Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 27, 1913, Image 2

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    Ter arme schluckt?.
Es paßte Inge Hagedorn ganz
und gar nicht, daß sie in diesem
Jchre Pfingsten auf einem pommer
schen Dorfe verleben sollte. Die
verwöhnte Geheimratstochter war ein
echtes Großstadtk'nd, Wenn man sie
poi die Wahl gestellt hätte, so wäre
sie schon licber in Berlin geblieben,
die Pfingstfeiertage hindurch. Sie
fand im stillen ihre Eltern „herzlos",
weil sie, ohne auf das Schmollen ih
rer einzigen Tochter Rücksicht zu neh
n>en.» seelenruhig Anstalten trafen,
das Fest in der Sächsischen Schweiz
U»d Jnaebora sollte unwiderruflich
pir Pastorin nach Mellnow.
Eigentlich hatte sie die sanfte Tante
Ingeborg, deren Patenkind sie war.
recht lieb. Die alte Dame war in
ibren, Ansichteti allerdings ebenso
altmodisch, wie ihre Wohnungsein
richtung. sie lebte und webte auch
ausschließlich in der Vergangenheit.
Ja es war hart, daß Inge auf
eine Fußtour im Gebirge mit ihrem
Vater, aus die sie sich das ganze
ssrilhjahr hindurch schon so grfreu»
hatte. verzichten mußte, nur dieser
Tante zu Gefallen.
Aber im Grunde genommen war
die kleine Inge herzensgut, und als
sii in Mellnow angelangt war, das
Meer ihr seinen Willkommensgruß
zugerauscht hatte, und sie Tante Jn
geborgs Garten voll blühender
Pfinaströschen fand, da fühlte sie sich
vlötzlich ganz behaglich —i» der
„Verbannung".
Die letzten Worte der Mama auf
dem Stettiner Bahnhos in Berlin
klangen ihr noch in den Ohren: „In
ge, sei doch vernünftig! Habe dich
»licht so, du w'ißt doch. Tante Inge
bcrgs Freundin, das alte Stiftsfräu
lein. welches sonst stets zu Pfingsten
in Mellnow weilte, ist im vorigen
Winter gestorben, und Tante fällt es
allein in ihrem einsamen Häuschen
zu sein. Wenn sie auch selten über
Schmerz redet, es ist ihr eine
Wohltat, dann, gerade dann ein lie
b's Gesicht in ihrer Nähe zu haben.
Diesmal hat sie dich eigens zu Pfing
sten ausgebeten: «s ging nicht, ihr
diese Bitte abzuschlagen."
Jnae dachte noch flüchtig an den
dorn nun ich als Pfmgstbefuch weil
siiii. Glaube es mir nur, Taine
Ingeborg, und sei mir nicht b'öle,
d.iß- ich anfangs so egoistisch denken
ist «in schönes Vorrecht
-der Jugend," erwiderte die alte Da
mals das Pfingstsest?"
„Wir machten «ine Fußtour ins
Gebirge, und es war wunderschön;
Papa und ich sind tagelang mar
schiert, und ich wurde kaum müde."
Und Inge begann von ihrer Reise zu
erzählen, bis sie plötzlich ausrief:
„Beinahe hätte ichs vergessen: ich
Doktir Wendelien schreiben?! Also
»icht wahr? Aber der Doktor sollte
Adresse? Also einfach Doktorat bei
fe hast."
Die junge blonde Frau Doktor lud
Jng« sofort zu sich ein: „Morgen
Mellnow, nicht wahr, Frau Pastor,
dann leihen Sie uns Ihr Pflegetöch
so, daß das Großstadtlind sich hier
haft, „zu Pfingsten ist es auf dem
Lande doch immer am allerfchönsten!
Ich bin doch ein Landkind und kann
'en. kommen. Fräulein Inge, da gibt
tigall zu schlagen. Inge Hagedorn
ter dem Volk. Psingstritte usw. Heut
zutage denken die meisten Leute zu
Pfjpgsten gewöhnlich bloß daran, sich
in Saus und Braus zu amüsieren.
Ab«r nein viel schöner ist es doch,
sich in einen stillen Winkel einzu
spinnen und dem zu lauschen, was
der Mai uns erzählt... Nicht wahr,
Fritz/' wandle sie sich lächelnd an ih
ren Gatt«», der sich lächelnd über Ii
« helle Begeisterung freute, „unser
seinen lauschigen Gängen und Lau
ben, der ist solch ein stiller Winkel.
