Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 15, 1913, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ImvarmenMft.
Roma» von <k. von Wisterfelb
(l2. Fortsetzung und Schluß.)
Schön und klug und doch
so scheu wie «in Kind. So was
kriegte man nicht alle Tage!
Er beugte sich weiter vor. Die
rosige Haut ihres Nackens schimmerte
durch das sein- Gewebe. Das lich
te Blcnd ihrer Haare leuchtete in der
Umrahmung des Logenbildes. Sie
fühlte seinen Blick.
„Wollen wir nicht jetzt die Mu-
Ja ja. Sie wollen hören! Kann
ich" verstehen! Jeden Sie sich jonz
dem Jenuß hin. Ick wer' derweil
ein wenig pennen!"
Es ging alles bel ihm durch?!-
nander. Englisch und Teutsch und
Berlinisch. Doch ließ er sie I'tz«
vorläufig unaestört. Gilfe versuch
te sich in die andächtige, gehobene
Stimmung zurückzuversetzen. Es
wollte nicht glücken. Sie sah die
Rbeintöchter sie hörte ihren Gesang:
„Wala, Walaia!" Aber sie empfand
nichts mehr dabei. Der innere Zu
sammenhang zwischen ihr und der
Szene war zerrissen und ließ sich
nicht wieder zusammenlnüpfen.
Sie horchte nur angestrengt hin
ter sich, ob ihr Peiniger etwas von
sich merken lasse. Denn «s peinigte
sie jetzt wirklich der Gedanke: »Sehen
dich aus dem Dunkel der Loge auch
wieder die kleinen, scharfen Augen
an? Betasten sie gleichsam mit neu
gierigen Blicken dein Sein und We
s'N?
Sie fühlte es wie einen körper
lichen Schaue: sie durchbeben.
Und doch saß Herr Nickelson
ganz still. Er merkte ja immer wie
der: er durfte sie nicht zu früh er
schrecken. Er spielte mit ihr wie die
Katze mit der Maus, die das Mäus
lein auch immer wieder lausen läßt,
bis sie endlich mit den Samtpfötchen
gegen. !
Und so gut die Darstellung auch
war, so atmete Gilfe doch auf, als
sie wußte: nun hatte sie es bald
überstanden. Dies Sitzen in dem!
engen, heißen Raum, im Dunkel mit
tem ihr immer unsympathischer
werdenden Manne gestaltete sich ihr
zu einer unsagbaren Qual.
„Und wohin gehen wir heute
abend?" flüsterte er plötzlich dicht an
.Ich möchte in's Hotel. Ich bin
müde."
.I bewahre das gibi's doch
gar nichts Wir müssen doch irgend
wu p> Mbkrd -ba
mmeln wir noch ein bischen durch
St. Pauli, und ich zeige Ihnen Ham-
Plötzlicki lag sein Arm um ihre
Taille. Sie wollte ausspringen, rück
te schon an dem Stuhl mit schnellem
Ruck da wurde aus dem Theater-
Er lachte leise und zynisch auf.
heißer Atem streifte sie wieder. „Ich
soll Ihnen doch eine glänzende Stel
was! Wenn Sie nicht zu unliebens
würdia sind, schösse ich Ihnen allesi
aber nicht zu spröde fein, mein schö
nes Kind!"
Und wieder legte sich sein Arm
überziehen da stießest« ihn mit
Gewalt zurück, ergriff mit der freien
Hand ihren Mantel und war zur
Tür hinaus.
Was kümmerte sie das unwillige
Murren, das über die plötzliche
Störung im Zuschauerraum laut
wurde! Sie warf im Laufen den
Mantel um die Schultern und rann
te wie gejagt davon.
Sie nahm sich nicht einmal die
sehen. Sie achtete auch nicht auf
ihren Weg in der fremden Stadt.
kort! Endlich faßte sie den Mut,
sich Folgte er ihr auch
nicht? Nein, sie war allein. Ganz
menschenleer war eS um sie. Drüben
fing d>is große Atisterbassin der Alster
an.
Wie schrecklich war es, daß sie, ge
rade sie, stets von den Männern be
gehrt wurde! Und was sollte nun
werden? Sie konnte doch diesen
Mann nie wieder ansehen. Der Ekel
hätte sie überwältigt.
Dunkel lag das Wasser. Ob sie
te sich weit über das Gitter des
BassinS.
