Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 17, 1912, Image 3

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    Ein puritanischer Heide.
Vo» Julien Gordo»
<l6. Foiiicyung.)
.Raten Sie einmal, >r«r hierhei
gekommen ist? sagte Frau Heathcote,
.Die Nailers! Tod ist ganz derselbe
wie in Amerika, über alles enthüllt
und befriedig«, das liebenswüxdiost-
Gefchöhf, das mir je vorgekommen
ist, und sie ist jugendlicher und lin
discher als je, Gott sei Danl hat sie
sich an die amerikanische Kolonie ge
hangt und den Ehrgeiz, in die fran
zösische Geftllschast zu kommen. ganz
ausgegeben. Es wäre auch rein un
möglich ich hätte nnch nicht
damit besassen können, sie hineinzu
lotsen."
„Wer kommt denn sonst?"
„Bon Herren eine erklekliche An
zahl die Welt durchstreifender Ame
rikaner und etliche englische .Atta
ches, sogenannte reizende Menschen
von der Sorte, die nie den Puls einer
Frau rascher schlagen machen wird,
schattenhafte Gestalten, die wie Dan
tes Gespenster dazu verdammt sind,
ewig den Vorhof des Paradieses zu
umkreisen. Sie werden Ihnen samt
und sonders zu Füßen liegen, und
Ihr Herz wird dabei so gefährdet
sein, als das der Männer in Frau
Nailers Händen sie hat schon ei
nen oder den andern von Tads
Spießgesellen in den Krallen, aber
sie fangen an störrisch zu werden,
und wenn Sie sich zeigen, so . . ."
„Ich werde die Leichtigkeit im Lie
besspiel nie lernen. Ich nehme alles
ernsthaft."
„Diese Jü-,glinge nicht? das ist
beim besten Willen unmöglich."
„Ach, mir schwant, ich werde doch
wieder ins Extreme geraten, sie ent
weder hassen, oder bemitleiden oder
irgend etwas sonst."
„Nein, das werden Sie nicht. Herr
Ackley und ich, wir sind Ihnen gut
bekommen, und Sie haben sich sehr
gebessert. Ackley nannte Sie immer
„Wahrhaftig?" sagte Paula la
chend. „Wie naseweis von ihm! Was
wissen Sie übrigens von Herrn Ack
i»y?"
„Sehr vieles, was Sie interessie
ren würde, was ich Ihnen aber nicht
verraten werde."
„Was kann es nur sein?"
„Sie werden es erfahren, wenn die
Zeit da ist."
Paula zerbrach sich ein wenig den
Kopf, was die Freundin meinen kön
ne. Frau Heathcote hatte kürzlich
einen Brief von Ackley erhalten, wo
rin er ihr schrieb, daß er Norwood
aufgesucht habe, und daß ein freund
schaftlicher Verkehr angebahnt sei.
„Darf ich Sie morgen zu einem
Besuch bei der Herzogin abholen?"
fragte Frau Heathcote. „Heute abend
werden wir schwerlich Zeit haben,
uns zu verabreden."
.Ist es denn der Mühe wert?"
„Gewiß," erwidert« die Prinzessin
mit großer Bestimmtheit, „und, Pau
la, Sie müssen sowohl heute abend
alt morgen sehr hübsch aussehen
ich will Staat mit Ihnen machen
rin beruht Ihr Chic. Tragen Sie
bringen."
„Worth hat sich herabgelassen, mir
zwei rasch gefertigte Kleider zu schik
ken; sie sind so originell, als Sie nur
wünschen können, und, wie meine
Tante und Sophie behaupten, außer
ordentlich kleidsam."
„Ich wollte, ich hätte Jeit, zu Jh-
ist e§ rein unmöglich. Jetzt
muß ich die Ausstellung der Pflanzen
beaufsichtigen ach, da kommen sie
deln.
Vorhall: >md mehrere Vor
zimmer. Der Besuch war angemel
det, denn Frau Heathcole hatt: vor
her angefragt, ob sie der Herzogin
eine sehr liebe amerikanische Freundin
zufuhren dürfe, und fand deshalb
lange vor der feierlichen Besuchszeit
statt. Sie trafen die Herzogin in
Gesellschaft von zwei befreundeten
Damen, einer jung verheirateten
Frau »nd deren Mutter, die offenbar
hier gefrühstückt hatten. Beide waren
im Straßenanzug, aber wie die Haus
frau ohne Hut und Handschuhe. Die
älteren Damen rauchten Zigaretten,
die jüngere stickte einen Namenszug
in ein Batisttaschentuch.
