Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 30, 1913, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Ale Men von Henkenlittl!.
(11. Fortsetzung.)
Der Unglückliche, dessen blaurotes
Gesicht offenba., einmal erfroren
war, trug auf km mit Fetzen um
wickelt«« Hals zwei Kröpfe von
stattlichen Dimensionen. Seine Beine
waren »«rkrllmint und «rmöglichten
es ihm nur schwer, sich fortzubewe
gen- . ..
Auf den Zügen lag ienes breit«
stupid« Grinsen, das den Halb-Kretin
verrät.
Melitta atmete auf. N«in das war
dtl Graubart nicht. W«lch« Gefpen
einem Grund wahrscheinlich schor,
unterwegs von Prosper getrenin,
inackue einen Spaziergang und kam
t«.
Niemand nicht einmal die Ba
ronin sollte darum wissen. Es galt,
Prosper, der stets gegen zehn Uhr zu
Fuß oder Pferd nach Mauerberg kam,
zu überraschen. Das war Lisas „Ge-
Lisa die Situation aus. Ge
sicht wird so komisch sein! Weiß er
doch, daß ich sonst eine Langschläserin
bin. Uebrigens" sie blickte mit
strahlenden Augen vm sich „ist die
Welt so am frühen Morgen ganz
herrlich! Wollen mal seh«n, ob's auch
sonst wahr ist, daß Morgenstunde
Gold im Munde trägt?"
„Wann frühstücken sie denn in
S«nkenberg?"
„Was?" M«litta blieb bestürzt ste
hen. „Aber Kind, dann sind wir ja
viel zu früh weggegangen! Es ist
kaum sieben!"
»Egal. Ich will mal ganz allein
so recht nach Herzenslust in dem ver
wilderten Park herumstrabanzen."
ist.so.tilll. Laune..
Als Kind hab ich mich immer so
köstlich gegrault dort in den düsteren
Alleen, wo der Boden ganz moosig
ist und man die Stille förmlich hört.
Tausend Märchen habe ich dort erlebt
. . . und besonders wenn ich jenem
Teil nahe kam, wo der alte Herr v.
Senkenberg seine Spaziergänge macht
und wohin mir immer verboten var
zu gehen. „Das Loch des bösen
Drachen" nannte ich es heimlich."
„Lisu sei ehr'ich Du willst
noch etwas anderes iir Senkenberg?
Irgendeinen Schabernack ausführen!
Gesteh« es nur!"
Lisa lachte plötzlich laut aus und
schüttelte den ährenblonden Kopf,
daß es im Sonninfchein wie tau
send golden« Strahlen um ihre Stirn
tanzte.
„Dann würd« sie ganz ernst und
sagte: „Ja, Du siebenmal Gescheite
ich will noch etwas. Den Dra
chen will ich bezwingen! In alten
Zeiten besorgten dies die Ritler für
uns, aber es scheint, daß im
Zeitalter der Frauenemanzipation
wir dies Geschäft nun selber besorgen
müssen."
„Na, die Mama würde freilich tau
send Gründe dagegen wissen, aber
darum hab« ich nur Dich eingeweiht!
Ich habe mir alles überlegt. Von
sieben bis acht macht der Drache sei
nen Morgenspaziergang am Ende des
Parkes, wo der alte Weiher liegt.
Dort überfalle ich ihn!"
„Was wirst Du ihm denn sagen?"
„Wie soll ich das jetzt schon wis
sen? Es wird mir schon etwas ein
fallen. . übrig-ns da sind wir.
Von dem Seitenpförtchen weißt Du
wohl nichts?"
„Nein. Ist es denn offen?"
„Keine Spur. Aber ich habe den
eilten Kastellan neulich so gebettelt,
bis er mir den Schlüssel borgt«. Er
glaubt natürlich nur, ich woll« Pros
per beim Frühstück überfallen."
Sie sperrte auf und trat mit Me
litta ein.
„So, Liebste. Hiev ist ein« Bank,
w!« gemacht kür Dich! Da hab ich
Dir auch den Etk.'hard mitgenommen,
damit Du Dich nicht langweilst.
Rechts die Allee führt zum Schloß
links geht's zum Loch des Drachen
und nun addio!"
Ehe Melitta zu Wort kommen
tonnte, saß sie aus der Bank, hatte
ei» Buch im Schoß, einen Kuß auf
Lisas neißes Batistkleid gleich einem
XXIV.
