es
erschien ihr so natürlich, daß er oft
darüber verstimmt war. Aber nun
wußte sie plötzlich, daß ein böser
Mensch ihrem armen Vater das Knie
zerschossen hatte. Es war, alz wenn
plötzlich viele ungelöste Rätsel sie um
gäben. Aber ihre gesunde Natur
das in ihr emporkeimen wollte. Frau
Dornemann hatte recht, Papa würde
ihr schon alles erklären, wenn es an
der Zeit war. Sie wollte wirklich
nicht mehr daran denken. Und sie
war noch zu jung und unerfahren,
um sich lange mit solch ungelösten
Fragen herumzuquälen- Ab und zu
tauchte freilich in Zukunft all dies
Rätselhafte wie ein flüchtiger Schat
ten auf. Aber diese Schatten flohen
immer wieder vor dem glücklichen
Jetzt vertiefte sie sich in das Buch,
das Hans v. Ried geschickt hatte, ein
bekanntes Reisewert, das sie bald so
stark fesselte, daß sie alles darüber
»
Hans v. Ried saß an seinem
Schreibtisch. Wenn er bier den Kopf
hob, konnte er droben die Burgruine
auf dem Riedberg liegen sehen. Sie
Vor dem jungen Mann lag ein
Stoß alter Briefschaften, die er ord
nen und teilweise vernichten wollte.
Bisher hätte er es nicht über sich ver
mocht, diese Briefe durchzulesen. Er
fürchtete sich vor den Erinnerungen,
die sie wecken mußten. Aber das lag
Manches war in diesen Briefen
enthalten, was ihn nur freudig be
wegte, was ihn an liebe Menschen
erinnerte, mit denen er aus dem Le
bensweg zusammengetroffen war.
Manches auch schien ihm jetzt nicht
mehr des Aufhebens wert, was er
früher nicht hätte vernichten wollen.
Die Wechselfälle des Lebens ändern
Wertvolles in Wertloses um und um
gekehrt. Und so war Hans v. Ried
damit beschäftigt, sorglich Bewahrtes
Auf eine Seite legte er die Sa
chen, die ihm weiter des Aufhebens
wert erschienen, auf die andre Seite
kam, was dem Flammentode geweiht
In dieser Beschäftigung wurde er
gestört durch die Meldung vom Be
such des Grafen Buchenau.
Erfreut und überrascht sprang er
aufz er wußte, wie schwer dem Gra-
,Endlich endlich einmal wie
ich mich freue!" sagte er herzlich.
Sie schüttelten sich die Hände.
zu entziehen.
Dieser atmete auf. als sich die
Zimmertür hinter ihm geschlossen
sein Gesicht.
»Ja, Herr Graf."
„Hier habe ich oft im ernsten und
heiteren Gespräch mit Ihrem Bater
zusammengesessen. Weit, weit liegt
das hinter mir."
„Ich hoffe, Sie werden es wieder
lernen, sich in Riedberg zu Haufe zu
junge Mann warm.
„Wirklich tun Sie das wirk
lich?"
„Ja, Herr Graf mein Wort
ich Ihnen zu rauchen anbieten —und
ein Glas Wein? Diese Stunde müs-
Merkel verneigte sich tief.
Grafen Mund.
„Oh, doch ein schlechtes Ge
nicht wieder zu eng geworden in den
Mauern von Riesberg?"
Hans schüttelte den Kopf.
„Nein, noch empfinde ich die Ruhe
kunft."
feste Pläne. Und diese Stunde ist
mir gestatten, daß ich mich um Kom
teß Pia bewerbe?"
„Ja. Herr Graf."
„Mein Gott Pia ist ja noch ein
Kind!"
Graf Buchenau strich sich unsicher
über die Stirn. Eine Weile blickte
er siarr vor sich hin. Dann richtete
er sich auf unö holte tief Atem.
ich Ihrer Werbung nicht. Ich hab«
unschuldigen Sinn? Pia istdeZ
„Es ist überlegt, Herr Graf. Die
ben. Gräfin Maria Eckhoff ist die
ich Ihnen sagen, daß ich keine leiden
schaftliche Liebe für Komteß Pia emp»
finde. Ihrer Reinheit, ihrer kind
lichen Unschuld gegenüber schweigen
alle leidenschaftlichen Empfindunzen.
Bielleicht bin ich überhaupt nicht
mehr imstande, eine große, stürmische
davon übrig blieb als Abscheu
Verachtung. Diese Erfahrung hat
mich nach Hause getrieben in mein
stilles Schloß. Der erste Sonnen-
der in meine
tung und Bewunderung ab. Ihr
Wesen ist mir wie ein erfrischender
Quell. Ich würde sie als meine Gat
tin hochhalten, würde sie treulich be»
pulsiv seine Hand aus und faßte die
Druck.
„Sie haben Pias Wesen erfaßt,
für eine glückliche Ehe als eine sinn
lose stürmische Leidenschaft. Daß
eine solche hinter Ihnen liegt das
wenn Pia einwilligt meine Zu
stimmung haben Sie. Aber bitte,
übereilen Sie nichts. Pia ist ja wirk.
(Fortsetzung folgt).
Kindliche Vermutung.
Hänschen: „Mama, der kleine dicke
Max. der gestorben ist. kommt der
auch als Engel in den Himmel?"
Mutter: „Gewiß, mein Kind".
Häuschen: „Der wird dann wohl
ein Posaunenengel!"