Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 06, 1913, Image 2

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    Michelangelos Traum.
mit Holzgerüsten vollen Raum, aber
der Alte tastete noch immer am Ge
sichte marmornen Engels und
nem Menschen "angehören. Michel
angelo lehnte Kopf und Schulter an
die marmorne Gestalt und ruhte ein
paar Minuten regungslos und in
naher und geheimnisvoller Verbin
dung mit dem Steinwesen. Bald
kam wieder Leben in seinen Kör
per. er trat an den Tisch beim
rüst, suchte nach dem Feuerzeug, be
sann sich aber, als die ersten Funken
sprangen, und ging zu dem fahl im
Dunlel stehende» Bildw«rk zurück,
um ihm die große Decke iiberzuwer
fen. Nun entzündete er einen Kien
span, beugte sich, daß der graue,
ganz von Marmorstaub bedeckte Bart
übers Holz strich, und tastete mit
schlaffen Händen, ohne hinzusehen,
das Wandbrett entlang. Ein Stück
Brot, auf dem Spuren von verspritz
ter roter Oelsarbe sichtbar waren,
und ein Weinkrug kamen zum Vor
schein. Michelangelo ließ sich auf du
Bettstatt hinter dem Tisch niedersin
ken, suchte nach dem Brotmesser, fand
es nicht und schnitt nun mit dem
stumpfen und schmutzigen, das di>
lag und zum Kneten des Tones
diente, ins Brot hinein. Den Beche:
zu holen, war er zu müde, er fetzte
d«n Zinntrug an und trank lang«,
denn seine Kehl« brannte vom Staud
der Arbeit. Er sah aus wi« einer,
der getan hat, was zu tun war, und
der nun an nichts mehr Teil hat.
Plötzlich kam«n viele Schritte übe,
den Hof. man hörte junge Stim
men. die Tür ging auf und mit Fak
keln kam eine Gesellschaft von Män
nern. „Habt Ihr Feierabend ge
macht. Meister?" fragte Luigi bei
Riccio, der etwas Schweres in dei
hängenden Rechten trug und ein
wenig geneigt ging. „Wollt Ihr uns
heute abend dulden? Wir bringen
Nektor und Ambrosia, genug süi
uns alle!" Michelangelo sah auf und
winkte ihnen zu. erspähte aber so
gleich den langen Marcello Venusti.
der neugierig witternd wie ein
Jagdhund um de» nur halb ver
hüllten Marmorengel kreiste. „Fahl
zur Hölle!" brummte der Alte,
sprang auf, packte eine andere Decke
vom Boden, die nah und schwer
war. und legte sie beim Schein der
Fackeln sorgfältig um den Marmor.
Nur die Füße blieben frei.
„Wann wird man ihn denn end
lich sehen dürfen?" fragte Giorgir
Vasori.
Morgen mittag mögt Ihr kom
wen. Ihr und alle andern! Abel
vorher will ich noch einmal jede Fe
der der Flügel prüfen, ob sie auch
hinaufträgt bis zum höchsten Him
mel."
„Die Heiligen oben müssen nie
derknien, wenn sie ihn schauen!'
sagte der junae und Wunderda,
schöne Eeckino Bracci mit feine,
Flötenstimme und seine Augen hin
gen schwärmerisch an dem angebete
ten Meister. In Michelangelo?
Miene kam jetzt ein Lächeln: er leg
te seine Hand aus die Locken de-
Jiinalings und nickte freundlich.
Indes hatten Luigi und Vasari
das Gerät, das über den Tisck
verstreut lag. herabgeworsen. ein.
große Schüssel und ein paar Tel
ler gesunden und die beiden mii
gebrachten Hammelkeulen daraus
gelegt. Der schwere Weintrug fand
keinen Platz mehr, er wurde aus
>.md baumelt da bis zum Gericht!'
Unwillkürlich blickten alle hin
auf und hoben die Fackeln: Riesiai
Mensck'enleiber flogen über Deck
in all seiner Erschrecklichteil: Gott
sich auf die schlechten Stühle unt
auf das Bett. Hinter den Schat
ten der Männer warteten die Dä
seht, Meister! Ein guter Hammel!