! Ztas Gemach, worin Frau
! rote und Paula geführt worden wa-'
iigsten künstlerischen MRel, kostbare
Nippessnchen. Windschirme,
Lampen, Bilder, Pflanzen, Biuwen
und kleinen Tischchen nicht erdrük
k«nd wirkt«! das hell flackernde Holz
feuer Im Kamin und di« kleine lÄr»st
auch das glitzernde Krystall unzähli
ger Wand- und Strhleuchter; der
Gesamteindruck war der des üppigen
Behagens. Die Herzogin stand auf,
um ihren Besuch zu begrüßen, und
machte die amerikanischen Dahnen mit
ihren Freundinnen, der Gräfin St.
Pierre und der Marquise von Fou
göres bekannt.
Im Aeußern hatte die Herzogin zar
nichts Bemerkenswertes. Sie war
klein und neigte zur Rundlichküt;
ihre Taille war zwar auf einen sehr
bescheidenen Umfang zusammenge
preßt, wodurch aber die Fülle unier
und über dem fest angezogenen Gür
tel nur um so mehr betont wurde.
Sie hatte eine sehr rote Haut, die wie
bei den Frauen aus dem Dekkan et
was an geblümten Damast erinnerte
und kleine weiße, fleischige Hände
Ihrem Aussehen nach mochte sie etwa
vierzig Jahre alt sein. Sie trug
ein kurzes, dunkles Straßenkleid, und
ihre Frisur sah ziemlich zerzaust aus,
wie wenn st« eben einen Hut hastig
vom Kopf gerissen hätte.
„Ich bin vor dem Frühstück aus
gewesen." sagte sie, eine gelockerte
Haarflechte feststeckend, entschuldigte
die Einfachheit ihres Anzuges aber
in keiner Weist. Sie empfing Paula
wie eine ihr längst Bekannte, und
schenkte ihr nach der ersten B?grü
mit der ältlichen Marquise wieder
auf. Die Unterhaltung schien sich um
eine gewisse Frau Hoguon zu drehen,
die nicht in der Gesellschaft war,
aber sehnlich zugelassen zu werden
verlangte und von den Herren in
ihren Bestrebungen unterstützt wurde.
Die Damen äußerten sich sehr kräf
tig gegen diese Frau Hoguon und
fanden, daß ihr ehrgeiziger Auf
schwung unwiderruflich gedämpst wer
den sollte, wofür sie triftige, aus guter
Quelle hergeleitete Gründe vorbrach
ten. Frau Heathcote schien in diesen
Klatsch eingeweiht zu sein; sie wurde
auch ins Gespräch gezogen und nach
ihrer Ansicht über Frau Hogusns
gesellschaftliche und sittlich« Mängel
gefragt, Paula aber fȧ ziemlich ver
iassen da und fing an, sich ein wenig
verletzt zu fühlen und es zu bereuen.
Frau Heathcotes lässige, gleichgültige
Haltung nicht genug bewundern; eine
solche ist immer das Sicherste, und
man beherrscht damit die andern.
Sie hatte nichts von jener Besliss-n
-heit, die zu gefallen wünscht, im Ge
genteil, sie gab stillschweigend zu ver
stehen, daß sie voraussetze, man werde
sich bemühen, ihr zu gefallen; °bre
Stellung war immer di« einer Herr
scherin gewesen, und es fiel ihr nickt
ein, abdanken zu wollen.
„Wie ich sie beneide!" dachte Pau
la. „Ab«r diese Leichtigkeit kann man
sich nicht geben. Der Prinzessin liegt
daran, daß ich einen vorteilhaften
Eindruck mache, und zu dem Zweck
scheint mir schweigende Beobachtung
das sicherst« Mittel zu sein."
Wenn man in Verlegenheit ist, tut
man immer wohl, diesen Ausweg zu
ergreifen.
Die Marquise von Fougöres war
eine Dame von etwa seckzig Jahren.