<>err von Senkenberg wandelte mit
tief gesenktem Kopf, in Gedanken
verloren, um den Weiher, dessen
opalisierende, reglose Fläche wie ein
dunkles Blatt zwischen Ahornbäumen,
Zypressen und hohem Riedgras lag
Es war der düsterste Theil des Par-
s h b't Z".
ruhe.
Peter Mark hatte ihm nur gemel
det, daß Herr Rodin noch in der Nacht
Ohrgehängen ihm keine Ruhe ließe.
Er wollte sie sobald als möglich her
beizuschaffen versuchen.
Senkenberg sagt« sich tausendmal
in den letzten Tagen vor, es sei un
mllsse Rodin getäuscht haben etwas
in ihm wartete doch in verzehrender
Ungeduld auf Gewißheit.
Vielleicht hatte jene Unselige den
Schmuck vor ihrer Abreise verkauft?
Aber warum? Sie hatte ja Geldmit
tel im Ueberfluß mitgehabt. All die
Summen, di« seine Li«b« ihr gegeben,
hatt« sie wie sich nachher herausge
s! llt, vor ihrer Flucht behoben. Und
sie liebte gerade diese Ohrringe be
sonders.
seinem Wege aufgepflanzt stand.
Er hob den Kopf und prallte bei
nahe erschrocken zurück.
Eine Lichtgestalt, die wie ein Son
nenstrahl inmitten des Düsters rings
>im wirkte, stand vor ihm und blickte
ihn aus strahlenden Blauaugen ernst
und aufmerksam an.
„Wer sind Sie? Warum sehen
kürlich weniger schroff, als er sonst
zu sprechen pflegte.
„Weil ich sehen möchte, ob Sie
wirklich solch ein schrecklicher Mensch
sind, wie man. . . wie ich glaubte?"
antwortete Lisa ohne eine Spur von
Furcht. Dann lachte sie süß, hell
„nein, Sie sind es nicht! Sie tun
Senkenberg hatte sich gefaßt. Der
ganze Widerwillen gegen fremde
Personen drückte sich in seinem Ge
sicht aus. Daneben eine Art Em
pörung über die Dreistigteit, mit der
sagte er.nun doppelt schroff.
„Nun di« Lisa Lauterbeck,
Ihre zukünftige Nichte", antwortete
sie unbefangen, denn sie hatte sich
nicht!
„Ich mir selbst. Es ist ein biß-
über diese Sie
»Gott in sechs Wochen sind wir
»Ach so! Also wirtlich? D«m
ganzen Geschlecht? Al«r das ist ab-
Zukunft von Schmutz. Jammer und
Lüge? War auch sie bestimmt, zu
b«trllgi!> und unglücklich zu machen?
Ein ties«r S«ufzer hob seine Brust,
ohne daß er es wußte.
Aber Lisa hatte ihn gehört und er
erschütterte sie tiefer, als die brutal
stöhnt«. daß es weder Haß noch Laun«
war, was diesen alten Mann geg«n
Sie Menschen aufzebracht hatte, so»»
ter Kälte verbarg.
Sie mußte plötzlich weinen. Und
in ihrer hilslosenVerlegenyeit warf sie
sich wie ein Kind an des alten Man
nes Brust und schluchzte unaufhörlich:
„Haben Sie mich doch lieb! Haben
Sie mich doch lieb! Wir wollen doch
gar nichts anderes von Ihnen, als
das .. . . nur das! Haben Sie Pros
per und mich doch lieb!"
Senkenberg, kaum weniger verle
gen als sie, streichelte bestürzt ihr
Haar.
„Kind", murmelte er, „wie sprechen
Sie zu mir! Weinen Sie doch nicht
so. . . es tut mir weh. .
Aber Lisa schluchzt« weiter.
„Wenn Sie auch unglücklich sind
. . .wir können doch nichts dafür!"
Er schwieg und starrte stumm aus sie
nieder.
Dazwischen fühlt« er ein seltsa
mes Wohlbehagen sein« Brust durch-
So lange hatte niemand nach sei
ner Liebe gefragt. So lange keine
heiß« zitternde Frauenhand seinen
Nacken umklammert. So lange war
nichts um ihn gewesen als Einsam
keit und Kälte und Scheu vor seinem
schroffen Wesen. . . .
