Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 23, 1914, Image 3

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    Die ewige Mgll.
Roman von Adolph Tchaffmeher.
Erstes Kapitel.
Der zweite Akt „Tosca" näherte
sich seinem Ende im Metropolitan
Opera Houfe. Sardous raffinierte
Theatralik und des italienischen Mae
stro Puccini aufwühlende Musik leg
ten sich wie ein Bann auf das mäch
tige Haus.
In seinem Blute lag der grau
same Scarpw auf den Boden hi>i
gestreckt, das Kruzifix auf der Brust
und ihm zu Häupten die brennenden
Kerzen, die im leisen Lusthauch ge
spensterhaft flackerten. Mit einem
unbeschreiblichen Blick, in dem das
letzte Aufwallen von Rachsucht und
Haß mit den lähmenden Empfindun
gen von Angst und Grauen sich wun
derbar mischten, wandte Floria Tos
ca, von Milka Termna mit erschüt
ternder Intensität dargestellt, sich von
ihrem Opfer ab und schritt hochauf
gerichtet dem Ausgang des Gemache»
zu. Mit hartem Ton, der seltsam,
wie ein Stück Wirklichkeit berühr««,
siel die massive Eichenholztür ins
Schloß. . . Die letzten Klänge des
großen, unsichtbaren Orchesters, das
die langt wortlose Szene begleitet
hatt«, verhaliten.
Lautlos rauschte jetzt die Riesen
gardine aus goldfarbigem Broka!
hernieder und verschlang wie eine
mächtige Woge das Bühnenbild.
Durch das große Haus schien ein
Aufatmen der Erlösung zu gehen.
Im nächsten Augenblick schon
flammte unter dem hohen Plafond
der elektrische Stern mit seinen zahl
losen Birnen auf, und in den Loger
reihen und Rängen entzündet« sich
die gleiche goldene Lichtflut. Wohin
das Auge bei der gedämpften Be
leuchtung wanderte, allüberall schwer
goldene Verzierungen der Logen, der
Plafond alles Gold. Das glei
ßende Metall, das in diesem imposan
ten Raum den Sinnen sich gewaltsam
aufdrängt, wie eine Naturmacht
das erste und letzte Wort.
Das große Metropolitan Opera
House hatte seinen Galaabend. Bis
zur schwindelnd hohen Galerie nahezu
lückenlos gefüllt, entfaltete es seinen
ganzen verschwenderischen Prunk
trotz seiner kaleidoskopischen Bunt
farbigkeit ein Masseneffekt von be
rückender Pracht und fesselnder, unge
gann aus dem Parkett, von den
Rängen und Logen herab der Ap
plaus durch das Haus zu schallen,
wie fast immcr hier ohne den brau
senden Sturm eines bis in seine Tie
fen aufgewühlten Enthusiasmus. Ein
paar Rufe aus italienischen Kehlen
gedämpfte Beifallklatschen weißer
Glacss.
Wie eine wohlerzogene Gesellschaft
ihre Anerkennung kundgibt, die eben
nie ganz vergißt, daß si« wohlerzogen,
zu sein hat, und die alle wilden
Ausbrüche als etwas unter ihrer
Würde perhorresziert.
Die Sänger erschienen Caruso
Scotti, zwischen ihnen Milka Teriii
na. Für eine zweite und dritte,
stellung, so unendlich charakteri
stisch für das Metropolitanist und
für die große Menge der holden
führung selbst: Das Zwischenattfcha,!-
fpiel, das Treiben des großen Eitek
keitsmarktes, das Sehen und Gese
henwerden, das Besuchen und Plau
sitzt New Yorks Aristokratie, die
der Kolonialzcit, die es verstandcn
haben, durch der Zeiten Wechsel Foc
tunas Gunst sich zu wahren, die Fi
nanziers von internationalem Ruf,
die Eisenbahnmagnaten und die Krö
susse mit den sabelhasten Schätzen,
jene neuen Richen, die sich den D>g
zum gesellschaftlichen Gipfel erst bah
nen mußten, nachdem sie Golcondas
ten. - 6 ff
Denn dit Op«r ist der große Bo
den, auf dem ganz New York sich
trifft. Freilich immer schön abge
packt, doch alles unter demselben Dach
und die gleich« Lust einatmend. Al
les was reich und hervor,
schreitet.
mer nur in der Gesellschaftsrubrik
der Zeitungen li«st, und die Society
Belle. Hier sind sie keine Drucker
schwärze, hier sind sie Fleisch und
Blut, in der neuesten Schminke, den
letzten Kreattvnen von Worth und Pci
ret, mit kostbaren Juwelen bedeckt.
