Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 07, 1915, Image 6

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    Orag».
Warschau» östlich« Nachbar stadt
Praga ist von je auf Gedeih und
Verderb mit dem mächtigeren Ge
meinwesen auf der anderen Seite der
Weichsel verbunden gewesen. Ur
sprünglich ist Praga eine selbständige
Stadt gewesen, die schon früh, im
Jahre 1413, durch den Bischof Mi
chael DzialynSki kulmisches Recht er
hielt. Durch Jahrmärkte gewann es
Bedeutung und Verkehr, und in spä
terer Zeit zog es in eigenartiger
Weise von der Nachbarschaft des gro
ben Warschau seinen Vorteil. Denn
weil sich seit dem 17. Jahrhundert
das Leben in Warschau immer glän
zender und eleganter und infolgedes
sen recht kostspielig gestaltete, so zog
es ein nicht unerheblicher Teil der
Bevölkerung, selbst Adelsfamilien,
vor, in Praga seinen Wohnsitz zu
nehmen, und allerlei industrielle Un
»Uud
Vernehmungen siedelten sich gleichsalls
Ostufer der Weichsel an. Trotz
dem ist Praga ein unansehnliches Ge-
j ,!>i»dcr, der is ja Uänzendl Wcu» u»z mein« Olle
j so in Bcrli» im jiiemopp sieht. wird sc »ich schlecht ciscrsüchligl"
sern, und von di.: Einwohnern, de
ren Zahl sich damals auf etwa 6700
belief, waren die meisten Juden. Zog
Praga von der Nachbarschaft War
schaus sein« Vorteile, so hat es sie
dann auch wieder gar ost teuer zu
bezahlen gehabt, indem es als der
östliche Brückenkopf der Hauptstadt
Polens in der Kriegsgeschichte viel
fach eine blutige Rolle spielte. Jene
berühmte Schlacht vor Warschau im
Jahre IW6, wo Schwedens und
Brandenburgs Waffen verbündet
siegreich waren, war eigentlich eine
Schlacht bei Praga, da sie sich auf
dem Ostufer der Weichsel abspielte.
Aber seine härtesten Kriegsschicksale
hat Praga erst seit dem Zusammen
bruche des Polenreiches erlebt.
Im Jahre 1794 versuchten die Po
len durch die Befestigung Pragas die
Reichshauptstadt gegen Rußland zu
halten. Im November war eS, als
Suwarow vor den weitläufigen Be
festigungen von Praga erschien und
nach heftigem Kampfe die Linien er
stürmte. Praga ging damals fast
ganz in Flammen auf. Während des
Polenkampfes von 1831 wurde Ga
mals zog sich das polnische Heer hier
hin zurück, und Skrzynecki ließ, um
vor Warschau freien Raum am Brllk
lenlopfe zu gewinnen, Praga kur
zerhand anzünden. Dabei gingen die
Befestigungen mit in Flammen auf,
die erst im selben Kriege zum Schutze
Pragas errichtet worden waren und
bei deren Herstellung im Feuer ihrer
Vaterlandsliebe selbst polnisch« Frau
en mitgewirkt hatten.
Seitdem damals die Russen Praga
wieder in ihre Gewalt brachten, ist
die Stadt bis auf den heutigen Tag
von Kriegsnot verschont geblieben,
und konnte sich friedlich weiter ent
wickeln. Sie ist aber geblieben, was
sie immer gewesen ist: ein reizloses
Anhängsel der schonen Schwester im
Westen, und das Beste, was Praga
zu bieten hat, das ist der Blick auf
Warschau, den man vom Weichselufer
aus genießt. Dort am Flusse entlang
zieht sich der besonders von den nie
deren Volksklassen vielbesuchte Ale
xanderpark und von hier aus richtet
sich der Blick auf die türm- und kup
pelgekrönte gewaltige Häusermasse der
Hauptstadt, die an diesem Punkte
durch den stattlichen Bau des ge
schichtlichen Warschauer Königsschlos
ses beherrscht wird. Bei ihren wech
selnden und, wie angedeutet, zum
Teil katastrophalen Schicksalen, hat
die Stadt von Denkmälern ihrer
!>oojährig,n Vergangenheit nicht viel
bis aus unsere Zeit retten können?
was es an alten Kirchenresten noch
gibt, daS Ist schon sehr erneuer«, und
die stattlichsten Kirchen, wie z. B. die
im Glänze ihrer Goldkuppeln erstrah
lende griechisch-katholische Kirche, sind
modern. Auf das starke jüdische Be
völkerungselement weist die Synago
ge hin, die in einer Art Zillform er
baut ist.
LxglWer Solckstenbumsr.
Eine englische Monatsschrift ver
öffentlicht einen Soldatenbrief, der
nicht des Humors entbehrt. Der
Brieffchreiber berichtet da: „...Un
ser Kamerad, John Germany, hät
te mich beinahe nach den ewigen
Jagdgründen gesandt. Ich Hause
nämlich mit noch sechs anderen in
dem Keller eines alten Bauernhofes.
Von der Kellermauer aus läuft ein
Graben zur Schützenlinie. In die
ser Mauer ist ein ziemlich großes
Loch, durch das man in den Keller
sehen kann.