Auf dem rötlich blonden Haar, das
in losen Scheiteln um ihre Stirne
lag und erst ganz wenig mit grau
untermengt war, trug sie ein schwar
zes KrepphLubchen; eine kurze, lose
Jacke von schwarzem Foulard und
ein Rock vom nämlichen Stoff bilde
ten ihren Anzug. Ihre Züge waren
ein wenig groß und schwarz, aber re
gelmäßig und nicht unschön; Paula
erfuhr später, daß sie in ihrer Jugend
für eine große Schönheit gegolten ha
be. Seit mehreren Jahren, leil dem
Tode eines einzigen Sohnes, hatte
sie diese schlich!- Art sich zu kleiden
beibehalten, die nur durch ein halbe»
die Zigarette und der entschieden
weltliche Ton ihres Gesprächs woll
ten für Paula nicht recht zu dem
stimmen. Ihre Tochter, die Gräfin
ein kleines, aufgestülptes Näschen
Paar hübscher, s^itzbü^is^er^
wichtig- Botschaft des Herrn Gr,s«n
zu bestellen. Der jungen Frau ent
schlüpfte ein Laut des Unmuts, aber
sie lächelte liebenswürdig uno bat
die Herzogin um die Erlaubnis ih
ren Diener hierher rufen zu lassen.
Diese war „atüruch ganz damit ein
verstanden, und bald darauf erschien
Lorenz, ein ehrbarer, grauhaariger
alter Mann, offenbar ein ererb'.es
Familienstück,
„Ich habe eine telephonische Mel
dung von der Bahn erhalten, gnä
digste Gräfin," sagte er, unter der
Türe stehen bleibend, „Der Herr
Graf werden morgen abend zu Hause
sein."
„Das habe ich mir doch gleich ge
dacht," rief die junge Frau sehr är
gerlich. „Natürlich muß Jacques
nach Hause gereist tommen, weil ?ein
Onlel gestorben ist. Es ist der helle
Unsinn, und das werde ich ihm auch
sagen ins Gesicht lachen werde ich
ihm! Wozu denn? Habe ich den al
ten Herrn nicht selbst begraben hel
fen? Habe ich nicht seinen Sohn, der
sich ums Leben bringen wollte, be
hütet und bewacht? Was braucht Ja
cques da nach Hause zu tommen, dai
soll mir einer sagen! Es ist wirklich
ist ein vortrefflicher
Mensch," wandt- ihre Mutter ein,
„Die Nachricht hat ihn erschüttert,
und er eilt spornstreichs nach Haus«.
Paula glaubte trotz der beruhigen
den Worte einen Anflug von Bosheit
im Ton der älteren Dame heraus
zuhören. .
„Es ist einfach lächerlich, sagte
die junge Frau, und ein müder, ab
gehetzter Ausdruck legte sich über ihr
lindliches Gesichtchen.
„Laura hätte so gerne . . . ein
wenig Ruhe gehabt," bemerkte die
Marquise entschuldigend.
„Ich glaubte wirklich, er sei für
einen Monat aufgehoben," s»hr Lau
ra fort, und ihre Stimme klang, als
ob sie das Weinen unterdrückte. „Er
sprach davon, nach Egypten zu ge
hen, und das ist weit weg ist es
nicht geradezu abgeschmackt, Lorenz "
fuhr sie fort, sich zu Paulas Vttwun-
„daß mein Mann seine
Reise unterbricht, während er doch
alle St. Pierres im Allgemeinen und
diesen Onkel im Besonderen nicht aus
stehen konnte? Haben Sie ihn nicht
oft und viel sagen hören, er hasse
seinen Onkel?"
„Vielleicht haben die Frau Gräfin
vergessen," versetzte Lorenz mit ruhi
ger Ehrfurcht in überlegendem Ton,
„daß nächste Woche das Schiedsgericht
in Orleans tagen wird, und daß der
Herr Graf den Sitzungen beiwohnen
wollten?"
„Das ist auch eine von seinen Narr
heiten," platzte die Gräfin los, „diese
politischen Geschichten richten einen zu
Grunde. Aber nein, das ist es nicht;
er hatte den Gedanken aufgegeben und
hat versprochen, vier Wochen fort zu
„Ich glaube, die Frau Gräfin ir
ren sich," entgegnete der alte Diener
in derselben ehrfurchtsvollen Weise.
„Gewiß kommen der Herr Graf we
gen der Sitzungen zurück! Aufgegeben
haben sie den Gedanken meines Wis
sens nie, gnädigste Gräfin."