Das Wasser leckte und lockte. So
dunk«l war es, kein Mensch hätte sie
hier gesucht. Und hätte sie «in«r
vermißt? ....
Doch Klara! Sie fühlte es
plötzlich, daß dies« Schwester sie
li«bt«, daß sie gerade ibr mit solch'
einem Ende einen wirklichen, großen
Kummer machen würd«.
Und Sünde war «S, Sünde und
Feigheit. >
Si« wandte sich erschauernd um.
Nein, nicht dahinein nicht in
die dunkle Flut: aber fort von hier,
so kasch wie möglich!
Stadt? Wie sollte sie ihr Hotel
finden? j
Da hörte sie sich näherndes Räder
rollen. Eine leere Droschke fuhr
langsam d«r Stadt zu.
Gilfe rief den Kutscher an, nannte
ihr Hotel und stieg ein.
Im behaglichen Zuckeltrab fuhr
die Droschke davon. Gilfe hätte ihr
am liebsten Flügel gewünscht. End
lich hielt sie vor dem Hotel.
Der Portier empfing si«. Herr
Nickelsohn habe nach ihr gefragt.
„Ich bin für niemand zu sprechen,
hören Sie? Für niemand! Und mor
gen früh mit dem ersten Zug fahre
ich ab."
„Sehr wohl, gnädiges Fräul«in!"
Gilfe trat in den Lift und ließ
Füße trugen sie nicht mehr. In ibrem
Zimmer drehte sie alle elektrischen
Flammen an, schloß und riegelte
sorgfältig ab. Sie fürchtete sich in
der Dunkelheit. Und dann sank sie
angekleidet aus ibr Bett. So lag
sie, hörte alle Stunden schlagen,
bis sie gegen Morgen noch in einen
so verleidet war.
Mit dem Engagement wurde
eS natürlich nichts: sie selbst hatte
Und sie fühlte, daß es diesmal für
immer war.
Einmal flog ihr während der
Fahrt der Gedanke an H«rbold durch
den Sinn. Sollte sie ihm schreiben,
sich an ihn wenden, daß er ihr helfe?
Vielleicht hatt« er schon Einfluß in
Weimar.
Aber sie verwarf den Gedanken so
fort. Auch dieses Bild war nickt
ohne Flecken, auch diese Erinnerung
war nicht hell und klar.
Ein anderes Bild stieg vor ihr
auf: das Haus des Vaters war es,
das ihr mit gehörte, das ihr Heim
wär, das er auch sür si« bestimmt
hatte.
Das stille Stiidtcken Seefeld und
darin das alte große Haus in dem
düsteren Park und daneben der Kanal
und die Zieaelei. Und sie sab und
hörte das Leben auf den Kähnen,
di« Rufe der Fischer, die Treidel
pferde i alles, alles stieg vor ihr auf.
lockte und winkt«.
Und hinter all dem stand hell und
freundlich KlaraS liebes Gesicht
standen Klaras ruhig« Augen. Das
lockte noch mehr als alles andere^
Und leise flüsterte sie: „Ich kom
me!"
» « »
Auf Klarahütte hantierten die
Maurer und Ziinmerlcute.
Jetzt, da der Frühling in's Land
kam. war d«r Bau begonnen worden, !
zuerst der des Stalles; aber er wur- !
de etwas weiter vom Haufe angelegt,
damit di« Gebäude nicht in so ge
säbrlicher Nähe zueinander liegen
Zollten. Gleichzeitig wurde auch
-lektrifches Licht im Stall« eingerich
tet. wie es ja schon lange in der
Fabrik in Gebrauch war. Wilhelm
batte schon früher diese Absicht gehabt,
nötige Ausgabe. Wäre es damals
gleich nach Wilhelm gegangen und
dafür im Sckloß irgendein über
flussiger Luius gespart worden, so
ivürde das Unglück nie ge-
Jetzt erstanden die Grundmauern
ȟr das Wohnhaus. Es wurde ein
geräumiges einlaches Landhaus mit
Der Gedanke zog durch seine Seele:
Wird jetzt das Glück in diesen
Mauern wohnen? Wird es anders
ändert in diesen Wintermonaten.
Klaras Beispiel hatte mehr gewirkt
als viel» Worte. Und wenn die
Eva kommen wollte, wenn Unruhe
und Unrast und Sehnsucht nach
Glanz und Luxus durch ihre Seele
Else konnte wieder gehen; aber
Die Hüfte bog sich bei j«dem Schritt.
