Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 18, 1915, Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    GM md Segen.
Roman von A. bo» Gersdorff.
(S. Fortsetzung.)
Au» allen Ständen waren sie,
vom Grafen, Freiherrn, die das
Schloß ihrer Väter mit Geld wieder
herstellen wollten, und ihr alle Hoch
schätzung und Achtung dafür ver
sprachen, bis zu dem besseren Hand
werker, dessen Bildung weit über sei
nem Stande war. der hoffte, datz sie
ihn würde lieben können, denn er sei
von höchst sympathischem Aeutzeren
und feinem Wesen, Eine vage Hoff
nung, daß irgend einer dieser Briefe
etwas Besonderes, Verführerisches,
ihrem Herzen Entsprechendes haben
würde, erfüllt« sich absolut nicht. Sie
wurde immer kleinlauter und zag
hafter, bis endlich eine der allerletzten
Episteln ihr törichtes Herz höher klop
fen ließ. Der recht grau gewordene
Himmel ihrer Ehe- und Liebeshoff
nungen begann sich aufzuhellen!
Ja das konnte der „Gewisse"
sein! Dem konnte sie vertrauen; der
feine Briefstil, die Schrift so klar
und sauber fast weibliche Buch
staben das elegante Papier. Al
les klappte. Schade, daß er seinen
Namen nicht unterschrieb, sondern
alles Weitere der persönlichen Begeg
nung überließ, um vi« «r für den
mitkommen! Aber wenn sie hörten:
.Städtischer Beamter!" Oh der
Stolz wenn sie an dessen Arm an
nehmen, die hatte nicht so schwere Be
denken bei so etwas. Das wutzte
Klara. Aber am Ende war es doch
nicht ganz klug, eine so Hübsche,
Und still schlich sich dem sUllen
Herzen der schönste Weibestraum von
Glück in die Tiefe, und leise und
zaghast bat es den Gott der Liebe
um seinen Segen, ohn« den lein Her-
Wege es auch immer gewonnen
wird!
heute der dritte Sonntag im Monat.
Ihr Kirchgang also. Das war ihr
lieb. Es tat ihr wohl, den Ihrigen
gerade heute aus oen Augen zu kom
«ine Notlüge würde ei doch nicht ab
gehen; sie mutzte Muttelchen etwas
von dem Geburtstag« einer Kundin
vorfaseln, zu dem sie aus dem Kirch
wege eingeladen worden. Denn wcnn
sie die Wahrheit wüßten, würden
sie Kläcchen am Ende doch nicht gehen
lassen vor lauter Angst.
Dem lünftigen Satten hatte sie eine
sie neue Glück mit und
Endlich kam dir Nachmittagsstun
dc. Es war ihr lieb, datz es den
ganzen Tag dunkles, trübes Wetter
war. Sie zog ihr schwarzes, hüb
sches Alpatalleid an, das wie Seide
glänzt, band einen schmalen, gestick
ten Stehlragen daraus und hängte
ein kleines, goldenes Herz, in dem
sich die Bildchen der guten Eltern be
fanden, an seiner Kette darüber aus
die Brust. Ihr dünnes, hellblondes
Haar hatte sie in Wellen gebrannt
und «inen losen, modernen Locken
chignon am Hinterkops! auf ihren
Wangen lag die rct« Farbe der Auf
regung, und ihre sonst matten Au
gen schicnen dunkler und leuchtender.
Alles das machte heute Klara wirklich
zu einer besonders hübschen, feinen
Mädchenerscheinung, so daß man ihr
die sechsunddreitzig Jahre kaum an
sah unter dem schwarzen, breitrandi
gen Strohhut mit dem hellen Rosen
zweig, de? sich so anmutig auf den
üppig aussehenden, nach Rosenöl
duftenden Lockenbau senkte. Und
wenn sie den eleganten, weißen Sei
denhandschuh auszog, dann konnt« su
Verlobungsreif Muttelchen»
glänzte.
