Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 23, 1915, Image 2

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    Krieg auf Erde«.
Auf die mächtige SchützengrabenZette
Wom Gebirge bis zum M-ereSbette
Licat der volle Mond sein sriedhosstilleS
Licht.
Weihnachtsgebrt.
Lasset uns ihm danken, Brüder und
Schwestern, dem großen Gott, dem
Ewigen, dem Einen, der die Wahr
heit ist und darum ein deutscher Gott,
der die Kraft ist und darum ein
deutscher Gott, der das Licht ist und
darum ein deutscher Gott.
Andere Völker machen sich ihren
Gott nach ihrem Bilde und wahrlich:
da sehen wir wie arm sie sind, an ih
rem Götzen. Die Briten haben sich
«inen Gott gemacht, der heißt Gott
Mammon und ist halb ein Sonntags
prediger und halb ein Makler auf der
Gott menschlicher Bildung von den
Füßen bis zum Hals, darauf sitzet ein
Geierkops, aus dessen Schnabel gehet
Krachen. Der Russen Gott ist ewe
Uniform von Lehm, formlos in feiner
Schwere, ohne Gestalt, ist nur Ge
wicht, nichts anderes.
Da aber Gott sein muß: Wahr
heit, Kraft und Klarheit, so ist der
Gott in uns und wir sind in ihm,
also daß deutsch sein eines ist mit
fromm sein und in Gottes Kindschast
stehen. Die Himmel sind erfüllt vom
selben Geist wie wir und da die Him
mel Vorbild sein sollen dieser Welt,
so dürfen wir in Wahrheit beten:
uns komme dein Reich, wie im
»Stile Nacht, heilig« Nacht I'
Himmel also auch auf Erden!'
Also auch auf Erden!
Wir wollen dir danken,
schütteln die Träume ab und erkennen
deinen Willen.
Weihnachten ist da und eS gehet
ein Lied: .Stille Nacht, heilige
Nacht".
Aber diese Nacht wird nicht stille
sein, denn der Feind wird nicht un
seres Herzens schonen und unserer
Sehnsucht nach Haus. Unsere Brü
der liegen in den Schützengräben, in
Polen im Schnee, im Schlamm Flan
derns und in den Wäldern der Vo
geseii, und sie suchen den Feind vor
dem Korn ihrer Büchsen. Und an
unseren Küsten liegen die gepanzerten
Schiffe und im Ausguck auf dem
Mast steht die Wache und späht in
die Nacht.
Und diese Nacht wird nicht stille
sein, sondern vielleicht erfüllt vom Ge
brüll der Geschütze, vom Heulen der
Granaten, vom Krachen der Gewehre,
der Verwundeten und
Keine stille Nacht, aber eine heilige
Nacht, heilig durch deutsches Blut, das
vergossen wird, heilig durch das Ge-
Jungen.
löbnis, daß jeder Tropfen deutschen
Blutes vergolten werden soll. Es
geht ein einziges Atmen von Polen
Mutter zehn, wie auch auf jede ver
zweifelnde deutsche Frau zwanzig bei
euch, auf jedes verwaiste deutsche Kind
in Menschlichkeit und Brüderlichkeit
fließt Feuer aus ihm und frißt das
Geschmeiß, daß seine Flanken beschli
chen Fort mit euch. gaben
uns selbst, unser unseres Blu
klein und armselig standen wir vor
uns selbst. Es sei nicht gesagt, daß
wir vollkommen wären. Wo ist Ding
daß du uns glauben gelehrt hast.
Glauben an Deutschlands Zukunft.
Denn es waren etliche kleingläubig
und voll Angst, die sagten: wir ha
ken viele Feinde, machen wir uns
klein, damit sie uns übersehen. Und
andere wieder sagten: was soll uns
daS Schwert, fort damit, versammelt
die erlauchten Geister aller Nationen
in eueren Tempeln, daS ist unsere
Aufgabe. Nun aber wissen wir, so
wir unseren Geist erhalten wollen, so
müssen wir ihn bewaffnen. Und wenn
nen, unser Haupt in die
Wolken ragt. Und wir wissen durch
dich, Ewiger, daß dein Wort und dein
Wille mit uns ist und daß unseres
Voltes Zukunft durch deine große
Hand aufgebaut ist bis in die letzten
Tage dieser Erde.
So mögen uns die Völker der Erde
sen gelehrt, daß du uns lieben ge
lehrt, daß du uns glauben gelehrt
hast.
Und nun lasset uns beten in dieser
heiligen Nacht, innig, kindhast mit
Treue: „Zu uns komme dein Reich,
Am Vcihnachtzsiabtnd.
Weihnachtsbaum l
t-iVch
Kein Wunder. Buchhal
ter: Her, Prinzipal, mein Monats
gehalt reicht nicht mehr aus. Meine
Frau Hai mir zu Weihnachten Zwil
ünge geschmlt.
