Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 28, 1915, Image 3

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    Wem nie durch
Tieke Neid geschah.
(4. Fortsetzung).
Es war Gertrud peinlich, so viel
gesagt zu haben. Ablenkend setzte sie
hinzui
„Wie glücklich bin ich in meinem
rem reichen Herzens- und Geistesga
ben zu beglücken."
„Das habe ich abgeschwo-
behüte, damit stellen Sie
uns Männern ja ein miserables
Zeugnis aus. Demnach liebten wir
ja nur das Dämonische, den Teufel
in der Frau. Aber dem ist nicht so,
meine Liebe, Sie sind verbittert durch
böse Erfahrungen, Ihr Gatte war
vermutlich ein exaltierter Mensch,
Ihrer Vorzüge nicht wert. Nach solch
einem Tharalter dürfen Sie nicht alle
Männer beurteilen."
„Es mag sein, Herr Wernicke, es
heiraten werde."
Herr Wernicke wagte nicht mehr zu
widersprechen. Dieses liebliche Gesicht
mit den unbewegten Zügen, die in
sich abgeschlossene Haltung der jun
gen Frau deuteten darauf hin, daß
sie durchzusetzen wußte, was sie be
schlossen und sür recht erkannt hatte.
Gertrud kam noch einmal auf die
versprach, sich die reichen Schätze in
den nächsten Tagen nochmals anzu
sehen. Mit einem anmutigen Gruß
Sern in den Garten zu begeben.
In demselben Momente, wo sie den
kühlen, mit bunte» Steinfließen
tunstvoll ausgelegten Vorraum be
nicht verschlossen war, geöffnet und
«in stattlicher, soiinengebräunlcr
Mann trat über die Schwelle.
wegen um Entschuldigung. Jetzt er
schien auch bereits die alte Wirtschaf
terin und fragte nach seinem Begehr.
.Ich komme als ungebetener Gast,"
sagte er launig „und möchte nur auf
ein paar Augenblicke meinen Freund,
Herrn v. Setnow, sprechen. Zunächst
aber melden Sie mich bitte dem
Hausherrn."
Weiter hörte Gertrud nichts. Sie
sah noch die Bewegung, mit welcher
der Fremde ber Wirtschafterin seine
Karte gab. Wie eine Verfolgle floh
sie in den Garten, unwillkürlich die
Seitenwege wählend, wo niemand ihr
begegnete.
Nun lonutk sie sich wenigstens sam
viel», um späler bei der unausbleib
lichen Vorstellung einigermaßen ge
faßt zu sein.
Bilder aus der Vergangenheit, die
sie halb vergesse», stiegen qualvoll
deutlich wieder empor.
Ach, daß ihr auch keine Prüfung
erspart blieb, keine. „So gib mir
die Rrasl. baß ich auch dies ertrage,
mein Himmel," flehte Gertrud! sie
zog den Taschenspiegel hervor, ent
fernte die Tränenspuren und brachte
das derangierte Haar in Ordnung.
AIS sie das Haus sast erreicht
hatte, kam ihr Armin freudestrahlend
mit dem Fremden entgegen. „Sieh.
Trude, das ist mein bester Freund.
Herbert Bornstädt, mit dem ich zwei
Jahre in London zusammen geatbei
tet habe. Und ausgerechnet an mei
nem Verlobungstnge sührt sei» guter
Geist ihn hierher... Und mein
Junge, das ist meine liebe kleine
Schwester Gertrud Frau v.
Man verneigte sich gegenseitig,
Gertrud sprach ein paar freundliche
Worte mit ihrer tiefen melodischen
Altstimme.
Bornstädt zuckte zusammen, eine
unbestimmte Erinnerung blitz!« in
ihm auf, er konnte nicht klar darü
.Jetzt fehlt nur noch der Dritte
im Bunde, Kamills v. Brenken!"
rief Armin. .Ich würde närrisch vor
Freude, wenn auch unsern großen
Pianisten der Weg hiehcrsührt«. Ka
miUo war unser großes Kind, Trude,
na, erzählt habe ich dir ja von mei
nen Freunde» manch liebes Mal, du
ter Mann ist!"
Die junge Frau nickte zerstreut,
ihr wa: so slerbensweh zumute, pein
gesscn, tauchten eine nach der andern
vor ihr auf, sie hatte alle Mühe, ihre
Haltuna »u bewahre».
genüber, freundet euch ein wenig an.
Ich wette, ihr werdet euch famos
verstehen."
willkürlich lächeln. .Immer derselbe
gute, herzige Mensch, nicht wahr?
Unverändert, auch wenn man ihn
Jahr und Tag nicht gesehen hat."
.Ich konnte meiner Sehnsucht nicht
länger widerstehen, gnädige F^rau,
Bornstädt rührte sich nicht vom
Fleck. .Wenn ich Ihnen nicht lästig
bin, so wollen Sie gütigst gestatten.