Nun nicht nur sie selbst am
Ende konnte auch der städtische Beam
te mit ihr zufrieden sein, und er
hätte «S schlimmer treffen können mit
der reichen Partie aus der Zeitung:
Lebewohl von der Familie war etwas
sehr flüchtig. Sie wollte ihre Toi«
lettenanstrcngungen nicht allzu genau
spät, und der weite Weg zu der Da
me und das Warten Sdnntags an
der Haltestelle. Dann lief sie kast
xlück. ...
Nur «in sehr mißmutig nussehendesi
ältliches Fräulein fatz mit einer Zeit
schrift hinter Büfett und erhob
sich einladend, als sie eintrat. Und
plötzlich erfaßt« sie der Schreck, daß
„er sie sitzev ließ, sie „versetzte" am
Ende, wie der hübsch« Ausdruck hieß.
Dunkle Röte färbte vor Entsetzen ihre
Wangen, und ein rührender Aus
hüllte Ende eines Männerbeines. ...
Natürlich war er da! Denn sonst
pflegten Herren nicht lim Sonn^
spähend an dem Vorhang vorüber.
Da erstieg sie die Stufen.
An dem runden Marmortischchen
in der Fensterecke hinter gelben
Scheibengardinen Gatzen zwei in f«:-
Jm nächsten Augenblick aber stieß
sie wirklich einen leisen Schreckens
schrei aus und nicht nur sie! Auch
der eine der Herren, die sich erhoben
hatt«, ihr hastig entgegenzugehen,
blieb stehen, wie von Schrecken aus die
Stelle gebannt, und stammelte: »Herr
des Himmels! Nein ... ich ... das
kann doch nicht. Aber ja Fräu
lein Klara. ... Sie sind doch
Fräulein Klara Liebling??" schloß er
fassungslos, sich nach seinem Gefähr
ten umsehend, als sollte det ihm das
Schreckliche bestätigen.
Sie mutzte sich, einer Ohnmacht
nahe, setzen, so datz ihr der andere
Herr schleunigst mit einem Glase
Wasser beisprang, vergnügt lächelnd,
weil er Zeuge einer sehr unerwarteten
und peinlichen Erkennungsszene
Der Heiratskandidat, welcher eine
gute Partie in der Zeitung gesucht
hatte, war der ihr wohlbekannte
Erik Trauburg, der wegen Liebens
würdigkeit und Gewandtheit im
Dienste belobte Postsekretär und
heimlich Verebte des „fleißigen Lies-
war aber fast noch erschrockener
als sie. In peinlichster Verlegenheit
griff er nach feinem Hut, eine unver
ständliche Entschuldigung murmelnd,
und ohne sich nach seinem Freunde
umzusehen, verließ er eilig das Zim
mer und die Konditorei.
Ganz niedergeschmettert blieb sie
sitzen. Welch ein Zusammentressen!
Ja das konnte allerdings nichts
werden. Den 26jährigen Leichtfuß
Trauburg heiraten! Und er sei
nerseits die Klara Liebling mit
ihrem doch eigentlicy recht unbedeuten
den Vermögen! Und verlobt war er
ja auch! Verlobt und gebunden an
Schumann, dessen ganzes Lebenszlück
und strahlendste Hossnungen in ihm
ruhten. Noch bei jener denkwürdigen
Geburtstagsfeier hatte sie die heim
liche Zärtlichkeit gesehen, und wie da»
liebliche, arglose Geschöpf so glück
selig und vertrauend zu dem Lieb
sten ausblickte. Und der schlechte, ver
räterische Mensch ging aus dunklen
Wegen und sie ach Gott sie,
Klärchen Liebling, mußte ihm begeg
nen! Die slaminende Röte stieg ihr
in die betränten Wangen, und sie
mochte ihre Augen nicht zu dem Zeu
gen der Schmach erheben, der vielleicht
spöttisch lächelte über die alten, ver
blühten Jungfern, die durchaus noch
heiraten wollten. Scheu und ge
quält, in doppelter Pein, stand sie
dann hastig aus, um fortzugehen, sank
dann aber wie erschöpft zurück aus ih
> ren Stuhl.