Er hat fröhlich geblökt, als er für
Euch sterben durste!" Und Luigi
sei als alle Wunder, die Ihr bis
Statue.
„Ei wie?" lauerte Marcello. „Ce
chino hat ihn schon sehen dürfen?"
machen? Was? Und dann zu be
haupten, es sei Dein Werk?"
warf Vasari spitz zurück.
brüllte Marcello. „Glaubst du etwa,
bannt war und durch die Hüllen
schaute: „Morgen beim Tageslicht
sollt Ihr ihn sehen. Eechino hat
halb hervor und sank gleich wieder
in die Brust zurück. Aber Cechino,
der neben ihm saß , beugte sich
und küßte seine Rechte. Diese Hand
schien nicht eines Menschen Hand:
sie war wie grauer Basalt, jahrtau
sendelang in den Tiefen des Berges
gewachsen, von innen her mit Seh
nt» und mächtig vorquellenden
Sldersträngen durchsetzt und doch be
seelt wie ein lebendiges Wesen. Des
Meisters Augen kamen wieder nah,
er streichelte dem Knaben die Wan
ge und schob ihm den Becher zu, den
man sür ihn hingestellt hatte.
Der Alte schien gnädig gestimmt,
vielleicht würde er Rede stehen,
wenn sie ihre gewöhnlichen prahle
rischen Gespräche führten. „Hätte
Rafsaelo Santi dies sehen können,
er wäre vor Neid noch einmal ge
storben," versuchte Marcello und
wartete unsicher die Wirkung dieser
Worte ab. Aber sogleich verkündete
Donato Gianotti, der gelehrte Hu
manist: „Der Tag des Jüngsten
Gerichts wird sich mühen, diesem
Bild nahe zu kommen! Ja, wahr
hastig, Ihr habt dem Weltenrich
ter seine Arbeit erleichtert!" Man
merkte, daß sich's Gianotti schon
früher ausgedacht hatte, all- mur.
melten beifällig, nur Vasari wurde
rot vor Aerger, weil ihm dies nicht
selbst «ingrfallen war. Und er
fand schnell etwas anderes: „Nach
Euerm Bild werden die Engel deS
Himmels ihre Gestalt Verändern!"
Und nun war es an Gianotti,
sich benachteiligt zu fühlen.
Auf all dies achtete Michelangelo
nicht. Sie waren es gewohnt und
sie wußten, daß man ihn nicht aus
feiner Schweigsamkeit reißen konn-
Lust hatte. Aber sie sorgten, daß
sein Becher nicht leer bleibe, und
sie gaben die Hoffnung nicht auf,
ihn doch noch guter Laune zu sehen.
gen schlugen zwei andere Flamme»
aus seinen Augen; bald auslohend,
bald versiegend, brannten sie in dem
dtirchrunzelten, staubigen, häßlichen
Gesicht...
Nun kehrte er in den Kreis der
Köpfe zurück. Alle sahen auf ihn
und schwiegen sie erkannten, dah
er innerlich lebendig war, denn kei
»e» andern Menschen gab es, in
dessen Augen Welten aufglühen
konnten .wie in diesen. Sein Blick
war jetzt bläulich verschleiert, nicht
mehr wild und ruhelos, sondern
„Nichts! Was ich gemacht Habe
Sie erschraken. Denn sie alle fllrch
teten solche Worte, unverständlich
feindlich und fremd. Wenn dieser
ihr Leben, ihr Werk?
Vasari wußte, daß der Meister
zu Zeiten Malerei und Bildnerei
nicht leiden mochte, sonderlich wenn
„Und das Denkmal sür de»
Papst!" fügte Gianotti hinzu. „Wür-
Geistes!"
„Des kinderreichsten Vaters!" äff
te Marcello, und einige lachten.
Michelangelo hörte nicht auf a?
dies und sprach weite:: „Niemand
de!" Er reckte den Oberleib, und
sein Blick war streng. Die flache
Nase hob sich, sog Lust ein und
wurde steinern. Ein Wesen aus Erz
und Feuer! dachte Marcello ganz
kurz; aber er schwieg, denn der
Meister fuhr fort: „Bauen eine
Stadt ersinnen eine Stadt mit
hundert Palästen, Türme über st«
hin, jede Straße keiner andern
gleich, Mauern und Bogen rings
um. Eine Stadt? Nein! Er
reckte sich höber und sah jetzt aus
wie ein Riese. „Ein Land, «ine
Stadt, Dörfer, Straßen dazwi
schen. Triumphpforten. Bogen,
Aquädukte ein Reich jede Stadt!
