Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 25, 1914, Image 2

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    I
Schlaf.
Von Bertha Hallauer.
"Sicher Schlaf, der Müden Tröster,
Und der Slrmen letzter Hort,
AIS ein von der Last Erlöster,
Trägst !>» ihn zun, ftriedensort.
Mütterlich,
Legest Ader sacht'.
Und rückst alles in die Ferne,
Was ihn traurig gemacht,^
Der Mtgmg.
Die Gastwirtsfrau bürstete ihren
Mann ab. Er stand auf einem
Schemel und drehte sich langsam wie
«ine Schaufensterfigur, damit die
Gattin, ohne sich zu bücken oder um
ihn herumzugehen, den langen Bra-
Sie bürstete mit ganz kurzen, em
sigen Strichen, und jeder Strich war
zugleich ein liebevolles Streichen.
„Er gibt, Karl. Was sind deinem
Bruder tausend Mark!"
„Mir ist nicht wohl."
„Wir haben noch nie was von ihm
verlangt. Du würdest ihm auch
geben, wenn du hättest."
„Lieber ging ich zu Fuß nach
?!om."
„Mach dirs nicht unnötig schwer!
Er ist dein einziger Bruder, ihr liebt
euch. Als du krank warst, schickte er
«in Paket nach dem andern. Wie
herzlich er schreibt! Von jedem Aus
flug eine Ansichtskarte. Er sagt
immer, wenn du was brauchst, sollst
du verlangen ... Er hats dazu."
Als sie mit Bürsten aufhörte, stieg
«r vom Stuhl herab. Er /nachte ein
wehleidiges Gesicht und war um so
mehr bekümmert, als er sich bemitlei
det wußte. Er vergaß, daß der Bitt
gang, den er eben antreten wollte,
ihm mindestens ebenso zugute kam
wie seiner Frau, und daß sie ebenso
trostbedürftig war wie er.
Sie reichte ihm den wohlverpackte»
Kuchen; sein Mahl zu bezahlen, hatte
s,x gestern das letzte Goldstück gewech
selt.' Leichter hatten sie «j mit den
gleichfalls fest verschnürten Würsten
die sie nur aus dem Schrank zu neh
men brauchten. An foetwas hat ein
Gastwirt auf dem Lande immer Vor
rat. Die Frau schärfte ihm ein,
Kleinigkeiten für den Neffen und die
Nichte in der Stadt zu taufen. Das
Nest zählte nur ein paar hundert
Seelen; hier gab es nichts, was
Stadtkinder erfreuen konnte.
Die kleine Frau küßte ihn zärtlich,
streichelte ihm obendrein die Wange.
Stumm und schwer nahm er Ab
schied. Als die Dorfstraße um ein
Stufen über dem Erdboden, und
winkte ihm dm Tribut des Mitleids
nach. Der Mann empfand den Trost
wie Hohn; aber er hob den Arm und
winkte wieder. Dann'schritt er rüstig
aus.
Bis zum Bahnhof hatte er eine
reichliche halbe Stunde. Die Straße
führte über welliges Land, vorbei an
Feldern. Die Luft war frisch, laum
«rwärmt. Die Sonne des FrühlingS
morgens gab den Bäumen, die die
Straße begleiteten, ei» reizendes
Aussehen. Die gelben und roten,
schon sichtlich anschwellenden Blatt
knospen, keck und saftig, schienen gar
nicht zu den trockenen Zweigen zu ge
hören, auf denen sie saßen. Hier und
da standen Sträucher mit frisch ge
färbten Kätzchen. Das Grün, das
mit dem Braun der Flur wechselte,
leuchtete hoffnungsvoll, nicht mehr
mit der dürftigen Winterfarbe. Die
Bogel zwitscherten und trillerten,
als könnten sie sich gar nicht über
die Pracht beruhigen. Im Wan
dern wurde es ihm leicht. Er schmun
zelte, sein Gram war gar nicht so
groß, als die zurückbleibende Frau
wähnte. Gediehen nicht die Bäume
die Sträuche, die Fluren und was
war über sie hingegangen! Der Som
mer dörrte den Boden aus, Wochen
hindurch, daß die feinen Wurzel
fafern auch Glicht einen Schimmer
Feuchtigkeit ansogen. Der Winter
senkte frostige Starre tief in alles
Körperliche und doch: wenn der
Jahr, schoß das volle, unverküminerte
Leben nach außen, ans Licht.
Was anders suchte ihn jetzt heim
ols seine Zeit der Dürre? Nach zwei
unmäßig trockenen Sommern war
kein Geld unter den Leuten; auch
feste Trinker mieden die Schenke.