„Es tut mir leid, datz Sie diese
> häßliche Sache mit angesehen haben!"
stotterte sie.
Rennbrandt lächelte nicht. Er warf
einen scheumitleidigen - Blick auf da»
tödlich beschämte Mädchen vor ihm
und sagte leise: „Hätzlich ist das
nicht, Fräulein Liebling. ES ist nur
ein schlechter Spatz, den sich der Re
gisseur Zufall mit Ihnen beiden er
laubt hat. Aergern Sie sich nicht;
es gibt vielleicht noch andere Wege
zum Glück, oder sagen wir: zum
Frieden für Sie, ltebeS Fräulein.
Ich fürchte, wir merlen's noch alle
mehr oder weniger, datz die bewußte
Tür, die wir dem Glück öffnen, eben
nicht immer die richtige ist. Gestat
ten Sie, daß ich mich jetzt emp
fehle." ... Und er nahm verlegen
seinen Hut, verbeugt« sich unsicher und
ging.
Sie saß noch eine Weil« vor ihrem
unberühmten Apfelkuchen. Der Re
gen rieselte langsamer an den nicht
sehr sauberen Fensterscheiben hernie
der eine lebensmüde Fliege kroch
Andere Leute betraten die Kondi
torei. Klara Liebling ging schnell
und scheu an ihnen vorüber, hinaus
in den Regen. Die Bahnen waren
überfüllt; drei hatte sie abgewartet
nun eilte sie zu Fuß nach Hause. Das
Gehen in der feuchten Luft tat ihrem
heißen, müden Kopf wohl.
Als sie daheim ankam, empfing sie
Lina mit vorwurfsvollen Blicken.
Hedwig hatte sie, um einen Spa
ziergang zu machen, abholen wollen
von der Geburtstagsfeier und war
zurückgekommen mit der wunderbaren
Und es fei überhaupt kein Geburts
tag gefeiert worden.
Darüber hatte sich die alte Mutter,
die ohnehin seit dem großen Glücks
tage sehr angegriffen war, so alteriert
und bekümmert über Klaras Heim
lichleiten und Lügen, daß sie recht un
wohl geworden und zu Bett gegan
gen war.
als sie an das Bett Muttelchens trat,
der trübe Ernst nur auf des einen
Stirn liegt, und das Antlitz des an
dern zeigt harmlose Heiterkeit ja,
dann stehen sie am Kreuzwege. ...
Manfred Rennbrandt und sein
17jähriges Lieb standen am Kreuz
wege! Ueber seinen fernen, männ
lichen Zügen lag ein fast finsterer
Ernst, während ihr blühendes, holdes
Gesichichen freundlich und entzückt ten
Vorübergehenden, den Läden, den
heute nachmittag in einem schönen,
eleganten Auto ihrem Ziele, einem
Kaffeegarten in Hundekehle, zu
brausten.
schon. Minchen wurde dunkelrot vor
Ueberrafchung und Freude. Erstens:
War der vornehm und sein! Lange
nicht so hübsch wie ihr Manfred,
aber er hatte ein gewisses, für man
che Frauenaugen sehr bestechendes
Etwas. ... Zweitens: Wie char
mant grüßte er sic, dabei so lieb
so bewundernd! Unterschiede kann
te sie noch nicht, wußte nicht, daß ein
Herr von Sandersee ihr mit diesem
„gemischten Gruß" keine besondere
Ehre erwies! Und der junge Kaus
mannssohn I«nnte die Unterschiede
auch nicht. Sein Gast mußte über
dies besser als er wissen, was je
dem an Artigkeit zutam. ... Der
überlegte erst, ob es nicht besser
gewesen wäre, bei dieser Landpartie
mit einer kleinen Telephonistin Zi
vil anzulegen statt der ihm allerdings
den Hals brächen nicht wahr?"