Ihm war wie dem Mann im Mär
chen, d«ss«n Herz von drei eisernen
Reifen zusammengepreßt war, und
der nun fühlt, wie einer wenigstens
klirrend zersprang. . .
Dann rafft« er sich zusammen.
„Lisa", sagte «r so freundlich, wie
nie ihn jemand hatte sprechen hören,
len nicht töricht sein. Ich tat Dir
Unrecht. . . gut, ab«r ich bitte es
Dir nun ab. Sage das Prosper.
Und auch, daß ich mich künftig freuen
w«rd«, wenn Ihr beid« mich zuweilen
ein Stündchen an Eurem Glück teil
nehmen laßt."
Lisa schielte unter Tränen em
por.
chen lieb, Onkel?"
„Ja! Muß man nicht?" murmelte
er. „Du hast die Macht der Glück
es Prosper selbst - sonst glaubt er
es mir ja doch nicht! Weißt Du
was? Wir wollen sie jetzt beide Arm
in Arm am Frühstückstisch überra
schen!"
Senkenberg fuhr beinahe entsetzt
zurück. „Was fällt Dir ein? Prosper
ist doch nicht allein —"
„Eben darum! Gegen Vetter La
vandal warst Du bisher auch gar
nicht nett da geht es jetzt in einem
hin. Denke nur die Gesichter!
Prosper hat ja nicht die leisest« Ah
widerstehlich wie das Schicksal selbst,
auf der Gartenterrasse, wo Fräulein
Renate eben ihren beiden Neffen Tee
in di« Tass«n goß.
Die Silberkann« wäre ihren Hän
den auf ein Haar entfallen bei dem
Anblick, der sich ihr so unvermutet
bot.
Staunen und Verblüffung waren
lose Still« herrschte.
Dann war es Prosper, der den
gcnstürzte.
Melitta wartete vergelens auf Li
sas Rückkehr. Als sie begriff, bah
die Kleine sie ganz einfach vergessen
hatt«, schritt sie lächelnd in der Rich-
Jhr Weg führte sie nach einigen
Lisas Lachen und Prospers tiefe
Stimme.
„Ist sie nicht wirklich di« Feenköni
gin aus dem Märchen, der sich alles
neten Händ« berühren", sag!« er elen
überschwenglich. „Sag« selbst, On
kel!"
Melitta übersah jetzt di« Terraf-
Laubdach eines nahen Kastanienbau
mes der Frühstückstisch stand.
Um dir Balustrade der Terrasse
schlangen sich Schlingrosen, deven
leuchtend rot« Blüt«nbüsch«l einen
hübschen Kontrast zu dem weißgedeck
ten Tisch mit seinem Silbergerät und
Ernst.
Melitta blieb unwillkürlich stehen
und betrachtet« das sich scharf vom
Plötzlich stieg ein heißes wehes
Gefühl in ihr auf. War es eine zu
fällige flüchtige Ähnlichkeit in den
Umrissen von Senkenbergs Kopf
oder das strahlende Glück des jun
gen Paares an seiner Seit« genug,
sie mußte plötzlich an Felix Eisl«r
denken und die ganze Verlassenheit
ihrer Lage kam ihr jäh zum Bewußt-
Es war nicht Neid. Nur eine gren
zenlose Traurigkeit. Nur die Emp
findung: Für mich wird wohl nie
Tränen verdunkelten ihren Blick.
Sie trat einen Schritt seitwärts vom
Wege ab, damit nicht etwa ein zu
fällig herabgleiternder Blick sie ent
deckte, obwohl dies kaum zu befürch
ten war.
Die Stirn an den Stamm eines
Baumes gedrückt, die Zähne zusam
menbeißend, suchte sie das jäh auf
wallende Schmerzgefühl niederzu
kämpfen.
Dann wurde oben aus der Ter
rasse ein Stuhl gerückt. Herr v. La-
Brüstung der Terrasse getreten.
Er blickte nicht nach der Seit«, wo
Melitta stand, sondern geradeaus in
die Ferne.
Sie aber duckte sich plötzlich schau
dernd tiefer in die Taxusbüsch« und
starrt« entsetzt auf das bleich«, eben
noch so freundlich lächelnde Gesicht,
! das nun einen Ausdruck so wilder
Wut, so schrankenlosen Hasses trug,!