Und sich woh! bewußt, daß sie zu den
großen, eigentlichen Attraktionen der
Oper zählen. Auch sie spielen ohne
Gage mit.
Und ganz oben im Olymp da sitzt
vielleicht das kleine Ladenmädchen
oder, wie sie vorzieht, sich am Hudson
zu nennen, die „Berkaufsdame", die
ihren Schatz endlich überredet hat,
sie in die Oper zu führen. Mit be
gehrenden, aber Iritischen Augen
schaut sie aus das farbenprächtige
Bild herab, auf die wunderbaren
Toiletten und die glitzernden Edel
steine, und mit kecker Zuversicht
spricht sie es aus, wenn sie selbst
solche Kleider hätt« und solch Ge
schmeide, so würde sie genau ebenso
elegant und vornehm sein. . . Und sie
hat vielleicht gar nicht so unrecht,
denn es sind ja doch immer nur die
Aeußerlichkeiten, die die Menschen
Ganz vorn in jenen Sitzreihen, die
sich rund um das Parkett ziehen, sa
ßen in ihre Fauteuils zurückgelehnt
zwei Herren als interessierte Zu»
schauer des Bildes, das sich vor ihren
Blicken entfaltete. Besonders der
Jünger«, ein- hochgewachsene, schlan.
ke Erscheinung mit glattem, feinge
schnittenem Gesicht, das von blon
dem, an der Stirn leicht gewelltem
Haar gekrönt wurde, schien das al
les mit ganz besonderem Interesse in
sich zu trinken, wie jemand, dem die
ser Anblick nicht allzu oft zuteil wird.
Während an den schmalen Lipp'n
ein wohliges Lächeln hing, wander
ten die stahlgrauen Augen mit ei
ner gewissen Ruhelosigkeit von einer
Loge zur anderen. Zwischen den
Händen, die in weißen Glacös sta
ken, hielt er den Seidenhut; offen
bar hatte er sich erheben wollen,
schien aber durch eine geheimnisvolle
Macht auf seinen Sitz gebannt zu
sein.
Doch jetzt richtete sein Nachbar, der
den Ecksitz ini'c hatte, sich auf. „Nun,
mein lieber Shirley, was mein-n
Sie: wollen wir eine Zigarette rau
chen gehen?"
Er war beträchtlich älter als der
Angeredete, etwa Mitte der Vier
zig, mit ausgesprochener Anlage zur
Korpulenz, mit schimmernder Glatze
und einem kräftigen, leicht mit Grau
vermischten dunkeln Schnurrbart.
„Wenn es Ihnen recht ist, Cwy-
Eine Zigmette kann ich immer rau
chen, aber die Gelegenheit, dieses
Publikum ein wenig zu studieren,
kommt mir nicht jeden Tag. Und
überdies. . es kam etwas zögern
der „ich suche jemand, eine Dame;
sein."
Claytons Brauen hoben sich nur
um «ine Nuance; ohne weiteres schob
er seinen Zylinder wieder unter den
Sitz und nahm an Shirleys Seite
Platz.
„Recht haben Sie ja, und von die
sen Sitzen Hut man einen vortr«ssli
chen UeberbliZ."
„Wissen Sie", fuhr Shirley mit
leichtem Lachen fort, „was Sie tun
könnten? Mich den Vierhundert in
den Log«n ein wenig vorstellen, wenn
auch nur per Distanz. Ich nehme an,
daß Sie als regulärer Abonnent alle
Welt hier kennen."
„Was eine bedauerlich falsche An
nahme ist. Das müssen Sie sich ge
legentlich mal von meiner Frau er
zählen lassen, die darin genauer ori
cntiert ist."
„Nun, kein Wunder", meinte Shir
ley, „sie gehört ja eigentlich dazu, Wa
sche Grimasse. „Hier, mein Lieber,
sängt der Mensch beim Millionär
an. Und was das Dazugehören an
betrifft, da will ich Ihnen eine amü
sante kleine Episod« erzählen. Un
ter dem Sivztl der Verschwiegen
heit. Wir, Minnie und ich, waren
bor. . ."