Wer einkehren mußte, aß das Not
wendige und hütete sich, es sich wohl
sein zu lassen. Gegen Weihnachten
war er ertrankt; Arzt und Arznei
hatten gekostet und die
Menge sich groß zusammenballender
Läpperschulden war fällig und kein
Geld im Haus. Die Rechnungen
für Getränke und andere Waren, die
er neben seiner Schenke verkaufte,
hatten bezahlt werden müssen; dabei
waren seine Mittel draufgegangen.
Bekannte, die ihm beispring«» loim-
te», fehlten. In den sechs Jahren,
di<? er die Wirtschaft führte, war er
m'ch nie in so verzweifelter Lage ge
wesen wie jetzt.
den zu bitten, war peinlich, weiter
nichts. Es hieß dem Geld zuviel
Ehre erweisen, wenn man sich seinet
wegen das Herz beschwerte. Geld
war kein Stück des Körpers, es haf
lockere Metallschicht. Warum sollte
nehmen?
Nun gar, wenn der Besitzer der
liebende, der einzige Bruder war?
Er handelte in der nächsten Mittel
stadt mit Stoffen und Kleidern.
Alles glückte ihm. Fast vom Tage
der Begründung an hob sich sein.
Geschäft, so daß es schon jetzt, nach
fünf Jahren, eines der größten der
Stadt war. Allerdings hatte er mit
der Frau Glück gehabt. Äus einer
sehr, sehr reichen Familie der Groß
stadt, war sie ihm aus Liebe in den
kleinen Ort gefolgt, eine Schönheit,
die, selbst arm, die Wonne jedes Man
nes gewesen wär,!.
Dem an ländliche Frauen gewöhn
ten Manne schwoll das Herz, wenn er'
an die seine Schwägerin dachte. Kin
der hatten sie! Einen Knaben, zart
wie ein Grafenlind, ein Mädchen,
rund, rot und doch heilig vornehm.
Das obere Augenlid der Kleinen trug,
wie bei der Mutter, ein dünnes,
strenges Fältchen. Als der Wirt in
den Zug einstieg, dachte er an dieses
Fältchen. Es erschien ihm als selt
sames Kennzeichen einer bewunde
rungswürdigen, nirgends sonst ver
körperten Vornehmheit.
Die Heiterkeit hielt während der
Fahrt ait. Wie gütig ihm Bruder
und .Schwägerin stets begegneten!
Fühlten sie ihm gegenüber eine Art
Schuld, daß ihnen, die ihr Unterneh
men später begonnen, so reicher Er
folg blühte, während er in der Dürf
tigkeit blieb? Gern würde der Bru
der die tausend Mark hergeben! Ist
nicht überhaupt geben seliger denn
nehmen? Verhilft nicht der Bittende
dem, den er angeht, zu einem Genuß,
ist also nicht der Gebende der eigent
lich Schuldige? Unzählige waren die
sen Augenblick in der gleichen Ver
legenheit wie er, rüsteten sich zum
Bitten und fanden Gehör. Auch ihm
versagt man nichts. Er wird leicht
hinwerfen: „Du kannst mir 1000
Mark geben, Bruder!" Der wird
sagen: „Nicht mehr? Du brauchst
ihm das Geld stumm in die Hand.
Jednsalls ist er auf der abendlichen
Heimfahrt um 1000 Mark reicher als
auf der Hinfahrt. Lachend wird er
bei. Nichts von dem, was sie bar
gen, stand still, alles gedieh an einem
Ort, um anderswo zu nützen. Ebenso
sicher, ebenso leicht würde ihm das
Geld von jenem zufliegen. Wohlge
» « «
Um die Mittagsstunde klingelte er
an der Tür des Bruders. Die'
nicht für schweres Geld! Die Wurst
geben! Die reizende Puppe! Das
niedliche Pserdchen! Er schämte sich.
Es waren doch keine selbstlosen Ge
frshe, unbekümmerte Gast.
Auf die Minute pünktlich trat der
Bruder mit den Kindern ein; sie hat-
Der Bruder küßte ihn zärt
ten. Er ahnte nicht, welche große
Rolle er bei ihnen spielte. Die Kin
der, die den Onkel jedes Jahr ein
stimmt; als Strafe drohte man,
ihnen die Reise zu versagen, und sie
waren betrübt. Aus frisch gepflegten
Vorstellungen stellten sie ihre
raschen Fragen, während die Eltern
schweigend daneben standen und bald
einen stolzen Blick auf die Kinder,
bald einen zufriedenen auf den Gast
Bei Tisch war die Reihe, auS^ühr-
Kinder, wandte sich dem Befinden der
Gattin, dem Gange der Geschäfte zu.