Der wird Fräulein Inge gefallen."
Am nächsten Ab«nd saß Inge denn
auch wirklich in dem Doktorsgarten,
in einer Laube, an deren Gitternxrk
weiße und rote Rosen emporkletter
ten. Uebermorgen war Pfingsten.
Eine rege freudige Geschäftigkeit
berrschl« im Doktorhause. „In Pfing
sten muß alles blitzen und blinken.
stin keinen Schmuck im Hause haben."
antwortete Inge leise und berichtete
dann kurz von dem großen Unglück,
liafter aber war seine blonde Schwe
ster. Sie liebte es vor allem, den
einzigen, älteren Bruder, an dem sie
tcn, die sie, als das Symbol des
licher Adresse sich aus Reisen begibt.
neiiiem Arbeitskorb Wolf?"
Doktor Wolf Hertling schob, bevor
er antwortete, gelassen ein Blatt Pa
pslichtet fühlte, ihrer Tante Gesell
schaft zu leisten. Sie sagte sich frei
lich, daß alles, womit sie die alte
.locken, verhallen müßte. Die Ertn
uirung an da« erlittene Leid war
di'rch nichts zu verwischen. Inge hal-
lebhaft dachte sie daran... „Weißt
sirer Psingsttcur im vorigen Jahre
batte ich ein drolliges, kleines Erleb
nis. Am ersten Pfinsttage war's, da
ners aber lagen auf einem Tisch ei
nige Bücher und Hefte. Neugierig
guckte ich in eins der Hefte hinein,
lauter lateinisches Zeug stand darin,
>md überall Randbemerkungen und
Korrekturen, als hätte sich je
mand hier über schwierigen mathe
matischen Formeln gehörig den Kopf
zerbrochen. Ein Bleistift lag zwi
schen den Seiten des Diarimus. Da
konnt« ich der Versuchung nicht wi
derstehen, ergriff das Blei und schrieb
in recht großer Schrist: „Ach. Sie
armer Schlucker! Es ist Pfingsten,
und alle Welt feiert d«n Mai und
freut sich der herrlichen Natur, und
Si« sitzen über Ihren Heften und
Büchern!" Darunter setzte ich dann
ebenso breitspurig meine Unter
schrift: „Eim mitleidige Seele." Da
stand es nun zwischen den lateinischen
Anblick diese'. Zeilen machen würde."
„Kindskopf, du," sagte di« Pasto
rin mit leisem Lächeln. Aber sie war,
das merkte Inge wohl, mit ihren Ge
danken weit weg in der Vergangen
heit. Da erhob sich das jung? Mäd
chen und schritt hinaus in das abend»
iiche, pfingstgrün« Land. Inge schlug
den Weg ein, der nach Schloß Lau
fen führte. Allerhand neue Stim
men. die sie früher nie gekannt, wach
ten in ihrer Seele auf. Ihr schien
es, als habe sie in den wenigen Ta
gen hier in Mellnow, fern vom Groß
stadtgetriebe, innerlich unendlich viel
gewonnen. In ihre junge oft so
selbstsüchtige Seele war ein neuer, ein
besserer Geist eingekehrt. Das. was
sie früher so ausschließlich beschäftigt
hatte: Tennispartien, Tanzgesellschaf
tcn alles das war nun für sie in
den Hintergrund getreten; sie konnte
stundenlang der Sprache des Meeres
lauschen und meinte, noch nie ein so
schönes Pfingstsest erlebt zu haben,
wi« dieses im einsamen Stranddorf.
Roter Abendschein stand über den
Feldern, auf denen die junge Saat
grünte. In den Gärten der Fischer
bauern blühten die Obstbäume. Und
nun begann im nahen Gebüsch, das
die Landstraße einsäumte, eine Nach
tigall zu schlagen. Inge Hagedorn
blieb stehen und preßte die Hände
gegen ihre Brust: Wie schön " war
doch das Leben! Das Psinastsest
predigte es in seinem maifrischen
Schimmer... Jawohl lauter ar
me Schlucker waren solche, die kein
„Guten Abend, gnädiges Fräu
lein!". erklang plötzlich neben Inge
eine Stimme.