Das traurige Wort „hüftlahm" war
Mahnung für die «itl« Mutter
aber auch eine wirksame. Wäre
Elfe ungeduldig, unfreundlich un
glücklich gewesen, so hätt« «s wohl
Eva bitter gemacht. Aber das lie
benswürdige Kind sprach gleichsam
eine Pr«digt ohne Worte, und Frau
Eva verstand diese Predigt. Sie
fühlte, daß sie jetzt ihrem Kinde nur
j stets di« liebevolle Mutter sein durs
te, um es zu entschädigen für so
manches, was das Leben ihm vor
enthalten würde.
Vis jetzt empfand >-clf« noch leine
Entbehrung, bis jetzt war sie stets
glücklich und zufrieden, und Klaras
j ganzes Bestreben war, ihr durch
einen Ausblick auf ihren künftigen
Beruf einen festen Halt für das
Sie sagt« ihr, daß sie «s sei, die
später die Ziegelei übernehmen soll
te.
! „Seit Gertrud mir untreu ge
worden ist, habe ich keine Nachfol-
I gerin mehr, und Großvaters Werk
darf doch nicht in andere Hände
kommen. Dann wird Elfe Brach
mann Besitzerin der Ziegelei und
des Hauses, und dann kommen alle
zu dir, und du wirst ihnen ein Heim
geben, wenn Tante Klara schon
tot ist. Nicht wah'. Elfenkind?"
„Ja, Tante Klara," sagte die
Kleine ernsthaft. „Aber erst mußt
Tante Klara tot ist."
„Nun, also gut, dann leben wir
beide hier zusammen, und du bist
meine Stütze und meine Hilfe, wie es
Gertrud sein sollte, die böse Gertrud,
die nur noch an ihren Doktor denkt.
> Ist dir'S so recht. Elschen?"
„Ja, «S muß schön sein!" Klara
dachte es auch oft. wenn sie daS
überströmende Glücksgefühl ihres lie
ben Trudelchens sah. Schön muß
te es sein! Vielleicht hätte auch sie
dazu gepaßt, einen Mann zu be
glücken.
! Aber sie war ja nie hübsch gewe
sen, und sie hatt- früher nicht ver
standen, ihre wahre Natur zu zei
gen. Sie war als junges Ding
stets scheu und ängstlich gewesen.
Sie war erst aus sich herausgegangen,
seit sie mit der Ziegelei die große
Verantwortung auf sich ruhen fühl
te. Da wurde sie selbstbewußter und
sicherer, und nun war sie der Pol,
um den sich alles drehte.
Und sie strich mit der Hand über
die Auaen, als wische sie eine Trü
bung fort.
Nein, so war's am besten!
Und dem Vater dankte sie das
alles, dem treusorgenden, teuren
Vater, der nun schon so lange in
der kühlen Erde schlief.
Und bei all» Befriedigung
den Hochflug zur Son
ne machen wollten. Beide waren und
blieben für sie die Sorgenkinder.
Henning konnte da! Schuldenmachen
nicht lassen. Vielleicht wurde es
besser, wenn er nun bald eine ei
gene Verantwortung tragen würde?
vielleicht aber wurde es dann auch
erst aanz schlimm,
l Und Gilfe?
> Gilfe hatte geschrieben. Klara
trug den Brief nun schon zwei Ta
ge lang in der Kleidertasche mit sich
herum. Er lautete:
„Liebe Klara!"
Erinnerst Du Dich noch der Sand
uhr in unserer Kirche, die jetzt nicht
mehr existiert?
Sie ist mir seit meiner Kindheit
unvergeßlich. Sie hing neben dem
Altar und war ein sehr seltenes,
altes Stück, das aus drei Teilen be
stand Der größte zeigte die vollen
Stunden an, ein zweites kleines
Glas die halben und ein drittes,
ganz kleines, die Viertelstunden.
Ein Blick auf die Uhr belehrte den
Vrediger. wann es Zeit sei, seine
Predigt zu schließen. Diese alte
Uhr und der alte Brauch bestanden
bis vor etwa zehn Jahren, wo die
! Ich habe in letzter Zeit ost an
glaube, ich muß mich auch nach ihr
richte». Meine Zeü auf der Bühne
ist abgelaufen. Was mich noch auf
ibr hält, sind nicht Begeisterung und
Ideale, sondern nur die Sucht nach
dem Beifall der Menge und nach dem
Für mich ist eS doch nicht das
Rechte. Ich bin zu schwerfällig dazu.