Ohne eigentlich zu klagen, ließ der
doch durchblicken, daß er nicht gerade
auf Rosen gebettet war. Der Bru
der schenkte diesem Umstand ehrliche
Aufmerksamkeit. Jetzt, bet dem Glas
Wein, das der Bruder zu Ehren des
Gastes kredenzte, war das Gespräch
allein anging. Wenn er ihn auf dem
Ausflug ein Weilchen unter vier Au
gen sprach, dann ... Als er dielen
Lust verspürt, das Geschirr des All
mer zehrt jede vorrückende Stunde
von der Frische, dem köstlichen Gut
der Frühe, so daß der Mittag schläs
sich als eine festliche Gemeinschaft.
Ihr Mittelpunkt war der dankbar
Aufgenommene, fein Verdienst froh
liebten Ziel für solche Wochentags
ausslüge, hielt der Wagen. Man
trank Kaffee und aß dazu den mUn
auffälligen Pflanzungsart. Man
hörte achtungsvoll zu, selbst die Er
wachsenen schlürften, die Belehrung.
„Wie sind die Kinder?"
reich! Besucht uns doch öfter! Ihr
eins wie in der Kinderstube. Ob du
glaubst oder nicht: das ist das Beste
in meinem Leben!
Weihe zu stören. Bis zur Abfahrt
HosfnungSltcht des Gastes schmolz
schnell herunter. Nun standen sie
sich gegenüber, er im offenen Fenster
auf, dankte wieder und gab ihm liebe
volle Ratschläge für den Weg. Er
sah verwirrt bald auf den Bruder,
bald auf die Schwägerin. In seinem
Auge flackerte etwas, dessen er sich
feuert hätte. Merkte man nicht, daß
sprach? Sollte er jetzt den Mund
andere Freude war, die man ihm
machen sollte? Um keinen Preis!
Mochte er lieber bleiben, was er zu
zur Neige.^
Das Zeichen der Abfahrt ertönte.
Den letzten Augenblick riß er sich fort
zur Freude darüber, daß alles war
Munterkeit gefunden, auch seinerseits
zu danken und den Winkenden harm
los zuzuwinken.
Als er sich auf dem Fußweg« fei
nem Haufe näherte, eilte vom erhöh
„Nun?" „Drin.." Er legte
den Mantel ab. Sie fetzte sich und
Geld?" „Nein. Ich lonnt's nicht
geblich wahres, felbsterlebtes Geschicht
zeichnete Redalteur des Witzblattes
„Was für eine Beilage?" platzt
wird!" Alle lachen, und Herr Scnge
fpeck entfernt sich wütend. „Merk
würdige Menschen, diese Witzblattre
„Ei", fuhr sie dazwischen, „ein Aber
»och?"
schmollt,
bückt,
Nackeii
Schrecklich. Gattin: „Sa
ge mal, ist das wirklich wahr? Pro
fessor Tüftler ist stumm geworden?
Gatte: „Aa, ganz plötzlich! Vor
Tagen .st er davon befallen wor-
Gattin: „Entsetzlich!"
Gatte: „Dabei spricht er sieben
Gattin: „Und in allen sieben ist
Besserung. Herr Müller
ist von seiner Gattin im ersten und
zweiten Jahre ihrer Ehe jedesmal mit
Drillingen beschenkt worden.
Im dritten Jahre kommt er eines
Tages freudestrahlend auf seinen
Freund Krause zugesteuert: „Denk'
Dir, was mir Angenehmes
passiert ist . . . diesmal sind's schon
Zwillings"
Äim Sl-p'uxg, scdlau« De
tektiv.
Verbrecher geprügelt, um ihn zum
Geständnis seines Verbrechens
Zuflucht nicht. Wenn jemand des
Diebstahls verdächtig war, so hatte
er eine ganz neue und überzeugende
Metbode, die Wahrheit oder Falsch
war der erste, der die Tatsache ent
deckte, daß die Menschen drei Arten
von Gang haben: einer ist gleich dem
Menschen gar manches, was seine
Ehrlichkeit betraf, vom Gesicht able
sen. Und doch kam die Zeit, da selbst
amte heimlich nach dem heimgesuch
ten Distrikt auf den Weg. Dort
suchte er sich einen Mann aus' dem
Volke aus, und bot ihm soviel Geld
an, daß er ein hübsches Haus in ei-
Nacht kam, Pflegte Ktm selbst, geklei-
Dach zu steigen und sich dorthin zu
legen, wo die Ziegel hätten liegen sol
len, während seine Augen über den
Rand d-rDachrinne lugten. In der
geln nicht zu unterscheiden.