! wie Melitta ihn nie zuvor in eims
Menschen Antlitz gesehen hatte.
Wem galt beides?
I Und plötzlich begriff sie: Prosper,
Prosper galt es, der gestern noch durch
sein« Heirat in Ungnade bei Herrn
von Senkenberg stand und jetzt sei-!
nen alten Platz als Lieblingsnesse
wieder einnahm. ..
Ja es konnte nur das sein.!
Und es war ein tötlicher Haß. . .!
Was sollte sie tun? Prosper war- l
nen? Ihm sagen, wessen dieser Mann
fähig war? Aber würde er ihr denn
! glauben? Hatte si« nur den aller
kleinsten Beweis? Hieße es nicht viel-
Nein. Nur Hempel sollte es er
fahren, und das so rasch als mög
> nach Prachatitz. Plötzlich fiel ihr
sich spähend umsehen gesehen hatte. I
Hatte wirklich nur ein Zufall ihn
hingeführt?
XXV.
Die Unruhe, die Melitta seit dem
je länger sie nachgrübelte. Der
Halbkretin vom Steinbruch wollte ihr
nicht aus dem Kops.
dies seine Absicht war dann stän-
Wege: Prosper und sein Zwillings-
I Die hatten sich 23.
Es ließ Melitta keine Ruhe. Am
Verlobung schon mitgeteilt, nicht
wahr?"
„Natürlich! Sofort. Si« muß
„Müßte Ihr Herr Bruder nicht
sein?"
lachte Lisa an „daran bist wie-
Melittas Unruhe wuchs.
„Haben Sie denn nie daran ge
dacht, Herr v. Rodenbach, daß Ihr
Bruder krank . . . daß ihm irgend
ein Unglück zugestoßen sein könnte?"
> Prosper sah bestürzt aus und wur
! „Krank? Ein Unglück? Mein Gott,
das wäre ja schrecklich! Aber Sie ha-'
ben recht. Fräulein Melitta, es war
unverantwortlich leichtsinnig und ge
! dankenlos von mir . .
! wollte Sie nicht erschrecken.
Aber an Ihrer Stelle würde ich doch
nach Singapore depeschieren und die
Sie, wo Ihr Bruder dort absteigen
wollte?"
„Ja. Im Hotel d'Angleterre."
„Und das Schiff, mit dem er reisen
wollte?"
„Die „Berenike". Falls er diese
nicht mehr erreicht, den „Godesroy" "
„Nun dann haben Sie ja Anhalts
punkte. Ich fahre morgen nach Pra
chatitz. Wünschen Sie, daß ich die
D<pe!che mitnehm«?"
„Wenn Sie erlauben, begleite ich
Sie selbst. Ich depeschiere dann
auch gleich an die Schiffahrtsgesell
schaft und an das Wiener Hotel, in
dem wir uns trennten. Ich habe
jetzt wirklich keine Ruhe mehr, ehe ich
Nachricht von Erich habe."
So fuhren sie denn am nächsten
Tag zusammen nach Prachatitz. Dort
erfuhr Melitta, die noch am Abend
einen langen Brief an Hempel ge
schrieben hatte, daß Rodin sein Quar
tier in der Krone beibehalten hatte,
aber momentan verreist war. An ihn
einlangend« Briese sollten bis zu sei
ner Rückkehr vom Porti«r verwahrt
„Ach, käme «r doch bald!" dachte
Melitta, der«n Unruhe nicht weichen
wollte. „Ich habe immer so ein Vor
gefühl. als ob wir ihn hier nötig
Prosper hatte seine Telegramme
aufgegeben. Vom Hotel Meißel und!
Schaden in Wien kam die Antwort
umgehend: Herr v. Rodenbach hatte
fein Gepäck am Nachmittag des 24.
Mai zur Bahn schaffen lassen, da er
feine Absicht, länger in Wien zu blei
ben, aufgegeben und mit dem Abend-
fchnellzug nach Trieft reisen wollt«.
Zweifellos habe er dies auch getan.
! Die anderen Antworten konnten erst
in den folgenden Tagen eintreffen.
I Es war abend, als man zurück-!
. kehrt«. Prosper wollte durchaus
j noch auf ein Stündchen mit nach
> Mauerberg, aber es wurden dann
reichlich drei daraus, so daß es Mit
ternacht war, als er den Heimweg
antrat.