«in« lange Reihe gemütlicher Abende,
wo Sie sich gegenseitig Ihre Erfolge
mitteilten und Ihr Leid klagten."
halten dieselbe, bitte, den.
Freunde Ihres Bruders zugute. Sind
Sie glücklich verheiratet, gnädige
Frau?"
Gertrud machte unwillkürlich eine
Miene, als wolle sie sich in Unnah
barkeit hüllen, aber der teilnahms-
sie.
.Ich war sehr unglücklich verheira
tet. Herr Bornstädt." entgegnete sie
tonlos, .und seit zwei Jahren bin
ich Witwe."
„Oh, woran habe.ich da gerührt,
verzeihen Sie mir," er neigte sich
ehrerbietig über Gertruds Hand.
glückliches Aufleuchten strahlte ihr
daraus entgegen.
.Glauben Sie an Ahnungen? Ich
bin überzeugt, daß das Schicksal
heute mich hierhergeführt hat, und
gung."
Gertrud erwiderte nichts. Aber tiefe
Schatten zogen plötzlich über ihr
weißes Gesicht. Was sollte sie ant
schweigen.
„Wir wollen umkehren," sagte sie
leise, „man könnte uns vermissen."
Später fanden auch die Freund«
steckt? Ich hätte Lust, ihn einzuladen,
Bornstädt einsilbig.
falle? Mir ist, seit ich in ihre lie
ber Zeit."
tet."
lockend...
Edith sah sich ganz unvermutet
ihrem Bruno
weiteres zog Bruno ihren
Arm durch den seinigen. «Es scheint
sast, als sei ich Lust in den Augen
meiner schönen Schwägerin, als hätte
an als Ihr naher Verwandter ein
Siecht aus ein wenig Freundlichkeit
von Ihrer Seite."
ihr aus den Lippen.
Ihr Herz begann unruhig zu klo
pfen. Was woll!« er von ihr? Sie
gezogen. Das brauchte sie ihm natur
lich nicht ohne weiteres zu zeigen.
.Verzeihen Sie, wenn ich es an
Ausmertsamleit sehlen ließ," sagte
sie verbindlich, «aber ich werde heute
als Hauptperson dieses Festes so in
Anspruch genommen, daß all ineine
sen."
Sie machte eine Bewegung, um
ihren Arm aus dem seinen zu zie
hen, doch lachend hielt er ihn sesl.
.So «ntlomniM Sie nicht, Edüh,
paar Minuten lang müssen Sie
meine lästige Gegenwart schon er
seinen Wasserstrahl.
.Sehen Sie, Edith, so zwecklos, wie
der Triton dort die kühlen Tropfen
Ihre Blicke, Ihr Werben um ein bis
chen Liebe nicht allzu ausfällig be
merkt, man würd« lächeln über Sie,
denn jeder weiß, daß Armin »och
halb und halb in de» Banden einer
nicht rivalisieren können."
Der Braut war, als habe ihr je
mand unversehens einen Schlag ver
noch duldsam, sie halte Temperament
und wehrt« sich. .Aus Ihnen spricht
der Neid," entgegnete sie, ihn groß
Freundschaft, welch« ich für Sie hege!"
Bruno verbarg sein« Bestürzung hin
ter einem ironischen Lächeln. „Nun,
meinetwegen lassen Sie sich belügen
und betrügen, der Tag wird kommen,
wo es Ihnen sicher leid ist, meine
Mahnung in den Wind geschlagen zu
haben."
Edith wandte ihm verächtlich den
Rücken. Sie glaubte ihm kein Wort,
sondern hielt seine Behauptung sür
für böswillige Erfindung. „Viel
leicht," dachte sie, er auch Ar
sie ihren Verlobten daherkommen sah.
Er wollte ihr Herbert vorstellen, Edith
aber hatte nur Augen für Armin.
Seine frei«, stolze Haltung, der ruhige
Ernst, welcher sich in seinen treuherzi
gen Augen spiegelte, der gelassen«
hatt«.
Uebirrascht wandt« er sich um und
zog Edith leise zu sich heran. „Ich
hosf«, du wirst dein« Freundschuft
.Selbstverständlich, Edith sollt« nur
bist." ' r u mir
„So habe ich dein« Worte auch auf.
gefaßt," sagte das junge Mädchen
schlicht.
Zugleich ging es ihr jedoch durch
den Sinn, daß Armin r«cht haben
es Dinge gab, die sie mit Armin nicht
besprechen konnte? Wer weiß, was
er in Zukunft noch alles unternahm,
6. Kapiiel.
war überzeugt, ihr schon früher be
gegnet zu sein, doch erinnerte er sich
nicht, den Namen Scharlau früher
Dritter, sie geriet jedesmal in eine
hilflose Verlegenheit.