Ich kann mich nicht leichten Herzens
über manche Schranke hinwegsetzen.
Ich habe mir die Hände an den
Dornen der Künstletlaufbahn blu
tig gerissen, und ich weiß, ich werde
immer wieder über die Schranken
stolpern, die sür mich überall aufge
richtet sind. Und nun kommt die
Frage, die mir Weihnachten schon
auf dem Herzen brannte, und die
ich doch mündlich nicht aussprechen
tonnte: Willst Du vergessen, was
zwischen uns stand? Willst du mich
teilnehmen lassen an Deiner Arbeit
und an Deinen Freuden? Gertrud
verläßt zu Pfingsten unser HauS.
Dann ungefähr geht die Saison zu
Ende, während deren ich noch bier
gebunden bin. Darf ich dann heun-
kommen in daS warme Nest, das mir
damals zu eng war. über das ich
spottete und schalt? Und willst Du
den flügellahmen Bogel wieder zu
Dir nehmen, nicht nur in das Haus,
das vielleicht auch mir mit gehört,
sondern in Dein Herz, das ich mir
selbst verschlossen hatte durch Un
verstand und Sehnsucht nach Frei
heit?
Ich komme ja auch nicht als eine
aanz Gestrandete, die nicht erreichen
tonnte, was sie sich vorgenommen
hatte; dann wäre ich niemals ge
kommen, dann wäre mein. Stolz zu
groß gewesen, um als Bittende zu
Dir Aber ich habe
gesehen, trotzdem ich erreichte, was
ich wollte, daß. wenigstens sür mich
das Glück nicht aus diesem Wege
liegt, und deshalb komme ich
Und nun noch einmal, Klara:
nimm mich auf! Du sollst eS nicht
zu bereuen haben! Grüße unser
Bräutchen, grüße die Geschwister
von Klarahütt«, uitd grüße das
kleine, gute Fräulein Liitchen Bel
ker. Du weißt nicht, wie viel sie
beigetragen hat zu meinem Ent
schluß.
In herzlicher Lieb«
Dein« Schwester Gilfe."
Klara hatte den Brief wieder
und wieder gelesen.
Was es ihr« stolze Schwester ge
kostet hatte, so zu schreiben, das
tonnte nur sie wissen, die dies begab
te, aber eigenwillig« Mädchen hatte
heranwachsen sehen. Und dann
schrieb sie ihr ein paar kurze, herz
liche Worte, die in dem eilten Gedan
ken gipfelten: „Komm. Ich bin
glücklich, daß nichts mehr zwischen
uns steht!"
Das Pfingstsest sollte alle Ge
schwister wieder einmal vereinen.
Gertruds Hochzeit, die Klara mit
j mütterlicher Sorgfalt ausrichtete,
! war der Anlaß, daß seit des VaterS
Tode zum ersten Male wieder alle
beisammen sein würden.
! Auch Eberhard kam um diese
Zeit nach Deutschland, und die ver
heirateten Schwestern sollten eben
falls kommen. Alle acht wollten sie
einmal wieder in Vaters Hause ver
sammelt sein. Da war es gut, daß
vorher die Winiergäste das Haus
verlassen konnten.
! Der Neubau auf der Klarahütte
war vollendet, und da es jetzt zum
Sommer ging, würde er auch bald
! Eines Tages batte in dem
te Familienlilder auf dem Eßtisch in
der Mitte des Raumes ausgebreitet
und ausgestellt. Blumengirlanden
schlangen sich um daS Tafelgeschirr,
und als die Sonnenstrahlen sckon
schräg in's Fenster fielen, da brachte
sie Bruder. Schwäaerin und Nichte
init dem Wagen Heraus und fiibrt«
te sie an den geschmückten Tisch „Hier
hast du dein H«im wieder. Wilbelm;
möge es dir ein Asyl des Friedens
nach schwerer Arbeit sein."
Erschüttert beugte sich Wilh«lm
ster, der treuen, sorgenden, und drück
te einen fast ehrfürchtigen Kuß auf
diese schmale Hand, die schon so oft
geschlichtet und geebnet hatte, wenn
im Hause Brachmann etwas rauh
! „Jh, einen Handkuß?" lachte sie.
nicht gewöhnt!"