„Entzückender Aufenthalt."
„Ja Eines Tages mieteten
sein bemerkte, so ganz von oben
hin? „Ich bin eine Hamilton."
M«in« Frau schwieg vor Bestürzung
ganz bedeutungslos, solange der gol
den« Rahmen zum Bilde fehlt. Da»
einzige Adel.«patent, das wir ken-
die Million. Ihr öffnen sich alle
Türen, und vor ihr sinken alle
Schranken. Da» mag nicht eben eine
noble Jagd sein, «ber jetzt zu Beginn
de» zwanzigsten Jahrhunderts ist e»
die allgemeine Losung der Äölker und
de» Einzelnen. Ich glaube, wir Ame
rikaner genießen den Borzug. der
schenkt zu haben."
Clayton hatte im leichten Plauder
ten gesprochen; man wäre in Verle
genheit gewesen, ob er nur witzelte,
oder ob die Umgebung ihn zu seinem
Exkurs veranlaßt hatte. Auf Shir
ley aber hatten die Worte einen star
ten Eindruck hervorgerufen, man sah
es seinen festgcschloffenen Lippen, dem
beinahe trotzigen Ausdruck seiner Mie-
„Ja, ich glaubt, daß Sie recht ha
ben", sagte er leise, eindringlich,
„und ebenfalls unter dem Siegel
der Verschwiegenheit: auch ich stecke
in der Jagd, mit beiden Händ?n,
mit allen Sinnen. Ich wollte, ich
verstände die Kunst, das Geheimnis
des Erfolges Si« lachen innerlich,
und es klingt ja auch ungemein lä
cherlich, aber es ist trotzdem wahr.
Ich bin ein gemeiner Geldjäger. Ich
könnte Ihnen auch sagen, aus wel
chem Grunde; eines Tages werde ich
sogar den Schleier lüsten, einstweilen
aber dürfen Sie alles für bare Münze
nehmen "
Claytons scharfe, ruhige Augen la
gen mit «wem Anflug gutmütigen
Spottes auf dem Antlitz des Reden
den, der ruhig standhielt.
„Es steckt da also ein Geheimnis
im Hintergründe", sagte er. „In
Ihrem Alter gibt «s nur ein Ge-
Plötzlich sah er, wie Shirleys Ge
stalt sich um eine Nuance emporreckie,
und wie auf feinen Mienen ein Aus
druck äußerster Spannung sich mar
kant abzeichnete. Er folgte der Rich
tung von Shirleys Augen und ent
deckte in einer der Mittellogen des
zweiten Ranges «ine junge Dame von
stung Platz zu nehmen.
Shirleys G.'sicht war in eitel Son
nenschein getaucht. „Da ist Ge
bar zu, „seit einiger Zeit-' habe ich
mit Ihnen darüber sprechen wollen.
Sie, die eben Platz nimmt." Clayton
hatte sein Odernglas vor die Augen
geschoben und betrachtete die Neuer
scheinung mit ruhiger Aufmerksam
keit.
Ein kleines, bewunderndes Lächein
nickte dem andern dann gleichsam zu.
„Geschmack habe ich Ihnen immer zu
getraut jetzt einmal Farbe be
lennen, lieber Freund. Wissen Sie,
wenn ich ganz offen sein soll: eine
der Beautss, vor denen man wohl
tut, Reißaus zu nehmen Wer
ist sie?"
Shirley hielt seine Blicke gesenkt,
und wie Nachdenken lag es auf seiner
Stirn.
„Cynthia Jameson," begann er
dann, „die einzige Tochter meines
Chefs, unseres Bankpräsidenten. Die
Sache spielt schon geraume Zeit, seit
letztem Sommer. Sie wissen, mein
alter Studienfreund Tom Carring
ton, der Wall-Street-Makler wir
waren in Harvard zusammen, der
hatte mich eingeladen, meine Ferien
bei ihm auf der Yacht zu verbringen.