Der Natur Trotz bieten, sie vernich
ten, die Alpen und Apennin ge
türmt, roh und ohne Maß, häßlich
und kunstlos! Zunichte machen al
les Hemmende, Schwere, und herr
lich das Werk des Menschen auf
richten offenbaren, was der Geist
vermag! Neu aufbauen die Welt,
Tat des Menfchengeistes, Tat der
Kunst!"
Alle schwiegen. Donato Gionatti
kratzte sich den Kops. Hätte er recht
gehört, eine Stadt bauen, ganze
Länder bauen? Stand das im
Bitruv? Hatte man dergleichen je
mals vernommen? Unsicher schaute
er aus den Alten. In seinem ge
bildeten Geist entstand eine trauri
ge Verwirrung. Mußte man all
das wirklich ernst nehmen? Wollte
der Alte vielleicht sehen, wie weit
sich die Gläubigen von ihm narren
ließen? Oder war dieser Mann
wirklich mehr als die Meister der
Vorzeit? Hilflos tasteten Gia
sammengelunken und schaute starr
in sein Glas. Vasari füllte das
Glas von neuem, und als Marcello,
etwas eina.'schllckt'rs, meinte: „Eine
ganze Stadt? Von ienem Menscken
allein?" da begann das Für
und Wider, und sie vergaßen, daß
der Meister unter ihnen war. Nur
der Knabe saß wortlos und wie
ten. Vasari pries jetzt in lauten
Worten den Meister auch Gia
notti hatte sich schon zum Lobred
ner der neuen Städte aufgeworfen
und schmückte sie mit prächtigen Re
den. Die andern schienen zu zwei
feln aber im Grunde glaubte
doch jeder, daß Michelangelo alles
vermochte, was sich erdenken ließ.
Er stand wieder beim Tisch, und
sein Gesicht war trüb und alt. „Was
ist alle Schönheit der Erde vor der
göttlichen, die wir erschaut haben!
Von oben ist sie uns gekommen, und
sie ist wieder heimgekehrt!" Er
wandte sich fort die Freunde
aber wußten, daß er der Marchefa
selhast bezaubert hatte. Mit glii
die Decke vom Bett und schob oen
kleinen Polster zurecht. Riesige
Schatten flogen ül,er die Gerüst«.
Wort gehofft, aber der Alte sah
t«. —-
des Gerüstes. Sie hatte sich
gungslos und aelb in ihrem blau
en Kreis. Endlich warf der Alte
heit im Bilde! Und die Glieder er
dn schon das Alter sich neigte! sein
nem Leben alles Werk der Mensch
heit ihm war aufgegeben, das
Bild des Menschen zu formen. Der
Kopf nahte heran, und die Fäuste
Händen lief Blut aber da« Ant
laq rohe, dunkle Ungestalt vor ihm,
Wildnis von Berq und Fels kein
Menschenhaupt. Das Haupt schwand
durchschnitten, als hingen Eisenstücke
in den Gelenken. Wie totes Holz
flinken die Hände— vor ihm ragte
zu gestalten...
Ein Nachtvogel flatterte im Mor
gendämmer um die Wände und
Strähne des eisengrauen Barles hat
trafen die verhüll« Gestalt. Nach ei
ner W«ile erhob er sich, ging hin und
lisch« Herrlichkeit Dies« Gestalt
Kunst je bervorgebracht hatte, ein
Wesen, näher d«m Gott«sreich als
dem andern, das dem Fluch der
sein Merk. Nach der Arbeit des Ta-
Wirt (brummenv): .Auch wieder
so eine Geldheirat!"
Er sah ste alle!
Gicht gelähmt ist, darf er da- Glück
warfen dann ihren Schatten über daS
Strohdach auf die rote Backstein
mauer fein«s Fachwerlhäuschens und
Liet« hatte ihm schon zugeplinkt.