! Aber er konnte der Rührung nicht
ganz Herr werden und faat« ernlt:
Betriebe etwas zu leisten. Ich habe
viel hast du erreicht!"
„Ich habe Glück gehabt, Wilhelm,
beit verdanke."
! „Und wir dir, Klara! Ja. wenn
! wir dich nicht gehabt hätten!"
„Mich? Nein! Die Hauptsache war
das warme Nest, das Vaters Wll«
Voraussicht geschaffen hat. Möchte
das soll mein Streben sein, solange
ich lebe. Und sväter tritt eine an
dere an meine Ste"e und sorgt wei
ter. Nicht wabr Elsenkind?"
Sie zog die Nichte l>ebev"ll an sich.
Und vertra'Knd und hoffend blick
te diese zu ibr auf.
Nur Eva konnte sich noch nicht voll
kommen in all den Wechsel finden.
Sie hätte f'" ihre Tochter ganz ande
res gewünscht: eine stolze, reiche
Heirat. Sie füate sich zwar in ihr
Geschick, sie ging auch mit gutem
Willen an die eigen« Tätigk«it, ober
ein stiller Neid blieb in ihr auf die
Schwägerin, ibr stets die Liebe
der Ihren zu rauben schien Sie
konnte so rasch nicht eine andere
Aber der Mille, für Mann und
Kind zu arbeiten, war da.
Freudigkeit und Gelingen bringen.
« » »
de de» alten Herrn Brachinann dort
beisnmmen gesessen hatten, um die
Verlesung des Testamentes anzu
hören: die verheirateten Schwestern
mit ihren Männern, die drei Brüder
Wilhelm, Eberhard und Henning.
Frau Eva und die drei Schwestern
Klara, Gilfe und Gertrud. Auch
Justizrat Saliurg, der alte Freund
und Berater des Hauses Brachmann,
war zugegen. Als neue Glieder der
Familie nahm die Jugend Bruno
Bergholz und Elfe teil, und au
ßer ihnen war als Hauptperson Dok
tor Jenssen zu nennen, der morgen
für immer in den Kreis ausgenom
men wurde.
Denn morgen war Gertruds Hoch
zeitstag.
Die liebliche, junge Braut war
heute der Mittelpunkt des Interesses.
Sie entzückte alle durch ihre strahlen
de Glückseligkeit, die in den blauen
Augen glänzte, von der weißen Stirn
leuchtete. Sie war stiller als sonst
und durste auch nicht so geschäftig
bin und herlaufen, um für alle zu
sorgen. Das litt Klara nicht.
„Heute ist dein Ehrer.Ug, Klein
chen. heute wirst du bedient."
„Eigentlich erst morgen, Klara!"
lachte sie.
„Nein, morgen ist viel Unruhe und
äußerliche Feierlichkeit. Heute bist
du zum letzten Mal hier im alten
Heim als mein Kleinchen. Morgen
kommen wir alle erst in zweiter Li
nie. Nicht wahr, Kurt?"
„Hoffentlich!" sagte Doktor Jen
ssen ernsthaft.
„Pfui, Kurt, wie kannst du das
sagen!" führ Bruno auf, „Tante
Klara bleibt immer, immer die
Beste und Wichtigste sür uns alle!"
„Nun stehst du, Klara," sagt«
seine Mutter, „und da soll ich nicht
eifersüchtig sein?"
„Ja, Mutler, das hilft nun alles
nichts. Seit Tante Klara mir auch
noch zu meinem Beruf verHolsen hat.
seitdem weiß ich gar nicht, wie ich
ihr's genug danken soll."
„Ja, ja, das schreckliche Meer!"
seufzte Frau Judith. „Ich werde
nie itiehr eine ruhige Stunde haben!"
„Laß gut sein, Mütterchen, du
söhnst dich auch noch damit aus"
Iröstete Amtsrichter Bergholz. „Wenn
dein Junge erst in der kleidsamen
Uniform der Seekadetten nach Hause
kommt, dann ist meine Alte ja viel
zu stolz auf ihren Sohn, dann redet
sie nicht mehr so."
.Und wenn er einsam auf Wache
fleht in der Sternennacht, während
das Schiff durch die stillen Fluten
dahingleitet, dann liebt er seine
Mutter und seine Heimat tiefer, in
niger. nachhaltiger, als wenn er im
täglichen Einerlei und Strudel des
Großfiadtlebcns kaum Zeit hat, an
stt zu denken. Das glaube mir,
Judith."
