I Schlaf. Von Bertha Hallauer. "Sicher Schlaf, der Müden Tröster, Und der Slrmen letzter Hort, AIS ein von der Last Erlöster, Trägst !>» ihn zun, ftriedensort. Mütterlich, Legest Ader sacht'. Und rückst alles in die Ferne, Was ihn traurig gemacht,^ Der Mtgmg. Die Gastwirtsfrau bürstete ihren Mann ab. Er stand auf einem Schemel und drehte sich langsam wie «ine Schaufensterfigur, damit die Gattin, ohne sich zu bücken oder um ihn herumzugehen, den langen Bra- Sie bürstete mit ganz kurzen, em sigen Strichen, und jeder Strich war zugleich ein liebevolles Streichen. „Er gibt, Karl. Was sind deinem Bruder tausend Mark!" „Mir ist nicht wohl." „Wir haben noch nie was von ihm verlangt. Du würdest ihm auch geben, wenn du hättest." „Lieber ging ich zu Fuß nach ?!om." „Mach dirs nicht unnötig schwer! Er ist dein einziger Bruder, ihr liebt euch. Als du krank warst, schickte er «in Paket nach dem andern. Wie herzlich er schreibt! Von jedem Aus flug eine Ansichtskarte. Er sagt immer, wenn du was brauchst, sollst du verlangen ... Er hats dazu." Als sie mit Bürsten aufhörte, stieg «r vom Stuhl herab. Er /nachte ein wehleidiges Gesicht und war um so mehr bekümmert, als er sich bemitlei det wußte. Er vergaß, daß der Bitt gang, den er eben antreten wollte, ihm mindestens ebenso zugute kam wie seiner Frau, und daß sie ebenso trostbedürftig war wie er. Sie reichte ihm den wohlverpackte» Kuchen; sein Mahl zu bezahlen, hatte s,x gestern das letzte Goldstück gewech selt.' Leichter hatten sie «j mit den gleichfalls fest verschnürten Würsten die sie nur aus dem Schrank zu neh men brauchten. An foetwas hat ein Gastwirt auf dem Lande immer Vor rat. Die Frau schärfte ihm ein, Kleinigkeiten für den Neffen und die Nichte in der Stadt zu taufen. Das Nest zählte nur ein paar hundert Seelen; hier gab es nichts, was Stadtkinder erfreuen konnte. Die kleine Frau küßte ihn zärtlich, streichelte ihm obendrein die Wange. Stumm und schwer nahm er Ab schied. Als die Dorfstraße um ein Stufen über dem Erdboden, und winkte ihm dm Tribut des Mitleids nach. Der Mann empfand den Trost wie Hohn; aber er hob den Arm und winkte wieder. Dann'schritt er rüstig aus. Bis zum Bahnhof hatte er eine reichliche halbe Stunde. Die Straße führte über welliges Land, vorbei an Feldern. Die Luft war frisch, laum «rwärmt. Die Sonne des FrühlingS morgens gab den Bäumen, die die Straße begleiteten, ei» reizendes Aussehen. Die gelben und roten, schon sichtlich anschwellenden Blatt knospen, keck und saftig, schienen gar nicht zu den trockenen Zweigen zu ge hören, auf denen sie saßen. Hier und da standen Sträucher mit frisch ge färbten Kätzchen. Das Grün, das mit dem Braun der Flur wechselte, leuchtete hoffnungsvoll, nicht mehr mit der dürftigen Winterfarbe. Die Bogel zwitscherten und trillerten, als könnten sie sich gar nicht über die Pracht beruhigen. Im Wan dern wurde es ihm leicht. Er schmun zelte, sein Gram war gar nicht so groß, als die zurückbleibende Frau wähnte. Gediehen nicht die Bäume die Sträuche, die Fluren und was war über sie hingegangen! Der Som mer dörrte den Boden aus, Wochen hindurch, daß die feinen Wurzel fafern auch Glicht einen Schimmer Feuchtigkeit ansogen. Der Winter senkte frostige Starre tief in alles Körperliche und doch: wenn der Jahr, schoß das volle, unverküminerte Leben nach außen, ans Licht. Was anders suchte ihn jetzt heim ols seine Zeit der Dürre? Nach zwei unmäßig trockenen Sommern war kein Geld unter den Leuten; auch feste Trinker mieden die Schenke. Wer einkehren mußte, aß das Not wendige und hütete sich, es sich wohl sein zu lassen. Gegen Weihnachten war er ertrankt; Arzt und Arznei hatten gekostet und die Menge sich groß zusammenballender Läpperschulden war fällig und kein Geld im Haus. Die Rechnungen für Getränke und andere Waren, die er neben seiner Schenke verkaufte, hatten bezahlt werden müssen; dabei waren seine Mittel draufgegangen. Bekannte, die ihm beispring«» loim- te», fehlten. In den sechs Jahren, di