Li«te war seine zweite Tochter. Jetzt
hieß sie Frau Tischlermeister Schulz,
Reihe; sie sind bald wieder gut zu
Weg«!" Ja, wenn man die K!nd«r
so nahe hat, ein Segen!
Sohn August, dem Maurermeister.
August hatte die Bauwerlschule be
dacht« der Alte. Er liebte August
Politik und Klugheit!
Schon längst wieder ausgeglichenen
Gemüts wollte der Alte seine hell«n
Aug«» weiter herumwandern lassen.
alles!
„Hest du s« hüt all all sehn?"
„Ja; Liete. August un Korl. De
Dampfwolke aus dem Mund s«geln
lassend.
„Will Korl morgen in See?"
„Ja.
Breit und blank glänzten dafür,
dort, wo d«r Marktplatz -.'«S Hafen
örtch«nS begann, die Ladenscheiben
l h t l"ßt's l h"
meinte Mutter Steves vorwurjsroll.
„Js se 001. Mudoer, aber wat l?
fürn Blomenhoot h«!t, dor is uns'
was das bedeuten sollte, Das bedeu
tete: „O über diese Deerns! Aber
töf man, Greten!" Gretche», das
„Ick freu' mi, dat se schn hess!^
nie etwas auszus«tze» gewesen. Sie
hatte stets die Roll« des Sonnen
scheins für die Eltern gespielt. Auch
Mann besaß seinen eigenen Motorkut
ter. Da er die Nacht über zum
Fischen in den See gewesen, schnarchte
Ick schick di de Kinner naher. Erst
Blaubeersaft beschmiert hatten. „Was
'n Stück Ark«!t, nich?" fügte si« zur
Mutter gewendet hinzu.
Mittag?" fragte diese zurück.
„Ja, und gebraten' Aal ... Was
HM ihr heut zu Mittag?"
„Ich wollt Großvater 'n klein'
klagte die Mutier.
der Alte strahlt.' sie an. Da scherz!«
braten, Mutter ... und' cot« B«et!
Kleinen besuchssähig heizurich e».
„Na " erklärt« Mutter Sievers,
hen Hand über die Wange.
„Mußt denn ook düchti >rat eet«n,
mien ohl Jung', nich?"
sich hin: „Nu Hess ick se all' sehn ...
all"."""«'!""'
„Ja, dat hest du, Fritz/ sagte Frau
r u n g k.
Herr Schmitz erzeehlt den Wärt in
' Schwan:
Denn „idaljän'sch", schreibt «r an
Un „dobbelt" soll die sein."
„Hm," spricht der Schwan - Wärt,
„sonderbar,"
„Ich hab' se an der Diere hier
Mir spielend beigebracht;
StattS Zweee schreibt mer einfach
Vier.
Un statts der Vier 'ne Acht."
Sonderbare Frage. >
Herr des Hauses (zum Be
such): Nun, Frau Dickerle, wie ge
j fällt Ihnen das Gemälde auf der
! Decke?
I Fra u D. (sehr beleibt, blickt mii
zum Vater, der gern ins Wirtshaus
gebt): Du, Papa, hilf mir bei meiner
Rechenaufgabe, dann sag' ich dir was.
Vater: Hm, was willst du mir
denn sagen?
Karlchen: Dann sag' ich dir
auch, wohin Mama deine Stiefel ver
steckt hat.
—lm Eifer. Der Sonntags
jäger, von seine» Heldentaten erzah
lend: „Also, ich l«g« an: Buin! Ein
Rebhuhn, zw«i Rebhühner, drei Reb
hühner . . .Ja, wie konntest
„Das ging so blitzschmll, ich hatt«
zum Laden gar keine Zeit!"
Eigene Wertnicssung.
Maler: Ja richtig, das habe ich
vor einiger Zeit für 1000 Mark ver
lauft.
Bauer: Nun schneiden sie aber
mal nicht aus, soviel krieg« ich ja für
die Lebenden nicht und die legen
Eier.
Unverfroren. Mieter:
Sehe» Si« 'mal die Pilze, die da
Haush«rr: Da könn«» Sie sehen,
was für «in« fiuchtbar« Gegend wir
haben!
Nette Aussichte». Neuer
Klavierspiel hier nebenan nie auf?"
Hausherr: „O ja, hin und wieder
spielt diese Familie auch Ziehhamo-