Ich war gerade damit beschäftigt,
Spiegeleier zu backen, was mir nicht
glücken wollten, weshalb mich die an
deren auslachten. Schließlich ge
lang mir'S doch, und ich wollte mir
gerade ein Stück Brot abschneiden,
als eine Flamme mich blendete und
ein Knall mir beinahe das Trom
melfell zerriß. Während der ersten
fünf Sekunden wußte ich nicht, ob
ich tot, verwundet oder vermißt war.
Dann sah ich einen Lichtstrahl längs
der Treppt und schwang mich hin
auf. Die hinter mir drein.
Wir hielten Musterung und befan
den, daß zwei Eier getötet und vier
M>inn verwundet waren. Ich selbst
hatte nur eine Schramme im Ge
sicht und Kopfweh,
John Germany hatte uns eine
Granate gesandt, die zuerst in der
Feuerlinie ausgeschlagen, dann wei
ter gerollt und schließlich in unser
Kellerloch gefallen war. Niemand
hatte sie gesehen, bevor sie unS
fragte: „Wie geht's Euch?" Man
ersieht hieraus, daß John Germann
ganz eigentümliche Manieren hat,
um sich nach unserem Gesundheits
zustand zu erkundigen. Er könnte
höflicher sein."
Deutsch brloischc Entente.
Interessante »rlegsiriimeiimg.
ten hätten die Engländer den Franzo
sen zugerufen: „Ihr Herren von der
französischen Garde, schießt!" Darauf
hätten die Franzosen geantwortet:
„Ihr Herren Engländer, wir schießen
niemals zuerst!" So erzählen die
Franzosen, und der Erzähler ruft
stolz: .Wie faßte man damals den
Krieg auf! Das war der ritterliche
Krieg! Die Gegner grüßen sich mit
Anmut, bevor sie die Waffen kreuzen,
Kritik der heutigen Franzosen, die
ihre Gegner beschimpfen und gefange
ne Feinde mißhandeln. Doch diese
französische Fassung ist Legende. Denn
ein englischer Schriftsteller, Skrine,
hat den Prolog, der der Schlacht
von Fontenoy voranging, zweifelsfrei
sestgejlellt mich einem Briese, den
Lord Charles Hay an seinen Bruder,
den Marquis Tweedale, einige Lage
nach der Schlacht schrieb. Darin er
zählt er die Szene, in der er die
Hauptrolle spielte, freilich anders als
die Franzosen und in einer für sie
weniger schmeichelhasten Art. „Als
dit Brigade der Garde zu Fuß des
Königs von England sich vor der
Infanterie des Königs von Frankreich
befand, machte ich halt, grüßte die
Franzosen. Darauf ergriff ich eine
Flasche und rief ihnen zu: „Ich trinke
aus euer Wohl!" und fügte hinzu, in
dem ich meine Stimme so laut als
möglich erschallen ließ: „Wir sind die
englische Garde und hoffen, daß ihr
uns diesmal festen Fußes erwarten
werdet und euch nicht in die Scheide
werft, um euch durch Schwimmen zu
retten, wie ihr es bei Dettingen ge
tan habt, wo ihr euch in den Main
warft.." Der Herzog von Biron und
einige Offiziere spornten ihre Solda
ten an, zu widersprechen! doch die
Leute blieben stumm! Dadurch ist
die französische Legende grausam zer
stört, wenn auch die englische Fassung
nichts an Großmäuligkeit zu wün
schen übrig läßt.
Zwcikiiidersystem.
Ein Landsturmmann erhält in der
Front die freudige Nachricht, daß er
Vater eines Zwillingspärchens gewor
den ist. Ein Kamerad saßt seinen
Glückwunsch hierzu in folgende Wor
te: „Na, Karle, kaum bist« ein Paar
Monate uf französischem Boden, da
sängst« nun ooch schon det französi
sche Zweikindersystem an!"
vle schönst« »Noxe.
Mel,: Die Lore am Tore.
blaut.
Gefällt mir »m bellen die eme,
Spaziert ~e lcma, "
To zittern die B>)>nc,
DaS Wasser im Munde zusammen.
Und kocht sie gar Nassce. ö selige Lust,
Dann saht mich ei» si'ckeS Behagen.
Dann zieht mir der Dust wohl^durch
Schwer.
Schulze: Also, Friede!, wofür hast du denn da» »Eiserne Kreuz',
Artillerist: Ich habe eine feindliche Batterie zum Schweigen ge
bracht.
Schulze: Hm Freunder!, könntest du das nicht mal auch bei meU
ner Alten versuchen?
gen um den Leib herumgegangen und
hat keine edlen Teile gefährdet. „Det
sind nu wieder janz die Engländer,"
und ruft jammernd: .Ich will aber bei
Mutti bleiben und möcht nicht ins
Lazarett!"
Lottchen hatte gehört, daß eine
Tante „Schwester" geworden war und
Vater ist Arzt und wirkt jetzt in
einem schlesischen Militärlazarett.
Sein Söhnchen ist bei Muttern da
heim geblieben und folgt, so gut er es
versteht, den kriegerischen Ereignissen.
Eines Tages trisst ein älterer Berufs
kollege und Freund des Vaters das
Bürschchen und fragt ihn freundlich:
„Nun, wo ist denn Vater jetzt und
was macht er denn? Darauf der
Kleine: „Vater ist im Lazarett und
verwundet Soldaten."