ES war Eberhards ruhige Sttm-
Nte, die so gesprochen hatte, und je
der fühlte, daß er aus eigener Er
fahrung sprach.
„Aber das Wasser hat keine Bal
ken!" lachte Henning aus dem Hin
tergrunde, wo er sich in seiner be
liebten Manier im Schaukelstuhl
wiegte.
„Hat denn deine Luft Balken, mein
Junge?"
„Oh, die Luft, das ist ganz etwas
anderes! Das Aufsteigen in die
Höhe ist so herrlich, das stille Gelei-
Fliege/abstürzen, immer wie
der Pioniere der Luft sich finden,
die dies neue Terrain erforschen.
Es ist der Zauber der Lust, der sie
fesselt, der Zauber des Fluges, der
seit Ikarus Zeit die Menschheit in
seinem Banne hält."
„Erzähle dob einmal von deinem
mal bitten.
„Wir waren mit dem Kugelballon
„Elektron" am Sonnabend nachmit
tag in Bitterseid aufgestiegen," er
griff er das Wort. „Führer war
der Kaufmann Sonne, der an diesem
Tage seine zwanzigste Fahrt unter
ein Herr von der Lufifahrt-Gesellschafl
in Bitterseld in der Gondel und zwei
Zerren aus Letv,>a. Es war eine
grrßete Fuhrt nach Süddeutslbland ge
plant. für die wir uns ausreichend
Es herrschte fast völlige Windstille,
Weltbund
über Es
ich nicht alle ini» Namen weiß, bis
lichem Winde in Höhe von 442 Meter
Diesten überflogen. Dann ging
eS ins gebirgige Elbtal. Da lern
te ich auch die Gefahren der Lust
>!nd Lauban tobte ein ungewöhnlich
heftiges Frühgewitter. Die elek
trischen Entladungen folgten sich in
7asender Schnelle, und e» war gut.
daß w'r «inen so erprobten Führer
batten: so konnten wir den Gewit
spiel, loie Blitz auf Blitz hernieder
ging und wir die schweren Gewitier
wollen unter uns sahen. Doch da
unser Führer bei dem Unwetter
die nun kommenden Höhenzüge des
Riesengebirges fürck>i«te, »ersuchte er.
zur Landung zu schreiten lind es
glückie, Sin paarmal hlltte ich mei
ne Seele schon Gott befohlen. Aber
wir kamen auf einem Weite,« Korn
feld bei Dohnau unversehrt zur Erde.
In einer Scholtlsei
Schul,nigut beifit es tt>rht bei mis
wurden wir freundlich aufaenommen,
und der Rillnn wurde gtboriieit.
Am nächsten Moraen sabeN wft.
daß wir auf einem sehr interessanten
Fleckchen Erde aelandet wartti. Es
war das v"n Kailbach,
Dohna» fl'eßt die Katibach: dort
nannien Malhüael. errichtet, einen
Hausen aroßer Feldsteine, auf d«?nl
schiftet ist. die auf dem Scklachikelde
gefunden wurd-n. Auch ein Kreuz
auf dem Denkstein? ist aus Kimeln
gebildet. Sebr interessant in Dir
nau war auch kür uns das Museum,
das erste Dorlmufeum. das Deutsch
land hat. und das erst im vorigen
Jahre eröffnet wltrde. Hier sind
alle die Erinnerungen an die Schlacht
auf r>en Feldern zwischen Köbach
und Geisse a»ss'ewabrt: Kimeln itiid
und Hufeisen. Und außerdem bat
chern und Bildern. Vhotoaravhien
und Büsten von Bliicher und seinen
Helden aibt, kurz, alles, was altf das
Jak>r 1818 Bezug bat.
Auch der naheaeleaene Ort
Kroiifch bat seinen Denkstein, ober
zum Gedächtnis an 1866. Wir
dort noch das Kroitscher
Schluß, das im Besitz der Familie
Enaer ist. und den Bark mit den
j uralten Baumriesen. dem seit.hundert
lahren raupenden Katzbachwebr und
! den dielen Ermiierunaen und Alier
iümern. die das S'blr'ß birgt, ebe wir
mitsamt unserem Ballon per Bahn
von Station Wildschiik über Lieg
nitz nach Viiterleld zurückfuhren. . . .