Würde diese Heirat sie beide glück
.Gut, wenn ich dich fälschlich in
Verdacht habe, so entschuldige. Aber
irgendwo sehlt's doch wieder bei dir.
Effe» noch eine geschlagene halbe
Stunde. Also los, wenn du mir et
was zu sagen hast."
Sie saßen sich gegenüber. Bruno
kämpfte, wie es schien, mit einem
schweren Entschluß.
Armin trommelte ungeduldig mit
den Fing«:» aus der Tischdecke. .Los.
los, Junge, ich muß ja eigentlich zu
Papa, er wird es übelnchmen. daß ich
Tag sage und
weißt, w«nn «r sein Rheuma hat, ver"
langt er immer besondere Rücksicht-
Es litt Bruno nicht auf seinem
Platz. Beide Hände in den Taschen,
lies er im Zimmer auf und ab. End
lich blieb er vor Armin stehen,
„Du darfst Edith nicht heiraten,"
stieß er finster hervor, .die'e Heirat
kann nicht stattsinden. Ich liebe
Edith und werde es mir nie verzeihen,
daß ich nicht zur rechten Zeit den
Mut gefunden habe, um sie zu wer
ben. Aber das Unheil läßt sich ja
.Du hörst ja, daß ich Edith liebte,
zum Zweck, nichts weiter. Du könn
test froh sein, daß ich bereit bin, den
gordischen Knoten zu aller Zusrietxn
wäs er sagte.
Wenn Edith Brunos Lieb« «wi
derte, vielleicht nichts sehnlicher
wünschte, als mit demselben vereint
zu sein! Das Mädchen war so un
sagbar zart und schüchtern, woher
hätte sie den Mut nehmen sollen zu
einer offenen Erklärung, zur Lösung
daß sensitiv veranlagte jung/ Mäd
chen ihre Lieb« ängstlich im tiessten
Herzen verbargen. Nun, Edith war
eine richtige Sensitive, empfindsam
wie eine Mimose, ihr konnte man
solch ein geheimes Heldentum, das im
Entsagen seine Befriedigung findet,
schon zutrauen.
sie, als man ihr seine Werbung
geteilt, geglaubt, es sei Bruno, der
sie begehrte. Solche Irrtümer kamen
vor, und sie hatten das Elend eines
schmerzliches Mitleid mit Edith. Wie
ihrer kindlichen Einfalt ja nicht ah
nen. welch ein zynischer und tückischer
Charakter Bruno war.
der lästigen Fessel befreit. hei
die Hand hin, doch dieser schlug nicht
ein. Im Gegenteil, er wich bestürzt
zurück. .Was dentst du? Eine so
folgenschwere Sache will reiflich über
hören. was du für dich zu hoffen
aber er selbst war nun außerstande,
seine Vorteile zu wahren.
Er wagte jedoch nicht zu wider
sprechen, denn er kannte Armins star
lernd sah sie ihn an. .Besser geht's
schon, Willi, nicht wahr? Wann la
ben wir denn nun unser Bräutchen
wollen wir mit der Einladung noch
warten, liebe Tante, Papa muß sich
noch etwas von dem SKinerzanfall er
holen."
.Wer in des Kuckucks Namen sagt
euch denn, daß ich überhaupt mit der
Sippe etwas zu tun haben will! Kei
nen mag ich sehen von den Wer
nickes! Ich bin in we
„Wer A gesagt hat, muß auch B
hier ein, dann sitzt sie täglich mit an
unserm Tisch. Ich sreue mich, daß
einer von den Jungens endlich Hei
lungen Leute auch woher
die Feindschaft stammt. Der alle
Wernicke bewarb sich in seiner Ju
gend um die Schwester eures Vaters,
)ie bildschöne Miletta von Semcw,
die merlwürdig bereit war, den un
scheinbar«», mit lörperlichem Fehler
dehafteten Wernicke zu heiraten. Na.
dazumal war es noch so, daß die
Läter befahlen und die Kinder ge»
horchten. Wernickes Werbung wuroe
abgewiesen, und Miletta sollte einen
Leutnant heiraten. Die Aermste zog
es vor, einem armseligen Schriftsteller
ihre Hand zu reichen, doch nicht zu
chrem Glück, verdorben, gestorben sind
Herbert Bornstädt wurde gewisser
maßen mit zur Familie g«rechnei, es
wurden in seiner Gegenwart die in
ternsten Familienverhältnisse erörtert.
Der Oberst hielt große Stücke auf >h»,
schenkte ihm großes Vertrauen; die
Absicht, zu verreisen, hatte er ausgege
ben, so lieb war ihm Vornstädts Ge-
Klothilde.
einander und trank seinem Bruder zu.
.Aus dos, was wir lieben, Ar
min!"
(Fortsetzung folgt.)