Damit schob sich Lorenz rückwärts
men, sehr erfreut zu scheinen," sagte
die Mutter beschwichtigend, „und
mußt deinen Mann morgen früh
selbst abholen. Allerdings muß ich
zugeben," fuhr sie zu ihrer Wirtin ge
wendet fort, „daß Jacques seinen
Onkel gründlich gehaßt hat, und Gott
weiß, daß der alte Herr dies- Ab
neigung verdient hatte. Nie wurde
in dem Schloß da unten bei Tisch
ein böses Wort gesprochen, ohne daß
es von den Lippen dieses Scheusals
„Er war ein Greuel!" versicherte
ich alle/ getan, was die Sitte foroert
und habe sogar Trauer angelegt um
ihn. Jetzt wird Jacques kommen
und wird behaupten, es schicke sich
nicht, daß ich ins Theater gehe, und
ich wollte mich heute abend hinten
in die Loge setzen in schwarzem
Tüll mit Diamanten," fügte sie hin
zu, als ob dieses Opfer für das Ge
dächtnis des Toten eine ganz über
menschliche Leistung wäre.
„Ich werde dafür sorgen, daß man
dir nichts in den Weg legi," tröstete
die Marquise, aber dabei war wieder
etwas in ihrem Blick, was Paula
frösteln machte; sie mußte unwillkür
lich denken, daß sie diese Dame nicht
zur Widersacherin haben möchte, und
empfand plötzlich «in gewisses Mit
leid mit dem von ihr abhängigen
Schwiegersohn.
„Er hat ein friedliches E.ide ge
nommen, nicht wahr?" fragte die Her
zogin.
„O ja, ein wunderrzlles, was sei
nem Sohn ein großer Trost gewesen
ist," versicherte die Marquise mit un
getrübter Heiterkeit.
Sicht, daß für manche Leute Sterben
das Wünschenswerteste sei.
„Was die Religion für ihn tu«
konnte, ist geschehen," sagte die junge
Gräfin. „Dafür habe ich gesorgt; es
war auch sehr nötig. Und Fräulein
Armen verkauft. Es sind lauter Et»
schenke von ihm; er muß ihr leioen
schastlich ergeben gewesen sein, d>nn
als sie starb, wollte er sich zun' Fen
ster hinausstürzen."
eine Frau sorgen müssen, Laura."
bemerkte die Marquise, „und hier
sind zwei reizend? amerikanische Da
rben viel hinterlassen."
„Gesellschaftlich würde ich Loui»'
Frau einführen können, meine Da
men," sagte die junge Gräfin, lich
mit höchstem Ernst an Frau Heath
cote und Paula wendend, .wenn sie
hübsch ist, so wird es mir nicht schwer
sein, ihr alle Kreise zu erschließen.
Aber Schönheit ist ja bei einer Amt
rikanerin selbstverständlich," setzte sie
verbindlich hinzu, „somit wird nur
die Mitgift in Frage kommen."
„Unsere jungen Mädchen sind ein
wenig anspruchsvoll," bemerkte Frau
Heathcote lächelnd. „Sie wollen an
gebetet werden."
„Und weshalb sollten sie das nicht
verlangen?" sagte die Herzogin. „Ber-i
dienen sie es etwa nicht? Das ist ein
sehr berechtigter Wunsch. Bitte, liebste
Frau, schlagen Sie uns auf der Stelle
eines ihrer reizenden Landeskinder
vor. Er hat einen klangvollen alten
Namen, hat ein paar Dummheiten
gemacht, worunter aber keine ent
ehrende ist. Ich kenne den jungen
Menschen sehr genau. Er ist hübsch
und ein guter Kerl was bliebe da
zu wünschen übrig?"
„Amerikanische Mädchen haben die
von ihren Müttern übernommene An
schauung, daß sie sich verlieben müs
sen," versetzte Frau Heathcote la
„Das schadet nichts," erwiderte die
junge Gräsin, ganz bereit, Zugeständ
nisse zu machen, und sich mit der Tat
sachc daß man in Amerika sonderbare
Ideen habe, gelassen absindend,
„Wenn das so richtig ist, so wollen
wir dafür sorgen, daß sie sich in ihn
verliebt."
„Es ist nicht nur wichtig, fonvern
unerläßlich," versicherte Frau Heath
cote, immer noch lachend.