»Selbstverständlich, lieber Herr von
Sanders««!" lachte Manfred, der
Welt" lernte. Machte sie doch jeden
Mann drehte zu oft das Gesicht nach
rückwärts, statt alif den Weg zu ach
ten. Das schöne, lustige Kind da
drinnen im Wagen stach auch ihm
in die Augen. Manfred fing an, sich
zu ärgern. Auch über Hermine. Wie
konnte nur so albern lachen^ und
neben ihr sah! So dicht, neben ihr,
daß er oft ihre Arme, die rosig durch
den Tüll ihrer Blus« schimmerten,
streifte. Einmal, als sie bei einer
scharfen Kurve leise aufschreiend her
umgeschleudert wurde, umschlang er
sie schnell noch, wie um sie vor dem
Herausfallen zu retten. Aber er
hätte dann» früher loslassen können
baut. ...
Dessen Gedanken waren nicht im
mer zur Stelle sie schössen unstät
hin und her im dunklen Lande der
Zukunft. ...
Vorgarten saßen, bekam er wieder
mehr Interesse für die realen Dinge
der Gegenwart. Sie aßen Krebse,
nig hübsch, so ungewohnt, datz Man
fred ihr die Tiere einfach aus der
Hand nahm und sie zerteilte. San
dersees spöttisches Lächeln ärgerte
ihn. Die Partie war für ihn abso
bürgerlichen, soliden Gartenhaus in
Wilmersdorf «inen regelrechten
Schwips. Sie wurde etwas sehr
laut und etwas frei in Bewegungen
und Worten. Nein das war
gräßlich! Jmmerfoxj überwachen und
lehren konnte er doch bei seiner Frau
nicht! Und doch mußte sie lernen,
was ihr fehlte zur richtigen Offi
ziersdam«! Daran freilich, was
Bräutigam augenblicklich nicht.
In ihrem richtigen kleinen Rausch
fing sie plötzlich an, von ihrem Ta
lent zu sprechen und daß sie sich
tatsächlich der Bühne zu widmen ge
denkt.
„810 ß, bis wir heiraten können
obgleich ich doch spater auch sehr gern
mitverdienen möchte! Am End:
kommt mehr Geld in die Wirtschafts
kasse, wenn ich auf den Brettern stehe,
die die Welt bedeuten, als wenn
mein Herr Gemahl hinter den Bret
tern steht, die er Ladentisch nennt.
Häng klotz den Heringsbändiger an
den Nagel du Fredel!" bat
sie, lachend über sein brummiges Ge
sicht.
Manfred sah in tödtlicher Verle
genheit nach Sandersee hinüber; der
tat aber gar nicht entrüstet oder er
staunt.
„Aber selbstredend wird und will
er das, Gnädigste" antwortet« er in
seiner überlegenen Art. „Sie sind
ganz undenkbar an seiner Seite hin
ter dem Ladentisch! Aber auf der
Bühne, in den famosen französischen
Salonstiicken, in einer der wunderbar
feschen Toiletten k lu l>onl»>ur!
Meinen ergebensten Glückwunsch zu
dem Gedanken! Der muß unter
allen Umständen realisiert werden, und
wenn ich selbst die Hand dazu bieten
sollte, Sie ausbilden zu lassen.".
Er brach schnell ab, denn der Blick,
den er aus Manfreds tiefverduntel
km Auge auffing, war nicht beson
ders schmeichelhaft. Das war der
warnende Blick -ines Mannes dem
andern gegenüber, der, wenn auch im
Scherz, gewisse unsichtbare,undefinier
bare Grenzen in Perlehr mit einer
Dame überspringt. Sandersee biß
sich in die Lippen und steckt« zähne
knirschend die unausgesprochene Zu
rechtweisung'ein.
rötlichen Gaslaternen und die grell in
vielen Farben funkelnden elektrischen
Birnen erhellten nur notdürftig den
Garten, als sich die drei jungen Leute
erhoben.