Si« wandte sich in leichtem Er
schrecken um: unter einer Baumgrup
pe, wo ein« aus weißen Birkenstäm
-nen gezimmerte Bank stand, war
Doktor Wolf Hertling hervorgetreten.
„Darf ich mich Ihnen anschließen?",
kragte er. und als Inge ein wenig
befangen nickte, fuhr er fort: „Ich
danke dem Zufall. daß er mich aus
Ihren Weg geführt hat, Fräulein
Hagedorn, so kann ich doch endlich
chen."
„Sie mir Ihren Dank?", ver
s«tzt« Inge erstaunt.
sein, wenn man auf warmes Mit
leid stößt im Leben? Die meisten
Menschen gehen doch teilnahmslos an
'uhr Wolf Hertling, das !etzte Wort
ab ...
„Aber Ihre Fabrik, Herr Direk
ins Gebirge, wie gewöhnlich in Be
meiner Arbeit. Ich legte die letzte
mit der mitleidi.'-n Anrede '„Ach.
Sie armer Schlucker", begann. Aus
'ein Studium der Chemie bis dahin
der Leitstern des Daseins war. Daher
liihmen Sie heute meinen aufrichti
gen Dank für Ihr schönes Mitleid,
Fräulein Inge!"
Inge war in tätlicher Verwir
dlnn daß ich —" stammelte sie.
„Der Brief, den Sie im Austrage
Jhr«r Frau Tante vor ein paar 2a
:>>ill:gung zu ihrer Verlobung mit
Direktor Dr. Wolf Hertling.
„Hätte dieses Pfingstsest dich mir
nicht geschenkt, meine Inge," sagte
der glückliche Bräutigam, als man
i"ube im Doktorsgarten bei einer
Maibowle saß, „so wäre ich trotz
meiner großen, einträglichen Fabrik
Schlichtheit und entschloß sich stets
Jahre der literarischen Mittwochsge
sellschast an, die eine große Anzahl
geistig hochbedeutender Männer zu-
Minister des Innern Friedrich Frei-
und stets als letzte: die Tafelrunde
verließ. Während jedoch die anderen
Wohnungen aufsuchten, ließ sich der
Herr Minister stets im verdeckten
Wagen abholen, der ihn dann nach
als letzter Gast das Lokal verließ,
suchte nach seinem alsen Hut, den er
bei ftinen weinsrohen
stubc. Sehr überrascht war er. als
am nächsten Morgen der Bediente
Schadows erschien, dem Minister den
vermißten alten Hut überbrachte und
neuen einforderte. Das Rätsel fand
bald seine Lösung. Der findige Aka
demiedirektor hatte absichtlich seinen
neuangeschafsenen Hut, um ihn zu
schonen, mit dem alten des Ministers
vertauscht. Während so dessen ver
witterte. alter Filz, dem kein Regen
die nicht mehr vorhandene Schönheit
digt nach Hause.
Einschätzung. „Ihre
Tochter heiratet einen Maler, Frau
Künstler^.'..."
„I, Ivo denken Sie hin! Mein
zukünftiger Schwiegersohn ist Por-
Ein Licbr.o^ser.
riger Stimme:
Ich war damals 20 Jahre alt,
liebte und wurde wieder geliebt; un
sere Verlobung hatte eben staltgefun
den, als der Krieg von 1870 au!i
brach. Als Offizier der Mobilgarde
mußte mein B-rlobter mitziehen. Ich
wohnte mit meiner Mutter, die be
ten gilt nur einem meine Erzählung.
Es war ein junger Mensch, fast noch
ein Knabe. Ihm war durch den
Splitter einer Granate eine Seite
für uns ein Grund war, ihn
in unser Herz zu schließen, war die
Tatsache, daß er in der Heimat eine
Braut zurückgelassen hatte. Er zeigte
uns ihr Bild und einige Briefe, die
er wie ein Kleinod hütete und sprach
ben.
Meine Mutter schrieb an das jun
ge Mädchen. Zwei Tage vergingen,
ein zweiter, dringlicherer Brief mei
ner Mutter gefolgt war. Obwohl
wir selbst unruhig waren, bemühten
Der Arzt redete mir mein Borha
!U spät
mir für den armen K/anken in die
ser letzten strahlenden Illusion die
geeigneten Worte ein. Er sollte we
halten und ihm zulächeln und mit
ihm sprechen. Er schlang mit größ
ter Anstrengung ein.n Arm um mich,
Seelen.
der Gedanke, diesen Kuß zu verwei
gern. Er konnte mir gar nicht kom
men angesichts des tiefen Mitgefühls,
der Barmherzigkeit und des Mitleids,
das mich erfüllte. Unsere Lippen hat
ten sich grade gefunden, als ich plötz
lich die Türe hinter mir öffnen hörte.