Im New Yo»? Dacht Club wurde ich
Cynthia vorgestellt —" Fluchtig wan
derten seine Augen wieder zur Loge
hinauf. „Es war Ballabend im
Klubhaus, große Affäre. Ich könnte
Ihnen kein Bild geben, welch eine
Nacht das war. Herrlichster Mond
schein alle Yachten waren über
di« Toppen illuminiert, das Klub
haus ein Meer von Licht
Schönheit und Luxus und Lebens
freude überall. Vielleicht, daß ich m
jenem Abend besonders empfänglich
war ich sehe das alle« noch jetzt
vor mir. Ich tanzte mit Cynthia.
Mein Lieber, was soll ich noch
hinzufügen?"
Sie eben nicht. Eine Woche noch
blieb ich auf Carringtons Yacht und
erhielt auch eine Einladung von Cyn
thia aus ihr-n Landsitz. Mit Car
ringtons Schwester kam sie auch zu
uns an Bord, und lxi steifer Brise
segelten wir den Sund hinauf.
Uebtigens versteht sie eine Yacht zu
sichren, kutschiert einen Viererzug, rei
tet'wie eine Amazone. —. —"
„Aber lauter entzückende Tugenden.
fiel Shirley ein.
„Eigentlich wollte ich sagen ein
facher für Sie."
Nicht ein Muskel hatte in Clay«
verstehe Ihre sagte
—Er hob die Schultern empor
„Jetzt begreifen Si« vielleicht,
warum ich ein Dollarjäger geworden
laß keiner bemerlt hatte, wie da«
Orchester sich langsam wieder gefüllt,
und der Dirigent, von einer leisen
Beisallswoge cmpsangen, an seinem
Pult das Zeichen zum Beginn de!
Schlußakte? gegeben hatte
ter. Nacht auf der Bühne, Nacht im
Zuschauerraum.
Ueber die Köpfe all der Hundert:
hinweg, die in der fahlen Beleuch
tung seltsam geisterhaft erschienen,
suchte Georg« Shirley einen Augen
blick die Loge, in der Cynthia saß.
Wie von grauem Nebel verhüllt er
kannte er undeutlich die Umrisse ihr-r
Gestalt; es war ihm, als sei sie
in unerreichbare Ferne gerückt
seinem Innern raunte ihm im sel
ben Moment zu: ganz wie in der
Wirklichkeit, nebelhaft, unerreichbar
Auch aus Claytons scharf kriti
schem Blick vorhin hatte er es her
ausgelesen, aus seiner Bemerkung es
herausgehört, das Wort Vermessen
heit.
Er wußte das alles; hundertmal,
tausendmal hatte er es sich selbst ge
sagt. Es war eben wie ein Fatum
gewesen, die raffiniert« Tücke des
Zufalls, irgendeine geheimnisvolle
Macht, die ihn immer von neuem in
gebracht halt«. So tief der Ein
druck bei der ersten Begegnung auch
gewesen war er würde den Zauber
waren die Einladungen gekommen,
bei gemeinschaftlichen Bekannten trat
man sich. Der Charme ihre»
Wesens, den in seinen Augen kein«
Andere in gleicher Weise besaß, um
hüllte ihn mehr und mehr, bis er,
unfähig die Fesseln abzuschütteln, sich
einfach dieser Macht hingab.
aufzuwachsen, das Leben zu erobern,
sich eine Stellung zu schaffen, die ihn
auch äußerlich in ihre Sphäre hob.
An der Bör'e hatt« er sich versucht,
sen.
Jetzt sann Shirley auf nichts an
deres mehr, denn Cynthia war der
Inhalt und das Ziel feines Lebens
ihm anvertraut, der
selbst ein Leidensgenosse war, aber
seine Passion üb«rwunden hatte. „Sie
ist so etwas wie ein Mysterium"
hatte Carrincton erzählt, ohne zu
ahnen, daß Shirley in ihren Fesseln
lag. Dieser aber biß die Zähne zu
sammen und schwieg und trieb wei
ter auf dem ungewissen Strom da
hin, mit geschlossenen Augen. ha!b
wie der Fatalist, der das ferne Rau
schen der Brandung hört und doch
nicht zu entfliehen sucht, halb mit der
Zuversicht unvirbrauchter Jugend, die
noch keine bitteren Erfahrungen hin
ter sich Hai und die ganze Welt offen
vor sich liegen sieht.