Manfred mutzte sich von dem ihm
bekannten Zählkellner wieder die not
wendige Summe borgen. Es war
nun das zweite- oder drittemal. Der
Vater hatte ihm lausend Mark ge
schenkt, denn am Ende hatte nicht er
gespielt und gewonnen und davon
war nun nichts mehr übrig. . .
Spät trennte man sich. Man
fred brachte Hermine noch bis an
Arme.
„Minchen, ist das dein Ernst init
dem Theater?" - dch ch clt
heiraten können.", . .
Er wandte sich schweigend ab.
Ihm war, als habe jemand >in
Tor, vor dem er zögernd stand, Plötz
lich weit vor ihm geöffnet und vor
sich sah er einen breite» Weg. .
die Nacht noch schlaflos und trau
rig. .
Äm andern Tage ging er nnt San
dersee zurück zum
Kontor vor seinem alten, vielgebrauch
ten Schreibtisch, der so manchen glück,
chen Jahresabschluß, so manche Vi
lanz, in der das Haben das Soll
' überwog, gesehen hatte. Heute hatte
er auf Ihm die Quittung geschrieben
über ein Vermögen von 75,000 Marl,
das er durch sein Anteillos in der
Preußischen Klassenlotteri« gewonnen
hatte.
Der alte, eichene, abgeschabte Geld
schrank, der seinen Zweck schon jahr
zehntelang erfüllt hatte, stand ein we
nig offen, und man tonnte darin
die verschiedenen Geldsorten blinken
und glitzern sehen; Willibald Renn
brandt hatt« ihn schon als Knab«,
wenn er hier seinen Großvater be
suchte, ehrfürchtig angestaunt. Wie ein
Wunder war dem Kaufmannskinde
der Schrank erschienen, in dem das
Geld lag, für welches man die vie
len herrlichen Waren, die stattlichen
Zuckerhüte, die leckeren Etzpflaumen
und köstlichen Mandeln und Rosinen
bekam! Nun erschien er dem al
ternden Manne wieder wie «in Wun
chen Inhalt eine Art Zauberschlüssel
Erde. . »
Aber dennoch sah der Mann, der,
ohne geldgierig zu sein, doch eine sehr
hohe Schätzung für das Erworbene
hatte, nicht entsprechend beglückt aus.
Sehr ernst lehnte er in dxm alten
berührte, stand noch ein Schrank mit
Briefen, Papieren, Korrespondenzen.
An der altersgrauen Tapete hingen
bisher viele zufriedene, tätige Stun
den, im Dienst einer geliebten, gutge
launten Arbeit; glückliche Stunden
ihres klingenden Erfolges, der ledig
lich durch Fleiß, Klugheit und seine
grotze Begabung sür den Waren«
Handel erreicht worden war. Denn
wenn einer, so braucht der Kaufmann
Begabung und Fähigkeit zu seiner
trockenen Arbeit. Und Hoffnung.
Immer hatte Rennbrandt der alte
Satz vorgeschwebt, den sein einziger
Sohn ihm einst in goldener Schrift
und schön gerahmt zum Geschenk ge
macht hatte:
„Arbeit mit Aussicht auf Erfolg
Ist das größte Geheimnis des
Glücks!"
Sohn, dem Erben seiner Arbeit und
ihres Erfolges, war der Brief, der
vor ihm auf der abgeschabten grünen
Tuchplatte lag:
„Mein lieber Vater!
Der Inhalt meines Briefes wird
Dich kaum überraschen und hosfent
wirst Du mich sicher nicht, wenn ich
meine Bitte erneuere den Beruf zu
wechseln. Du bist viel zu verständ
nisvoll, um nicht in Ruhe einzusehen,
daß jeder Beruf, zu dem ein Mann
Neigung und Fähigkeit mitbringt, der
rechte, der einzige für ihn ist! Und
datz jeder Beruf gut ist, der gut aus
gefüllt wird.