Melitta meinte, er solle einen
Knecht mitnehmen zur Begleitung !
die Nacht sei sehr finster, man könne!
doch nicht wissen . .
Er und Lisa lachten hell auf.
Sich begleiten lassen wie ein Pen-!
sionsfräulein! Wie komisch! Und hier,
wo seit Menschengedenken kein schlech
ter Mensch in die Gegend gekommen! i
Was sie nur dächte! Was sie fürch
tete?
! Si« schwieg und wagte nichts mehr
'zu sagen. Eigentlich hatten si« ja
recht zu lach«n. Was konnte ihm ge-!
schehen? Lavandal würde doch nicht
wagen, hier, wo jeder ihn kannte,
als Mörder aufzuireten?
Trotzdem schlief sie schlecht in dieser
Nacht und fuhr alle Augenblicke er
schrocken in di« Höh«, weil sie glaub
te, irgendwo draußen ein Geräusch
gehört zu haben.
Als Prosper am nächsten Tage'
kam, war er auffallend blaß und
zerstreut. Und den ersten Moment,
den er mit Melitta allein blieb, sag
te er, sie ruhig ansehend: „Hatten Sie
gestern «inen bestimmten Grund, et
was für mich zu fürchten, Fräulein
Melitta?"
„Nein . . . es schien mir nur so
unheimlich finster draußen, als Sie
fortgingen —" log si«. „Warum
fragen Sie?"
„Weil es mir jetzt sehr merkwürdig
vorlommt! Beinahe, als hätten Sie
eineAhnung gehabt. Es passiert«
mir nämlich wirtlich ein Abenteuer
zum ersten Male im Leben
das gottlob übrigens glimpflich ab
ging!"
„Sie hatten ein Abenteuer?"
Melitta wurde blaß und sah ihn
erschreckt an.
„Ja. Mir war schon hier, als ich
Mauerberg verließ, einmal so, als
hörte ich ein Geräusch hinter mir.
Aber dann dachte ich, es sei Täu
schung gewesen. Ich wollte den
Weg abschneiden, verließ die Land
straße und ging über Maguerrys
Steinbruch . . ."
„Ueber den Steinbruch?!"
„Nun ja! Warum nicht? Was se
hen Sie mich so entsetzt an? Es ist
bedeutend kürzer und ich gehe meist
dort."
„Und gestern?"
„Ja . . . gestern warf sich dort in
der Nähe plötzlich ein Mensch von
rückwärts auf mich lautlos
mit Riesenkräften wie ein Wilder
und wollte mich würgen! Zum Glück
bin ich auch kein Schwächling und
konnte mich befreien. Ein bißchen
Schreck war schließlich alles —"
„Alles? O Gott! Wo Ihr Leben
nur an einem Haare hing! Es ist
entsetzlich! Wenn Lisa wüßte . .
rief Melitta aufgeregt.
! „Lisa darf natürlich kein Wort
davon erfahren! Bitte, sogen Sie ihr
ja nichts! Ab«: Ihnen wollte ich es
doch erzählen. Was denken Sie da-
Melitta Prosper fuhr
leicht —"
vorübergehe, belommt er seinen Sech
ser für Tabak. Es ist ein ganz harm
loser Halbkretin. Der Mensch, der
von seltener Muskellrast."
chen?" i
„Nein. Es würde nur Lisa be
unruhigen. Eines aber werde
Melitta blickte unruhig vor sich hin.
Sie erinnerte sich, daß Hempel ihr
mitgeteilt hatte, wie man auch Felix
Eisler einst versucht hatte, im Dun
kel der Nacht zu ermorden.
Warum ihn? Er tonnte doch Herrn
v. Lavandal nicht im Wege steh!»
wie Prosper?
Ach, es war alles so dunkel und
rätselhaft . . .
„In Senlenberg schlief wohl alles
schon, als Sie heimkehrten?" fragte
sie plötzlich.
„Nein! In Onkels Zimmer brannt«
noch Licht, und Felix spielt« im
Wohnzimmer mit Tante Piquet. Der
gute Kerl hat ihr den ganzen Abend
geopfert! Ich glaube, sie sängt auch
! nehmen."
Er spielte den ganzen Abend Kar
! ten mit der Tante, so! dachte Melit
ta. Und inzwischen „arbeitet" sein
i Helfershelfer wieder für ihn . . .