Die Oper war zu Ende, zum letz
ten Male war die Gardine herab
rauscht. Die Logeninhaber erhoben
sich, um sich in die Mäntel zu hül
len, der letzte Applaus brach sich
l«y wie verloren, die Augen auf Cyn
thia geheftet, die an der Logenbrü
stung stand und Beifall klatschte.
Ueber Claytons Mienen' flog ein
verstehendes Lächeln, wie «r den
Freund so geistesabwesend dastehen
sah; leise berührte er sein« Schul
ter. '
Sofort ergriff Shirley seinen
Uebcrzieher. „Es war wunder
voll "
Als sie de» Haupteingang erreicht
hatten, wo ein gewaltiger Men
schenknäuel ?ich staute, schob Shirley
seinen Arm ijkter den seines Beglei
ter».
»Lassen Sie uns einen Augen»
Nick in das Seitensoyer treten, Clay
ton."
trepp/ vorbei, von der das elegant«
Gewühl der Logeninhaber h-rabström
te die Damen in ihre kostbaren Pelze
der Dust feiner Parfüms umhüllte
diese Welt des Luxus wi« «in: unsicht
bare Wolke.
„Dort ist sie!"
Mit kritisch musternden Blicken, in
nommenheit zu leben schien, betrach
tete Clayton das Mädchen, da» eine
«In wenig über Mittelgröße, von je
ner lässig stclzen, unn.ichahinlichen
Haltung, die di« Aristokratin kenn
zeichnet. Vornehme Züge ohne kalte
Regelmäßigkeit leine feine Stirn
eine gerade, nur an der Spitze »m
eine Nuance gestülpte Nase, um die
vollen, jetzt leicht geöffneten Lippen
ein Ausdruck von Hochmut, der auch
in den ruhigen, tiefdunkeln Augcn
wie ein unveräußerliches Besitztum
schimmerte. Mit einer Fülle seidig
glänzenden, schwarzen Haares, das
sich wundervoll von dem schneeigen
Hals abhob, der aus dem hellen noch
geöffneten Opernmantel zart und doch
kraftvoll herauswuchs. In mattgrü
ner Seide, deren Schleppe keck ge
rafft, die schmalen aristokratischen
Füße sichtbar werden ließ und darun
ter einen entzückenden Knöchel in sei
denen Strümpfen.
Bei «iner Wendung des Hauptes
hatte Cynthia jetzt Shirley erkannt
ein leises Heben der Brauen, ein
flüchtiges, Lächeln, das
Woche!"
Shirley, mit glänzenden Augen,
verbeugte sich tief, wie Cynthia stolz
vorüberschritt.
„Es wird mir das größte Ver
gnügen bereiten —" Aber das war
ja ganz selbstverständlich, wenn Cyn
thia rief. Und schon hatten die Nach
drängenden sich zwischen sie gescho
ben.
Shirley schien nur das Lächeln ge
sehen zu haben, das Cynthias Lippen
umschwebte. Als er sich aufrichtete,
starrte er in das hochmütige, rot»
Gesicht von Herrn Reginald Carru
thers, der sich zu besinnen schien, ob
er den Gruß de» anderen zu erwi
dern habe. Der bekannte SportL
mann, der sich, wie Frau Fama er-
Gcsch.
Exzessen fuhr es ihm durch
den Kopf.
Er schob seinen Arm in den Shir
leys und zog diesen aus dem Getüm
mel. Armer Junge, dachte er dabei
gespielt.
Zweites Kapitel.
Schweigend hatten die b«iden unter
den letzten Nachzüglern das Opern
haus verlassen und den Broadway
hielt Kopf auf die Brust ge
senkt, und Clayton störte ihn nirit
in seinen Betrachtungen. Ein un
verbesserlicher Optimist und Phleg
matiker, der allen Dingen stets die
beste S«ite abzugwinnen suchte, war
diese Herzensverirrung überwinden
würde. Denn als solche erschien sie
ihm im Grunde doch nur. Es scha
ivurde. Man mußte durch die
Schule hes Lebens gehen; das ge
rade war es, was Shirley gefehlt
hatte: einmal von der Leidenschaft
Freilich Cunthia Jameson sch'en
ganz das Wesen zu sein, ein'n
Mann bis in ftine tiefsten Tiefen
kraft und Empänglichkeit eine! Shir
ley. Jetzt siel Clayton auch wieder
ein, was seine Frau immer behaup
tet hatte, daß Shirley viel tiefer ver
anlagt sei, als oberflächliche Beobach
„Aber selbstverständlich."