Du hast nie einen Zwang auf mei
ne Neigung ausgeübt, ließest mir in
den meisten Dingen jede Freiheit. Nur
erwartest Du, daß ich gleich Dir und
Entschluß noch nicht ganz gefestigt.
Ich hoffe aber. Du wirst jetzt in
Ruhe würdigen, wenn ich Dir nun
mehr, da alles in mir zur Reife kam,
die wohlerwogene Bitte unterbreite:
Laß mich Soldat bleiben! Du hast
Erworbenen hinzukam; das setzt Dich,
mein Vat«r, in den Stand, mir die
eigene Wahl eines Berufes zu ge
statten. Und seit jenem Glücksabend
weiß ich, was ich will: Offizier will
ich werden, mich zur Wahl stellen bei
dem schönen, vornehmen Regiment,
dem ich jetzt als Freiwilliger ange
höre!
Ich bitte Dich, teurer Vater, mir
eine entsprechende Zulage zu gewah
ren, die mir eine Stellung unter den
Kameraden ermöglicht.
Unu daran schließt sich noch die
eine Frage und Bitte: Kannst Du
handeltreibender Kaufmann im of'e
nen Ladengeschäft bleiben, wenn Du
einen Sohn im Regiment Gras
Dernbach als Offizier hast?! Nein,
Vater! Ich weiß es von Kameraden
in Regiment. Du '.iußt den Kauf
mann, dm ganzen Ladentram an den
Nagel hängen! Setze Dich zur Ruhe!
Du hättest es schon seit langer Zeit
Aber jetzt, nachdem Du 75,000 Mar'!
dein Sohne helfen, den Beruf, den
er 'liebt, zu ergreifen! Dazu aber
mutzt Du Dich jetzt freimachen, Dich
endlich ausspannen aus dem alltägli
chen Joch und der Jugend auch
etwas gönnen! Verlaufe das Ge
schäft. Du bist nun sechzig, lieber
Vater. Niemand wird es Dir übel
nehmen, am wenigsten die Mutter.
Sie ist noch so jung und hat eigent
lich so wenig vcn Dir gehabt! Du
warst ja immer fort, im Kontor, bei
Teiner Arbeit, und abend? kamst
Du müde heim und manchmal auch
l »«'.ärgert; da hattest Du selten Lust,
schaft oder Theater und Konzerte, wo
sie sich ihrer Jugend und Schönheit
ein wenig hätte freuen können; sie hat
Dir nie einen Vorwurf daraus ge
macht eine so gute Frau und Mut
ter, wie sie war!
Und Du selbst, Vater! Ich weiß
genau: Du hattest auch andere gei
stige Neigungen und Freuden, die
Du längst hast eingehen, verdorren
lassen über Deinen Rechnungsbüchern
mit d«n langen, langen Zahlenreihen.
Du hattest einen feinen Sinn sür
feine Genüsse, sagt die Mutter. Du
spieltest Klavier, es war ein Genuß
Dir zuzuhören! Dein Reiten
Deine Passion für schöne Pferde soll
test Du auch wieder aufnehmen, lie
ber Vater! Das würde Deiner Ge
sundheit guttun; Du wirst sehr stark
in letzter Zeit. Reite edle Pferde,
lenle mutige, heftige Gäule vom
Kutschbock aus, daß alles sich fragt:
Wer ist der hübsche Mann
lich sein!
Komm heraus an Licht und Luft,
Vater, heraus aus dem dumpf rie
ben! alten Schreibtisch sitzen möchte ..
Ich will hinaus ins frischeste, grün
ste, blumige Leben, einen echten Man«
nerberus will ich mir erkiesen! Du
sollst stolz auf Deinen Sohn, den
Leutnant, sein, wenn er einmal mit
seinen Kameraden zu Besuch in Dein«
reizende Villa kommt, in die Villa mit
dem goldenen Schjjde an der hohen
gußeisernen Pforte: „Willibald Renn-
der eingegangenen Postsachen in den
Korb.