„Ja, warum soll er sich denn nicht
verlieben können? Louis hat etwas
sehr Einitehmendes, auch ist e: nichl
gerade ein Bettle: und hat immerbin
einiges Vermögen," sagte die Mar
quise. »Natürlich nicht Millionen,
wie es in ihrer Heimat üblich ist,
aber meine Tochter würde dafür sor
gen. daß ihre Stellung hier eine an
genehme sein würde. Soviel ich weiß
legen Ihre jungen Damen Wert dar
aus."
„Jedermann legt Wert auf seine
Stellung," bemerkte die Herzogin.
„Gewiß: es macht dir zum Bei
spiel sicherlich auch Vergnügen He»
zogin zu sein. Anna." sagte die Mar
quise. „Warum denn nicht? Nur bin
ich so daran gewöhnt," erwiderte die
Hausfrau lächelnd.
„Wir müssen entschieden eine pas
send,- Frau für Herrn von St. Pierre
sindcn," sagte Frau Heathcote mit
einem belustigten, vielsagenden Blick
zu Paula.
„Die Sache wird sich ganz von
selbst machen, wenn Sie uns nur
beim Einfädeln Helsen wollen." ver
setzte die Herzogin, „das einzige, wo
von wir nicht abgehen können, ist
katholische Kindererziehung."
Jetzt endlich wandte st« sich zum
erstenmal an Paula und fragte sie
„Winden Sie sich vielleicht gerne mein
Hau!' ansehen? Dafür bin ich noch
nichl durch Gewohnheit abgestumpft,
und ich freue mich immer, es Freun
den zeigen zu können. Wir wohnen
noch nicht lange hier."
„Und doch sieht alles aus, als ob
es von jeher an diesem Platz ge
standen hätte," bemerkte Paula.
„Es freut mich, wenn Sie das fin
den; all die Sachen oder wenigstens
die meisten, sind von unserm früheren
Haus über der Seine herübergekom
men. Vorwärts!" rief sie, sich an die
Spitze'des kleinen Zuges stellend. ~in
erst<r Linie sollen Sie meine teuer
sten Kleinodien sehen."
Sie ging den Damen voran durch
den langen Empfangssalon und führ
te sie, einen Türvorhang auslebend,
in den Speise- oder Bankettsaal an
dessen einem Ende mehrere Kinder
an einem kleinen Tisch ein bescheide
nes Mahl von Milch und Obst ver
zehrten. Der Raum war so außer
ordentlich groß, daß sie die Mutter
nichi eintreten hörten; sie führte aber
ein kleines mit Juwelen besetztes
Pfeifchen an den Mund, dessen schiil
ler Ton bis in den entfernten Win
ke! drang. Die Erzieherin, die bei
der tieinen Zwischenmahlzeit die Auf
sicht führte, erhob sich, und die Kin
der, zwei Knaben und zwei Mäd
chen stürmten herbei, um die Mama
zu begrüßen. Die Jungen 'llßten
ihr die Hand, und die Mädchen bo
ten ihr, auf den Zehen stehend, die
St'rne zum Kuß.
„Hier, Frau Norwood, das sind
meine Kinder," stellte sie mit Stolz
vor.
Die Knaben beugten sich mit ritter
lichem Anstand über Paulas Hand
Mädchen hatten dunkelblaue Woll
klei>,ch«n mit w«ißen Stickereien, die
Knaben eine Art Phantasiekl stüm^.
Kniehosen, ein Mittelding zwischen
englischer und französischer Kinder
kleidung. Der junge Herzog hatte
prächtiges dunkles Haar, das von
Natur gelockt war, und ein seines
kluges Gesicht.
„So. jetzt ist's gut Macht, daß
ihr wieder zu Fräulein Smith
kommt," sagte die Herzogin.
Sie sprach mit hoher gebieterischer
Stimme, wie jemand. d«r an unbe
dingten Gehorsam gewöhnt isi
„Dürfen wir die Hauskapelle se
hen?" fragte Frau Heathcot«.
„Sie müssen ihr etwas Schmeichel
haftes über ihre Kapelle sagen," slü
st«rie sie Paula ins Ohr. „Das
wird sie beglücken. Sie ist streng
kirchlich und wird hier sür ein- Hei
lige angesehen."