gießt, warf seine Brandungen nach
allen Richtungen hin. Ein hastendes,
drängendes Menschengewühl, da» in
ieinein wirren Getriebe sast den Ein
druck eines Schlachtfeldes machte, be
täubend und sinnverwirrend
Zwischen den wandelnden Men
schenmauern sausende Automobile,
elektrische Straßenbahnwagen au»
allen Richtungen; Equipagen und
Droschken. *Und niemand schien Zeit
zu haben. Nirgends ein behagliches
Schlendern und Flanieren, nirgend»
genießendes Jnsichtrinken des gewal
iigen Weltstndtbildes immer nur
vorwärts! Ein drängendes, schie
bendes Tohuwabohu, das wie ein
markantes Spiegelbild des Landes
und d«r Zeit berührend, wo selbst
Vergnügungen und Erholungsstun
den mit Rekordgeschwindigkeit ver
schlungen werden. Zwischen den
beiden Freunden waren bis zu».
Hotel nur wenige gleichgültige Worte
gewechselt worden, nun hatten sie die
prunkvolle Vorhalle erreicht, uns
Clayton drängte sofort durch di«
Menschensülle nach dem Herrenzim
mer zur Linken hin, das mit seiner
weichen braunen Holztäfelung, den
Jagdtrophäen, seinem ganzen behag
lichen Ton zum wohlig ruhigen Le
bensgenuß einladet. Sein scharf
ausspähendes Auge hatte auch so
gleich einen freien Tisch entdeckt, den
er alsbald mit Beschlag belegte.
„Das hätten wir ja glänzend ge
deichselt," rief er, indem er einen
Blick durch den gefüllten Raum
schickte. Nachdem er sich aus seinem
Ueberzieher geschält und die erkalte
ten, fleischigen Hände gegeneinander
gerieben, zog er fein Zigarretenetui.
das er Shirley hinhielt.
„In Zwischenräumen ist es sogar
ganz angenehm, sich aus ein paar
Tage wieder in seine alte Jungge
sellenzeit zurückzuversetzen." Sie sa
ßen sich jetzt am Tisch gegenüber und
bliesen die leichten Rauchwolken vor
sich hin. „Doch immer nur aus
kurze Zeit, denn ich sage Ihnen, lie
ber Freund, wenn man eine Frau
hat, die ein famoser Kerl und ein
lieber Kamerad ist, so pfeift man
aus die Millionen der Vierhundert
und auf die Vierhundert dazu."
Ein skeptisches Lächeln hing an
Shirleys Lippen, aber sein Auge
blieb nachdenklich, und er antwortet«
nur durch ein halbes Nicken. Ja,
dieser Clayton ward viel beneidet,
und vielleicht hatte er auch in der
großen Lebenslotterie den Tresser ge
zogen. Er war Anwalt mit einer
einträglichen Praxis gewesen, als er
seine Frau kennen gelernt; durch die
Heirat war er in den Besitz eines
Vermögens von zweihunderttausend
Dollars gelangt. Das war für bei
der Bedürfnisse genug gewesen. Mit
innerster Befriedigung erklärt« er
selbst, daß er jeden Ehrgeiz begraben
und nur noch den Wunsch besitze, die
guten Dinge dieser schönen Erde mit
Ruhe und Gründlichkeit auszukosten.
„Ich bin aus dem verdammten Wett
rennen heraus," war seine oft wie
derholte Redensart. Tatsächlich hat
te er im Laufe der Zeit Fett ange
setzt, und nur von der einen Sorge
ließ er sich noch bewegen: die Schätze,
die das Glück ihm in den Schoß
geworfen, intakt zu erhalten.
Und doch, Shirley fühlte es al»
tiefe, unumstößliche Gewißheit, daß
er den Mann nicht beneidete, der
freiwillig allem entsagte, was dem
Leben Größe, Wert und Bedeutung
verlieh. In der Stimmung dieser
Stunde weniger als je. Nein, kämp
fen, das Leben erobern, die Welt
besiegen, in ihm gährte und
brannte jede Fiber.