Er langte nach der Feder und
schrieb Geschäftsbriefe! Ei wie
das ging, wie das „fluschte"! Da
war er zu Hause das verstand er!
Und wie der Stapel wuchs und
wuchs. . . Da freute er sich mehr, als
! emein schweren Gaul im Tiergarten
spazierenritt; gräßlich ja! Er
sollte sein altes, liebes Handwerks
zeug einpacken. Er sollte absatteln
und nicht mehr arbeiten er hatte
Nichts tun sollte er. In einer Villa
sitzen und Maulaffen feilhalten. Und
sreudezitternd den Herrn Sohn er-
Dann natürlich Schulden bezahlen
dem sein Erbe schon bei Lebzeiten
auszahlen. Sich ausziehen, ehe er zu
Bette ging, das sollte er. . .
„Wer seinen Kindern gibt das Brot
Und leid't im Alter selber Not,
brummte er grimmig vor sich hin.
Da klang die 'leine Glocke der
Außentür, rasche Schritte durchquer
ten den Laden, die Kontortür wurde
energisch ausgemacht. Das war seine
Galtin. Er kannte den elastischen
Gang, das Feste, Zugreifende in ih
ren Bewegungen. Er blickte auf. Ja
gewiß, sie sah noch immer bild
hübsch aus. Per schwarzgetupste
Schleier ließ die feinen Schriftzüge
des nahenden Alters kaum ettennen,
und das dunkelblaue Prinetzkleid von
weicher Seide stand ihr vorzüglich zu
dem hellen, gepflegten Teint und dep
welligen Fülle des rotblonden Haares.
O ja, sie mußte gewiß recht gut aus
sehen auf dem Kutschbock des Selbst
fahrers. Aber nein, für die Rolle,
die ihm zugedacht war, fühlte er sich
noch oU jung! Ein böser Zwiespalt
verdarb ihm die Laune. Das hatte
winnlos! Er hätte es nicht nötig ge
habt! Genug hatte er für sich
und die Seinen genug. Er freute
sich auf die Zeit, l enn sein Sohn
h'°r sitzen würde, wie hatte er sich ge
freut! Seufzend legte er die Feder
hin und bot seiner Frau den Besuchs
sessel neben dem Schreibtisch an. Sie
nahm lächelnd Platz und fing sofort
an:
„Nun sag', Willi, was machen wir
mit dem vielen Gelde? Es heißt, ge
wonnenes Geld soll man so schnell
wie möglich dem zurückgeben, dem es
„Also soll man es zum Teufel ge
hen lassen so schnell wie möglich",
sagte er herb.
„Aber aber, Mann. Du bist
in keiner glücklichen Stimmung. . .
Dabei hast du aas Glückslos doch
auch bezahlt. Zähl' mal zusammen,
wieviel du gespielt hast, was das ko
stet in 20 Jahren, Nicht viel im
Vergleich aber wenn der Ge
ber nicht mehr verlangte. . . Es war
doch rechtlich erworben, Willi!
Und nun, Lieber, sei vergnügt! Ent
schließe dich zu dem was Frau und
Kind von dir erbitten. Sei nicht so
schwerfällig und denke, daß du es hich
bezahlt hast —. das Glück." Dann
fuhr sie in leichterem Ton fort: „Ich
war eben bei dem Häusermakler wegen
der Villa, Ick sage dir geschenkt!
Eine sehr niedrige Anzahlung und
»en Rest in Hypotheken, die du darauf
'igst.' '
l (Fortsetzung folgt.)
zfiii' «Ii« Nücke.
Quarkpudding. WO
Gramm recht trockener Quark wird
durch ein Haarsieb getrieben, mit ei
nigen Etzlösfeln saurem Rahm oder
auch süßer Milch vermischt und mit
125 Gramm Mehl glatt gerührt. Un
ter oder Palmona zu Sahne, gibt 7S
Gramm Zucker, etwas Vanillin, vier
Eigelb. 125 Gramm Sultaninen oder
wird der Schnee von vier Eiwech
untergezogen und die Masse in eine,
gut gebutterten und mit Seniinelbrö
kocht. Man reicht Obst- oder Hülsen-
Weise her. Man kocht Kartoffeln »
diefelb-i. in feine Scheiben. Dan»
gießt niai> eine Tasse heißen Wasser»
darüber und deckt das Gericht z».