Dann dacht« sie leidenschaftlich:
! Zehn Jahre meines Lebens gäbe ich
hin, wenn ich wüßte, «er dieser
furchtbare Mensch ist!
„Sie sagen ja gar nichts, Fräulein
Melitta? Hat Sie die Geschichte so
angegriffen."
j „Ja, sehr! Und ich werde keine Ru>
! „Ehe was?"
! „Ach nichts! Uebrioens da höre ich
j Lisa. Es ist wirtlich besser, Sie
sagen ihr nichts davon.'
j „Natürlich! Später einmal will
ich es ihr dann erzählen ..." Er
brach ab, denn Lisa trat ein.
! „Was habt Ihr da ,ür Geheim
nisse vor mir?" frag!« sie munter.
! „Warum seid ihr plötzlich still?"
„Bist Du so neugierig, k'airx»
„Ganz schrecklich! Also was ist?"
„Nun, dann hör« und staune: „On
kel Joachim, ganz von Deinen Rei
zen bezwungen, läßt euch für über
morgen zu Tisch laden. Maguerrys
und noch ein paar Nachbarn sind
auch geladen. Er will sein Unrecht
gut mach«» und höchst p«rsönlich u»-
, sere Verlobung kundtun!"
> „I der tausend! Das ist freilich ei
ne riesengroße Neuigkeit! Der „grim
me Drache" als Gastgeber! Wie lieb
„Ich glaube, es ist seit mehr aiS
zwanzig Jahren das erstcmal, daß
Gäste nach Senlenberg geladen wer
den. Du kannst Dir wirklich etwas
einbilden, Kleinchen!"
„Tue ich auch! Komm, das müs
sen wir gleich Mama sagen! Und
dann hilf mir, sie bitten, daß ich
das weiße neue Spitzenkleid anzie
hen darf dazu. Es steht mir ent
zückend! . .
Melitta eilte auf ihr Zimmer
und warf in fliegender Hast die Wor
te auf Papier: „Prosper in Lebens
gefahr! Bitte, kommen Sie doch so
fort! Muß mit Ihnen sprechen. Ich
bin überzeugt, daß sein Komplize sich,
unter der Masle eines Halbkretins
am Maguerry - Steinbruch verbor
gen hält und gestern Nacht einen
gottlob mißlungenen Mordan
schlag auf Prosper Rodenbach ver
suchte." R d' "
lig am Steinbruch vorüber und
knüpfte ein Gespräch mit dem Halb
kretin an, der am Boden hockte und
!cn —es war vergerens. Weiter
als zu ein paar täppischen Redensar
ten und einem breiten stereotypen
Grinsen bracht« si« ihn nicht.
Auch sein Aeußeres bot leinen
Anlaß zu Mißtrauen. Er saß im
Licht der Nachmittagssonne zwischen
Wirklichkeit kaum zweiseln.
Trotzdem konnte Melitta ihr Miß
zenden Schwarzaugen des Kretin?
aufzucken gesehen zu haben, das gar
nicht nach Kretinismus ausjgh.
(Fortsetzung folq»s
Aiir die Gliche.
Man schuppt einen mehrpfundizen,
recht frischen Schellfisch und spickt ihn
recht fein und regelmäßig. Man
brät ihn im heißen Ofen in Butter
brau mit feingeschnittenen Zwiebeln,
setztes Wasser darüber, und läßt ihü
weich braten. Etwa fünf Minuten
> vor dem Anrichten bestreut man den
Fisch mit feingeriebenem Brot, ein
wenig seingehackteni Schnittlauch
und, wenn man den Geschmack liebt,
mit feingeriebenem Schweizerläse. Ist
auch dies gebräunt und die Sauce
und garniert ihn mit Zitronenschei
ben und Petersilie. Frischer Kopf
salat, auch Kartoffelsalat schmeckt gut
dazu.
Bcs Stück Käse, etwa l/z Zoll dick,
Herstellung dieses sehr beliebten Es
sens ist das Blut der Gänse ersor»
che, an kühler Stelle aufbewahren.