Die rundlich« lleine Heilige sührte
ihre Gäste durch einen spärüch er
leuchteten Gang und stieß selbst eine
Schicbtür« auf, worauf die drei Da
men im geheiligten Bereich einer
i häuslichen Kapelle standen. Es war
lalt und dunkel darin, «in Geruch
von welken Blumen erfüllte den
Raum. Der graue, nüchterne Pariser
> Tag fiel gedämpft durch di« aemal
, ten Glasscheiben und wars hie und
1 da ein Regenbogenlicht über den Al
tar an dessen Stus«n eine männli
che Person kniete. Der Beter erhob
„Ach, Herr Abbe, lassen Sie sich
nicht stören!" rief die Herzogin „Wir
möchten um leinen Pr«is Ihr? An
dacht unterbrechen."
Es war «in junger, hochgewachsener,
abschreckend häßlicher Gastlicher; seine
Hau! sah aus, als ob sie ihm zu eng
wäre, und hatte die besondere Be
schaffenheit, di« durch den Wechsel von
Völlerei und strengem Fasten ent
stehi. Wahrscheinlich bot di« Küche
der Herzogin reichliche Gelegenheit zu
mancherlei Gesetzesübertretungen. Der
junge Abbe verneigte sich schweigend
vor den drei Damen und verschwand
durch ein schmales Seitenpkörtchen
aus dem Heiligtum.
Di« Schönheit dieser stillen Zu
fluchtsstätte im Herzen einer geräusch
vollen Stadt und eines großen Hau
ses. das dem Gesellschaftsl«ben ge
widmet war, berührte Paula eigen
tümlich und trug ihr einen Hauch der
Romantik des alten Europa zu.
„Weshalb machen Sie nicht den Ver
such, mich zu Ihrer Religion zu be
kehren, Durchlaucht?" sagte sie zu
der Herzogin. „Ihre Kapelle ist so
schön, daß ich schon ganz katholisch
einbinde."
Zum erstenmal sah die untersetzte
Dame Paula fest in die und
maß si« vom Scheitel bis zur Sohle
mit einem durchdringenden Blick.
„Das würde die einfachste Sache
von d«r Welt sein," versetzt« st«
ernst. „Sie brauchen sich nur un
terrichten zu lassen."
„Ich würde mich dabei in keine
bessere Lehre geben können als in
die Ihrige, Durchlaucht."
Frau Heathcote hatte der Herzogin
einiae kurze Andeutungen über Pau
las Geschichte gegeben, und der Um
stand, daß die junge Frau sich nicht
hatt- scheiden lassen, sprach bei der
eifrigen Katholikin zu ihren Gunsten.
„Die Religion ist ein großer Trost;
ich wenigstens finde leinen andern
und glaube auch nicht, daß es einen
andirn gibt," sagte die Herzogin,
sich bekreuzend und der Marquise
von Fougöres, die mittlerweile nach
gekommen war, das Weihwasser bie
tend.
Von der Hauskapelle aus wurden
sie in das Schlafzimmer der Herzogin
geführt. Paula fand es im Ver
gleich mit den Schlafgemächern der
großen Damen in Amerika beinahe
eine größere Prachtentfaltung in die
s«m Raum nicht passend gesunden
haben; die vornehme Pariserin scheut
welt darin glänzen. In Amerika,
wo diese Klaff« sich minder ans Licht
drängt, l«nnt man solche Bedenk«»
nicht.
Das Bett und die Wände waren
mit grauem Atlas bekleidet. Der
weiß« Spitzenbezug des Ankleidetisches
glänzte nicht durch übergroß« Frisch«
desttauriger Christus hing; darunter
stand der Betstuhl der Herzogin
Die zierlichen Stiefelchen der from
men Dame lagen am Bod«n; Paula
und Frau Heathcote stiegen darüber
weg und hoben die Röcke aus, um si«
als noch anspruchsloser heraus; die
kleinen eisernen Bettgestelle waren mit
Steppdecken aus dunllem, geblümtem
Als sie wieder auf der leiten
sich die Herzogin an Frau Heath.ot«
mit der Frage: .Wollen Sie nicht
morgen bei mir essen, Si« und Ihr«
Fr'undin?"
~tzs tut mir sehr leid, aber Ich habe
morgen das diplomatische Korps zu
Tis».' erwiderte sie.