UnterdeS rührt man zwei hartgekochte
Eidotter, Salz, Pfeffer, etwas tlei»--
Weinessig, 2 Etzlösfel Olivenöl uns
3 Eßlöffel Fleischextrakt oder Bouil«
lrig uns Mehl, Milch oder Wasser,
Eßlosf?! Wassec oder Milch und ei
nen gehäuften Eßlöffel Mehl.) Von
der M.sse väckt man mittelstark
Plinsen auf der flachen eiserne»
neu. 1 bis I>/2 Pfund weiße Boh»
Nacht in kaltes Wasser gelegt, dam»
mit dem Einweichwasser zum Koche»
ausgestellt, wobei man ein« Messer»
spitz« doppeltkohlensaures Natron so
wie ein bis zwei Etzlösfel braunen
Sirup und «in Stück frisches Schwei
nefleisch oder gewässertes Pökelfleisch
zufügt und alles in der Kochkiste so
lange lochen läßt, bis Bohnen und
Fleisch weich sind. Nach Salz ist vor
sichtig abzuschmecken. Beim Anrich
kann, rundherum.
Hamburger Linsensuppe.
Die Linsen werden in leichter Fleisch
brühe und bis aus ein»»
Zwiebeln, Salz und reichlich
pengemüse hinzu, wobei beachtet wer
den mag, daß die Mohrrüben unzer,
schnitten in den Topf kommen. So
bald die Suppe genügend mit ihre»
Zutaten verkocht ist, wird sie ange
Tomaten - Schaumsaure.
Die Sauce wird im glatten, etwa»
hohen Topf im siedenden Wasserbad«
bereitet. Man verquirlt eine große
Tasse Sahne oder gute Milch mit et
was Stärkemehl (Kartoffelmehl oder
Weizenstärkemehl), fügt 4—5 Lössel
Tomatenmark oder Tomatenmarme
lade, etwas Salz, Zucker, Zitronen
saft und I—21 —2 Eidotter dazu und
schlägt alles mit der Schaumrute so
lange, bis die Sauce zum Kochgrad
gekommen und schaumig ist. Kochen
darf sie nicht, , da sonst der Schaum
nicht steht.
Hainmelschnitten mit To
mate nsau c e. Man kann hand
große Schnitten aus der Brust
oder Keule schneiden oder man be
dient sich der aus dein Rücken' gehack
ten Koteletten. Sie werden gut zu»
rechtgeputzt, gellopst. gesalzen, mit
geriebener, in Butter gedünsteter
Zwiebel bestrichen, in Ei und gerie
bener Semmel gewendet und auf bei
den Seiten in steigender Butter aus
der Psanne goldbraun gebraten. Zur
Sauce dünstet man ungesähr 1 bis S
Eßlöffel voll gehackten rohen Schill
teil nebst einer gehackten Zwiebel und
4 bis 5 zerschnittenen, gut abgewisch
ten Tomaten in 2 Unzen zerlassener
Butter unter fleißigem Rühren durch,
gibt 2 bis 3 Eßlössel Mehl dazu, läßt
es gar werden, verkocht dies mit so
viel heißem Wasser oder heißer Brühe,
daß eine ebene Satce entsteht, die
durch den Sieb gerührt und mit Salz
und Zitronensaft abgeschmeckt wird.
Man richtet die Schnitten nebenein
ander auf erwärmter Schüssel an und
füllt die dickliche Sauce darüber.
Dazu Passen Schmorkartoffeln oder
in zerlassener Butter nebst gehackter
Petersilie geschwenkte, vorher einfach
in Salzwasser abgelochte Kartof
feln.