In der dkitten Nacht wurde seine
Wachsamkeit dadurch belohnt, daß er
einen Knaben im Schatten der Mauer
heranschleichen upd still eines der Er
pressungspapiere an das Tor kleben
sah. Mit dem Sprunge eines Ti
gers stürzte Kim vom Himmel herab
auf den Burschen, warf ihn zu Bo
den und würgte ihn so, daß er nicht
aufschreiben konnte. Als er dem
Knaben ins Gesicht sah, war er über
rascht, daß es der Sohn eines der
Diener im Hause war. Der Knabe
sagte ihm nun, daß ein „Herr" ihn
gebeten hätte, das Papier an das
deutung der darauf geschriebenen
Worte nicht kenne. Kim befahl dem
Knaben, ihn zu dem „Herrn" zu
um dem Knaben seine Belohnung
für den erwiesenen Dienst zu geben.
Kim rang mit ihm und überwältigte
brachte, siehe da, da war es
frühererer Freund, der alle Versuche
den Dieb zu fangen, für erfolglos
Strickes.
anständigen Preis, auf feinen Kops
gesetzt halten. Als er die Straße
entlang ritt, stieß er auf einen,
sagte:
„Ich bin Kim Sep'ung und bin
hierher gekommen, um die Räuber
band« zu sprengen. Nun, wie wür
det Ihr darangehen, wenn Ihr an
dem er sich hineinkicherte über diesen
Grünschabel von Frager, „ich glau
be, Ihr tätet am besten in Verklei
dung in die Berge hinaufzugehen und
das Versteck der Räuber auszufor
schen, als erste Grundlage für weite
res Vorgehen."
.Gut", sagte Kim, „das will ich
morgen tun. Ich will ein paar Ku
lis nehmen und ein und den
Adieu,"
Natürlich zog der Räuber sofort
nach dem Versteck in den Bergen und
„Ah, Ihr seid Mitglieder der tap-
Euer Versteck sehen!"
„Das sollt Ihr", sagte einer der
Krachen hinter ihnen zuschlug.
„Ich hielt es für das beste", sagte
Ihr ehrliche Landleute oder Kaufleute
wäret?"
„Ihr müßt wissen, daß es uns
Gefahr Eures Lebens geht. ' Nun,
der lhr seht, ich habe selbst
fttlide Blicke auf seine Leute.
„Wohlan, sprecht Euch aus", sagte
Kim, „ich kann mir denken, was Ihr
kühlt und wie sehr es Euch gegen den
Kim.
Hauptmann saß noch in düsterem
Schweigen da. Zuletzt blickte <r auf
und sagte:.
Wahrheit des Sprichwortes bewiesen,
daß es besser ist, sich einen Feind
»um Freunde zu machen, als ihn zu
töten.
Schlau.
Der Gickelbauer bekommt am Post
schalter auf einen Fünfzig-Mark-
Schein 45 Marl SO Pfennig heraus
Der betreffende Beamte zählt ihm
den Betrag auf dem Schalterbrett i«
Einmarkstücken vor. Doch, von Miß-
Doch kaum hat er bis zu dreißig
Mark gezählt, da wird ihm die Ar
beit doch zu langweilig, und befrie»
wird's wohl auch weiter stimmen."
Spricht's und streicht den Rest
schmunzelnd ein.
Wirt: „Ich habe mich inzwischen
In der Verzweiflung.
Frau (ihren Mann, der in einer tie«
neu Hausschlüssel haben!"
Frau: „Einstmals sagtest Du
stets, lieber wolltest Du mit mir zu
sagt? Na, weißt' dieser Wunsch
Druckfehler.
Der Fürst fuhr vom Bahnhof di
rekt zur Hoftafel, als die Geschütze
den Begrüßungssalat abfeuerten.
ferntesten auf"
Zwischen Schule und
Haus. Willi Lemke (aus der
Muttä, det iS dir janz jesund, det
mir der Lehrer heite so verhauen hat,
warum haste das Rechenexempel
falsch jemacht!
Serenissimus Serenis
simus liest in der Zeitung, daß einem
Kanonier gelegentlich einer Schieß.
Übung das Trommelfell geplatzt ist.
,So, so," murmelt er vor sich hin,
„habe bisher noch nicht jewußt, daß
bei der Artillerie auch Tnimmler
sind.'