Chef: Wie kann sich denn Ihre
Meine Wirtschafterin Eulalia fällt
mir um den Hals und überreich» mir
ein Kästchen mit zwei Verlobungt
ringen.
Der Ureisrirlster.
Draußen ist es bitterlich kalt.
Drinnen, in d«m kleinen Amtszimmer
mine abhält, herrscht eine angenehme,
wohltuende Winme. Der Kreisrich
ter ist ein milder und freundlicher
Mann, Mitte der Fünfzig, durch Ar-
Niels Jensens Hof war niederge
brannt. Deshalb mußte der Kreis
richter Hansen cm Weihnachtsabend
Trine Jeps«n hieß sie. Eine sonst
das konnte kein anderer als sie ange
legt haben. Das hatten die Zeugen
gesagt und hatte der Kreisrichter ihr
bewiesen. Ein Irrtum war ausge
zu bewegen, ihre Schuld zu bekennen.
Deshalb saß sie schon seit Wochen in
Untersuchungshaft und wurde immer
mir Gott helfe! Ich bin unschuldig!
Ich habe das F«uer nicht angelegt!"
„Trine," sagte der Kreisrichter,
„heute abend ist Weihnachtsabend, wo
der Erlöser geboren wurde, um uns
sündige Menschen durch seinen Tod zu
befreien. Auch Sie, Trine, wenn Sie
an ihn glauben und sein heiliges
sch«n' Gettchtigkeit fft" wrz,
Arm reicht aber weit über das Leben
hier auf Erden hinaus. Gestehen Sie
Ihre Schuld tin, nehmen Sie die irdi
sche Straf« aus sich und suchen Si«
Ihren Frieden bei Gott. Ich sehe ja,
wie das ganz« sich zugetragen hat.
gegangen, und Sie saßen allein 'n
Ihrer Kammer. Dann stieg der fürch
terliche Gtdanle in Ihnen auf. Sie
in Holzschuhen, wie wir es
aus oen Spuren deutlich gesehen
brannten nieder. Ihrer selbst wegen,
Ihres Kindes wegen müssen Sie ge
stehen, Trine. Erst durch Ihre Strafe
Ihr Wunsch wird in Erfüllung gehen.
Ich werde Ihnen Ihr Kindchen heut«
abend in die Zelle bringen lassen.
Eigentlich darf ich es nicht. Sie sol
len es aber sehen und ein Stündchen
Trine schluchzte —. »Ich habe
Das Gesicht des KreisrichterS
ler!"
Trine schluchzte. „Herr Kreisrich
ter/ sagte sie fast flüsternd, »darf >ch
heute abend nicht mein Kind seh«»?"
hoben, wo ei ist —dort bleibt es auch."
Trin« weint« still vor sich hin, wäh-
rend ein tiefer innererSchmerz ihren
ganzen Körper «schlitterte. Als aber
der Aufseher an si« herantrat, um si«
da gestand Trine, daß sie Niels Jen
sens Hof angesteckt habe, gestand alles,
was von ihr gefordert wurde, des
Weihnachtsfestes wegen und weil sie
am Heiligabend nicht ohne Kind sein
wollt«.
» » »
In der kleinen, aber gemütlich«»
Amtswohnung des Kreisrichters
brannte der Weihnachtsbaum, den alle
B«wohner des Hauses, darunter vier
kleine jubelnde Kinder, umstanden.
Denn'der Kreisrichter hatte erst spät
Jetzig wandte er sich an
»Liebe Mari«! Ich habe eine Bitte
an Dich. Die Brandstifterin hat ein
reumütiges Geständnis abgelegt. Zur
Belohnung dafür habe ich ihr ihr
Töchterlein, ein kleines, li«beS, aber
bedauernswertes Geschöpf gesandt.
Wie wär« es, wenn wir sie beide auf
ein Viertelftündchen herunterkommen
und an unserer Freude teilnehmen
ließen?"
Die kleine rundliche Frau wider
sprach erst, dann ließ sie sich überre
den, da es sich nur um ein Viertel
ftündchen handelt«. Wenige Augen
blicke später stand Trine mit ihrer
Kleinen an der Hand zwischen den
vielen frohen Menschen, di« alle so gut
zu ihr waren und ihr Kindchen reich
lich beschenkten. Das war ein Glück
und eine Fr«ude. Und jetzt stimmt«
di« Frau Kreisrichter auf dem alten
Klavier, das si« in die Ehe gebracht
hatte, das WeihnachtSli«d an, die vier
Kinder, ja auch Trine sangen mit.