„Das ist wirklich eine ereionlsreiche
Tour gewesen," bemerkte Eberbard
..Aber war nicht die Erde mit Ihren
Erinnernden doch interessanter als
die Luft?"
.Interessant vielleicht vielsei
tiger. Aber schöner, größer, hehrer
ist der Eindruck der Luftschiffahrt,
und ich werde hrsfentlich bald ganz
zur übergehen kön
.Als Sport?'
.Nein, q,i>. Bervf."
Soeben kam Gilfe wieder herein,
' die draußen Klara geholfen hatte bei
den häusllchen Anordnungen für die
vielen Gäste.
Da bat Gertrud: „Gilfe. singst du
„Ja, Gertrud, gern. Ich sollte
i abend hier."
l Sie trat an den Flügel und sang
Ruths Worte, di« schon oft einer
Braut mitgegeben wurden als Leit
faden für den Sbeweg:
„Wo du hingehst, da will ich auch
hingehen, und wo du bleibst, da blei
be auch ich. Dein Gott ist mein
Gott, und dein Volk ist auch mein
Volk. W? du stirbst, da sterbe auch
ich, wo du ruhest, will ich begrab»"»
sein, und nur der Tod soll uns schei-
Alle lauschten ergriffe» von dem
> herrlichen Gesang. Gertrud lehnte
den Kopf an die Schulter des Ver
lobten, Elfe schmiegte sich an dit
Mutter. Klara war leise aufge
standen. Jetzt trat sie zu der
Schwester, die noch selbstvergessen die
Hände aus den Tasten ruhen ließ.
Sie legte ihr die Hände auf die
Schulter und sagte: »Das war ein
schöner Schluß für de» PUtlgen
Abend ich danke dir, Gilfe! Und
ich freue mich, daß dil hiiitlgkkehrt
bist zu mir und lii das Hatis, das
Vaters Liebe uns gegriwdet hati
Hoffentlich wird es dir nicht zu
sckwer sein, bier in der Stille bei
mir auszuhalten. Dann steht dir ja
auch immer wieder der Flug in's
Leben offen."
„Ich glaube nicht, daß es mich noch
einmal hinaustreten wird. Ich habe
die Stille und den Frieden dieses
Heims schätzen gelernt und
deine Liebe, Klara," setzte Gilfe
' leiser hinzu, indem st« innig zu ihr
i ausblickte.
„Na. also!" l'gte Jusiizrat Sal
! bürg „Mein alter Zsreund Brach
mann würde zufrieden sein, wenn er
> heute unter uns weilte. Ein war«
! mes Nest hat er seinen Kindern be-
wieder mal Stürme kom
men im L«ben und di« werden in
einem so großen preise nicht fehlen
dann wissen Sie allt, wohin Si« zu
rückkehren können, «nni's dnttißen
zu bunt wird, nickst wahr?"
.Das wissen wir. «Nd das wol
len wir!" sagte fest.
Ende.
Für die Küche.
Gedämpfter Wickelbra»
dcl» Nierenstück ohne Nieren, hackt
den RUckgratlnochen ab und löst die
Nippen heraus. Dann bereite man
»ott Speck, Zwitbeln, Pfeffer, Salz,
elwos gehacktem Fleisch, Eiern, ein
geweichtem Weißbrot eine Mischung
und hestreicht damit die innere Sei
te des Fleisches, rollt es auf und uni
umwickelt es in» einem Bindfaden.
Tann läßt man den Braken in reich
lich Butler UNt?r vielem Begießen
mlirbe werden. Die Sauce wird
durch saure Sahne seimig gemacht.
Hamintlrippen mit Z w i e
bilsauce. Einige Zwiebeln Kackt
mat, seht fein und schwitzt sie in But
ter selb. Eine gut eingelochte Becba
nislfauce zieht man mit einig>n Eigelb
ab, mischt die Ztbiebeln darunter i»i!>
riihrt die Saitce bis ans Kochen, wor
aief man sie vont Feuer nimmt und
mit ein paar Tropfen Würie verkei
»tri. Die Hämnielrivven brät man
recht im Scisi, überzieht sie mit der
Sauce, stttttt stische, in Butter ze-ö-
Pete Semmelkruiptn darüber, schiebt
das Gericht einige Augenb>'cke in den
Ofen, ortinei dänn die Rivvrben im
Kranze an und qibt sie rasch aus.
Spinat mit Eiernudeln.