Das Gänfeklein wird gut gereinigt
und mit Suppengrün. Wurzelwerk,
sowie einigen Gewürzkörnern in nicht
zu reichlichem Wasser weichgekocht. Ist
dies geschehen, so seiht man die Brühz
durch, gibt sie zu dem Gänseblut, ver
rührt sie gut. quirlt sie bis zum Auf,
kochen, schmeckt sie, wenn erforderlich,
noch mit Zitronensaft ab und tut zu
letzt das Ganseklem hinein, das, in
der Sauce heiß gemacht, mit Mehl-
oder Semmelklößchen auf den Tisch
gebracht wird.
Gedämpfte Schweinsko
te leiten. Dir Koteletten werden
wie üblich hergerichtet; nachdem sie
, gesalzen sind, gibt man sie mit Zwie
'ibeln und Fett in die Kasserole, läßt
sie dämpfen und gießt, wenn sie gelö
. angebraten sind, etwas Fleischbrühe
und ein wenig Essig nach. Sind sie
. bald weich, nimmt man sie heraus,
rührt einen Kochlöffel Mehl in di;
Sauce, um dieselbe etwas zu verdik
. len, legt die Koteletten nochmals hin
ein und läßt sie darin auskochen unk»
richtet sie dann an. Die Sauce gibt
man durchgeseiht darüber.
Schweinsnieren aux fi«
nes herbes. Die Nieren werden
! ausgewässert, der Länge nach aufge
> schnitten, die inneren fetten und fa
l serigen Teile entfernt, gesalzen, mit
- Paprika gewürzt, in Butter angebra
ten und mit in kleine Würfel ge»
> fchnittener Zwiebel, etwas Weißwein
° und Bouillon kurz weich geschmort.
> Dann tut man in die Sauce in But
ter geschwitzte Petersilie, Schnitt«
> lauch, Kapern. Champignons, Sardel
l len, etwas Mostrich und läßt die
Feine But t erbr ötch en
zum Tee. Bunte Schnitten. Man
schneidet sie je zwei dünne Weißbrot
" scheiden gleich, bestreicht die eine mit
' Butter und legt ein dünnes Stück
Kalbsbraten daraus. Die andere
Seite bestreicht man mit einer Mi
schung von schaumig gerührter But
ter, sein gehacktem, rohem oder gekoch
tem Schinken und etwas Pfeffer.
Bechamel - Sauce. B—l 68 —16
mittelgroße Zwiebeln werden nebst ei
ner Petersilienwurzel in Scheiben ge
' schnitten und in Pfund Butter
weich gedünstet. Dann rührt man ein
wenig Mehl mit Salz, sowie einer
Prise weißen Psesser in einem Pint
süßer Sahne llar, gießt dies unter
Rühren zu 'iner Zwiebelschwitze und
vertocht das Ganze za einer seimigen
Sauce. Die sertige Sauce streicht
man durch ein Sieb und reibt etwas
Pumpernickelsuppe. Man
kann zu dieser Suppe vorteilhaft die
Reste eines altdacken gewordenen Pu
mpernickels verwenden. Man weicht
diese Rest« (ungejähr die Hälfte eines
gewöhnlichen PumperniaeivcodeS), die
man in Brocken geschnitten hat,
Abends in kaltem Wasser und deckt die
Schüssel zu. Am andern Tag gibt
man die geweichie Mass: nebst dem
Wasser in eine Kasserolle, fügt Zimt
und ein Stückchen Zitronenschale da
zu, laßt alles über gelindem Feuer
sehr weich lochen und rührt die Masse
durch ein Sieb. Wenn sie zu dick ist,
muß sie mit etwas Wasser verdünnt
werden. Dann bringt man sie wieder
aufs Feuer, fügt sehr wenig Salz und
einen Teelöffel Zitrn"enkast, sowie ein
Stückchen gute frische Butter dazu,
läßt die Suppe a»»slochen, nimmt sie
vom Feuer, süßt sie nach Belieben,
quirlt sie mit 2 Eidottern ab und
ichlägt die beiden Eiweiß zu steifem
Schnee, um diesen mit Zucker und
Zimt vermischt als Klößchen auf die
Kannen - Spargel. Zwei
kleine oder eine gieße Kanne einge
machten Spargel macht man auf,
schüttet den Inhalt in «ine flache
Pfanne, bedeckt sie mit kochendem
Salzwasser und läßt sie 5 Minuten
stehen, nimmt sie dann behutsam
heraus richtet sie aus einer warmen.
Schiissel nn und begießt sie mit «ge
schmolzener Butter.