Dqnn hieß es, daß es spät geworden
sei und daß die Kinder zu Bett müß
ten. Als Trines Klein« geholt wurde,
weinte di« Mutter. Der Kreisrichter
meint« aber, daß es milde Tränen
f«t«n. Er sprach freundlich zu ihr
und sie ergriff seine Hand, die ganz
in ihren großen, derben Arbeitsfäusten
verschwand.
„Vielen Dank, Herr Kreisrichter,"
sagte sie, „ich muß es Ihnen aber doch
sagen. Den Hof habe ich nicht ange
steckt."
Der Kreisrichter erstarrte zu Eis.
Ueber sein« Lippen kam aber kein
Wort, als Trine unter Führung des
Aufsehers das Zimmer verli«ß.
Diese Nacht weinte Trine mehr als
sonst, ab«r milder, wenn sie an den
schönen Weihnachtsabend dachte.
Als der Kreisrichter seine Frau
küßte, sagt« sie mit einem eigenartig
müden Läch«ln, daß das Leb«n ihrem
kleinen rundlichen Gesicht verliehen
hatte:
«Du bist gut, Adolf. Du willst es
nicht glauben, daß die Menschen
schlecht sind und gutes mit bösem ver-
Der Kreisrichter antwortete nicht.
Aber auch er fand diese Nacht keinen
Schlaf.
Er war tief betrübt. Das Wech
nachtsfest war ihm verdorben. Die
Festtage gingen dahin und die Arbei:
nahm wieder ihren Anfang. Es gab
neue Verhöre und neue Streitsachen.
Auch Trine wurde vorgeführt. Das
war für den pflichtgetreuen Beamten
eine schwere und anstrengende Sit
zung. So viele Worte hatte der
Kreisrichter sein ganzes Leben nicht
gebraucht. Er hatte aber auch Erfolg.
Denn am Schlüsse des Verhörs bestä
tigt« Trine alles, was sie am Weih
nachtsabend vor Gericht gestanden und
Kaum waren die Alten der Vor
untersuchung geschlossen es war
am Morgen nach dem Weihnachtsfest
er NielsJenfens Hos angesteckt hab«.
Um Gotteswillen, sollte Trine wirtlich
unschuldig sein? Einstweilen wurde
Kriegspfefferkuch-n.
geworden. Soldaten, Kanonen und
Festungen hat.eS freilich schon immer
unter dem Christbaum gegeben, aber
die Zeit bringt cs mit sich, daß die
sem Spieltrieb der deutschen Jungen
läßt sich das feststellen. Sie erschei
nen diesmal als besondere Kriegipfef
serkuchen, mit Soldatensiguren und
-gruppen und allerlei anderen krie
gerischen Dingen.
ser wiederholte sein Geständnis ofs«n,
Wort für Wort, ohne Zögern.
Er hatte sich auf der Walze befun
den und kein Quartier gehabt. Als
er an Neals Jensens Hof vorbeikam,
hatte er gesehen, wie die Leut« zum
Tanz in d«n Krug ging«n. Da war
er in die leere Scheune getreten, um
dort zu übernachten, hatte aber keinen
Schlaf gefunden und sich deshalb sein«
Pfeife angezündet. Das Streichholz
hatte er weggeworfen. Es müsse doch
gebrannt und das Stroh auf dem
Boden entzündet haben. D«nn plötz
lich war er von einem dichten Qualm
umgeben, der ihn in die Flucht trieb
Dann hatte er die Gegend verlas
sen, um erst zum W«ihnachtSfest zu
rückzukehren. Gestern abend im
Kruge hatten die Leute fast nur von
dem Feuer und Trines Verhaftung
gesprochen. Einig« hatten wissen
woll«n, daß der Herr Kreis
richter ihr am Weihnachtsabend et»
Geständnis abgepreßt habe. Da war
er aufgesprungen und hatte die ganze
Wahrheit gesagt. Denn er wollt«
nicht, daß das arme Mädchen seinet
wegen unschuldig leide.
Der Mann sprach ruhig und ohn«
Erregung, während d«r Kreisrichter
immer nervöser wurde.
Trine wurde herbeigerufen. Sit
verstand kaum, was der Kreisrichter
sagte. Denn «r sprach so «ig«ntüm
lich undeutlich. Nur das begriff sie,
daß sie frei war und gehen konnte.
Was ihr aber unklar blieb, war sein
Vorwurf, daß sie trotz ihrer Unschuld
ein Geständnis abgelegt habe. Und
daß sie nichts gestehen könne, da sie
nichts getan habe.
Indessen konnt« und durft« sie dem
Kreisrichter nicht zürnen. War er
doch gut zu ihr gewesen. Nicht nur.
daß er ihr die Kleine gesandt hatte,
er hatte ihr und ihrem Kinde auch ei
nen Weihnachtsabend bereitet, wie si«
ihn schöner sich nicht ausdenken
konnte.