„Mein lieber Clayton, wir sind
nicht alle aus gleichem Holz ge
schnitzt," erwiderte er, während der
andere sich in da» Studium der
Speisekarte zu vertiefen begann, »Ich
glaube, Sie sind ein glücklicher
Mensch, vielleicht sogar «in weiser.
sollten Sie und IHK Gesellschaft
„Aber jetzt Schluß," fiel Clayton
lachend ein.
«Doch, wenn ich wüßte, —" Shir
leys Worte hatten jetzt eine tiefe
Eindringlichkeit, „wenn ich wüßte,
den Eisfeldern Alaska» ausbrechen/
Ein paar Augenblicke hoben sich
in Shirleys AiMtz^
Uebiigen» lassen Sie mich einstwei
len für uns beide bestellen, e» ist
Ihnen doch recht?" Er winkte dem
„Und den Sekt sogleich,- fchl»ß er.
über?
(Fortsetzung f»lgt.)
Liir <l!e BScbe.
Grüne Erbsen. Die Erbsen
dürfen erst hc.lb ausgewachsen sein
ser gesüllt. Auf jeden Gläsinhalt
gibt man einen Kaffeelöffel voll
Zucker und füllt die Gläser mit
kochtes Wasser 1 Teelöffel Salz.
Stunden in siedendem Wasser
kocht sie in nicht zu viel Wasser
nebst etwas Brühe oder Butter weich.
Die Brühe darf nicht zu lang sein.
nicht eine zu lange Sauce erhält.
Man verkocht es mit etwas Butter
hellbraun oder auch gelb ge
dünstetem Mehl, gibt etwas Milch
und ebentuell aitch mit geriebener
Muskatnuß und gibt das Gemüse
in einer erwärmte Schüssel.
Bayerische Suppe.
Unzen Gerstengrütze schwemmt man
langsam weiteUochen und wird dar»
auf durchgeschlagen. Man setzt der
fertigen Suppe ein Glas leichten
Weißwein zu. schmeckt sie mit Psef
geschnittene Brühwürstchen hinem.
Eiersauce zu Seefischen.
Drei Teelöffel Mehl rührt man mit
einer Tasse kalter Fleischbrühe glatt,
verquirlt 4 Eigergelb damit, gibt
Unze frische Butter, den Saft
einer halben Zitrone, eine Tasse des.
Fischkochwassers dazu, und schlägt
alles im Wasserbade zu dicker Sauce,
Im Augenblick des Anrichtens rührt
man noch etwas frische Butter, 10
Tropfen Speisewürze und einen Tee
löffel Petersilie daran. Sofort an»
richten!
man mit einigen Zwiebeln, Karot
ten, KalbSknochen, den üblichen Kü»
chenkräutern, Pfeffer und Salz, in
eine Kasserolle, bedeckt sie mit Speck
scheiben, gießt je 56 Glas Wciß-
Dann bräunt man etwas Mehl in
schüttete Brühe von der Ente dar
unter, läßt diese Sauce zehn Mi
die Ente.
Leberschnitten initKräu
term Aus zarter Kalbsleder
schneidet man dicke Scheiben, die man
von Sehnen und Haut befreit,
wäscht, abtrocknet, mit Pfeffer und
Salz bestreut und auf beiden Seite«
einige Minuten in heißer Butter
brät. Man nimmt die Schnitten
aus der Butter, röstet 1 Unze Mehl
kocht die Mehlschwitze mit Weiß
wein und leichter Fleischbrühe und
dämpft in dieser Sauce die Leber
scheiben fertig. Zuletzt gibt man
einige Eßlöffel Kapern an die
Englisch - Stew. Recht zar
tes Rindfleisch schneidet man m
Scheiben, läßt es in Butter einige
Minuten von beiden Seiten anbra
ten und dann in etwas Bouillon
langsam weich schmoren. Hierauf
fügt man ein Glas Portwein, einen
Teelössel voll ReiSmehl, einige ge
hackte Champignons, Zitronenschale
und den Saft einer halben Zitrone,
sowie das nötige Salz hinzu, läßt
da» Gericht noch eine Viertelstunde
leise kochen und serviert e» mit Kar
toffeln und Semiife.