Ich war der Meinung, daß meine
Mutter ins Zimmer trat, ich rührte
mich nicht und machte ihr ein Zeichen
mit der Hand, nicht zu sprechen.
Tann lösten sich unsere Lippen von
einander. und sanft hauchte der Sier
bende seinen letzten Seufzer aus,
während fein noch blasseres Antlitz
das Lächeln eines schlafenden Kindes
umspielte. Und mit einem Schlage
wieder in die Wirklichkeit versetzt,
fühlte ich mit einem Male die Gegen
wart eiises anderen als meiner Mut
ter, und eine erbitterte Stimme, deren
Klang ich niemals vergessen werde,
höhnte spöttisch lächelnd:
„Ach das ist gelungen! Das ist
wirklich gelungen!"
Ich wandle mich erschreckt um
und vor mir stand, mich traurig und
feindselig ansehend, mein Verlobter.
Er hatte gesehen, daß ich den Ster
benden küßte, und vielleicht auch seine
letzten Worte aufgefangen. Ich stieß
einen Schrei aut, und plötzlich drehte
sich alles um mich herum. Nach der
langen Nervenanspannung, in der ich
mich mühsam aufrech! erhalten, und
nach den Anstrengungen der vorher
scheuliche Verdacht, den ich gegen mich
aufsteigen sah, zu Boden. Ich ward
ohnmächtig.
Als ich wieder zum Bewußtsein
kam, war mein Verlobter bereits ab
gereist.
Vergeblich hatte meine Mutler
versucht, ihm alles zu erklären. Uebri
gens wußte sie selbst nicht. Vis zu
welchem Grade die Sinnestäuschung
sich des Verstorbenen bemächtigt hatte.
Als sie die Einzelheiten erfuhr, bil
ligte sie alles. Alsdann schrieb sie
hatte.
später erfuhr ich, daß er bei Patey
Diese schreckliche Katastrophe
Mlle. Prasle nachdenklich. Ich ehrte
ner Weile:
den?"
sen," antwortete Mlle. Prasle.
che» Schnee stecken. Als sich die Zu
„Nee, Meier gibt!"
" „Man sieht's Ihnen an!"
Trnmpf.
1. Reisender: „Wir haben
Erholungsstationen sür die Käufer
einrichten müssen so groß ist unser
Geschäft:"
2. Reisender: „Unser Ge
schäft ist hoch, daß wir Fahrstuhl
mit Schlafabteilung haben!"
Literaturglosse. Eine
ernsthafte Spielerei.
Wer jetzt in Dichtkunst seine Nase
tunkt.
Der stößt auf manchen dunklen, wun
den .
Wer da Ideen sucht, leicht täuscht er
sich:
Das Beste, was er weiß, es ist
Das setzt der Autor absichtlich in()
Die magere Pointe jedoch prunkt
Pathetisch hinter einem :
Ob so den Zweck der Kunst man wird
.Ach, Liebster, wi.' schön das ist,
so «in Herz und une^^ee'e!"
„Ja. Schatz, mir ist auch sehr
übel!"
Geistreiche Bemerkung.
(Ein Dealer, Vanille-Eis essend):
„Eigentlich gleicht die Rache dem
Vanille-Eis: es ist süß und soll kalt
! Arzt. Alter
Arzt (zu einem jungen Kollegen):
> ..Wenn Sie auch die Natur der
Krankheit nicht sogleich mit Be
stimmtheit erkannt haben ver
! durch gewinnt der Kranle Vertrauen.
! der Arzt Zeit, und der Apotheler hat
schließlich auch etwas davon!"
Bescheide«.
Trinkgelder. Fremder (der
beim Verlassen des Hotels Trinkgeld
gibt):
„Sie wollen auch ein Trinkgeld?
Ich habe Sie ja nie gesehen. Was
sind Sie denn?"
Hoteldiener: „Ich bin der, der
Schauspieler (in ,Richard Drit
te'): „Ein Pferd, ein Pferd, mein
Königreich sür'n Pferd!"