ZuMn! - drei tiefe Teller voll Svi
nat, Pfunh Eiernudeln. 1 Löffel
Butter, Salz. 1 Tasse N'ilch.
hösfel Zucker, 4 Eier. Man reinigt
den Spitiol, wascht ihn lauber und
seht ihn mit kochendem Wasser auf.
Wenn er weich ist, schüttet .nan ihn
auf ein Haarsieb und hackt ihn dann
sehr fein oder streicht ihn durch einen
Durchschlag. Dann legt man in eine
KclMölle einen Lössel Butter, etwas
Solz, I Tasse Milch,
dep Spiyat und Pfund Eiernu
deln, die man vorher in siedendes
Salzwasser gelegt und eine Piertel
puiide gekocht Hai, worauf man sie
auf ein Haarsieb schüttet. Aus ganz
schwachem Feuer kocht man den Svl
nai mit den Eiernudeln noch einmal
durch und fügt, sollte er zu sick sein,
»och etwas Bouilldn oder Milch dazu.
Man garniert die Speise mit einigen
hartgekochten, der Länge nach in vier
Teile geteilten Eiern. Dauer der Zu
bereitung eine Stunde.
EinfacheKartoffel-Frik
gestampfte Kartoffeln! sind sie nicht
eben, so preßt man sie durch ein Sieb,
gibt aus ein PsUnd Krrtoifeln 1 gro
ßen Eßlöffel Butter in eine Pfanne,
laßt die Butter schmel-en. aber nicht
braten, gibt die Kartoffeln hiinu, so
wie, wenn nötig, Salz und Pfeifer
Nach Geschmack, 1 geschlagenes Eigelb
mit 2 Eßlöskel Rahm vermischt, und
läßt die Masse heiß werden. Auf
«Inen Teller ausgebreitet teilt man,
nachdem die Kartoffeln abgelühlt find...
die Masse in gleich große Teil.', rollt >
Bällchen davon, die man mit geschla-
genem Ei bestreicht, dann in feinge
rollten Brodkrumen wendet und in
kochendem Schmalz gcld'elb bäckt.
Durchgetriebene Bohnen
suppe. Man läßt >/<> Quart weiße
Bohnen mit etwas rohem, mageren
Schinken, 2 Zwiebeln. Petersilie und
, etwas frischer, guter Butter zu ei-
I nem Brei verkochen, streicht diesen
durch ein Sieb und verrührt b'es mit
guter Fleischbrühe zu einer dünnflie
ßenden, jedoch gebundenen Suvpe,
gibt Salz, und ivenn gewünscht, auch
etwas Pfeffer dazu und richtet sie
über dem würfelig geschnittenen
Schinken und gerösteten Brodwiir
feln an.
Billige Fle! fchrolle. Man
kauft ein Bauchstück von Rind Iflank)
und ritzt mit einem sehr scharien Mes
ser kreuz und quer darüber, jedoch
flach ausgebreitete Stück Zsleiich wird
darnach mit Salz und Pfeifer und
etwas Paprika bestreut, mit einer
dicken Lage von trockenen Brodkrumen.
feingehacktem Sellrie sowie mit
Salz und Pfeffer gewürzt hat, bestri
chen. Dann werden einige hartgekochte
Eier, die Man in einer geraden Reihe
auf das Fleisch gelegt bat.
mit aufgerollt, sodaß die Eier in der
Mitle der Fleischrolle zu liegen lam
men, die Rolle dann mit Zwirn um
wickelt und in wenig Wasser weich
gedünstet. Man soMe das Fleisch
Mctti d«» d e Platte, ent
über.
Geladene Kartoffeln Mit
P.»rnt«sa n!i> se. Man lockt 4
Pfund Kartoffeln mit der Schale,
aber nicht zu weich, schält sie und
sie in Scheiben. Man reibt
10 Anzen schönen Parmefankäse,
vlrquirli ihn mit 1 Pint dicker sau
rer Sahne und drei Eiern. Eine
Backform stre cht man mit
mit Salz bestreuter Kartosselscheib?»
hidiin, gießl von der Käsesahne dar
über, füll« wieder Kartoffeln dar
über und Kinn SahNe, und fähil so
fort, bit beides ükrbrwicbt ist. Oben
auf muß Sahne sein, sie wird mit
elyer MtsckMg »VN Semmellrumn,
und bestreut, mit klei-
Form Ick Osm eine halbe Stund«