„Aber ich hosfe doch, daß Si«
lominen werden?" sagte sie zu Paula.
„Es würde mich sehr freuen und
die Kinder hätten eine gute Gelei
genyeit, englisch zu sprechen."
„Leider muß ich danlen," versetzte
Pauia ein wenig hochmütig. »Ich
bin auch schon versagt."
..Wollen Sie dann nicht am Sonn
tag zu Tisch kommen?" sragte die
Herzogin wie jemand, der dauhsus
nicht daran gewöhnt ist, abgewiesen
zu werdn,
Paula hatte zum zweitenmal eine
ablelnende Antwort auf der Zunge,
aber Frau Heathcote zupfte sie be
deutungsvoll am Aermel.
„Sage zu." flüsterte sie ihr zu.
aber Paula zögerte noch immer.
„Weshalb haben Sie denn gar
leine Lust zu mir zu kommen?"
fragte die Herzogin ein wenig ver
„Sie ist sehr stolz und ungeheuer
empfindlich," sagte Frau Heath-.ot«
mit Lachen leise zu ihr. „Man muß
ihr aufs liebenswürdigste zureden "
„Ach. du liebe Zeit!" sagte die
lleine Frau.
Schließlich wurde man aber doch
einig und verabredete sich dahin, daß
Paula zu Tisch und die Heachcoies
im späteren Verlauf des Abends
Als die Damen sich verabschiedeten,
lam ein ganzer Zug von Kindern
und „Fräuleins" die Treppe i^eraus
..Ach! Da kommt unsere kleine
Klasie!" rief die Herzogin. „Die
müssen Sie sich erst noch ansehen, »he
Si? gehen."
Sie führte die Amerikanerinnen
quer durch die Vorhalle in einen
großen Tanzsaal, wo die Geiger
eben ihre Instrumente stimmten und
der Tanzlehrer die Kinder aufstellte.
Ein Walzer wurde gespielt, und die
Herzogin legte den Arm um Paula
uns slog mit ihr davon, mitten hin
ein in die Schar der jugendlichen
Tänzer.
,Si« walzen wundervoll," sagte die
Herzogin, als sie innehielten, lächelnd.
Die rasche Bewegung hatte Paulas
Wangen höher gefärbt, und sie ge
stand sich im stillen, daß ihr dies
freundliche Entgegenlommen wohler
tat. als sie eigentlich mit ihrem Bür
gerstolz vereinen konnte.
Mit etwas erw 'chten Gefühlen
bereitete sie sich für Diner am
„Sie sehen dabei mancherlei Be>
trachien Sie es als ein Stück der
Selbsierziehung. die ich Ihnen im
mer predigt," hatte Frau Heathcote
ermutigend bemerk!, „und mein Mann
und ich werden ja nach Tisch auf
ein« Stunde hinkommen."
Paula fühlte sich natürlich durch
das Bewußtsein, daß jedes ihrer
Worte und jede Bewegung einer
strengen Kritik unterworfen sein wür
den, etwas beengt und eingeschüchtert.
Si? hatte sich einem Gericht zu stel
len, ab«r sie war zu sehr Dame, um
sich je unsicher zu fühlen, und die
Gewißheit, gut angezogen zu sein,
verleiht auch dem schüchternsten weib
lich«» Wesen Halt und Kraft! Worth
hatte dieses Mal Wunder getan, und
Parias erstes Austreten, vor d-m ihr
so bange gewesen war, hatte Ersolg
blaßgrauer Atlas und V«ilchen
taten ihre Wirkung. Die Herzogin
wa' heute wundervoll gekleidet sun
leite von Diamanten und war sehr
schön frisiert. Di« Gesellschaft war
nur klein: achtzehn Personen, alle
mit großen Namen; aber was Ju
gend und Schönheit betras, gebührte
der Preis.
Frau von Freysne. die überseeische
Gattin des herzoglichen Freundes,
sah freilich jung aus, aber sie war
nicht hübsch: ein farbloses, sadcn
dünnrs Geschöpf, das außerordentlich
schweigsam zu sein schien. Paula
machte ihre Bekanntschaft erst nach
Tisch.
(ssoi-tsevung tolzt.)
Drohung. Pilkolo («ine
Rechnung schreibend): »Da habe ich
dem Fremden irrlümlichernxis« statt
stieben Mark acht Mark für das Lo
gis angesetzt."
Wirt: „Na, diesmal kannst Du's
noch steh«n lassen: 's nächste Mal
schreibst Du mir aber die ganze Rech
nung von neuem!"
Vokativus. „Was ist Ihr
Sohn geworden, Herr Huber?"
„Der ist Dichter."
„So. was dichtet er denn?"
„Augenblicklich macht «r Schllttil
r«im«."
„Na. sagen Sie mal, wird ihm
davon nicht schlecht?"
Glaubwürdig. Richter:
„Sie wollen den Diebstahl in d-m
Kleidtrladen nur aus Not begangen
haben, weil Ihre Kinder, nichts an
zuziehen hatten; warum nahmen Sie
züge mit?"
Angeklagter: „Zur Auswahl, He.'r
Richter, nur zur Auswahl!"
Unverdientes Renom
mee. A.: „Es hcißt immer, d«r
Chirurg Meier sei ein so geschickt«»
Für dir Küchr.
Wendischer Gurkensalat.
Die Gurlenscheibln werden gesalzen
und geps«ss«rt Zu dickslüffiger Sauce
verrüihrl man ein Stück recht frischen
Beefsteak ~a l n tar t a r e".
Gutes Rindfleisch mahlt man sein,
vermischt es mit Silz. Zwiebeln.
Psesser und rohem Eidotter Oder
man vermischt nur das fleisch mit
Psesser und Salz, formt es, drückt es
Kartosses Röi-ch e n, 12
mit 1 Ounrt Waffer und 1 Eßlössel
Salz gut lochen, seiht sie ab, zer
drückt sie und streicht sie durch ein
Sieb, gibt 1 Eßlöffel Butter, 3 Ei
dotter, ein wenig Muskatnuß. Salz
und Pfeffer hinzu, riibrt Alles gut
durcheinander, gibt die Masse in einen
Dressierbeutel, formt damit lleine Ra
sen auf eine aebulterte Pfanne, stellt
sie als Garn.tur um das
Feine Pflaumen - Kalt
schale. Zwei Pfund recht reif?.
Unzen Zucker und füllt Quart
Waffer darüber, deckt den Topf zu,
stellt ihn in eine Kasserolle mit sie
riickbleibenden Rückstand der Pflau
men, etwas Zimmt, 2 Nellen und
Quart Wasser noch ein Weilchen,
Brei mit halb Wasser, halb Rotwein
Pikantes Kartoffelmus.
Die geschälten, in Stücke geschnitte
nen Kartoffeln werden in Salzwasser
gar getoch! abgegossen, abgedämpft
! und dann durch den Kartoffelauet»
scher gedrückt. In einer Kasserolle
läßt man etwas Milch erwärmen.,
gibt ein Stückchen Butter dazu, schüt
tet die Kartofselmaffe hinein un!>
recht glatt. Wird das Mus zu steif.
servemilch gewärmt bereit zu halten.
Das Mus wird dann noch mit Salz
abgeschmeckt, schnell mit 1—
Obertassen voll geriebenem Schwei
letzt die Masse. In den be
einigen Eiern, zwei geriebenen durch
gebratenen Zwiebeln, Salz, Psesser
und einem Eßlössel gehackter Peter
silie unter die gehackten Fleischreste
mischt, so daß eine lockere Masse ent-
In Butter lichkbravn.
Buttermilch - Klöße. Man
nimmt etwa «in Pfund Mehl, etwas
Salz, «inen halben Teelöffel doppelt
kohlensaures N»itron, drei Eßlöffel
Zucker und verrührt dieses mit so
viel Buttermilch (vielleicht einer Tas
se), daß man einen weichen Teig be
lommt. Während des Rührens hat
man eine Kafferole mit Pfund
Schweineschmalz und !/t Pfund
Rindstalg auf das Feuer gestellt.
Siedet das Fett, so nimmt man mit
einem Lössel von obigem Teige nicht
zu große Klöße aus und legt sie mit
dem Lössel in dos siedende Fett un>>
bäckt sie wie Pfannluchen, welchen sie
auch im Geschmack ziemlich gleich
lommen. Zuletzt besieht man sie mit
Zucker und gibt Fruchtsaft oder Va
nillesauce dazv. Will man den Teig
sehr gut machen, so nimmt man noch
ein Ei dazu.